Protocol of the Session on March 22, 2007

Bitte schön, Frau Hertel!

Die Anfrage, die ich an den Senat stelle, ist nach meinem Dafürhalten definitiv nicht peinlich. – Herr Kollege von der CDU, von Ihnen kam ein entsprechender Zwischenruf. – Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, wonach es am 27. Februar 2007 an der Berliner Polizeischule im Rahmen einer Unterrichtseinheit über die Zeit des Nationalsozialismus zu antisemitischen Äußerungen von Polizeianwärtern kam?

2. Welche Maßnahmen hat der Senat zur Aufklärung dieses Vorwurfs ergriffen, und wie wird er gegebenenfalls auf diesen Vorfall reagieren?

Danke schön, Frau Hertel! – Der Senator für Inneres, Herr Dr. Körting, erhält das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hertel! Im Kern trifft das, was in der Presse gemeldet wurde, offensichtlich zu, nämlich dass es zu einer kontroversen Diskussion kam. In deren Verlauf sollen Auszubildende kritische Äußerungen dahin gehend gemacht haben, dass das Thema Holocaust für sie heute nicht mehr aktuell sei und man davon nichts mehr hören wolle. Des Weiteren sollen auch Sätze gefallen sein, die die Frage aufwerfen, ob dahinter eine antisemitische Motivation steht oder ob es sich nur um unbedachte Äußerungen im Verlauf einer kontroversen Diskussion gehandelt hat.

Ich kann Ihnen die Frage erst konkret beantworten, wenn eine Erklärung vorliegt, die der Polizeipräsident von sich aus und in Absprache mit mir angeordnet hat. Es muss erst einmal definitiv geklärt werden, was im Einzelnen gesagt wurde und in welchem Zusammenhang das geschehen ist. Dann muss geklärt werden, ob sich hinter den Äußerungen eine fremdenfeindliche oder antisemitische Geisteshaltung verbirgt oder ob es unsensible und zu kritisierende Aussagen waren.

Sollte sich dahinter tatsächlich eine antisemitische Haltung verbergen, sind Maßnahmen angezeigt, die in der Konsequenz eine Entlassung nach sich ziehen. Die Berliner Polizei darf keine Mitarbeiter in Ihren Reihen dulden, die antisemitische oder ausländerfeindliche Äußerungen machen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass der Sachverhalt zunächst genau geprüft werden muss. Der Polizeipräsident hat sich unmittelbar, nachdem er von dem Vorfall Kenntnis erhielt, mit dem Leiter der Ausbildungseinheit unterhalten. Er hat sich mit dem Zeitzeugen unterhalten, der auf der Veranstaltung war. Es werden jetzt Anhörungen mit einzelnen Beteiligten gemacht, um eine genaue Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen.

Danke schön! – Frau Kollegin Hertel hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! Gab es schon einmal einen solchen Vorfall, oder handelt es sich um einen Einzelfall?

Bitte schön, Herr Senator!

Bislang gehe ich davon aus, dass es sich um einen singulären Fall handelt. Der Zeitzeuge sagte, es habe häufig kontroverse Diskussionen gegeben, aber in dieser Form habe er das noch nicht erlebt. Ich gehe deshalb davon aus, dass es ein Einzelfall war.

Die Reaktion des Polizeipräsidenten und der anderen Beteiligten zeigt mir, dass man in angemessener Weise, sensibel und unverzüglich reagiert hat.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt hat der Kollege Ratzmann eine Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!

Herr Dr. Körting! Wir haben alle erfreut zur Kenntnis genommen, dass sowohl der Polizeipräsident als auch Sie gleich nach bekannt werden des Vorfalls klare Worte gefunden und gesagt haben, dass so etwas nicht geduldet werden kann.

Wenn ich richtig informiert bin, war dieser Vorfall am 27. Februar 2007. Ich verstehe nicht, warum bis heute der Sachverhalt nicht eindeutig aufgeklärt werden konnte und

Sie uns heute nicht sagen können, was nachweisbar vorgefallen ist. Wie erklären Sie sich das?

Bitte, Herr Senator!

Die Frage kann ich Ihnen einfach beantworten, weil sie zu den Fragen gehört, die auch ich stellen werde. Ich will wissen, ob der Vorgang von sich aus gemeldet wurde oder nicht.

[Volker Ratzmann (Grüne): Öffentlich?]

Nein! Öffentlich wurde er erst später. Ich glaube am 19. oder 20. März hat ihn die „Berliner Zeitung“ veröffentlicht. – Bis zu dem Zeitpunkt hatten weder der Polizeipräsident noch ich Kenntnis von dem Vorgang. Unmittelbar nachdem der Polizeipräsident Kenntnis hatte, hat er eine Untersuchung des Vorgangs angeordnet.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Wenn Sie mir genau zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass sich auch für mich die Frage stellt, ob der Vorgang nicht automatisch auf dem Meldungsweg hätte nach oben weitergeleitet werden müssen. Das muss geprüft werden.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es mit einer Anfrage des Kollegen Henkel von der CDU-Fraktion weiter, und zwar zu dem Thema

Zugriffsmöglichkeiten der Berliner Sicherheitsbehörden auf bei Internetprovidern gespeicherte Verbindungsdaten

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie oft wurde von Berliner Sicherheitsbehörden im Jahr 2006 auf Verbindungsdaten der Internet- und Telekommunikationsanbieter zugegriffen?

2. Welche Auswirkungen hat das vom Bundesgerichtshof bestätigte Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2005 – Az.: 25 S 118/05 –, wonach Internetprovidern die Speicherung der Verbindungsdaten der Kunden mit Flatratetarif nicht gestattet ist, auf die Arbeit der Berliner Sicherheitsbehörden in den Bereichen Terrorismusbekämpfung und organisierter Kriminalität?

Danke schön! – Bitte Herr Dr. Körting!

Herr Kollege Henkel! Wir haben keine Auflistung von Abfragen zum Internet. Dazu gibt es keine Statistiken. Wir haben lediglich eine Auflistung von Anfragen zu Verkehrsdaten an Anbieter im Bereich der Sprachentelekommunikation. Dort wurden im Jahr 2006 zentral bei der Berliner Polizei 27 678 Anfragen gestellt.

Die zweite Frage ist die spannendere: Die Speicherung der Telekommunikationsdaten wird bisher von den Telekommunikationsbetreibern nach dem Telekommunikationsgesetz vorgenommen, und zwar insbesondere zum Zweck der Abrechung. Die Telekommunikationsunternehmen speichern die Daten im Regelfall drei Monate. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine Speicherung nicht zulässig, wenn sie zum Zweck der Abrechnung nicht benötigt wird. Im Fall des Landgerichts Darmstadt – ich glaube, dort war die Telekom bzw. T-Online betrof- fen –, wo keine Abrechnung gemacht wurde, weil eine Pauschalgebühr unabhängig von der Anzahl der Verbindungen bezahlt wurde, war demnach eine Speicherung nach dem Telekommunikationsgesetz nicht möglich.

Große Anbieter haben inzwischen angekündigt, die Speicherung entsprechender Daten einzustellen bzw. auf acht bis neun Tage zu beschränken. Dies wäre im Hinblick auf die Verfolgung von organisierter Kriminalität und anderer Delikte und der Terrorismusbekämpfung verheerend. Deshalb hoffe ich, dass das Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, das dem Bund vorliegt, in Kürze verabschiedet wird. Damit wird die Rechtgrundlage geschaffen, nach der entsprechend der Richtlinie 2006/24/EG eine Speicherung vorzunehmen ist. Wir haben uns auf europäischer Ebene darauf verständigt, eine sechsmonatige bis zweijährige Speicherung vorzunehmen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Bundestag für eine sechsmonatige Speicherung ausgesprochen. Das wird gesetzlich festgelegt. Dann kann auch auf Daten von Flatratenutzern zurückgegriffen werden. Wenn dies nicht möglich würde, wäre die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erschwert.

Der Kollege Henkel hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! Halten Sie die von Ihnen angesprochene Änderung des Telekommunikationsgesetzes für ausreichend, oder sehen Sie die Notwendigkeit, das Thema noch einmal auf der Innenministerkonferenz, deren Vorsitzender Sie sind, zu erörtern?

Bitte, Herr Senator!

Ich brauche das nicht auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz zu setzen, weil wir uns einig sind. Ich gehe davon aus, dass der Bund so zügig wie möglich dieses Telekommunikationsgesetz verabschieden wird. Es gibt einige Fragestellungen, die auch schon in der vorherigen Debatte eine Rolle gespielt haben. Die längere Speicherung erfordert erhebliche Investitionen. Es war immer streitig mit den Telekommunikationsbetreibern, ob diese Speicherung, die nicht im Interesse der Unternehmen, sondern im öffentlichen Interesse erfolgt, von den Unternehmen oder von denjenigen zu bezahlen ist, die das öffentliche Interesse geltend machen. Ich hoffe, dass dieses Gesetz zügig verabschiedet wird. Das, was das Landgericht Darmstadt entschieden hat, und was der BGH nach Gesetzeslage gar nicht anders als bestätigen konnte, zeigt auf, dass wir eine Lücke haben, die wir so schnell wie möglich schließen müssen.

Danke schön, Herr Senator! – Weitere Nachfragen gibt es nicht.

Dann rufe ich auf die Frage Nr. 3 von der Frau Abgeordneten Bluhm von der Linksfraktion zum Thema

UN-Menschenrechtsbericht zum Bildungswesen

Bitte schön, Frau Bluhm!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

1. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse des UNMenschenrechtsberichts von UN-Menschenrechtsinspektor Vernor Muñoz, wonach das deutsche Bildungswesen hochgradig selektiv sei und dadurch die Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung gefährdet würde?

2. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dieser Einschätzung für die Berliner Bildungspolitik und speziell für die Umsetzung der beschlossenen Pilotphase zur Gemeinschaftsschule?

Danke schön, Frau Abgeordnete! – Ich vermute, Herr Prof. Zöllner, der Bildungssenator, hat dazu das Wort!

Herr Präsident! Sie haben mit dieser Vermutung recht. – Meine Damen und Herren! Die Abhängigkeit des Lern- oder Schulerfolges von der sozialen Herkunft wird von mir, dem Senat und der KMK voll geteilt. Ich gehe davon aus, dass Herr Muñoz diese zentrale Feststellung nach seinem neuntägigen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auch auf der Grundlage der Analyse der Kultusministerkonferenz getroffen hat, die vor Jahren festgestellt hat, dass dieses das zentrale Problem des gesamten deutschen Schulwesens ist. Ich kann das nur unterstreichen.

Ich unterstreiche auch mit allem Nachdruck, dass ich die Schlussfolgerungen teile, die Herr Muñoz aufgrund dieser Analyse zieht. Ich beziehe mich hierbei auf seinen Bericht und nicht auf die Zeitungsmeldungen. In dem Bericht sind auf Seite 18 die sieben Kernbereiche genannt, in denen er in Deutschland Reform- und Weiterentwicklungsbedarf sieht. Ich fasse sie sinngemäß zusammen:

1. Es geht um die individuelle Förderung,

2. um mehr Unabhängigkeit für Schulen,