Protocol of the Session on June 23, 2011

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Braun! Die Linke Berlin braucht Ihren Nachhilfeunterricht nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Nicht nur, dass sie Ihren Nachhilfeunterricht nicht braucht. Wir haben diesen Antrag nicht eingereicht, weil wir uns von irgendetwas zu distanzieren hätten oder weil wir an dieser Stelle irgendwie die Notwendigkeit hätten, uns von irgendetwas abzugrenzen. Damit das auch Ihnen, der Sie offenbar nichts weiter lesen als die Zeitungen, in denen Sie sich Ihre Konstrukte zusammenreimen können, um eine Fraktion dieses Hauses und den Landesverband Berlin der Partei Die Linke zu beleidigen, klar wird, stelle ich an dieser Stelle fest:

Erstens: Die Linke Berlins hat sich nicht nur fortgesetzt und immer wieder zum Existenzrecht Israels bekannt, und das nicht nur durch plakatives Gerede, sondern durch praktisches Handeln.

Zweitens: Sie hat sich nicht nur immer dann, wenn in dieser Stadt antisemitische Vorfälle stattgefunden haben, an die Seite derjenigen gestellt, die mit aller Entschiedenheit gegen diese antisemitischen Vorfälle aufgetreten sind, und zwar nicht nur durch Gerede, sondern durch tätiges Handeln.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Drittens müsste Ihnen aufgefallen sein – für den Fall, dass Sie mal Ihre Scheuklappen ablegen und anfangen, sich

einen etwas breiteren Blick für diese Welt zuzulegen –, dass wir uns insbesondere auch mit all diesen Vorfällen auseinandergesetzt haben, und zwar klar und deutlich, die in den letzten Wochen und Monaten in der Presse immer mal wieder eine Rolle spielten, egal ob das Einstaatenlösungen, Blockadeaufforderungen oder Schals sind, auf denen der Staat Israel nicht mehr vorkommt. All diese Dinge haben immer unsere entschiedene Ablehnung gefunden. Bei all diesen Dingen hat unser Landesverband immer eine klare Position gehabt, und das wird auch zukünftig so bleiben.

Es wäre schön gewesen, wenn Sie den Punkt, den Sie eingangs betont haben, nämlich den Konsens in der Frage des Gedenkzeichens, in den Mittelpunkt gestellt hätten, anstatt Ihre platte und dümmliche Art und Weise hier in den Raum zu tragen, einfach nur die Kolleginnen und Kolleginnen in diesem Rund zu diskreditieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Lederer! – Herr Braun hat das Wort zum Replizieren. – Bitte schön, Herr Braun!

Herr Lederer! Ich stelle zunächst fest, dass Sie nicht einen Vorwurf, den ich erhoben habe, widerlegt haben.

[Beifall bei der CDU – Martina Michels (Linksfraktion): Doch!]

Sagen Sie mir, ob irgendein Vorwurf, der Vorfall in Wuppertal mit Ihrer Bundestagsabgeordneten oder anderswo, nicht passiert ist und wie Sie reagiert haben! Sie dulden nach wie vor solche Personen. Sie dulden nach wie vor solche Positionen in Ihrer Partei, und da ist es mir völlig egal, ob der eine oder andere in Ihrer Partei möglicherweise anderer Auffassung ist. Wer solche Leute in seiner Partei duldet, der muss sich dies auch zurechnen lassen, insbesondere dann, wenn sie führende Personen sind.

[Beifall bei der CDU]

Die Union hat in vergleichbaren Fällen anders gehandelt, wenn irgendwo ein Zweifel daran bestand, dass irgendjemand genau diesen Grundkonsens infrage gestellt hat. Dann haben wir uns von den entsprechenden Personen getrennt.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Machen Sie sich mal nicht lächerlich!]

Wir haben eine klare Abgrenzung sowohl gegen rechts als auch gegen links, und ich sage Ihnen: Auch Sie werden sich, wenn Sie an den demokratischen Werten unserer Gesellschaft teilhaben wollen, diesem demokratischen Grundkonsens anschließen müssen, und dann müssen Sie gegen solche Tendenzen in Ihrer Partei vorgehen. Solange

Sie das nicht tun, werden Sie auch an diesen gemessen werden.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Für die SPDFraktion hat nunmehr die Kollegin Haußdörfer das Wort. – Bitte schön, Frau Haußdörfer!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein bisschen bestürzt über diese Diskussion, die wir jetzt erlebt haben, nicht nur, weil sie nicht dem Antrag angemessen erscheint, sondern: Die CDU ist doch sonst so clever und bringt polemisierende Anträge ein. Hätten Sie doch solch einen Antrag eingebracht und zu diesem geredet!

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Ich freue mich sehr, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag eingebracht haben, der sich mit der Betrachtung dieser dunklen Historie auf dem Tempelhofer Feld beschäftigt. Das ist eine Zeit, die zu den dunkelsten und schmerzhaftesten Erinnerungen Berlins gehört. Es gab – im Gegensatz zu Ihren Äußerungen, Herr Braun – sehr lange Diskussionen um diesen Antrag und darüber, wie man die historische Aufarbeitung an diesem Ort angemessen angehen kann. Ich fand es, wie gesagt, sehr schade. Ihre erste Minute war recht positiv – es hätte mich gefreut, auch mal der CDU Beifall zu spenden –, aber danach wurde es leider sehr unsachlich, und Die Linke braucht sicherlich nicht meine oder unsere Verteidigung, sondern wird sich mit ihren Stimmen in ihren eigenen Fraktionen auseinandersetzen. Herr Lederer hat das ja für die Berliner Linke dargestellt.

Ich glaube, dass die Erinnerung an die „Hölle von Tempelhof“ auch zur historischen Erinnerung Tempelhofs gehört, denn im Konzentrationslager Columbiahaus waren zwischen 1933 und 1936 mehr als 8 000 Häftlinge, vor allem politische Gegnerinnen und Gegner des NSSystems inhaftiert. Herr Dr. Flierl hat schon darauf hingewiesen: ein Ort der Täter als auch der Opfer, der eine besondere Bedeutung erfährt, wie es auch im Hinblick auf die bezirklichen Außenstellen – zum Beispiel auch Schöneweide – angebracht ist. Gerade die CDU ist, was die Authentizität von Orten und historischen Denkmälern betrifft, sich auch nicht so ganz sicher.

Wir möchten mit unserem Antrag sicherstellen, dass trotz eines umfassenden Gedenkkonzeptes, an dem mehrere Senatsverwaltungen und Initiativen arbeiten, gerade diese Zeit an diesem Ort besonders betrachtet wird. In der historischen Aufarbeitung kommt dieser Ort nämlich eher minoritär vor. Aber auch an die wenig bekannten Konzentrationslager sollte erinnert werden, da diese unmittelbar nach Beginn der NS-Diktatur entstanden. So wurden eben nicht nur politisch Missliebige verfolgt, sondern

auch andere Minderheiten, die von den Nazis als entartet betitelt, inhaftiert und gequält wurden. Dieses Lager war das Zentrum der homosexuellen Verfolgung in Berlin. Weiterhin konnten hier auch die späteren Kommandanten der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald, Flossenbürg, Lublin, Majdanek, Ravensbrück, Riga und Sachsenhausen ausgebildet werden; sie taten mitten in Berlin, mitten in der Stadt, ihren Dienst. Gerade vor der zivilen Nutzung des Flughafens Tempelhof wurde das 1936 errichtete Flughafengebäude als gigantischer Rüstungsbetrieb genutzt. Die Tausenden von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen waren in diesen zwei riesigen Baracken untergebracht, und auch ihrer soll gedacht werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das jetzige Denkmal ist zwar öffentlich zugänglich, befindet sich aber auf der dem historischen Areal gegenüberliegenden Straßenseite. Mit der Öffnung des Tempelhofer Feldes entstand die Möglichkeit, dieses an den historischen Ort zu versetzen und durch die Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes gerade an diese historischen Aspekte zu erinnern, neben den historischen Informationspfaden und Leitlinien, die es schon gibt. Auch die jahrelange Beschäftigung von Anwohnern und Anwohnerinnen in Initiativen wie der von Frau Winzer hat eine historische Aufarbeitung lange vor diesem Antrag in Gang gesetzt, und darauf beruht auch unser Antrag, dass es nämlich wissenschaftlich fundiert ist. Für das Engagement möchte ich mich herzlich bedanken, da das nicht alltäglich und selbstverständlich ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Gram! Als der Verfassungsschutz auf Ausschussreise in Israel war, da waren auch Sie, da war Frau Seelig und da war auch ich sehr betroffen über die Dinge, die wir dort gesehen und erfahren haben.

[Andreas Gram (CDU): War ich auch schon vorher!]

Ich war auch schon vorher in Israel und Yad Vashem, man kann auch vorher darüber betroffen sein, ich will nur sagen, man kann einfach nicht aufhören, sich deutlich genug gegen rechte Geschichtsverklärung oder -verharmlosung zu positionieren.

[Andreas Gram (CDU): Da hat sie recht!]

So fordere ich alle Demokraten und Demokratinnen dieses Hauses auf, sich an diesem Samstag von 13 bis 16 Uhr vor dem Rathaus Treptow an der Mahnwache gegen eine NPD-Wahlkampfveranstaltung zu beteiligen. Es wäre schön, wenn ich die CDU in ausreichender Stärke sehen würde. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Haußdörfer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Ströver das Wort. – Bitte schön, Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Braun! Verzeihen Sie, aber ich empfinde es als geradezu körperlich unangenehm, den Antisemitismusvorwurf so pauschal in Richtung Linke zu richten, und ich empfinde es auch als unpassend, dies so konkret und im Zusammenhang mit dem Thema NS-Geschichte zu tun. Dazu braucht es ein anderes Forum als ausgerechnet die Beratung diese Antrags!

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat bereits im Jahr 2010 erklärt, dass es sich bei der Planung um das Tempelhofer Feld auch für einen Ort der Information und des Gedenkens an das Columbiahaus einsetzen werde. Dieses Ansinnen, das auf einen Förderverein zurückgeht – das wurde von Frau Haußdörfer ja schon gesagt –, der sich seit Jahren um das vergessene Konzentrationslager Columbiahaus kümmert, wird von uns nachdrücklich geteilt.

[Beifall bei den Grünen]

Es ist bereits Bestandteil des Antrags der grünen Fraktion als Teil des Gesamtkonzeptes zum Umgang mit dem Tempelhofer Gelände. Deswegen will ich klar sagen, dass wir dem Antrag der Fraktionen von SPD und Linken gerne zustimmen werden.

Dem Förderverein „Tempelhofer Feld von 1933 bis 1945 e. V.“ ist es zu verdanken, dass die Geschichte des Ortes am Columbiadamm lückenlos zusammengetragen wurde. Zunächst wurde es als Gefängnis und Folterstätte vorwiegend für politische Gefangene der Gestapo genutzt. Ab 1934 wurde es der SS-geführten Inspektion der Konzentrationslager unterstellt und zum Konzentrationslager erklärt. Ab 1937 wurde es aufgelöst, die Häftlinge wurden in das KZ Sachsenhausen, das von den Nazis bis dahin erbaut wurde, verbracht. Politische Gefangene und besonders homosexuelle Inhaftierte aus Berlin saßen dort. Am Ort des KZ entstanden anschließend Zwangsarbeiterbaracken für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. Es steht in unserer Verantwortung, an diesen Ort des Leidens der Menschen im NS-Regime zu erinnern.

Wir haben es gehört, es gibt bereits eine Gedenktafel, aber die ist sicher nicht ausreichend, um die ganze Dimension des dortigen Geschehens deutlich zu machen. Ich verstehe den Antrag der Koalition so, dass man dem Senat ein bisschen Druck machen möchte, denn schon lange gibt es eine Arbeitsgruppe in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die sich um die Ausgestaltung des authentischen Ortes bemühen soll, bisher ohne Ergebnis. Wir alle haben die Pflicht, neben der positiven Geschichte des Tempelhofer Flughafens mit der alliierten Luftbrücke auch an die schrecklichen Ereignisse zu erinnern und diese zu dokumentieren.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Der Antrag kommt spät, aber er macht deutlich, dass alle Planungen für Tempelhof und das Gesamtgelände im Zusammenhang mit diesem Ort gedacht werden sollen und müssen. Das wird nicht gehen, ohne dass dafür investive und dauerhafte Mittel bereitgestellt werden müssen. Das wird die Aufgabe des nächsten Parlaments sein, sicher in Verbindung mit einer vorhandenen Institution des NS-Gedenkens. Ich wünsche Ihnen alle Kraft, dass Sie es schaffen, dafür die Mittel bereitzustellen, auf dass wir dort in nächster Zeit einen würdigen Dokumentationsort für das Geschehen finden werden.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Ströver! – Es hat nun Herr Thiel für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte schön, Herr Thiel!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben etwas, was mir wahrscheinlich fehlt. Ich frage mich die ganze Zeit, was Sie mit der Schaffung eines Gedenk- und Informationsortes konkret umsetzen wollen. Niemand von Ihnen hat sich in irgendeiner Form darauf eingelassen, was Sie sich darunter vorstellen. Sie sagen zum einen, Kollege Flierl, einen historischen Infopfad fänden Sie sehr gut, und es sei unterstützenswert, dass das nun in Gang gebracht werden soll. Darin stimme ich Ihnen voll zu, das fände ich sehr hilfreich, wenn das käme. Aber dennoch haben Sie nicht ein Wort dazu gesagt, was für einen Informationsort Sie dort haben wollen. Sollen dort Schilder aufgestellt werden? Wollen Sie ein neues Museum eröffnen? Wollen Sie eine Baracke aufbauen? Was wollen Sie konkret? – Diese Antwort sind Sie alle schuldig geblieben. Sie haben irgendwelche Vorstellungen, aber nichts ausgeführt.

[Beifall bei der FDP]

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