Protocol of the Session on October 27, 2011

Zu den Anträgen der Fraktion der Piraten – erste Anmerkung dazu: Ich hätte mir im Rahmen auch von Transparenz und von Vorbereitung durchaus gewünscht, dass die Anträge eher als eine Stunde vor der jetzigen Sitzung vorliegen.

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Ich habe mir, weil ich mich ernsthaft mit Ihnen auseinandersetzen möchte, tatsächlich eine etwas andere Arbeitsweise angeeignet und mir 15 Minuten vor der Sitzung noch schnell Ihr Pad angeschaut und habe dabei festgestellt, dass selbst bei meiner hohen Auffassungsgabe es mir nicht möglich ist, Ihre Diskussionen, die auf acht Seiten – ich habe sie leider ausgedruckt, weil mein I-Pad noch nicht da ist – niederkommen, nachzuvollziehen. Ich glaube, der Kollege Baum hatte in der Sitzung, die Sie – weiß ich gar nicht – diese Woche hatten, TOP 4, es zu Recht gesagt. Da steht: Martin fühlt sich als Angeordneter verpflichtet, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten, hat keine bessere GO parat. – Da muss ich dem Kollegen Baum tatsächlich zustimmen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von den PIRATEN]

Herr Kollege! Und ich muss sagen, dass Sie am Ende Ihrer Redezeit sind. Einen Schlusssatz!

Sie gewähren mir noch einen Schlusssatz, Herr Präsident, ausnahmsweise, in Anbetracht der so neuen Situation. – Ich bitte um die Übernahme der bewährten Regelungen für das Hohe Haus. Die haben sich bewährt. Ich verspreche den Piraten, die Anträge werden in den zuständigen Geschäftsordnungsausschuss überwiesen, der demnächst eingerichtet wird, und dann sollten wir die Anträge dort besprechen. Der eine Antrag mit der verfassungsändernden Mehrheit wird so nicht funktionieren. Da brauchen Sie eine Zweidrittelmehrheit in diesem Haus, um das zu ändern. Das können wir aber in dem zuständigen Geschäftsordnungsausschuss ordentlich und vernünftig miteinander beraten. – Herzlichen Dank und auf gute Zusammenarbeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Marion Seelig (LINKE) und Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Kollege Kohlmeier! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Graf.

[Frank Henkel (CDU): Auch ein Mann mit hoher Auffassungsgabe!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie auch an dieser

Stelle und wünsche uns allen eine gute Zusammenarbeit in den nächsten fünf Jahren.

Ich möchte zunächst einmal auf den Antrag „Ausschussvorsitz Hauptausschuss“ eingehen. Herr Kollege Kohlmeier! Wahrscheinlich lag es daran, dass Sie nie in die Bredouille gekommen sind, weil Sie in dieser Stadt so lange Regieren und seitdem den Hauptausschussvorsitz hatten.

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Es wäre interessant gewesen, wie Sie abgestimmt hätten, wenn das anders gewesen wäre. Aber der Antrag geht ja auf eine Initiative von Bündnis 90/Die Grünen zurück, der sich die Fraktion Die Linke und der Kollege Delius angeschlossen haben. In der Tat wäre es interessant gewesen, Herr Kollege Esser, weil Sie vorhin schon nach unserer Position fragten, ob Sie diesen Antrag auch vor dem 5. Oktober gestellt hätten.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Sie hatten ja bis zum 18. September den Anspruch, die Stadt zu führen. Bis zum 5. Oktober wollten Sie Juniorpartner auf gleicher Augenhöhe sein. Übrig bleibt jetzt offenbar der Anspruch, den Vorsitz des Hauptausschusses zu haben.

[Heiterkeit bei der SPD]

Sie haben, Herr Ratzmann, am Dienstag aufgerufen, jetzt die Opposition zu führen. Sie haben sich auf das Ross der Opposition geschwungen. Mein Eindruck war, Sie mussten am Dienstag aufpassen, dass Herr Behrendt Ihnen nicht davongeritten ist.

[Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der SPD]

Aber nun mal zu dem Antrag selbst: Natürlich kann man über das Ansinnen der Grünen diskutieren und reden.

[Ramona Pop (GRÜNE): Den Antrag haben Sie auch schon mal gestellt!]

Ja, na klar! Den haben wir auch gestellt, das haben wir eben schon gehört. – Aber man muss sich einmal angucken, wie das beispielsweise im Deutschen Bundestag funktioniert: Geregelt ist das da in der Geschäftsordnung nicht. Es ist parlamentarischer Brauch. Und wir haben hier im Haus den Brauch, dass es nach Zugriffsrecht der Fraktionen geht. Reden Sie doch mit den anderen Fraktionen! Es ist doch gar kein Naturgesetz, dass die stärkste oder zweitstärkste Fraktion den Hauptausschuss greifen wird. Versuchen Sie doch die Diskussion, anstatt das in der Geschäftsordnung festzuschreiben! Sie wollen ja auch nicht regeln, wo der Petitionsausschuss landet, wo andere wichtige Ausschüsse landen. Warum also nur beim Hauptausschuss? – Weil Sie ihn selber haben wollen! Insofern suchen Sie das Gespräch mit uns auf Geschäftsführerebene oder in den Beratungen!

Ich möchte noch einen weiteren Punkt sagen, warum wir heute eine andere Position als vor fünf Jahren haben: Ich

kann das selbst auch ganz persönlich sagen, weil ich dem Hauptausschuss in den letzten fünf Jahren als stellvertretender Vorsitzender angehört habe und sagen muss: Ich habe dort einen Vorsitzenden erlebt – weil Sie sagen, die Verhandlungsführung muss der Opposition zustehen –, der parteiübergreifend gearbeitet hat. Und ich sage Ihnen: Es kommt auf die Persönlichkeit an, nicht darauf, ob jemand aus der Regierungsfraktion oder der Oppositionsfraktion kommt.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Was das manchmal, wenn man das gut macht, für Aufstiegschancen hat, sehen wir heute an dem Kollegen Wieland, dem ich viel Erfolg für den Wahlgang nachher wünsche.

[Vereinzelter Beifall]

Aber lassen Sie mich noch etwas zu den Piratenanträgen sagen: Liebe Kollegen von den Piraten! Es ist natürlich nicht einfach, wenn man als Tischvorlage ein ganzes Bündel von Anträgen zur Änderung der Geschäftsordnung bekommt, insbesondere wenn Sie die Änderung der Verfassung voraussetzen. Ich sage Ihnen aber zu, dass wir Ihre Ansinnen im Rechtsausschuss sehr ernsthaft prüfen wollen und werden, will Ihnen aber auch sagen, weil Sie anmerken, es sei eine Benachteiligung, dass nicht jede Fraktion einen Vizepräsidenten hier im Haus stellt, dass wir hier im Haus bewusst auch die Regelung haben, dass nach d’Hondt jede Fraktion im Präsidium, einem fraktionsübergreifenden Gremium, vertreten ist. Das ist nicht in allen Landtagen so. Ich habe das eben noch prüfen können. Es ist im Hessischen Landtag, im Niedersächsischen Landtag, im Schleswig-Holsteinischen Landtag nicht so. Und das ist schon mal ein Fortschritt, den Sie hier erfahren. Aber wir werden das gerne im Rechtsausschuss prüfen.

Ich will zuletzt zu Ihrem Antrag „Stärkung der Einzelrechte der Abgeordneten“ sagen, dass wir schon finden, dass die Fraktionen einen anderen Status haben als einzelne Abgeordnete im Parlament, weil die parlamentarische Demokratie auch funktionieren muss. Es muss auch gelingen, hier noch eine Arbeitsfähigkeit sicherzustellen. Das Haus war sich nie zu schade, eine Sondersitzung einzuberufen, wenn es notwendig war. Wir haben hier sogar Abgeordnete aus dem Urlaub geholt, als es vor vier Jahren um den Verkauf der Bankgesellschaft ging. Insofern machen Sie sich da keine Sorgen!

[Volker Ratzmann (GRÜNE): Ist das eine Ankündigung?]

Wenn es die Not gibt, eine Sondersitzung einzuberufen, dann wird sich auch die nötige Mehrheit hier finden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit! Wir werden den GO-Antrag zum Hauptausschuss ablehnen, und die übrigen Anträge werden wir an den Rechtsausschuss überweisen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Lux.

[Zuruf von der CDU]

Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch von meiner Fraktion auf eine gute Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode und die besten Wünsche! – Wir haben jetzt eine Geschäftsordnungsdebatte zu führen, wer den Hauptausschussvorsitzenden besetzt. Ich möchte Sie doch bitten, diese Chance für eine ordentliche Debatte zu nutzen, wenn man sich vor Augen führt, welche Rechte dieser Hauptausschuss hat.

[Mario Czaja (CDU): Welcher Flügel bei Ihnen möchte denn den Vorsitz haben?]

Es handelt sich hier um das Königsrecht des Parlaments. Und wenn ich mir anschaue, vor welchen Herausforderungen die öffentliche Hand steht, vor denen wir als Gemeinwesen stehen, vor Finanzkrisen, vor zig Milliarden, die verschoben werden, wo man noch durchblicken muss und wir eine verantwortungsbewusste Entscheidung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Land treffen müssen, dann möchte ich auch, dass diese Entscheidung getroffen wird in Gemeinsamkeit mit denjenigen, die regieren, die die Mehrheit haben, die diese Vorlagen bringen dürfen, aber auch in Gemeinsamkeit mit den anderen, die dafür auch gewählt worden sind.

Und deswegen bin ich sehr froh, dass im Deutschen Bundestag bei einer schwarz-gelben Bundesregierung die Vorsitzende des Haushaltsausschusses eine Kollegin aus der SPD, nämlich Frau Merkel, Sie werden sie auch noch kennen, Petra Merkel aus Charlottenburg-Wilmersdorf, dass die dort den Vorsitz führt. Ich finde, wir sollten diese gute Tradition auch in Berlin führen. Wir als Grüne haben das jedes Mal gefordert, und wir werden es dieses Mal auch wieder fordern. Und wir hätten es auch gefordert, wenn es zu einer Koalitionsbildung mit uns gekommen wäre. Es gehört einfach zu einer parlamentarischen Gepflogenheit, hier die Opposition ernst zu nehmen und ihr den Zugriff auf den stärksten Ausschuss zu übergeben.

Ich finde es schon ein bisschen verwunderlich, wenn man dann sagt: Dann muss man das beim Petitionsausschuss und bei anderen Ausschüssen auch regeln. – Nein, Herr Graf! Beim Hauptausschuss handelt es sich um einen wesentlichen Ausschuss, bei dem es um Aber- und Abermilliarden geht, wo es um verantwortungsbewusste Entscheidungen geht. Ich habe gerade gesagt, wie es sich im Bundestag darstellt. Aber auch in Berlin werden wir die Schuldenbremse zu diskutieren haben, werden wir zu diskutieren haben, wie wir mit knapperen Ressourcen

auch noch Chancen und Leistungen in diesem Land verteilen können, wie wir eine zukunftsfähige Infrastruktur haben können. Und das soll gehen, indem Regierung und Opposition hier zusammenarbeiten und dem Parlament eine besondere Bedeutung verschaffen.

Deswegen fordert meine Fraktion – und wird es auch noch weiterhin fordern – den Vorsitz für einen Abgeordneten der Opposition. Und damit meinen wir nicht uns als Grüne, sondern es könnten genauso die Piraten oder Linken machen. Wir sind in der Opposition in der Aufgabe, die Regierung in ihrem Handeln zu kontrollieren. Und das würde besser gehen, wenn der Vorsitzende des Hauptausschusses ein Abgeordneter der Opposition wäre. Ich habe auch den zu wählenden Präsidenten, den Vorschlag der SPD-Fraktion, Herrn Wieland, so verstanden, dass er das Parlament stärken möchte, dass er die parlamentarischen Gepflogenheiten wieder deutlicher ins Zentrum rücken möchte. Deswegen hielte ich es eigentlich nur für konsequent, wenn man dann auch sagen würde: Gut, wir stärken das Parlament automatisch gegenüber der Regierung – dann ist auch völlig klar, dass ein Abgeordneter der Regierungsfraktion den Senat aufgrund der Parteizugehörigkeit niemals so kontrollieren würde, wie es ein Abgeordneter der Opposition tun würde. Deswegen ist dieses Anliegen auch ernst zu nehmen und nicht mit einer Büttenrede wie davor wegzuwischen. Wir Grünen haben das konsequent gemacht, und wir werden es auch weiterhin fordern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deswegen darf ich noch zwei Sätze zu den Anträgen der Piraten sagen.

Liebe Kollegen! Ich finde das Anliegen richtig, dass in jedem wesentlichen Gremium jede Fraktion mit einem Grundmandat vertreten ist. Das Präsidium besteht nun mal nicht nur aus Präsident und Vizepräsidenten, sondern auch aus weiteren Mitgliedern. Da sind Sie ja vertreten. Inwiefern es möglich und auch notwendig wäre, hier zu einer ähnlichen Besetzung zu kommen wie im Deutschen Bundestag, dass jede Fraktion einen Vizepräsidenten bzw. eine Vizepräsidentin haben wird, das werden wir offen diskutieren und auch prüfen. Natürlich muss man sich dann auch andere Fragen stellen wie nach der Amtsausstattung usw., wenn auf einmal die Zahl der Vizepräsidenten steigt.

Genauso muss man sich auch die Arbeitsfähigkeit dieses Parlaments vor Augen führen. Wenn die Abgeordnetenrechte über alle Maßen stärker werden als die Fraktionsrechte – wozu es umfangreiche höchstrichterliche Entscheidungen gibt –, dann blockieren wir uns möglicherweise selbst.

Deswegen: Zu Ihrem ersten Antrag wohlwollende Prüfung, zu Ihrem zweiten Antrag etwas Skepsis aus meiner

Fraktion. Aber bitte geben Sie uns auch hier die Zeit, und lassen Sie uns das in Ruhe und mit Gründlichkeit diskutieren! Wenn das eine Stunde vor der Sitzung kommt, ist das sehr schwierig. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit des Hauses!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Lux! – Das Wort für die Fraktion der Linken hat der Kollege Doering.

Herr Alterspräsident! Meine Damen und Herren! Auch von mir zunächst allen meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Ich freue mich auf die nächsten fünf Jahre streitbarer Zusammenarbeit.

Zunächst zu dem Antrag der drei Oppositionsfraktionen zum Thema Hauptausschussvorsitz: Ja, man könnte schon fast von einem Ritual reden. Solange ich dabei bin – das sind jetzt 16 Jahre –, kommt immer wieder zu Beginn einer Wahlperiode in unterschiedlichen Formationen der Antrag, der Hauptausschussvorsitz sollte von der Opposition gestellt werden. Aber immer ist es so, wie es auch heute wieder passiert ist: Ein Antrag wird gestellt, und selbstverständlich kommt von den Fraktionen, die zukünftig vermutlich die Regierung stellen werden, erst mal wieder ein glattes Nein. So lange ich hier dabei bin, ist es in dieser Frage bisher zu keiner grundsätzlichen Debatte gekommen. Diese würde ich mir jedoch sehr wünschen.