Letzter Punkt: Sie jagen Ihre Gesetzesinitiative, die fraktionsgetragen ist, durch dieses Parlament. Sie haben lange verhindert, dass unsere Anträge im Ausschuss diskutiert werden. Sie haben verhindert, dass eine ordentliche Anhörung im Ausschuss stattfindet. Das machen Sie jetzt offensichtlich wieder, und ich frage Sie: Wieso haben Sie denn eigentlich Angst vor einer ordentlichen Anhörung? Da können Sie alle Ihre Zeugen, dass das alles nicht klappt, gerne aufrufen. Warum haben Sie Angst, diese Anhörung vorzunehmen und dann ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren durchzuführen?
Vielen Dank! – Herr Kollege Melzer verzichtet. – Dann haben wir als Nächsten für die Piraten Herrn Kollegen Herberg.
Danke, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die Änderung des Vergabegesetzes der Koalition ist nicht mehr wert als das Papier, auf dem es geschrieben ist. Wieder einmal scheint das Motto: Lieber schnell verabschieden, als handwerklich in Ordnung zu sein. – Natürlich war man auch nicht in der Lage, der Verabschiedung eine Beratung vorangehen zu lassen, denn im Hauptausschuss wurden die Fragen, die wir gestellt haben, überhaupt nicht beantwortet, weder von der Koalition noch vom Senat noch von der Verwaltung. Es wurde einfach geschwiegen, nichts gesagt. Eine sehr schöne Demokratie, die Sie hier pflegen. Aber wieso auch nicht? Die CDU will mal wieder einen Erfolg feiern – Entbürokratisierung –, und die SPD will wenigstens auf dem Papier den Mindestlohn durchsetzen, wenn sie es schon woanders nicht schafft.
Bis gestern allerdings auch nur für Vergaben über 10 000 Euro! Erst nachdem die Opposition Sie darauf hingewiesen hat, dass Sie den Mindestlohn nur durch die neue 500-Euro-Regelung wieder eingeführt haben, haben Sie es mit dem Änderungsantrag dann am Mittwoch noch mal geändert, also quasi erst, nachdem wir Sie darauf aufmerksam gemacht haben, dass Ihr Gesetz schlecht war, haben Sie es noch mal geändert. Ich glaube, Sie sollten sich noch ein bisschen Zeit dafür nehmen, Ihr eigenes Gesetz besser zu verstehen.
Jetzt knallen wir erst mal mit anderem Datum, wenn wir das heute beschließen, auf das Jahr 1995 zurück. Wie die neuen Umweltvergaberichtlinien aussehen, wissen wir noch nicht genau. Das wird uns vielleicht noch zugestellt.
Wir müssen gucken, wie es in Berlin ausschaut. Wir haben 2 500 Vergabestellen. Vielleicht sollte man mal an der Stellschraube herumschrauben, um zu gucken, ob man damit nicht vielleicht effektiver Bürokratie abbauen kann.
Ob das überhaupt zutrifft, wissen wir nicht. Weder vom Senat noch von der Verwaltung kamen irgendwelche Zahlen. Wir wissen nicht, wie viele Vergaben unter 10 000 Euro wirklich betroffen sind. Wir wissen auch nicht, wie viel Kapazität in den Vergabestellen effektiv dadurch gebunden ist. Wir wissen auch noch nicht genau, um welchen Gesamtauftragswert es überhaupt geht. Die Zahlen variieren ungefähr zwischen 4 bis 5 Millionen Euro. Ohne diese Fakten überhaupt zu haben, die nur auf Hörensagen beruhen, sollen wir uns hier und heute mit einer dringlichen Gesetzesänderung beschäftigen. Das ist nicht sehr demokratisch, das ist auch nicht sehr clever.
Wir als Piratenfraktion werden uns gegen dieses Gesetz aussprechen, weil es anscheinend nur ein billiger Kuhhandel zwischen den Koalitionsfraktionen ist. Im Hauptausschuss hat uns Herr Schneider vorgeworfen, wir seien auf einmal gegen den Mindestlohn, weil wir Piraten gegen die Änderung gestimmt haben. Nein, wir sind natürlich nicht gegen den Mindestlohn, wir sind aber dagegen, dass handwerklich völlig mangelhafte Gesetze einfach so abgestimmt werden und hier noch als dringlich eingebracht werden. An so einer Stelle kann man auch mal gegen alles stimmen.
Wir haben Ihnen allen die Hand gereicht – es ist ja nicht so, dass die Änderung des Vergabegesetzes von uns blockiert wird. Setzen Sie sich mit uns noch einmal zusammen und schauen sich mit uns die Punkte Umwelt und Fair-Trade noch mal an, damit wir dort noch justieren können, dann können wir es einstimmig beschließen. Es wäre ein viel besseres Zeichen für Berlin, wenn das gesamte Parlament, wenn alle Bürger, die uns gewählt haben, quasi vereinigt ein neues Vergabegesetz bekommen, mit dem alle leben können. Nehmen Sie unsere Hand, die wir Ihnen reichen, lassen Sie es nicht auf so eine Konfrontation ankommen! – Danke schön!
Es liegen uns dringliche Beschlussempfehlungen des Wirtschaftsausschusses und des Hauptausschusses vor. Mit heutigem Schreiben beantragen die drei Oppositionsfraktionen die Rücküberweisung an den für Umwelt zuständigen Ausschuss. Hierüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer der Rücküberweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen, Linken und die Piraten. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen.
Bevor wir über den Gesetzesantrag entscheiden, lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wer dem Änderungsantrag auf Drucksache 17/0211-1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen und Die Linke. Gegenstimmen?
Oh, Entschuldigung! Dann noch einmal! Wer will dem zustimmen? – Das sind die Grünen, die Linken und die Piraten. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Zum Gesetzesantrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 17/0211 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Annahme mit Änderungen. Wer dem Antrag mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Damit ist das Gesetz – –
Ach so, und eine Gegenstimme aus der SPD-Fraktion. Damit ist das Gesetz zur Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes mit diesen Änderungen beschlossen worden.
Gemäß § 72 der Geschäftsordnung hat nun der Kollege Buchholz Gelegenheit zu einer Erklärung bis zu maximal drei Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich habe eben bei der Abstimmung nicht der von CDU und SPD vorgelegten Gesetzesänderung zugestimmt; ich finde, Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, warum ich das getan habe. Natürlich bin ich für einen Mindestlohn von 8,50 Euro –das steht außer Zweifel bei einem wirklichen Sozialdemokraten –, die anderen Änderungen konnte ich aber nicht mit verabschieden.
Vor rund zwei Jahren haben wir erstmals in das Vergabegesetz einen Paragrafen „Umweltfreundliche Beschaffung“ aufgenommen – den § 7. Sie können mir glauben, ich habe den nicht nur intensiv begleitet, sondern ich darf behaupten, dass der Kollege Holger Thärichen und ich ihn entworfen haben – mit viel Herzblut, viel Leidenschaft und inhaltlicher Überzeugung. Deswegen konnte ich heute nicht zustimmen, da ich glaube, dass durch die Wertgrenze von 10 000 Euro die eigentliche Substanz dieses Paragrafens ausgehöhlt wird und de facto abgeschafft wird. Bei 2 500 Vergabestellen in Berlin ist wohl jedem unmittelbar einsichtig, wenn dezentral in jeder einzelnen Schule, in jedem Bezirksamt, in jedem Grünflächenamt einzeln eingekauft wird, erreicht man die Wertgrenze von 10 000 Euro nur in seltenen Fällen, wenn es um wirklich große Einkäufe geht.
Ich habe mich wirklich gefragt: Bin ich zu dogmatisch, widerspreche ich Grundsätzen? – Ich habe nachgelesen, und für jede Koalition gibt es eine Koalitionsvereinbarung, dies ist unsere rot-schwarze Bibel. Hier steht wörtlich:
Umweltfreundliche Beschaffung – Das Land Berlin mit all seinen Beteiligungen wird bei seiner Beschaffung umweltfreundliche Leistungen und Produkte bevorzugen. Eine Umsetzungsverordnung für das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz ist unverzüglich nach Abschluss des Notifizierungsverfahrens inkraftzusetzen.
Dann der zweite Blick – was sagt die CDU-Fraktion? – Der Beschluss zur Koalitionsvereinbarung ist ja vom November. 20 April 2012, zum Thema Energienetze, Einleitung des Beschlusses der CDU-Fraktion:
netenhaus ganz oben auf der politischen Agenda. Insbesondere der Klimawandel zwingt uns, unser bisheriges wirtschaftliches Handeln zu überdenken und neue Wege zu gehen, um wirtschaftlichen Wohlstand für die Berlinerinnen und Berliner auf der einen Seite und die Erhaltung der intakten Umwelt für unsere Nachkommen auf der anderen Seite vereinbaren zu können.
Ein Beschluss des CDU-Landesparteitages vom 11. Mai 2012, wenige Tage alt. Überschrift: Berlin – Hauptstadt der Nachhaltigkeit.
Die CDU Berlin sieht im Klimaschutz und in der Energiewende eine große Chance für unsere Stadt, ihren wirtschaftlichen Rückstand zu überwinden. Wir wollen die deutsche Hauptstadt zu einer vorbildlichen europäischen Umweltmetropole entwickeln. Sie kann eine Hauptstadt der Nachhaltigkeit werden.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident! – Es ist keine einfache Entscheidung, gegen seine eigene Fraktion zu stimmen. Das letzte Mal, dass ich das getan habe, war im Jahr 2003. Ich habe das gut abgewogen, ich möchte schließen mit einem Zitat, denn natürlich gibt es dazu Fragen und Anwürfe. Ich möchte dazu aus der Berliner Verfassung vorlesen, § 38:
Die Abgeordneten sind Vertreter aller Berliner. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Ich habe es intensiv für mich abgewogen, ich konnte diese Änderung nicht beschließen und bitte um Ihr Verständnis dafür. – Vielen Dank!
[Anhaltender Beifall, teilweise im Stehen, bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Bravo! von der LINKEN]