Protocol of the Session on May 26, 2011

Die Polizeigewerkschaften haben Recht, wenn sie das Wort „Terrorismus“ in den Mund nehmen. Ich sage: Das war eine Kampfansage an ganz Berlin, und die müssen wir entsprechend beantworten.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es läuft doch etwas gewaltig schief, wenn Menschen Angst haben müssen, nachts in die U-Bahn einzusteigen oder ihr Auto in der Innenstadt abzustellen. Eins ist völlig klar: Die Kriminellen und Extremisten sind in unserer Stadt in der deutlichen Minderheit. Aber sie haben das Potenzial, das Leben von vielen zu beeinträchtigen. Wir haben die Aufgabe, den Menschen ihre Ängste zu nehmen oder alles dafür zu tun, dass sie unbegründet sind. Die schlechte Sicherheitslage in unserer Stadt basiert im Übrigen auf politischen Entscheidungen – Entscheidungen, die Sie, Herr Wowereit, und Ihr Senat getroffen haben. Die Sicherheitslage trägt Ihre Handschrift, und dafür werden Sie sich verantworten müssen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie waren es, der von einer modernen Großstadtpolizei gesprochen hat. Aber diese Modernität hat sich einzig darin ausgedrückt, die Polizei kaputtzusparen, Personal abzubauen und Abschnitte zu schließen. Sie haben die Doppelstreifen abgeschafft, weil sie angeblich zu ineffizient wären, und Herr Glietsch hat damals noch gesagt, die Sicherheit werde darunter nicht leiden. Heute müssen Sie eingestehen, dass Sie mit Ihrer Sicherheitspolitik komplett gescheitert sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich stelle dennoch fest, dass Sie das Bürgerprogramm der CDU intensiv studiert haben. Aber Sie haben Ihre Hausaufgaben erst gar nicht gemacht, dann viel zu spät eingereicht und dann auch noch schlecht abgeschrieben.

[Beifall bei der CDU]

Ihre Doppelstreifen sind derzeit doch nur Phantomstreifen, weil Sie die Einsatzreserve immer dann abziehen müssen, wenn es woanders in der Stadt knallt. Ihre neuen Polizisten existieren nur als Zahl für die Zukunft, und Sie müssten – und das ist das Fatale – die Menschen nicht auf 2013 oder 2014 vertrösten, wenn Sie rechtzeitig umgesteuert hätten und schon vor Jahren unseren Forderungen nachgekommen wären.

[Beifall bei der CDU]

Alles, was Sie betreiben, Herr Regierender Bürgermeister, ist Flickschusterei, und in einer so kritischen Phase, in der so viel getan werden müsste, beschädigen Sie auch noch das höchste Amt bei der Polizei, weil Sie Ihrem Innensenator eine völlig unwürdige Posse um die Neubesetzung des Polizeipräsidenten durchgehen lassen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Wowereit! Sie haben Berlin jahrelang als weltoffene und tolerante Metropole propagiert. Da sind wir uns einig. Aber Sie müssen doch einsehen, dass diese Weltoffenheit, Freiheit und Toleranz jeden Tag aufs Neue erkämpft und auch geschützt werden muss.

Wir dürfen uns in Berlin nicht von Kriminellen und Extremisten auf der Nase herumtanzen lassen. Deshalb brauchen wir endlich eine Politik in unserer Stadt, die die Sicherheit der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Wir als Union wollen das tun – auch heute in dieser Aktuellen Stunde. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollegen Henkel! – Für die Grünen hat nun Frau Pop, die Fraktionsvorsitzende, das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Menschen in der Stadt beschäftigt das Thema Gewalt, die Gewaltvorfälle der letzten Wochen. Wir wollten letztes Mal darüber diskutieren. Sie erinnern sich daran. Heute ist das Thema durch die aktuellen Vorfälle leider genauso aktuell geblieben. Ich möchte Anschlag am Ostkreuz, den Kabelbrand erwähnen, den wir scharf verurteilen: Er war ein krimineller Anschlag. Ihn für einen schnellen Atomausstieg in Anspruch zu nehmen, ist schlichtweg eine Unverschämtheit.

[Beifall bei den Grünen]

Es gibt auch andere aktuelle Themen in dieser Stadt. Seit Anfang des Jahres haben Kinder und Familien durch das Bildungspaket Anspruch auf Nachhilfe, Mittagessen in Kita und Schule, Unterstützung für Schulausflüge und andere soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten.

[Christian Gaebler (SPD): Das ist gegen die Stimmen der Grünen beschlossen worden!]

Jetzt, Ende Mai, haben gerade zehn Prozent der Familien einen Antrag gestellt. Das heißt umgekehrt, dass 90 Prozent keinen Antrag gestellt haben, geschweige denn, dass die Kinder und Familien die Unterstützung bekommen, die sie dringend benötigen. Die Frage, wie viele Bildungspakete bewilligt wurden, beantworten Sie nicht. Ich frage mich, ob der Senat gar kein Interesse daran hat, dass die Kinder in unsere Stadt zu ihrem Recht kommen. Bis heute fehlt eine breite Informationskampagne, wie sie andere Städte machen.

[Christian Gaebler (SPD): Warum waren die Grünen dagegen?]

Falls Sie sich richtig daran erinnern, Herr Gaebler: Der Senat hat dagegen gestimmt.

[Christian Gaebler (SPD): Sie wollten es auch nicht!]

Sie setzen das nicht um und bekommen das nicht hin, weil Sie dagegen sind. Woanders werden Eltern von den Jobcentern angeschrieben und darüber informiert, was sie für ihre Kinder tun können. Nur in Berlin weigert man sich. Das ist ein Unding.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Stattdessen setzt man auf die Werbeplakate der Bundesregierung. Man soll sich im Internet irgendwo etwas herunterladen. Das kann nicht Ihr Ernst sei. Das erreicht die Eltern gar nicht.

[Christian Gaebler (SPD): Das war doch schon vorher klar!]

Hören Sie vielleicht mal auf herumzuschreien, Herr Gaebler! Schonen Sie Ihre Stimme und meinen Ohren noch dazu!

[Beifall bei den Grünen]

Die wenigen, die den Elternbrief bekommen oder auf der Seite der Bildungsverwaltung herunterladen, kämpfen mit Sätzen wie beispielsweise bei der Schülerbeförderung:

Ein Ticket wird benötigt, wenn die besuchte Schule mehr als drei Kilometer von der Hortwohnung entfernt ist.

Sollen die Eltern die Schulwege nachmessen? Was denken Sie sich dabei? Sie erreichen mit dieser Informationspolitik nur die Abschreckung der Eltern. Das scheint ja auch Ihr Ziel zu sein. Sie verschicken keine verständlichen Informationen, und Sie bekommen die Umsetzung nicht hin, weil Sie das offensichtlich gar nicht wollen, meine Damen und Herren von Rot-Rot.

[Beifall bei den Grünen]

Denn wenn man sich überhaupt erst einmal getraut hat, einen Antrag zu stellen, bekommt man immer noch keine Nachhilfe, kein Mittagessen, keine Unterstützung.

Sie haben an der Umsetzung zu lange herumgeschustert. Das Ausführungsgesetz ist irgendwo hier im Parlament, aber noch lange nicht beschlossen. Die datenschutzrechtlichen Aspekte sind ungeklärt. Die Verwaltungsvorschriften fehlen. Kurzum: Die Kinder und ihre Familien bekommen bis heute keine Unterstützung, weil die rechtlichen Grundlagen fehlen, weil Sie das bis heute nicht hinbekommen.

[Christian Gaebler (SPD): Nein, weil Schwarz-Gelb Mist gemacht hat!]

Die Umsetzung des Bildungspakets droht, zu einem bürokratischen Spießrutenlauf zu werden. Sie erhöhen die Bürokratie und die Intransparenz und wälzen die Verantwortung und Arbeit auf andere Beteiligte ab. Das ist ein Unding, Herr Gaebler.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Hören Sie auf herumzuschreien, und hören Sie einfach einmal zu, Herr Gaebler!

Ich nenne nur zwei Beispiele: Bei der Nachhilfe gibt es ein zweistufiges Verfahren. Die Eltern rennen zum Jobcenter und lassen sich ihren Antrag bewilligen. Dann gehen sie zur Schule, die ebenfalls die Nachhilfe bewilligen muss.

Dann müssen die Lehrer wiederum den Eltern erklären, warum ihr Kind Nachhilfe bekommt bzw. nicht bekommt. So ist das ja wohl nicht gedacht. Wer soll das an den Schulen überhaupt schaffen?

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Beim Mittagessen müssen die Caterer jedes einzelne Essen mit dem Bezirksamt abrechnen. Wie sollen die das schaffen? Und wenn man ein Kind zur Musikschule oder zu einem Verein schicken möchte, muss man zum Sportverein gehen, zurück zum Jobcenter, und hinterher muss der Verein mit dem Jobcenter abrechnen.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Dieses Chaos passiert hier in Berlin. Andere Städte schaffen zentrale Anlaufstellen, Frau Hiller. Sie aber zersplittern alles über die gesamte Stadt, damit Sie nicht schuld sind, wenn es schief geht. Aber auf diesen Leim wird Ihnen hier keiner gehen. Sie blicken doch selbst nicht mehr durch bei diesem Chaos.

[Christian Gaebler (SPD): Sie blicken auch nicht mehr durch, Frau Pop!]

Sie müssen aber die Fragen beantworten, Herr Gaebler. Weil Sie hier regieren! Und Verantwortung tragen. Wo beantragt man den Bildungspass? Welche Leistungen bekommt man dafür? Wo beantragt man die anderen Leistungen? Zwischen welchen Ämtern muss man hin- und herrennen? Sie müssen diese Fragen beantworten. Das sollen Sie auch schleunigst tun. Ansonsten wird das Bildungspaket zum Leidwesen der Berliner Familien zum Bildungsverhinderungspaket. Glauben Sie mir: Sie bleiben dafür in der Verantwortung.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Christian Gaebler (SPD): Da bin ich mir auch sicher. Wir bleiben in der Verantwortung!]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die Linksfraktion hat nun der Kollege Klemm das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!