Protocol of the Session on March 22, 2012

[Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Die Frage des Mindestlohnes ist keine spezielle Berliner Frage. Das dürfte allgemein bekannt sein ebenso wie die Tatsache, dass bundesweite Probleme auch bundesweite Lösungen benötigen. Das Land Berlin ist nach dem Grundgesetz nicht berechtigt, einen flächendeckenden Mindestlohn im Land Berlin zu etablieren.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Die erforderliche gesetzliche Regelung auf Bundesebene scheitert aber leider an der Blockadehaltung der schwarzgelben Bundesparteien. Insbesondere für die FDP scheint es ein Skandal zu sein, Menschen in die Lage zu versetzten, von ihrer Hände Arbeit auch leben zu können.

Folglich ist es ein richtiger Schritt zu überlegen, was auf landespolitischer Ebene getan werden kann, um das bundespolitische Versagen, so gut es geht, zu kompensieren.

Aber – das sage ich ganz bewusst in Ihre Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen – wie so oft steckt der Teufel auch hier wieder im Detail. Sie formulieren hier einen Antrag, dessen Ziel zwar noch nicht überall, aber doch in vielen Bereichen schon lange Realität ist. Sie fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro in allen Bereichen, die in irgendeiner Form selbst staatlich sind oder zumindest staatlich gefördert werden. Das ist bereits überwiegend Realität.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Erfreuliches ist von der Charité zu hören. Die Beschäftigten der CFM werden ab dem 1. Mai ebenfalls 8,50 Euro pro Stunde erhalten. Das war bisher kein Ruhmesblatt.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Probleme gibt es noch in einigen Bereichen von Vivantes, wo es in der Tat noch Fälle gibt, in denen bei Tochtergesellschaften weniger als 8,50 Euro gezahlt werden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Um es in Ihrem Duktus auszudrücken: Da müssen wir ran.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Hier kann Ihr Entwurf, der sich, wie Sie gerade auch zugaben, in weiten Teilen an einem Antrag der Bremer SPD orientiert, sicherlich eine Diskussionsgrundlage für unsere Beratung sein. Allerdings geht es uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten darüber hinaus auch darum zu schauen, was insgesamt möglich ist.

Wie eben schon bei der Beratung zur Änderung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes diskutiert, wird Berlin als staatlicher Auftraggeber dem Mindestlohn von 8,50 Euro auch im Bereich der Privatwirtschaft im Rahmen des uns Möglichen etablieren. Natürlich besitzt das Ziel eines Mindestlohns im gesamten staatlichen Bereich, in allen Landesunternehmen, Stiftungen mit Landesbeteiligung und Zuwendungsempfängern auch eine finanzpolitische Dimension, die in den Haushalten abzubilden ist. Erst gestern sprach ich beispielsweise mit dem Direktor einer großen Stiftung, die Museen und Gärten unterhält und ihren Beschäftigten auch Mindestlohn zahlen soll. Auch die Bezirke Berlins wissen von dem Thema ein Lied zu singen. Das darf uns natürlich nicht davon abhalten, das politische Ziel des Mindestlohns zu verfolgen, aber es muss auch finanziert werden. Das ist unsere Aufgabe. Es ist natürlich kurios, wenn Frau Bangert uns jetzt, sozusagen als ihrem Antrag vorauseilend interpretiert, wenn wir im Haushalt teilweise schon ähnliche Vorsorge finden. Es geht hier nicht um Ihren Antrag, sondern um unser politisches Anliegen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Herr Jahnke! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin fast fertig, aber bitte, ja!

Bitte!

Herr Jahnke! Vielleicht können Sie noch einen Satz sagen, wie denn die Formulierung „Mehr wegen Gewährleistung eines gesetzlichen Mindestlohns“ in die Haushaltspläne gekommen ist. Sie schreiben doch einen gesetzlichen Mindestlohn schon in die Haushaltspläne hinein.

[Torsten Schneider (SPD): Fragen Sie den Senat!]

Das ist der Entwurf des Senats, der offensichtlich bereits bestimmte Dinge antizipiert, die wir hier auch politisch wollen. Dem Senat ist auch die Koalitionsvereinbarung bekannt. Also wir freuen uns, wenn sich dies bereits so im Haushaltsentwurf widerspiegelt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Lassen Sie uns nun dieses Thema in all seinen Dimensionen in den verschiedenen Ausschüssen für Wirtschaft, für

Arbeit, aber eben auch im Hauptausschuss diskutieren! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Jahnke! – Für die Linksfraktion hat nun Frau Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jahnke! Schön, dass die SPD auf einmal bereit war, über einen Mindestlohn zu reden, und genau das ausgeblendet hat, wo der Mindestlohn nicht angewendet wird, aber okay!

Meine Fraktion hat auch schon vor einiger Zeit über das bremische Mindestlohngesetz geredet, das die Grünen nun zugeschnitten auf Berlin vorgelegt haben. Allerdings muss ich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir haben darüber verhaltener diskutiert, weniger euphorisch und auch nachdenklich. Wir teilen das prinzipielle Anliegen. Auch wir sind der Ansicht, dass wir bundesweit einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn benötigen, der existenzsichernd ist.

[Beifall bei der LINKEN]

Auch wir finden, solange sich die Bundesregierung diesem Schritt verweigert, ist es richtig, auf der Landesebene nach Wegen zu suchen, um einen Mindestlohn einzuführen. Die neuesten Zahlen, was die Niedriglohnschwelle angeht, sagen, die liegt derzeit bei 9,15 Euro. Da ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro ein notwendiger und wichtiger Schritt, aber auf mittlere Sicht auch nicht hinreichend, um Armut und künftige Altersarmut zu bekämpfen.

[Beifall bei der LINKEN]

Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können, und das sage ich noch mal in Richtung SPD, weil das auch die Menschen betrifft, die auf einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt sind.

[Beifall bei der LINKEN – Uwe Doering (LINKE): Richtig!]

Liebe Grüne! Sie haben gesagt, die Bremer SPD hat es gut, weil die die Grünen zur Seite hat, die uneingeschränkt zu einem Mindestlohn stehen. Das macht mich wieder ganz nachdenklich, denn nach Ihrem letzten Antrag, den Sie vorgelegt haben, fehlt auch hier in Ihrem Mindestlohngesetz der Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung, der ja in Zukunft in Berlin Berlin-Arbeit heißen soll. Wir haben in den letzten Wochen schon ganz deutlich gemacht, dass wir darauf bestehen, dass das für einfach auch unabdingbar ist. Von daher müssen wir dann mal darüber reden, inwieweit man das noch in diesem Landesmindestlohngesetz verankern kann.

[Beifall bei der LINKEN]

Ihren Vorschlag, dass Zuwendungen an die Zahlung von Mindestlöhnen gekoppelt werden, halten wir für richtig. Das entspricht übrigens – Herr Jahnke, weil Sie jetzt noch mal mit dem Geld hin und her jongliert haben – auch einem Antrag, den wir mal gemeinsam im Hauptausschuss eingereicht hatten. Das ist schon ein bisschen her, aber was damals stimmte, ist heute auch noch richtig.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir haben aber an ein Landesmindestlohngesetz schon auch noch Fragen. Ich möchte mal daran erinnern, dass wir noch als PDS mit der Forderung nach Mindestlohn lange Zeit allein gestanden haben. Das hat sich zum Glück irgendwann geändert. Da waren die Grünen auch noch gegen Mindestlöhne so wie die SPD und die Gewerkschaften.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Da gucken Sie mal! – Wir haben heute eine gesellschaftliche Mehrheit für einen Mindestlohn, aber leider keine parlamentarische Mehrheit. Was Frau Bangert eben angesprochen hat, stimmt natürlich auch: Das Landesmindestlohngesetz hat Grenzen. – Diese Grenzen zeigen Sie auch auf, denn es gibt natürlich keinen flächendeckenden Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Berlin. Der kann nicht eingeführt werden. Damit ist die zentrale Forderung Ihres Gesetzes ein Mindestlohn für den öffentlichen Dienst inklusive Landesunternehmen. Jetzt haben wir aber im öffentlichen Dienst eine Tarifbindung. Von daher stellt sich für uns die Frage: Müssten nicht eigentlich eher die Löhne, wo sie zu niedrig sind, per Tarifvertrag erhöht werden?

[Beifall bei der LINKEN]

Auch um zu einer Stärkung der Tariflandschaft insgesamt beizutragen, denn der Mindestlohn ist das unterste Netz. Ob dieser Antrag jetzt tatsächlich so vorwärtsweisend ist oder ob wir da ein paar Fragen politisch diskutieren sollten – wir haben tatsächlich auch noch Fragen, was die Kompetenz angeht, die Länder haben, um einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Das können wir alles noch in den Ausschüssen klären. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Abgeordnete Bangert. – Bitte sehr!

Nur ein Satz zur Klarstellung, Frau Breitenbach: Im Jahr 2004 ist Herr Bütikofer zu Herrn Müntefering gegangen und hat gesagt: Die Grünen wollen einen gesetzlichen Mindestlohn.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Frau Breitenbach! Möchten Sie antworten? – Bitte sehr!

[Zuruf]

Nein, da täuschen Sie sich, aber können ja irgendwann mal einen lustigen Abend und eine gesellige Runde machen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich glaube Ihnen, dass Sie das 2004 gemacht haben. Das stelle ich gar nicht infrage, aber 2004 wurde die Welt nicht erschaffen, die ist nicht vom Himmel gefallen, die gab es auch schon ein paar Jahre vorher. Da können wir ja mal in unseren Unterlagen gucken und den lustigen Wettstreit weiterführen.