Protocol of the Session on March 22, 2012

Gesetz zur Änderung des Senatorengesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 5. März 2012 Drucksache 17/0222

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache17/0113

Zweite Lesung

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke vor, Drucksache 17/0113-2.

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II der Drucksache 17/0113 auf.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns: Berlins Kurzzeitsenator a. D. Braun – da sitzt er – hat den Regierenden Bürgermeister

Klaus Wowereit um Entlassung gebeten, weil er wegen der zwielichtigen Beurkundung zwielichtiger Immobiliengeschäfte unter Beschuss stand. Danach hatten wir eine öffentliche Debatte über die Gewährung eines Übergangsgeldes, das bei einem Rücktritt nicht bezahlt wird, bei der Entlassung eines Senatsmitglieds aber fällig wird.

Zu Recht hat sich seinerzeit die Stadtgesellschaft gefragt, wie es sein kann, dass in einem solchen Fall Übergangsgeld für bis zu zwei Jahre fließt. Zum Vergleich: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben im Fall ihres Arbeitsplatzverlustes Anspruch auf ALG für eine maximale Bezugszeit von einem Jahr, und dieser Anspruch entsteht auch nicht mit der ersten Arbeitsminute, sondern erst nach zwölf Monaten Arbeitszeit.

Als dann klar war, dass der Senat seinem Kurzzeitsenator einen Übergangsgeldanspruch zubilligen würde, wurde das hier im Parlament ziemlich intensiv und durchaus auch emotional diskutiert. Die Koalition hat seinerzeit in namentlicher Abstimmung einen Antrag weggebügelt, vonseiten der SPD mit einem wehleidigen „Wir würden ja gerne, aber wir können nicht – die Verfassung, das Gesetz!“

Dann hat die Koalition gemerkt, dass sie ein Akzeptanzproblem hat. Sie hat gemerkt, dass es in der Stadtgesellschaft nicht nur Beifall gibt, weil zu Recht die Frage gestellt wird: Ist das nicht eine Mitnahme- und Absahnmentalität, die sich ein Haushaltsnotlageland – arm, aber sexy – eigentlich überhaupt nicht leisten kann, von dem Gerechtigkeitsproblem mal ganz abgesehen? Und dann hat die Koalition relativ schnell reagiert und hat einen Änderungsantrag vorgelegt, der sich zumindest auf die Mindestdauer der Amtszeit eines Senators bezieht, an die dann entsprechendes Übergangsgeld gekoppelt wird.

Die Grünen haben seinerzeit gefordert, das von zwei Jahren auf ein Jahr zu kürzen, weil das Arbeitslosengeld auch nur für ein Jahr gezahlt wird. Wir haben seinerzeit gesagt, es wäre doch sinnvoll, man stellt klar, dass ein Rücktritt ein Rücktritt und eine Entlassung eine Entlassung ist, und zwar je nachdem, von wem die Initiative für den Akt der Beendigung des Senatorenamts ausgeht. Wir haben gesagt, es wäre schön, wir änderten dies, damit die SPD nie wieder in so schwierige Situationen kommt, dass sie sich hinstellen und sagen muss: Wir können nicht, würden aber gern: die Verfassung, das Gesetz!

Nun liegt uns nach den Ausschussberatungen der Antrag vor. Viel ist nicht passiert. Die eigentlich problematischen Fälle, also die, über die wir am Beispiel von Kurzzeitsenator a. D. Braun geredet haben, sind insoweit überhaupt nicht erfasst, als sich die Koalition um die Klarstellung, wann eigentlich Rücktritt und wann Entlassung vorliegt, gedrückt hat.

Wir werden uns zu diesem Antrag enthalten, denn ein paar Verbesserungen sind enthalten, sie haben nur nichts mit dem Fall Braun zu tun. Wir werden, gemeinsam mit den Grünen, Ihnen die Gelegenheit geben, sich noch mal die Frage zu stellen, ob es nicht sinnvoll ist, die Klarstellung ins Senatorengesetz aufzunehmen, die damals als problematisch empfunden worden ist. Vielleicht nutzen Sie die Chance, dann wird die Änderung des Senatorengesetzes zumindest in Bezug auf einen weiteren Aspekt eine wirkliche Veränderung. Diese ist notwendig, und dass wir da gesetzgeberischen Änderungsbedarf haben, das ist mindestens an dem Punkt deutlich geworden, wo die Stadt aufgeschrieen hat, wo auch Teile der SPD aufgeschrieen haben und gesagt haben: Das kann doch nicht sein, dass ein solcher Übergangsgeldanspruch bereits nach so wenigen Tagen entsteht, wenn doch eigentlich von richtiger Arbeit, außer, den eigenen Pelz zu retten, nicht wirklich die Rede sein kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lederer! Wenn Sie hier mit großem Pathos bedauern, dann frage ich Sie: Warum stimmen Sie dann unserem Antrag nicht zu, denn es ist doch letztendlich genau das, was Sie eigentlich auch wollen?

[Uwe Doering (LINKE): Das hat er doch gerade erklärt!]

Der einzige Unterschied ist doch nur, dass wir als Koalition gesagt haben, wir wollen kein Lex Braun, sondern wir wollen eine Regelung für alle Senatorinnen und Senatoren in diesem Land, die gerecht und den Bürgerinnen und Bürgern vermittelbar ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Man muss schon mal zuhören!]

Ich freue mich deshalb außerordentlich, dass wir heute zu der Entscheidung über die Änderung des Senatorengesetzes kommen.

Die Koalitionsfraktionen haben im Zusammenhang mit dem zitierten Fall Braun die Regelungslücke in § 16 des Senatorengesetzes erkannt und eine schnelle Änderung versprochen. Dieses Versprechen wird heute eingelöst. Deshalb ist es ein guter Tag für Berlin.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Mit der Gesetzesänderung wird eine Ungerechtigkeit beseitigt, die keinem Bürger verständlich und schon gar nicht zu erklären war. In den vergangenen 20 Jahren wurde das Senatorengesetz oft geändert, aber die Regelungslücke und die Missverhältnisse zwischen der Amtszeit eines Senators oder einer Senatorin und dem Zeitraum der Zahlung des Übergangsgeldes wurde leider von niemandem, auch nicht von der Opposition in diesem Haus, erkannt.

[Uwe Doering (LINKE): Was? Wo hast du denn gelebt? – Benedikt Lux (GRÜNE): Kohlmeier erzählt wieder Märchen!]

Deshalb macht es wenig Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von Regierung und Opposition, von Legislative und Exekutive und von der Presse, sich darin zu überbieten, die Ungerechtigkeit der bisherigen Regelung zu betonen und immer die moralische Keule zu schwingen. – Ja, es gibt eine Gerechtigkeitslücke,

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Und ihr schließt sie nicht!]

aber es gab bis zu dem Anlass, den wir in diesem Haus hatten, keinen, der diese Gerechtigkeitslücke erkannt hat. Diese gesetzliche Regelung wollen wir nun klarstellen. Das Übergangsgeld wird für die gleiche Anzahl von Monaten gezahlt, für die der Berechtigte ohne Unterbrechung Amtsbezüge als Mitglied des Senats erhalten hat. Also einfach gesprochen: Wer einen Monat im Amt ist, bekommt nur noch einen Monat Übergangsgeld.

Grundsätzlich ist es gut, dass wir fraktionsübergreifend diesen Regelungsbedarf erkannt haben, auch wenn unser Vorschlag einigen Fraktionen nicht weit genug geht. Allerdings gab es leider keine konkreten Vorschläge und Änderungen, abgesehen von Änderungsanträgen der Grünen. Auch die Anregung der Linkspartei hinsichtlich einer deutlicheren gesetzlichen Definition von Entlassung und Rücktritt, die bereits im Januar in der Plenarsitzung diskutiert wurde, wurde hier nicht schriftlich vorgelegt.

[Uwe Doering (LINKE): Doch, jetzt!]

Jetzt, genau! Sie können auch nächste Woche damit kommen,

[Uwe Doering (LINKE): Dafür gibt es eine zweite Lesung!]

aber wir beraten heute in zweiter Lesung. Wir haben uns damit im Ausschuss auseinandergesetzt, und ich denke, wir haben mit der jetzigen Regelung eine klare gesetzliche Regelung getroffen.

[Uwe Doering (LINKE): Komm’ doch mal von deinem hohen Ross runter!]

Lieber Herr Doering! Es macht doch keinen Sinn, einen unbestimmten Rechtsbegriff oder unklare Regelungen in das Gesetz zu schreiben, denn wer will entscheiden, ob

ein Rücktritt vorliegt, obwohl eigentlich eine Entlassung gewünscht war. Und der Kollege Kleineidam hat im Januar durchaus nachvollziehbar dargestellt, dass es Gründe geben kann, wie zum Beispiel die Krankheit eines Senators, die es rechtfertigen, dass eine Entlassung erfolgt, obwohl sie auf eigenen Wunsch erfolgt und damit eigentlich ein Rücktritt ist. Wie wollen Sie in diesen Fällen eigentlich eine klare Abgrenzung erreichen? Eine Lösung dafür hat die Beratung in den Ausschüssen nicht ergeben. Ich finde, wir haben eine ordnungsgemäße und praktikable Regelung gefunden, die das Hauptproblem des Übergangsgeldes gut löst.

Inhaltlich ist zu dem Antrag alles gesagt. Durch das Rückwirkungsverbot betrifft die Regelung im Senatorengesetz, über die wir jetzt beraten, nicht die jetzt im Amt befindlichen Senatoren, sondern nur diejenigen, die erst nach der Gesetzesänderung zu Senatoren ernannt werden. Aber wenn ich zu der Senatorenbank schaue, bin ich mir sicher, dass es zu keinem weiteren Rücktritt oder einer Entlassung kommen wird.

Wie sensibel das Thema Übergangsgeld von vorzeitig aus dem Amt geschiedenen Politiker ist, zeigt auch die Diskussion um den Ehrensold des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. In Zeiten, wo Vollzeitarbeitnehmer von ihrem Arbeitslohn nicht ausreichend leben können und zum Jobcenter gehen müssen, um ihr Auskommen als Aufstocker zu sichern, ist es umso wichtiger, im politischen Bereich mit positivem Beispiel voranzugehen und Regelungen für Politiker gerecht zu gestalten. Die Berlinerinnen und Berliner haben eigentlich einen Anspruch auf Verlässlichkeit an der Spitze der Exekutive. Insofern wäre es wünschenswert, dass diejenigen, die mit solchen Vertrauensposten betraut werden, auch die Amtszeit ausfüllen und sich die Frage nach Übergangsgeld – nach Rücktritt oder Entlassung – eigentlich gar nicht stellt. Das gilt unabhängig davon, wer sich gerade in politischer Verantwortung in und für Berlin befindet. In diesem Sinne werbe ich für die Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung, für mehr Gerechtigkeit in Berlin. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Lieber Kollege Kohlmeier! Was ihr hier treibt, ist Symbolpolitik, und ihr schließt keine einzige Gerechtigkeitslücke wirklich. Das ist doch Zeug!

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ihr habt gemerkt, ihr habt ein Problem, und ihr habt einen Schnellschuss gewagt, und ihr habt Euch mit den Vorschlägen, die aus der Opposition kamen, überhaupt nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Ich kann mich erinnern, dass ich damals hier gesagt habe: Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass vom ersten Tag an Übergangsgeld fällig wird. Ich will nur, dass man eine Klärung über eine Frage herbeiführt, die die Verfassung und das Senatorengesetz bisher noch offen lassen. Natürlich ist das dann ein unbestimmter Rechtsbegriff. Sie müssten als Jurist aber wissen, dass für die Klärung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe die Gerichte zuständig sind, und zwar unter Rückgriff auf den Wortlaut des Gesetzes und die Gesetzesbegründung. Die war eindeutig. Ihr habt euch gar nicht ernsthaft mit diesem Aspekt auseinandergesetzt.

Lieber Kollege Kohlmeier! Natürlich ist es möglich, in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag einzubringen. Wenn ihr zu unflexibel seid, euch darauf einzulassen und ihn damit wegbügelt, dass er jetzt erst vorliegt: Das Gesetzesverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es läuft noch. Ihr habt die Möglichkeit, jetzt zu sagen: Ja, wir stimmen dem zu, weil wir es für vernünftig halten. Aber ihr haltet es gar nicht für vernünftig, ihr wollt es nicht.

Unterm Strich noch mal: Jede Arbeitnehmerin, jeder Arbeitnehmer kriegt überhaupt erst nach einem Jahr Geld, und dann ist nach zwölf Monaten Feierabend. Ihr bleibt bei den zwei Jahren. Was hat das denn mit dem Schließen von Gerechtigkeitslücken zu tun?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Ihr habt weder eine erkannt noch schließt ihr sie. Ihr habt nichts weiter gemacht, als den Versuch unternommen, in einer schwierigen Situation, in der ihr stecktet und wo euch beinahe eure halbe Fraktion von der Fahne gegangen wäre, nämlich in der Frage des Übergangsgeldes bei Senator Braun, einen populistischen Aufschlag zu machen, in der Hoffnung, dass ihr dann von den Medien ein bisschen gnädiger behandelt werdet. Das nehmen wir euch nicht ab, und das lassen wir euch nicht durchgehen. Ihr könnt euch ja selbst dafür feiern – viel Vergnügen dabei!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Herr Kohlmeier, ich gehe davon aus, dass Sie darauf antworten möchten. – Bitte!

Lieber Kollege Lederer! Das Leben ist ja so einfach, wenn man in der Opposition sitzt.