Aber es ist schon erstaunlich, wie schwer sich gerade die Berliner Sozialdemokratie damit getan hat, das auch einmal anzuerkennen. Da tobt nach diesen Bildern, nach der bundesweiten Aufmerksamkeit, die das hervorgerufen hat, monatelang eine Diskussion, was zu tun sei. Bereits im letzten Dezember ist das im Innenausschuss auf unseren Antrag hin aufgerufen worden, und jetzt, kurz vor der
Wahl, kommen Sie aus dem Knick. Statt sofort das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, erleben wir ein elendes Herumgefeilsche des Innensenators oder absurde Diskussionen um Sicherheitszuschläge auf den Fahrpreis. Das war nun wirklich der Situation nicht angemessen.
Ich frage mich auch, Herr Innensenator, warum das so ist. Sie waren und sind doch in anderen Situationen in der Lage, schnell und auch mit Symbolkraft in die Öffentlichkeit hinein richtig zu handeln, wenn aufgrund von Gefährdungslagen Personal konzentriert eingesetzt werden muss, wenn durch sichtbare Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit einem Unsicherheitsgefühl entgegengewirkt werden muss – dann ist doch auch das Personal dafür da. Aber dieses Mal ging es eben nicht um Politikerinnen und Politiker, nicht um den Schutz von Institutionen, sondern nur um Menschen in der U-Bahn, die auf dieses Verkehrssystem angewiesen sind. Ich sage: Sie haben genau dasselbe Recht, von der öffentlichen Hand mit ihren Sicherheitsbedenken Ernst genommen zu werden wie jeder andere. Deshalb kommt Ihre Reaktion von heute zu spät. Das wäre schon vor Monaten möglich gewesen.
Ich sage Ihnen auch, Herr Wowereit: Wir haben sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass Sie heute schon wieder Versprechungen auf Pump für die Zukunft machen. Sie wollen 200 neue Polizeibeamte durch Neuverschuldung finanzieren. Ich sage Ihnen aber: Wir wollen jetzt sehen, dass eine Reaktion kommt.
Sie haben angekündigt, mit 60 Beamten Schwerpunkteinsätze zu machen. Das reicht nicht. Wir müssen gerade jetzt, wo das Gefühl da ist, zeigen, dass wir in der Lage sind zu reagieren, und da lohnt es sich nicht, das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag in die nächste Legislatur zu verschieben. Jetzt müssen Sie zeigen, dass Sie handlungsfähig sind, und darauf warten wir noch heute.
Das sage ich auch ganz klar an dieser Stelle: Es war auch gut, dass Täter mit den Videoaufzeichnungen schnell dingfest gemacht werden konnten. Auch die schnelle Ahndung hilft, Täter abzuschrecken.
Herr Innensenator! Was aber nicht dabei behilflich war, war Ihr öffentlich ausgetragener Disput mit der Justizsenatorin um die Frage, ob ein Haftverschonungsbeschluss richtig war oder nicht. Das trägt nun wirklich nicht dazu bei, das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Dann klären Sie doch innerhalb des Senats ab, ob Sie mit einer solchen Entscheidung zufrieden sind, und halten Sie die Staat
sanwaltschaft an, in die Beschwerde zu gehen! Das ist der richtige Weg. Aber das, was Sie hier vorgetragen haben, zeigt nur, dass Sie nicht in der Lage sind, in dieser Situation angemessen zu reagieren. Das hat die Unsicherheit geschürt und nicht das Vertrauen in unsere Institutionen und in unser System gestärkt.
Herr Innensenator! Das ist auch genau Ihr Problem. Das ist das Problem der Berliner SPD. Man weiß nicht mehr, wer hier eigentlich die Linien bestimmt. Ist es Körting, oder ist es von der Aue? Ist es Dilek Kolat oder Herr Nußbaum in der Finanzpolitik? Und auch in der Integrationspolitik sind noch ein paar andere Akteure unterwegs, wo man nicht weiß, ob sie die Linie bestimmen oder noch diejenigen, die im Berliner Senat sitzen.
Ich sage Ihnen: Wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht herauslassen. Bis zum 18. September, 18 Uhr, sind Sie gewählte Regierung. Danach werden die Uhren sowieso anders ticken.
[Beifall bei den Grünen und der CDU – Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Lars Oberg (SPD): Helau! – Weitere Zurufe von der SPD]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin von der SPD-Fraktion hat das Thema der heutigen Aktuellen Stunde bereits formuliert. Der Ende Januar vorgelegte Familienbericht 2011 mit dem Titel „Zusammenleben in Berlin“ erfüllt einerseits die Notwendigkeit einer Sozialraumberichterstattung, durch die regelmäßig die Lebenslagen von Familien unterschiedlicher Gestalt und Strukturen und damit insbesondere auch die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern in unserer Stadt beleuchtet und zur Diskussion gestellt werden.
Andererseits handelt es sich um ein durchaus neues Instrument. Die vorherigen Familienberichte wurden bislang von der zuständigen Fachverwaltung erarbeitet und stellten vor allem ein Instrument dar, um den fachöffentlichen Diskurs zu reflektieren und zu befördern. Diesmal wurde ein anderes Verfahren gewählt, und das ist besonders hervorzuheben. Es wurde im Auftrag des Senats 2007 ein eigens gegründeter Berliner Beirat für Familienfragen ins Leben gerufen, dem die Federführung für die
Konzeption und die Umsetzung des Berichtsauftrages für die Erstellung des Familienberichtes überantwortet wurde. Dieses interdisziplinär zusammengesetzte Gremium aus 23 ehrenamtlich mitwirkenden Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche lud zu einem über drei Jahre dauernden Diskussionsprozess ein, an dem sich die Fachleute aus Verbänden und unterschiedlichen Einrichtungen ebenso beteiligen konnten wie die Familien selbst. Dafür gebührt allen ein herzliches Dankeschön!
Besonders zu beachten ist das Familienverständnis, welches dem Bericht zugrunde liegt. Wir werden uns hier im Hause vermutlich einig sein, dass es verkürzt wäre, lediglich die Kernfamilien in den Blick zu nehmen im Sinne eines Familienbegriffs, der auf das Zusammenleben von Eltern und minderjährigen Kindern beschränkt bliebe. Vielmehr haben sich die Familienstrukturen in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin gründlich verändert, bedenkt man nur, dass Berlin in hohem Maße die Stadt der Alleinerziehenden ist oder die Vorreiterrolle Berlins auch darin besteht, dass die Zahl solcher Familien stetig wächst, wo Eltern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften die Verantwortung für die Kindererziehung übernehmen.
Der vorgelegte Bericht erfasst aber auch das Thema Familie in seiner Bedeutung für die Beziehung von Eltern zu erwachsenen Kindern oder die wachsende Bedeutung des Verhältnisses zwischen erwachsenen und berufstätigen Kindern zu deren pflegebedürftigen Eltern. Bereits aus diesen Perspektiven des Berliner Beirats für Familienfragen wird deutlich, dass eine Befassung des Parlaments mit den Themen und den Ergebnissen des Familienberichts 2011 ohnehin sinnvoll und notwendig erscheint.
Ein weiterer Grund, weshalb wir die Diskussion des Berichts als Gegenstand der heutigen Aktuellen Stunde vorschlagen wollen, besteht darin, dass es sich bei dem vorliegenden Familienbericht nicht lediglich um eine Bestandsaufnahme handelt, wie wir sie aus anderen Berichten kennen. Vielmehr formuliert der Bericht über die Beschreibung der aktuellen Lage von Familien hinaus Empfehlungen und konkrete Erwartungen an Politik und Verwaltung und unterbreitet einige eigene Vorschläge zur Überprüfung und zur Ergänzung der Angebot von Trägern der Bildungsarbeit, der Familienarbeit sowie der Jugendhilfe. In diesem Sinne hoffen wir mit der Thematisierung des Berichts im Rahmen der Aktuellen Stunde nicht nur familienpolitische Leistungen des Senats zur Diskussion zu stellen, sondern uns auch als Abgeordnete den künftigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu stellen. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Präsident! – „Senator kündigt Qualitätspaket für Lehrer an!“, so titelte die „Bild“-Zeitung am 3. Mai im Jahre des Herrn 2010 – wohlgemerkt 2010. Der Senator wollte dann nach der Sommerpause endlich etwas vorlegen. Wir reden immer noch über das Jahr 2010. Doch zog sich die Sommerpause wie dann so üblich bis tief in den November hinein. Erst dann wurden die ersten Vorschläge gemacht. Letzten Freitag – wir haben es alle mitbekommen – war es endlich so weit. Nach einem Jahr hatte der Senator sein Päckchen geschnürt.
Es ist ein Thema für die heutige Aktuelle Stunde, denn zum einen sollten wir sicherlich über diese frischen Qualitätssicherungsideen des Senats mal etwas genauer diskutieren. Dabei gilt es, auch die Frage zu beantworten: Wer verantwortet im Schulbereich was? – Ich hätte mich schon gefreut, wenn dann der Senator hier mal Farbe bekannt hätte.
Zum anderen möchte ich auch über die Bildungsverwalter etwas genauer nachdenken. Die haben nämlich vier Jahre lang die Bildungsqualität in der Stadt vernachlässigt. Ein Jahr lang haben sie dann Ideen gesammelt, und nun wollen sie – drei Monate vor dem Wahltermin – so richtig loslegen. Ab sofort schrittweise, wie der Senator es in seiner Pressemitteilung ausgedrückt hat. Auf aktuelle Qualitätsprobleme bedingt durch die Strukturreform wird gar nicht eingegangen.
Außerdem würde es mich wirklich interessieren, was meine Kollegen darüber denken. Herr Zillich sagte gestern auf dem Podium: Das ist nicht unser Qualitätspaket, das ist das Qualitätspaket des Senats. – Da würde mich schon interessieren, was Rot-Rot heute dazu sagt.
Also viele veritable Gründe für die Aktuelle Stunde! Herr Senator Zöllner! – Er ist leider nicht da, aber seine Staatssekretärin wird ihm sicherlich alles erzählen. – Auch ohne den sprichwörtlichen Tiger und den Bettvorleger zu bemühen, dieses sogenannte Qualitätspaket ist ein Päckchen – ein Päckchen voller Ankündigungen und Selbstverständlichkeiten.
Bemerkenswert ist, dass es eigentlich keiner so richtig gern auspacken will. Keiner erwartet ein Geschenk. Was in dem Päckchen steckt, ist eher das Delegieren Ihrer Verantwortung an die Schulen, ohne dass diese im Gegenzug mehr Gestaltungsfreiheit oder gar Budgetfreiheit erhalten.
Dazu einige Punkte im Einzelnen: Zum Bereich Kita und Schulanfangsphase frage ich, wo die Evaluation der Sprachförderung bleibt. Das ist hier wieder mal pflaumenweich. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn auch in diesem Jahr die Lehrer beim Thema VERA 3 wiederum gesagt haben, dass die Schüler nach wie vor Verständnisschwierigkeiten bei Textaufgaben haben, dann müssen wir doch einfach mal bei der Wurzel beginnen und nachhaken, ob und was die Sprachförderung in den ersten Jahren bringt.
Dann zum Thema Bußgeld für die säumigen Kinder: Dieses Lied wird seit Jahren in der Stadt gesungen. Ich sage dazu nur ein Wort: Buschkowsky. Warum, Herr Senator, warum, lieber Senat Berlins, machen Sie es nicht endlich?
Zum Thema Schule, und hier insbesondere die Transparenz: Endlich, endlich werden die Inspektionsergebnisse veröffentlicht – mit den schulstatistischen Daten. Ich sage: Endlich kommen Sie der alten FDP-Forderung nach, dieses zu tun.
Ja, das ist es, verehrte Frau Kollegin Tesch. Sie wissen es. – Dann wiederum doch nicht so richtig. VERA 3 wird nicht veröffentlicht. Ja, haben wir gesagt, das akzeptieren wir. Es ist für uns ein Kompromiss. Aber es ist nicht das Ziel. Kommen wir aber zu VERA 8. Ich frage Sie – und hätte es gern aus Ihrem Mund gehört –: Warum wird aus diesen Ergebnissen auch weiterhin ein Geheimnis gemacht? Die Sekundarschule ist doch super ausgestattet – exzellente Räume, viele Lehrer, Sozialarbeiter, kleine Klassen, die angebliche Krönung rot-roter Bildungspolitik. Ich finde, alle Menschen in der Stadt haben ein Recht darauf zu wissen, wie die Ergebnisse aussehen, wie sie zustande gekommen sind, und zwar mit dem ersten Jahr im nächsten Schuljahr.
Dies auf die lange Bank zu schieben, das soll verschleiern. Das ist nicht im Sinne der Transparenz, nicht im Sinne der Eltern.
Herr Senator! Wo bleibt die echte Bildungsqualitätsverbesserung durch Zielvereinbarungen mit den Schulen, die im Gegenzug echte Gestaltungs-, Personal- und Budgetfreiheit erhalten? Wo bleiben die Fortbildungsbudgets für die einzelne Schule ohne die leidige mittlere Schulverwaltung? Wo bleiben die individuellen Förderkonten für einzelne Schüler, damit wir endlich wegkommen von Ihrer absurden 40-Prozent-Förderbedarfsgrenze? Das sind nur einige Fragen, die ich hier stelle, und die ich gern in der heutigen Aktuellen Stunde mit Ihnen diskutiert hätte.