Ich wundere mich, wo Senator Dr. Zöllner ist. – Ach so, er kommt. – Herr Muñoz hat seinen Bericht vorgestellt, nachdem er letztes Jahr in Deutschland zu Besuch war und sich einige Schulen aus der Nähe angesehen und mit
Betroffenen geredet hat. Seine Erkenntnisse decken sich vollständig mit zahlreichen nationalen und internationalen Studien. Auch die jüngste ifo-Studie belegt, was in unserem Bildungssystem schiefläuft – ich sage, extrem schiefläuft. Der in Deutschland katastrophal enge Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft wirft für die UN berechtigterweise die Frage nach der Verwirklichung des Rechts auf Bildung in Deutschland auf. Im Land der Dichter und Denker ist Bildung wieder vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Das können und das dürfen wir nicht einfach so hinnehmen.
Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund haben es in unserer Schule schwer. Sie sind mit den Kindern aus sozial schwachen Elternhäusern die Bildungsverlierer unseres mehrgliedrigen Schulsystems. Unsere Schulen bewirken das genaue Gegenteil von dem, was sie eigentlich erreichen sollten. Sie bieten keine Chancengleichheit, sondern manifestieren von Generation zu Generation Ungleichheit und Benachteiligungen. In Deutschland wird – wie wir alle wissen – Armut leider auch vererbt.
Die Kleinstaaterei in der Bildungspolitik, die mit dem faulen Föderalismuskompromiss weiter verfestigt wurde, zementiert auch die Chancenungerechtigkeit in unserem Bildungssystem. Der Föderalismuskompromiss in Sachen schulischer Bildung war ein Fehler und ist ein Fehler. Umso wichtiger ist es, dass die Mitglieder der Kultusministerkonferenz – wir haben heute den amtierenden KMK-Präsidenten hier – ihre ideologische Brille ablegen und endlich die massiven Bildungsprobleme unseres Landes angehen.
Für uns lautet die Priorität: 1. Selektionsmechanismen abbauen und mehr individuelle Förderung schaffen, zum Beispiel durch das Abschaffen des ineffektiven Sitzenbleibens. 2. Unterrichtsversorgung gewährleisten, das heißt, dauerhaft Lehr- und Erzieherpersonal einstellen. Wir beantragen heute die Einrichtung von mindestens 400 neuen, dauerhaften Lehrerstellen. 3. Eigenverantwortung stärken, das heißt, die Schulleiterinnen und Schulleiter, die auch Manager ihrer Schulen sein sollen, mit mehr Kompetenzen ausstatten. – Diese Forderungen decken sich voll und ganz mit den Empfehlungen des UN-Sonderbeauftragten. In diesem Zusammenhang ist der Ausbau der Selbstständigkeit von Schulen ein wesentliches Element im Prozess der Umsteuerung in unserem Bildungssystem. Schulen klare Ziele setzen, den Weg zu diesen Zielen weitestgehend freimachen, aber die Ergebnisse überprüfen und anhand der Ergebnisse notwendige Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stellen, das muss am Ende dieses Prozesses stehen.
Da reicht es nicht aus, im Schulgesetz Eigenverantwortung zu verankern – Papier ist geduldig, kann ich in diesem Zusammenhang nur sagen –, die Schulen müssen gleichzeitig auch materiell und personell für diese Eigen
Das, was in Berlin passiert, ist keine Eigenverantwortung, sondern eine Mogelpackung. Mein Kollege Esser sagt immer: Benutzt dieses Wort nicht! – Deshalb sage ich: Das ist Mangelverwaltung, und Mangelverwaltung können wir uns nicht leisten. Das ist rot-rote Augenwischerei, damit muss endlich Schluss sein.
Die notwendigen Verbesserungen im Bildungssystem und die drastischen Reformen im Bildungswesen sind nicht zum Nulltarif zu haben. Das müssen Sie, Herr Zöllner, Ihrem Kollegen Sarrazin endlich begreifbar machen. Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die kommenden Generationen und damit in unser aller Zukunft. Deshalb hat es für uns Grüne bei der langfristigen Finanzplanung die höchste Priorität. Bessere Bildung und eine auskömmliche Ausstattung des Bildungsetats sind unserer Meinung nach erreichbar, wenn der Senat die bei der Fortsetzung des Konsolidierungsprogramms mittelfristig zu erwartenden jährliche Einnahmeverbesserung zu einem festgelegten Anteil für die Bildung bereitstellt und für die qualitative und strukturelle Verbesserung der Bildungslandschaft verwendet.
Ja, ich komme zum Schluss! – Dafür muss allerdings der politische Wille vorhanden sein. Diesen politischen Willen sehe ich bei Rot-Rot nicht. Ich hoffe, dass nach all diesen Berichten, all diesen Studien, endlich auch Rot-Rot und die rot-rote Regierung aus ihrem Schlaf aufwachen und die richtigen Prioritäten setzen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Herr Mutlu! Sie zitieren am Anfang Muñoz. Das finde ich sehr spannend. Was macht er? – Er kritisiert unser mehrgliedriges Schulsystem. Wenn ich mir Ihren ersten Antrag aus diesem Bündel von Anträgen ansehe, dann fordern Sie dort, dass wir die Zweigliedrigkeit prüfen sollten.
Da setze ich eher auf unsere Pilotphase „Gemeinschaftsschule“. Da waren Sie übrigens früher einmal dafür. Ich erinnere Sie daran!
Das heißt im Übrigen natürlich nicht, dass wir nicht auch weiterhin an unserem Bemühen festhalten, die Haupt- und Realschulen zusammenzuführen. Da gehe ich mit Ihnen mit! Die Hauptschule ist in Berlin zu einer Restschule verkommen und muss langsam auslaufen.
Das kann nur ein erster Schritt sein. Sie kritisieren hier, Rot-Rot habe überhaupt keinen politischen Willen, gerade im Bildungswesen nicht. Das war Ihr letzter Satz.
Auf der anderen Seite habe ich noch gut in Erinnerung, was wir in der letzten Legislaturperiode überall zu hören bekommen haben: Wir machen zu viel Reformen. Das Einschulungsalter wird herabgesetzt, die Schulanfangsphase wird eingeführt, das Abitur nach zwölf Jahren, die Horte an die Schulen, Ganztagsschulen ausgebaut. Wahnsinn! Da kommt doch keiner mehr mit, ihr macht zu viele Reformen! – Und jetzt sagen Sie, wir haben überhaupt nichts bewegt. Wie passt denn das zusammen?
Sie, meine liebe Fraktion der Grünen, haben einen Tagesordnungspunkt zur Priorität erhoben, der zum Schluss neun, aufgrund der Redezeitbeschränkung von fünf Minuten jetzt sechs Anträge umfasst. Das grenzt langsam an Inflation, wenn ich das so sagen darf. Nun kann ich nicht zu sechs Anträgen reden, deswegen habe ich schon eine Menge Zeit verbraucht, indem ich auf Ihren Quatsch eingegangen bin.
Ich will nun doch noch eine Schwerpunktbildung vornehmen. – Erst einmal die Schulanfangsphase. Dieser Antrag – jetzt sage ich einmal etwas Positives, hören Sie zu! – deckt sich mit den Absichten der Regierungsfraktionen.
Deswegen ist auch ein ähnlicher Antrag formuliert und wird demnächst eingebracht werden. Wir wollen auch – Hören Sie zu, Herr Kollege Mutlu! – zusätzliche personelle Flankierung der Schulanfangsphase haben. Wir halten sie sogar für unverzichtbar. Auch gehen wir mit dem Vorhaben d’accord, den sonderpädagogischen Förderbedarf vorzuziehen. Die Lehrerinnen und Lehrer – was Sie ja fordern – werden bereits durch Qualifizierungsmaßnahmen vorbereitet. Da dieser
Regierungskoalition bereits formuliert ist und demnächst eingebracht wird, sollen auch diese beiden Anträge zusammen im Schulausschuss beraten und abgestimmt werden.
Nun möchte ich noch etwas zu den beiden Anträgen sagen, die sich mit den Lehrerinnen und Lehrern beschäftigen. Die Grünen fordern, dass zum neuen Schuljahr 400 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Diese Forderung – das wissen Sie genau – kommt zu früh. Wir haben noch nicht die exakten Bedarfszahlen. Aufgrund der zurückgehenden Schülerzahlen wird wahrscheinlich dieser Einstellungsbedarf nicht zu realisieren sein, so gern ich das auch hätte.
Es ist durchaus zu begrüßen – das vergessen Sie immer, meine Damen und Herren von der Opposition –, dass wir jetzt bis zum Ende des Schuljahres 300 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt haben, wenn auch befristet. Ich weiß das, aber immerhin, das ist ein erster Schritt. Ich bekomme ständig Briefe mit Hilferufen darüber, was an Unterricht ausfällt.
Das geht von der Grundschule bis zur Gesamtschule oder zum Gymnasium. Sehr oft, Frau Senftleben, gehe ich vor Ort und besuche diese Schulleiterinnen und Schulleiter, manchmal sind es auch Elternvertreter, die mir diese Briefe schicken. Was ist mir in den letzten Tagen passiert? – Plötzlich ist es besser geworden, sie haben bei diesem sogenannten Lehrercasting ein paar Kolleginnen und Kollegen abbekommen und können nun ihren Unterricht besser organisieren.
Außerdem haben wir in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben – nun wird es auch umgesetzt –, dass alle Schulen über ein Budget von 100 Prozent verfügen, exklusive der Dauerkranken. Das ist immer eine Forderung von Ihnen, Frau Senftleben, gewesen.
Zusätzlich bekommen sie noch diese drei Prozent Personalmittelbudget. Die Schulen konnten sich entscheiden, ob sie daran teilnehmen wollen oder nicht. Die Hälfte macht es. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich verstehe die Schulen nicht, die es nicht machen. Vielleicht werden sie sich auch daran gewöhnen, denn das sind doch Personalmittel, die man auch ansparen kann, wenn man einmal Projekttage oder ähnliches machen möchte.
Warum sollen sich die Kolleginnen und Kollegen Schulleiter nicht trauen? So viel Verständnis sollten sie von der Organisation einer Schule haben, wenn sie auf einem solchen Posten sind, dass sie damit auch umgehen können!