Wie kann es sein, dass ausgerechnet Klaus Wowereit, der uns Grünen Infrastruktur- und Planungsfeindlichkeit vorgehalten hat, nun das größte Infrastrukturprojekt der Republik in den Sand setzt? Und auch jetzt wollen Sie nichts gewusst haben.
Sie selbst haben es angesprochen: Am 4. April hat die Flughafengesellschaft beim Brandschutz einen Antrag auf Sondergenehmigung gestellt. Sie wollten Brandschutztüren und Sprinkleranlagen von Hand betätigen, weil es anders nicht funktionierte. – Verstehe ich Sie richtig? Der modernste, größte und tollste Flughafen Europas sollte in zentralen Sicherheitsbereichen von Hand bedient werden? – Das kann nicht Ihr Ernst gewesen sein, das kann doch nur pure Verzweiflung gewesen sein.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion)]
Darüber gab es einen regen Briefwechsel zwischen der Flughafengesellschaft und der Genehmigungsbehörde. Am 20. April – nicht am 20. August, Herr Wowereit – tagte Ihr Aufsichtsrat. Dort wurde dieses Riesenproblem nicht besprochen und sind Sie kurz vor der Eröffnung nicht alles durchgegangen. Wie soll man Ihnen eigentlich glauben, dass die Sicherheit oberste Priorität hat, wenn das als Randproblem abgetan wurde, was zwar irgendwie da ist, aber schon gelöst werden wird? Wollten Sie vielleicht gar nicht so genau etwas von den Problemen wissen, Herr Wowereit, oder haben Sie sich an der Nase herumführen lassen? Was ist eigentlich am 20. April im Aufsichtsrat passiert? Das bedarf der Aufklärung.
Um Sie vielleicht daran zu erinnern: Sie selbst haben uns im Juli 2010 von Ihrem engen Kontakt berichtet. – Ich zitiere aus der roten Nr. 2095 C der 16. Wahlperiode:
Der Regierende Bürgermeister ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender der FBS und Mitglied im sogenannten Projektausschuss BBI, sondern auch Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der FBS und Vorsitzender des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats der FBS. Dementsprechend intensiv und regelmäßig ist der Informationsaustausch des Regierenden Bürgermeisters mit der Geschäftsführung. Darüber hinaus hat der Regierende Bürgermeister die Senatskanzlei beauftragt, kontinuierlich den Projektfortschritt zu beobachten und Stellungnahmen von der Geschäftsführung zu aktuellen Fragen einzuholen.
Was ist denn eigentlich aktueller, Herr Regierender Bürgermeister, als Fragen der Sicherheit und des Brandschutzes?
Die Berlinerinnen und Berliner wollen Antworten. Sie müssen sich auf das Wort ihres Regierenden Bürgermeisters verlassen können. Eines ist aber heute festzustellen: Das System Wowereit ist gescheitert! Ein Thema mit großem Aplomb zur Chefsache zu erklären und die Kleinarbeit den anderen zu überlassen, aber wenn das am Ende schiefgeht, dann sind wieder die anderen schuld gewesen. Der Regierende wollte hier per Autopilot ans Ziel kommen, aber jetzt kam die unsanfte Bruchlandung, denn diesmal geht die Rechnung nicht auf. Alle sind sich einig: Die Chefsache Flughafen hat der Chef höchstpersönlich verbockt.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Es kann nicht sein, dass am Ende mal wieder niemand verantwortlich gewesen sein will für diesen Imageschaden, für den wirtschaftlichen und finanziellen Schaden, der hier eingetreten ist. Zu sagen, irgendwie ist keiner schuld gewesen, keiner will etwas davon gewusst haben, das kann es nicht geben! Wir brauchen eine Aufklärung der Sachlage, und wenn Sie sich verweigern, dann werden wir unsere parlamentarischen Möglichkeiten einzusetzen wissen. Das werden wir nicht durchgehen lassen.
Ich habe es gerade angesprochen: Seit Mitte 2010 war bekannt, dass der Flughafen riesige Probleme beim Innenausbau hatte. Nach der Verschiebung des ersten Eröffnungstermins konnte es Herrn Wowereit allerdings mal wieder nicht schnell genug gehen. Sie höchstpersönlich haben massiv auf die Tube gedrückt, Zeitdruck gemacht und teure Beschleunigungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, denn Sie haben den Flughafen zu Ihrem Wahlkampfthema und Ihrem zentralen Regierungsprojekt hochgejubelt, und zwar völlig ohne Not. Sie, Herr Wowereit, haben die Eröffnung des Flughafens zum wichtigsten
Symboltag Ihrer Regierung – gucken Sie in Ihre eigene Regierungserklärung! – und unumstößlichen Termin erklärt. Diese Überhöhung eines einzigen Ereignisses fällt Ihnen und uns allen heute auf die Füße.
Und schlimmer noch: Sie haben bewusst die entstehenden Risiken in Kauf genommen, nur um Ihren politisch gesetzten Eröffnungstermin durchsetzen zu können. Am 16. Juni 2010 haben Sie im Hauptausschuss gesagt – ich zitiere aus dem Wortprotokoll:
Das führt aber nicht dazu, dass ich mir so viel Luft lasse, dass ich auf jeden Fall auf der sicheren Seite bin, denn das nützt dem Projekt überhaupt nichts. Ohne Termindruck kommen Sie in dem Projekt nicht weiter. Insofern gehe ich auch weiterhin dieses Risiko ein.
Herr Wowereit! In einem haben Sie recht: Die Sicherheit der Menschen geht vor. Doch angesichts ihrer soeben zitierten Haltung kann ich nicht mehr so richtig nachvollziehen, dass Sie heute die Sicherheit zur obersten Priorität erklären. Sie selbst haben im Juni 2010 gesagt, dass man gar nicht so lange warten müsse, bis man auf der sicheren Seite ist. Die Sicherheit war damals offensichtlich nicht so viel wert.
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Sie sind mit Ihrem Zeitdruck selbst zum Sicherheitsrisiko für den Flughafen geworden.
Sie haben damals etwas Entscheidendes gesagt, was ich heute vermisst habe: Sie haben gesagt, Sie gehen dieses Risiko ein, und damit haben Sie Verantwortung übernommen, wenn etwas schiefgeht. Nun ist es schiefgegangen, und Sie sollten zu Ihrer Verantwortung stehen.
Wenn wir jetzt über die Folgen diskutieren, dann sollten Sie nicht den gleichen Fehler wiederholen. Auch jetzt machen Sie wieder Zeitdruck, dass der Flughafen möglichst bald eröffnet werden muss, sodass Sie darüber sogar in einen handfesten Streit mit den Fluggesellschaften geraten. Alle wissen, dass Umzüge dieser Art am besten zum jeweiligen Flugplanwechsel zum Sommer und Winter zu bewältigen sind.
Darüber streiten Sie am besten mit den Airlines. Sie sehen das offensichtlich anders als die Airlines. Deswegen war zunächst der Oktober 2011 als Umzugstermin geplant und jetzt der Juni 2012. Nutzen Sie die Zeit, die Sicherheitssysteme zum Laufen zu bringen! Nutzen Sie die Zeit, den Lärmschutz ordentlich auf den Weg zu brin
Die Geschichte ist nicht ausgestanden. Wir brauchen Aufklärung über die Folgen, über die Schadenersatzforderungen. Was geschieht mit den Beschäftigten an den Flughäfen?
Teilweise wurde ihnen gekündigt, teilweise kommen sie nicht zum Arbeiten. Welcher Schaden entsteht der Berliner Wirtschaft? Wer wird die Folgekosten tragen, da wir davon ausgehen müssen, dass die Flughafengesellschaft kein Geld mehr im Budget hat? Muss wieder der Steuerzahler für das Missmanagement an dieser Stelle herhalten? Klären Sie uns auf, Herr Wowereit. Müssen die Berlinerinnen und Berliner zum Spott auch noch die Kosten Ihrer Pleite tragen? Ich warte auf die Aufklärung. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Kollege Saleh das Wort! – Bitte schön, Herr Saleh!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der neue Flughafen wird die richtige Infrastruktur für die kommenden Jahrzehnte schaffen. Er ist das ambitionierteste und größte Projekt, das derzeit in Deutschland durchgeführt wird. Ich werde nicht an den Problemen vorbeireden. Das hat der Regierende Bürgermeister nicht getan,
das hat der Ministerpräsident von Brandenburg nicht gemacht, und auch der Bundesverkehrsminister hat nichts beschönigt.
Bei aller Enttäuschung – und, ja, wir sind enttäuscht – sage ich, der Willy-Brandt-Flughafen wird ein Erfolg für Berlin und Brandenburg sein. Daran wird diese Verschiebung nichts, aber auch gar nichts ändern.
Sie ist peinlich für Berlin, für Brandenburg, für die Bundesregierung. Das ist ganz klar. Da gibt es dann auch Spott. Auf Twitter wurde der Flughafen in Willy Brandtschutz umbenannt. Andere schrieben von Problem-BER. Damit müssen wir leben.
Ein Kommentator hat die Verschiebung der Eröffnung des Flughafens sogar mit der Berlin-Blockade verglichen. Ich zitiere:
Aber wenn es auf der Welt eine Millionenstadt gibt, die es erträgt, von der Außenwelt abgeriegelt zu sein, dann doch wohl Berlin, die Heldenstadt der Berlin-Blockade. Die aktuelle Berlin-Blockade haben wir uns sogar allein gebastelt, ohne Russen. Nur Brandenburg hat geholfen.