Protocol of the Session on March 22, 2007

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Dr. Pflüger hat nun das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

Ich will es nicht lang machen, denn es ist schon spät. Aber ich möchte doch, dass die Gäste aus Polen, die wir heute bei uns haben, keinen falschen Eindruck mitnehmen, nämlich den Eindruck, als gäbe es hier Fraktionen, die mehr oder weniger Freunde Polens und einer guten Nachbarschaft zwischen Deutschland und Polen wären. Ich gehe davon aus, dass das alle in diesem Haus wollen,

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

und finde es unsinnig, über solche Punkte große Kontroversen vom Zaun zu brechen. Das nützt niemandem und

ganz bestimmt nicht den deutsch-polnischen Beziehungen.

Ich bin zehn Jahre lang Vorsitzender der DeutschPolnischen Gesellschaft gewesen. Ich weiß nicht, wie oft ich in Polen gewesen bin,

[Zurufe von Michael Müller (SPD) und Christian Gaebler (SPD)]

und lasse mich von niemandem darin übertreffen, immer wieder zu sagen – der Kollege Scholz hat es zitiert –: Was wir mit Frankreich geschafft haben, müssen wir auch mit Polen schaffen. Polen ist unser Frankreich im Osten. Wir brauchen es. Gerade wir Berliner müssen alles tun, damit Polen noch enger an die Europäische Union angebunden wird. Darin lassen wir uns, Frau Kollegin, von niemandem übertreffen.

[Beifall bei der CDU]

Die Migrantinnen und Migranten aus Polen sind in dieser Stadt herzlich willkommen, wie alle Migrantinnen und Migranten, die hier zum Gedeih von Berlin beitragen, die hier arbeiten, die hier friedlich nach unseren Gesetzen leben. Wir freuen uns über die enormen Beiträge von polnischen Unternehmen in Berlin. Meine Fraktion und ich gucken bestimmt nicht nur auf die großen Unternehmen, aber bei den großen Unternehmen wird es noch augenfälliger, was für eine schlechte Wirtschaftsförderung der Senat betreibt. Gehen Sie bei den kleinen Unternehmen herum! Hören Sie, was die Ihnen über bürokratische Hemmnisse erzählen! Dann sängen Sie nicht ein solches Lied, wie Sie es hier gesungen haben. Wir freuen uns über kleine und mittelständische polnische Unternehmen, die nach Berlin kommen und hier Arbeitsplätze schaffen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)]

Mein letzter Punkt: Wir wissen auch, wie viel die polnischen Migrantinnen und Migranten zu Berlin beitragen. Ich bin heute in der Hector-Peterson-Schule in Kreuzberg gewesen.

[Zurufe von Christian Gaebler (SPD) und Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Da waren auch junge Berlinerinnen und Berliner mit polnischem Migrationshintergrund. Das waren ganz fabelhafte junge Leute in einer ganz fabelhaften Schule. Ich füge in Klammern hinzu: eine Schule, in die man seine Kinder auch durchaus schicken kann. Lassen Sie endlich Ihre Vorurteile zu Hause! Wir freuen uns über jeden, der nach Berlin kommt und an dieser Stadt konstruktiv mitarbeitet, gleich welcher Religion und Hautfarbe, solange er unsere Gesetze und unsere Verfassungsordnung akzeptiert.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das hätte doch Herr Scholz auch sagen können!]

Bitte erwecken Sie keine falschen Eindrücke, gerade bei ausländischen Gästen! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Das ist peinlich, den eigenen Redner korrigieren zu müssen!]

Frau Kollegin Radziwill möchte replizieren. – Sie hat das Wort!

Herr Pflüger! Ich könnte sagen: Ein Glück, dass wir diese Große Anfrage eingebracht haben, damit Sie sich von Ihren eigenen Kollegen distanzieren und endlich auf die Seite wechseln können, dass Berlin tolerant ist, und damit Sie diese Weitsicht von uns mitbekommen! Das wollen wir hier zeigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ihr Fraktionskollege, Herr Scholz, hat eben mit der Polemik in seiner Rede begonnen.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

In meiner ursprünglichen Rede war das überhaupt nicht drin. Ich kann es Ihnen gerne zeigen. Das heißt, ich habe nur darauf reagiert.

Wenn Sie sagen: Alle sind uns willkommen –, dann frage ich mich: Sind denn z. B. die Moslems in Heinersdorf der CDU vor Ort auch willkommen?

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Und wenn Sie von Arbeitsplätzen sprechen, frage ich mich, warum Sie den Single-Airport BBI – sagen wir es vorsichtig – behindern möchten. Das verstehe ich an der Stelle auch nicht.

[Uwe Goetze (CDU): Die SPD hat offenbar eine Psychose!]

Und noch eines, Herr Pflüger: Migrantinnen und Migranten brauchen Anerkennung für ihre Leistungen. Migrantinnen und Migranten wollen auch eine gewisse Anerkennungskultur haben. Vielleicht kaufe ich es Ihnen persönlich nach dieser Rede ein bisschen ab – aber leider reden viele Mitglieder in Ihrer Fraktion nicht so wie Sie. Deshalb sollten Sie Ihre Bekenntnisse hier nicht nach außen tragen, sondern erst einmal intern in den Köpfen einiges bewegen. Dann bewegt sich in Berlin auch ein bisschen mehr auf dieser Seite.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Uwe Doering (Linksfraktion) – Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Danke schön, Frau Kollegin Radziwill! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Paus das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Radziwill! Ich will Ihre Kompetenz nicht infrage stellen, aber ich wurde von meiner Fraktion beauftragt, die SPDFraktion zu fragen, warum Sie heute geredet haben und warum der wirtschaftspolitische Sprecher und der europapolitische Sprecher zu diesem Thema nicht das Wort ergreifen wollten.

[Zurufe von der SPD]

Haben Ihre wirtschafts- und europapolitischen Sprecher zu diesem Thema nichts zu sagen? Oder warum mussten Sie hier die Scharte auswetzen?

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Christian Gaebler (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ja, ich lasse die Zwischenfrage zu, aber zunächst noch ein Satz: Ich fand es allerdings völlig okay, dass – auch wenn ich Sie gleich noch kritisieren werde – Herr Wolf als Wirtschaftssenator zu der Großen Anfrage gesprochen hat und nicht der für Europa zuständige Regierende Bürgermeister, denn bei aller Kritik muss man Herrn Wolf eines lassen: Was im Land Berlin in Sachen Polen, Berlin-Warschau und Oderregion an Kooperation, an Zusammenarbeit mit Polen passiert ist, das hat durch Herrn Wolf und nicht durch den Regierenden Bürgermeister stattgefunden.

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage? – Bitte schön, Kollege Gaebler!

Frau Paus! Ist Ihnen aufgefallen, dass der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion bereits die Begründung zu dieser Großen Anfrage vorgetragen hat und dass die SPD-Fraktion mit 53 Abgeordneten nicht nur immer Sprecher reden lassen kann?

[Beifall bei der SPD]

Bitte schön, Frau Paus, fahren Sie fort!

Ja, ich habe sehr wohl mitbekommen, Herr Gaebler, dass Herr Jahnke seinen Zettel nicht ganz vollständig hatte, und weiß auch, dass die SPD in beiden Ausschüssen mehr als ein Mitglied hat und offensichtlich auch andere Ausschussmitglieder hier nicht zu dem Thema sprechen, sondern ein Nichtausschussmitglied. Insofern ist die Frage unbeantwortet geblieben, warum keine Ausschussmitglieder, die mit dem Thema befasst sind, heute zu diesem Thema sprechen.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Seit nunmehr fast drei Jahren ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Auch ich als Grüne muss sagen: Leider ist die europapolitische Bilanz insgesamt als durchwachsen zu bezeichnen. Viele Hoffnungen auf eine Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses blieben unerfüllt. Manche sagen: Es gab auch schon mal bessere Zeiten. – Ebenso wenig erfüllte sich die Hoffnung, dass wir mit Polen, einem Land, dem wir immerhin die Überwindung des Eisernen Vorhangs zu verdanken haben – es war nicht die DDR, sondern wohl eher Polen –, einen neuen Mitgliedstaat bekommen, der die sinkende Europabegeisterung in der Europäischen Union befeuert.

Auch das Verhältnis zwischen dem offiziellen Berlin und dem offiziellen Warschau wurde in den letzten Jahren immer wieder zurückgeworfen, insbesondere durch die Ereignisse um den Warschauer Christopher-Street-Day. Lasst uns alle miteinander hoffen, dass mit der neuen Bürgermeisterin eine neue Basis für die Städtepartnerschaft gelegt werden kann!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der CDU]

Die Osterweiterung gemacht zu haben, ohne die institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben, diese Unfähigkeit des alten Europas rächt sich bitter bis zum heutigen Tag. Die Europäische Union braucht eine europäische Verfassung.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dennoch: Jenseits der Politik hat sich im Alltag der Menschen sehr viel getan. Vieles ist gewachsen, vieles hat sich in den letzten drei Jahren entwickelt und weiterentwickelt, denn auch vor 2004 gab es bereits die volle Reisefreiheit für Touristen und andere Freiheiten, die genutzt werden konnten und auch genutzt wurden. Es gibt vielfältige kleine Highlights in vielen Nischen in dieser Stadt und darüber hinaus: Clubs, Netzwerke, Veranstaltungen zuhauf. Ich möchte als ein positives Beispiel auch die interessante Sendung des RBB „Kowalski trifft Schmidt“ nennen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Über 100 000 Menschen polnischer Abstammung leben in Berlin. Ich finde es gut, dass dies inzwischen in dieser Stadt auch sichtbarer geworden ist, sei es durch den „Club der polnischen Versager“, sei es durch Kneipen, Angebote in den Lebensmittelgeschäften etc. Berlin ist in den letzten Jahren osteuropäischer geworden, und das hat diese Stadt bereichert.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]