Protocol of the Session on March 22, 2012

Lieber Kollege Lederer! Das Leben ist ja so einfach, wenn man in der Opposition sitzt.

[Unruhe bei der LINKEN]

Die Koalition darf eigene Anträge und Beschlüsse nicht mal mehr feiern. Egal, was die Regierung hier macht: Wenn die Regierung nicht handelt, stellen Sie sich hin und werfen uns vor, dass wir in 100 Tagen nicht den gesamten Koalitionsvertrag umgesetzt haben. Schaffen wir eine gesetzliche Regelung, stellen Sie sich hin und sagen, wir würden uns dafür feiern. Was wollen Sie denn eigentlich?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Zur Sache!]

Lieber Kollege Lederer! Ich weiß nicht, welche Wahrnehmung Sie von unserer Fraktion haben, aber ich habe nicht das Gefühl, dass die halbe Fraktion weggerannt ist, nicht mehr im Raum sitzt und nicht mehr anwesend ist. Lieber Kollege Lederer! Sie wollen sich doch nur vor der Verantwortung drücken, hier einem eigentlich ordentlichen Gesetz zuzustimmen.

[Zuruf von der LINKEN]

Meine letzte Anmerkung zu Ihrem Verweis auf die Gerichte: Sie können selbstverständlich immer alle Gesetze mit unbestimmten Rechtsbegriffen machen. Aber damit verarschen Sie sich doch selbst. – Entschuldigen Sie diesen Ausdruck!

Herr Kohlmeier!

Wenn Sie eine gesetzliche Regelung schaffen und dann sagen, darüber soll ein Gericht entscheiden, dann ist das so. – Nein! Diese Koalition möchte nicht, dass über Übergangsgeld ein Gericht entscheidet. Wir wollen, dass klar im Gesetz steht, wer Übergangsgeld bekommt und wer nicht.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Lieber Kollege Lederer! Wenn für Sie die Ungerechtigkeit bezüglich des Übergangsgelds so groß ist und Sie so eine soziale Ader haben, dann frage ich Sie, warum Ihre ehemaligen Senatorinnen, Senatoren und Staatssekretäre dieses Übergangsgeld mitnehmen. Die finden es alle in Ordnung, dass es Übergangsgeld gibt.

[Uwe Doering (LINKE): Aber nicht für zwölf Tage!]

Nur in diesem einen Fall soll sich die Koalition nicht feiern. So funktioniert das nicht. Wir können uns tatsächlich für diese Änderung feiern, deren Notwendigkeit Sie in den letzten zehn Jahren auch nicht erkannt haben.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! Sie haben im Redefluss selbst gemerkt, dass Ihnen ein unparlamentarisches Wort

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

durchgerutscht ist. Auch Ihnen traue ich die nötige Kreativität zu, sich künftig eines anderen Wortes zu befleißigen, um Ihren Unmut auszudrücken. – Jetzt hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Behrendt!

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kohlmeier! Der zweite Teil Ihrer Rede enthielt nachdenkliche Töne zur Sache. Ich dachte schon, das wäre das Niveau, auf dem man diskutieren könne. Ihre letzte Intervention hat leider in der Sache keinen Fortschritt gebracht. Ich glaube, es wäre uns allen gedient, wenn wir hier zur Sache reden und das kleinliche Gezänk beenden würden.

[Daniel Buchholz (SPD): Das sagt der Richtige!]

Es ist zu loben, dass sich die Regierungskoalition bewegt. Es ist zwar fast der einzige Gesetzesantrag, der im letzten halben Jahr zur Abstimmung gestellt wurde. Der Anlass dafür ist auch noch selbstverschuldet, denn es geht darum, die Konsequenzen aus der Causa Braun zu ziehen und das Senatorengesetz anzupassen. Es ist aber trotzdem ein richtiger Schritt, denn damit wird die schamlose Selbstbedienung zumindest eingeschränkt.

Allerdings machen die Koalitionsfraktionen nur einen von zwei notwendigen Schritten, und wer den Mund spitzt, der sollte auch pfeifen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Warum soll weiterhin die Möglichkeit bestehen, statt eines Rücktritts um Entlassung zu bitten – mit der Folge, dass in einem solchen Fall das Übergangsgeld Bestand hat? Hier wird Gleiches unterschiedlich behandelt, was sich in der Sache nicht wirklich unterscheiden lässt. In der Sache wird die Versorgungslage der Senatoren, die ohnehin recht üppig ist – der Kollege Lederer hat schon darauf hingewiesen –, verbessert. Das ist weder zeit- noch sachgerecht. Ich wage weiterhin die Prognose – das habe ich schon bei der Einbringung gesagt –, dass in diesem Land niemand mehr zurücktreten wird, sondern immer der goldene Weg über die Bitte auf Entlassung gewählt wird, wenn wir das Gesetz an dieser Stelle nicht ändern.

Bis vor wenigen Jahren kam Berlin auch ohne diesen Weg aus. Es muss hier daran erinnert werden: Es gab bereits Beendigungsgründe für Senatoren, nämlich den Rücktritt, die Abwahl und das Ableben. 40 Jahre lang hat das vollkommen ausgereicht. Mir ist keine Diskussion bekannt, in der ein Rücktritt aus Krankheitsgründen – das wurde als Argument von der Koalition geltend gemacht – unzumutbar gewesen wäre, und es gab in diesen 40 Jahren gewiss unzählige Amtsbeendigungen.

Deshalb wollen wir mit unserem Änderungsantrag, den wir im Ausschuss gestellt und beraten haben, einen ein

heitlichen Beendigungstatbestand und Klarheit schaffen. Der Regierende Bürgermeister kann dann nicht mehr nach Gutdünken darüber befinden, ob er politisch einer Bitte auf Entlassung oder doch einem Rücktritt nachkommt. Das Übergangsgeld richtet sich dann ausschließlich danach, ob der Betreffende freiwillig oder unfreiwillig aus dem Amt scheidet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Mit dieser Gesetzesänderung ist die Aufarbeitung der Schrottimmobilienaffäre noch nicht beendet. Wir warten gespannt auf das Schicksal der heilmannschen – er ist leider nicht anwesend – Initiative zur Stärkung des Verbraucherschutzes in der Justizministerkonferenz. Wir erwarten, dass Berlin alles Notwendige tut.

Die Notaraufsicht war bisher in diesem Land unzureichend. Wenn man nicht nach den typischen Erkennungsmerkmalen der Schrottimmobilienszene, die Aufspaltung in Angebot und Annahme und Beurkundung zur Unzeit, sucht, kann man das auch nicht finden. Die gestrige, längst überfällige Änderung der Richtlinien der Berliner Notarkammer gibt eine weitere Grundlage für eine effektive Prüfung der Berliner Notare. – Walten Sie endlich Ihres Amtes! Legen Sie den schwarzen Schafen unter den Berliner Notaren das Handwerk! Die Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher werden es Ihnen danken.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir erwarten, dass gegen den Schrottnotar Braun, dessen unlautere Machenschaften nunmehr gerichtskundig sind, disziplinarrechtlich vorgegangen wird. Ob er weiter als einer der Notare der Berliner Schrottimmobilienszene Verbraucherinnen und Verbraucher hereinlegen darf, ist Sache der Notaraufsicht. Wir erwarten, dass bei der Prüfung seiner Tätigkeit – anders als bei der Blitzprüfung durch die Präsidentin der Berliner Notarkammer, Frau Holthausen-Dux – keine parteipolitische Rücksicht genommen wird. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Der Abgeordnete Rissmann hat für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Besoldung und Versorgung von Politikern ist immer geeignet, einen breiten Raum in der öffentlichen Diskussion einzunehmen. Das war und ist hier auch so. Die Opposition hat das genutzt. Teile haben das sachlich getan, andere weniger sachlich. Das ist öfter so und liegt vielleicht in der Natur der Sache.

Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zur Regierungskoalition: Sie haben diesen breiten öffentlichen

Raum, den ich eben angesprochen habe, genutzt, um sich darzustellen. Vorgelegt haben Sie nichts. Das hat die Regierungskoalition getan. Wir haben ein Problem erkannt und es umgehend gelöst. Damit haben wir im Gegensatz zu Ihnen unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Bei der Debatte um die Besoldung und Versorgung von Politikern, hier besonders der Senatsmitglieder, mag es – unabhängig von dem heute hier vorliegenden – Fälle geben, in denen Politiker zu Unrecht einer Neiddebatte ausgesetzt sind. Wenn man an die Entlohung und Versorgung von Geschäftsführern, Vorständen, Direktoren landeseigener Betriebe und Unternehmen oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks denkt, wird man feststellen, dass dieser Personenkreis in aller Regel deutlich besser bezahlt und versorgt ist als beispielsweise der Regierende Bürgermeister. Ist dieser Umstand eigentlich gerecht? Tragen diese Personen etwa mehr Verantwortung für Vermögen, Mitarbeiter und Bürger als die Mitglieder des Berliner Senats? – Ich denke, nicht! Werden sie aber de facto nicht genauso wie die Mitglieder des Berliner Senats aus öffentlichen Mitteln bezahlt? Meine persönliche Meinung ist daher, dass gerade auch bei einer vergleichenden Betrachtung unsere Berliner Spitzenpolitiker nicht zu gut bezahlt sind. Diejenigen, die das anders sehen, müssten mir die Frage beantworten, ob sie in der Konsequenz eine politische Klasse haben wollen, die dann naheliegenderweise nur noch aus Berufspolitikern ohne berufliche Alternative, Beamten und Millionären bestehen würde.

Auf der anderen Seite – darüber reden wir heute – gibt es auch Versorgungsregelungen, die schwer oder gar nicht zu rechtfertigen sind. Das ist bei einem Teil des Übergangsgeldes für Senatoren der Fall. Aufgefallen ist das erst, als die bisherige Regelung der Mindestbezugsdauer von sechs Monaten unabhängig von der tatsachlichen Dienstzeit zum Tragen kam. Hier hat die Koalition Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber nur hier! Sonst nicht!]

Probleme erkannt und – sofern der Antrag heute eine Mehrheit findet – abgestellt. Wir werden die Mindestbezugsdauer von sechs Monaten streichen und die Dauer der Gewährung von Übergangsgeld an die Amtszeit koppeln.

Wie offenbar auch Teile der Opposition, sind wir weiterhin der Meinung, dass das Übergangsgeld grundsätzlich gerechtfertigt ist. Ich verweise dazu auf meine anfänglichen Ausführungen. Umstritten ist nur noch – das zeigt jedenfalls der Änderungsantrag der Grünen und Linken und der Teil des Redebeitrags des Kollegen Behrendt, der sich nicht in beleidigenden Äußerungen ergangen hat – der Tatbestand, der die Leistung von Übergangsgeld zur Rechtsfolge hat. Die Koalition hält die Differenzierung zwischen Rücktritt, der kein Übergangsgeld zur Folge hat, und Entlassung, die die Leistung von Übergangsgeld

mit sich bringen kann, nach wie vor für sachlich gerechtfertigt. Kollege Dr. Lederer wies darauf hin, dass man auf die Initiative abstellen müsse und dass bei einer Bitte um Entlassung die Initiative auch bei dem Senatsmitglied liege und man sie so wie einen Rücktritt behandeln solle. Ich und wir sagen: Man muss auf denjenigen abstellen, der die Entscheidung trifft. Bei einer Bitte auf Entlassung entscheidet der mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Regierende Bürgermeister, und es ist eine andere Entscheidung möglich, was bei einem Rücktritt nicht der Fall ist.

Abschließend: Ich denke, wir haben mit dem vorliegenden Antrag nicht nur schnell, sondern auch mit Augenmaß gehandelt. Wir haben einen Weg gefunden, eine notwendige Besoldung und Versorgung von Spitzenkräften zu gewährleisten, aber gleichzeitig auch eine Form der Überversorgung zu streichen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Für die Piratenfraktion hat der Abgeordnete Herberg das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Abgeordneten! Am 26. Januar habe ich hier gestanden und zu dem Antrag der Grünen geredet, als wir es noch mit in das Plenum genommen haben. Damals hat Herr Heilmann, der jetzt leider nicht da ist – das finde ich doof, weil ich auch ein paar nette Sachen zu ihm sagen wollte –, uns zugesichert, dass wir im Ausschuss darüber reden werden und es bald zu einer Klärung kommen wird. Er sagte, dass er schon ein paar Punkte hat und wir schon ein paar Punkte haben und wir da zu irgendetwas kommen. Das Versprechen ist gehalten worden. Der Antrag bzw. der Gesetzentwurf ist da, und ich persönlich werde dem meine Zustimmung geben. Ich kann sogar sagen, ohne ein Aber. Das ist in Ordnung – passt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir gucken dann einfach mal. Mit den Worten von Herrn Heilmann gesagt: Wir probieren es einfach mal aus und gucken, ob wir in die nächste Lücke treffen. Das werden wir dann sehen. Es gilt zwar nicht für die bereits im Amt befindlichen Senatoren und Senatorinnen. Das ist auch nicht das große Problem. Wenn der nächste mit der gleichen Problematik kommt, ist die politische Sprengkraft, glaube ich, größer als das Problem, dass wir da Übergangsgeld zahlen müssen.

Zum Änderungsantrag: Dem werde ich so nicht zustimmen. Ich finde es sinnvoller, wenn der Regierende Bürgermeister das politisch verantworten muss, wenn er jemanden entlässt – wenn also jemand um Entlassung bittet –, als wenn wir das hier juristisch festzurren. Denn

dann habe ich jemanden, von dem ich sagen kann, dass er dafür verantwortlich ist, und den ich dann piesacken kann. Er hat ja der Entlassung zugestimmt, und dafür muss er sich dann später rechtfertigen. Dementsprechend werde ich dem Änderungsantrag nicht zustimmen. Ich werde dem Antrag, der von der Koalition eingebracht wurde, zustimmen.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ja! Ist in Ordnung!