Protocol of the Session on May 12, 2011

[Beifall bei den Grünen – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Ich habe Sie gehört! Im ganzen Haus habe ich Sie gehört! Sie sind nicht zu überhören!]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Jantzen! – Weitere Wortmeldungen?

[Mieke Senftleben (FDP): Ich habe noch ein bisschen Redezeit!]

Bitte sehr, dann haben Sie auch das Wort!

Vielen Dank! – Das Minütchen geht schnell. –Herr Senator! Sie haben mich eben besonders angesprochen, da möchte ich schon reagieren. Standortfaktor – natürlich ist das ein Standortfaktor! Als Senator Böger damals immer rumeierte mit den Kitaplätzen, Berlin sei doch super usw., da haben wir genau darauf hingewiesen, dass es als Standortfaktor zu begreifen ist. Aber Sie dürfen nicht die Augen vor dem verschließen, was Frau Demirbüken eben gesagt hat. Auch das ist die Realität. Und wenn Sie diesen hohen Anspruch an die Kitaversorgung in Berlin immer wieder definieren, kleine Gruppen, Vor- und Nachbereitungszeit, super ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher und alles noch beitragsfrei, ausreichende Plätze usw., dann müssen Sie sich an diesem Ihrem definierten Anspruch messen lassen.

Jetzt noch zum Thema Paradigmenwechsel – das ist mein letzter Satz: Ich wiederhole es noch einmal. Sie haben diesen richtigen Satz ans Ende Ihrer Stellungnahme geschrieben. An den Anfang hätte er gehört, denn dann hätten wir erwarten können, dass Sie auch Handlungsfelder, Zielvorgaben zumindest definiert hätten. Dies zu leisten, haben Sie versäumt. – Danke!

[Beifall von Heidi Kosche (Grüne)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Nun kommen wir zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Erste Lesung

Gesetz zur Änderung der Anlage zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ZustKatOrd) im Hinblick auf die

Bestimmung der zuständigen Behörde im Vaterschaftsanfechtungsverfahren

Antrag der CDU Drs 16/4087

Das ist die Priorität der Fraktion der CDU mit dem Tagesordnungspunkt 14. Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Der Abgeordnete Juhnke steht bereits vorne. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag beschäftigt sich die CDU-Fraktion mit dem Skandal der Scheinvaterschaften, welche schleichend einen immer größeren Wirkungskreis entfalten.

[Marion Seelig (Linksfraktion): Woher wissen Sie das?]

Die Wirkung dieser Scheinvaterschaften ist dabei in mehrfacher Hinsicht ein immenses gesellschaftliches Übel. Erstens erschleichen sich dadurch Personen, denen es eigentlich nicht zustehen würde, einen legalen Aufenthalt in Deutschland. Zweitens entstehen dadurch hohe Kosten für Sozialleistungen, die aufgrund des illegal erworbenen Aufenthalts durch unsere Steuern und Abgaben finanziert werden müssen. Und drittens wird hier eine familiäre Beziehung fingiert, die nicht tatsächlich besteht. Dies hat negative Folgen, vor allem für das Kind, das ja dann einen Vater hat, der nur auf dem Papier existiert.

Aber wie entstehen solche Verhältnisse überhaupt? – Leider ist die Funktionsweise bei Scheinvaterschaften relativ simpel. Einerseits gibt es da den deutschen Vater, der das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen zum Schein als sein eigenes anerkennt, andererseits gibt es die Deutsche, für deren Kind ein nichtdeutscher Vater plötzlich die Vaterschaft reklamiert. In jedem Fall gibt es einen Leidtragenden, der vor solchen Machenschaften der Erwachsenen geschützt werden muss, nämlich das Kind.

[Beifall bei der CDU]

Dabei ist es übrigens nicht mehr erheblich, dass es sich bei dem anerkennenden Vater um den biologischen Vater handelt. Jeder, der bereit ist, das soziale Vater-KindVerhältnis anzuerkennen, kann durch schriftliche Anerkennung und Zustimmung der Mutter in diese Rolle schlüpfen. Im Regelfall ist damit auch eine Unterhaltspflicht für das Kind verbunden. Dies sollte eigentlich ein ausreichender Grund sein, leichtfertige Vaterschaftsanerkennung zu unterbinden. In der Praxis jedoch gibt es ausreichend Fälle, in denen Männer, die keinerlei Mittel haben und jemals haben werden und daher auch nicht die aus der Vaterschaft folgende Unterhaltspflicht fürchten müssen, entsprechende Anerkennungen aussprechen.

[Zuruf von Canan Bayram (Grüne)]

Ich kann mich an einen Fernsehbeitrag erinnern, wo Obdachlose befragt wurden und erklärt haben, dass sie für eine ganze Fußballmannschaft von Kindern die Vaterschaft anerkannt hätten.

Einen solchen offensichtlichen Missbrauch dürfen wir als Gesellschaft nicht dulden. Man sollte meinen, dass in einer notorisch klammen Stadt wie Berlin ein ganz besonderes Augenmerk auf solche Fälle gelegt werden, um die Erschleichung staatlicher Leistungen zu verhindern. Doch weit gefehlt, der Senat hat die Verantwortung für die Feststellung und Aufklärung solcher Fälle in die Hände derjenigen gelegt, die schon aufgrund ihrer beschränkten Zuständigkeit und der fehlenden Mittel kaum in der Lage sind, diese zu bewältigen, nämlich die Bezirke. Den Bezirken fehlt hier jeglicher Überblick, ob die Anerkennung der Vaterschaft etwa Folgen für den Aufenthaltsstatus der Beteiligten hat oder nicht. Diese Information liegt nur zentral bei der Ausländerbehörde vor. Damit ist aber ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Scheinvaterschaft für die Bezirke nicht erkennbar. Es bleiben hingegen nur die offensichtlich unglaubwürdigen Fälle, in denen beispielsweise die zukünftigen „Eltern“ in unterschiedlichen Städten wohnen.

Andere Bundesländer, in denen meiner Auffassung nach das Problem prozentual bedeutungsloser als in Berlin sein dürfte, haben die Zuständigkeit klüger geregelt, als es der rot-rote Senat getan hat. Sie haben eine zentrale Zuständigkeit geschaffen, beispielsweise in Baden-Württemberg oder in Bayern. Dabei handelt es sich um ein Feld, in welchem der Staat um hohe Millionenbeträge geprellt wird und in dem sich mittlerweile auch organisierte Strukturen gebildet haben. Deshalb fordert die CDU-Fraktion die organisatorische Anbindung dieser Aufgabe an das zentrale Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Wir fordern den Senat auf: Handeln Sie endlich, anstatt dieses Problem auf dem Rücken der Bezirke auszusitzen! Ende des vergangenen Jahres gab es in Berlin knapp 400 Scheinvaterschaften bzw. Verdachtsfälle auf solche. Durch die eingesparten Sozialleistungen ließen sich die damit zusätzlich befassten Stellen sicherlich problemlos finanzieren.

Ich nenne aber noch einen anderen Aspekt, aus welchem der Staat eine hohe Pflicht ableiten müsste, schnell und wirksam tätig zu werden. Es sind genau solche Fälle, die bei der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, unser Staat lasse sich von jedem, der nur die richtigen Tricks kennt, ausnehmen wie eine Weihnachtsgans – insbesondere dann, wenn es sich um Ausländer und die Erschleichung von staatlichen Leistungen handelt.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Ich appelliere daher an Rot-Rot: Tun Sie endlich was, sonst zementieren Sie Zustände, die uns insbesondere in Berlin noch bitter auf die Füße fallen werden – finanziell und politisch! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Juhnke! – Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Juhnke! Ich gebe Ihnen an einer Stelle recht – Scheinvaterschaften, wenn sie denn tatsächlich Scheinvaterschaften sind, sind problematisch, insbesondere für die Kinder. Wenn staatliche Stellen Hinweise darauf haben, muss das aufgeklärt werden.

Ihrer These, die Ausländerbehörde sei kompetenter in der Bearbeitung solcher Verdachtsfälle von Scheinvaterschaften, weil dort die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen besser bekannt seien, vermag ich nicht zu folgen. Die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen sind übersichtlich – hat ein Kind einen deutschen Vater, so hat es ein Aufenthaltsrecht und die Mutter auch. Dafür brauche ich keine Ausländerbehörde, das wissen auch die zuständigen Behörden auf Bezirksebene. Sie müssten nachweisen, dass eine zentrale Behörde bei der Aufklärung solcher Verdachtsfälle qualifizierter ist – davon habe ich von Ihnen nichts gehört. Sie haben von hinten argumentiert: Wenn eine Scheinvaterschaft vorliegt, dann liegt auch ein Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht vor, deshalb Ausländerbehörde. Das macht keinen Sinn, das ist von der falschen Seite her aufgezogen.

[Beifall bei der SPD]

Sie argumentieren, es sei immer ein Indiz für eine Verletzung des Aufenthaltsrechts, wenn ein deutscher Vater eine Vaterschaft anerkennt und die Mutter Ausländerin ist. Wenn das ein Indiz für eine Scheinvaterschaft ist,

[Canan Bayram (Grüne): Keine Ahnung!]

bei den Lebensverhältnissen in Berlin, dann überziehen Sie so viele Menschen mit einem Verdacht, die überhaupt keinen Anlass dafür geben, und das nur, weil es vielleicht ein paar Einzelfälle gibt, in denen Menschen das ausnutzen. Das kann ich mir nicht als Position vorstellen, die dieses Haus gegenüber den vielen multikulturellen Ehen und Partnerschaften in Berlin vertritt.

[Beifall bei der SPD]

Ein letzter Punkt, warum Ihr Antrag für uns nicht annehmbar ist: Wir wollen starke Bezirke! Ich gebe Ihnen recht, dass es bei der Bearbeitung dieser Fälle in einigen Bezirken Probleme gibt. Wenn wir aber bei allen entstehenden Problemen sagen, die Aufgabe muss weg von den Bezirken, dann sind wir in einigen Jahren so weit, dass wir die Bezirke völlig abschaffen, und das wollen wir nicht.

Ihrem Antrag können wir nicht unsere Zustimmung geben, denn er widerspricht ganz grundsätzlichen Positionen meiner Fraktion! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kleineidam! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Abgeordnete Bayram das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Juhnke! Mit Ihren Ausführungen und Ihrem Antrag haben Sie nachgewiesen, dass Sie sich in dieser Materie überhaupt nicht auskennen. Nach dem, was wir von Ihrer Kollegin Demirbüken-Wegner zum Thema Familie gehört haben, kann man Ihnen fast empfehlen, dass Sie sich mal darüber erkundigen, was Kindeswohl bedeutet und was Familien gut tut.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Es ist absolut widersprüchlich und unsinnig zu sagen, das Wohl der Kinder liege Ihnen am Herzen und deswegen soll demnächst die Ausländerbehörde statt das Jugendamt zuständig sein. Wo hat man denn so etwas gehört?

[Beifall bei den Grünen – Martina Michels (Linksfraktion): Bei der CDU!]

Es besteht wohl auch eine weitere Unkenntnis Ihrerseits darüber, was am Friedrich-Krause-Ufer bei der Ausländerbehörde an Arbeitsaufkommen, an Wartelisten und Wartezeiten besteht. Sie tun so, als würden die Beamtinnen und Beamten dort nur darauf warten, endlich auf Jagd zu gehen, um dann festzustellen, dass sie noch gar nicht beurteilen können, ob ein Verfahren gegen die Leute eingeleitet werden kann, da zunächst die Abfragen beim Jugendamt gemacht werden müssen zur Klärung, ob die Menschen ausgewiesen werden müssen. Dieser Antrag ist wirklich völlig überflüssig, reiner Bürokratieunsinn und in keiner Weise geeignet, weder den Familien noch den Staatskassen weiterzuhelfen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Dass Sie solche Anträge überhaupt vorlegen und wir uns damit befassen müssen, macht deutlich, dass Sie migrantische Familien am liebsten erst einmal unter einen Generalverdacht stellen. Da ist irgendein Migrant dabei, da kann nicht alles mit rechten Dingen zugehen – das ist Ihre Haltung, Ihre Sicht auf diese Stadt, und das sollten die Menschen auch erfahren!