Protocol of the Session on March 31, 2011

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 25:

Beschlussempfehlung

ICC-Sanierung seriös planen

Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/3904 Neu Antrag der Grünen Drs 16/3702

Die Drucksache 16/3904 ist gegenstandslos. Die vorgesehenen Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. Dazu haben Sie nun die Gelegenheit.

Das Thema ICC haben wir in diesem Hause schon mehrfach erörtert, es ist einer der Dauerbrenner der Legislatur. Dennoch scheint der Senat bis zuletzt die finale Linie vermissen zu lassen. Seit Jahren streiten die Koalitionsfraktionen und auch die Senatsverwaltungen nicht nur über die Frage, ob abgerissen oder saniert werden soll, sondern im Fall der Sanierung auch darüber, ob diese bei laufendem Betrieb durchgeführt wird. Das Letztere scheint jetzt entschieden zu sein – zumindest auf der Überschriftenebene. Das finale Bekenntnis steht aber noch aus. So sucht man vergeblich in der mittelfristigen Finanzplanung die langfristige Absicherung der Sanierung des ICC. Wir hatten erst kürzlich die Diskussion um eine ebenso sichere Zusage des Senats – nämlich der Umzug der Poelchau-Oberschule in den Olympiapark. Auch hier nur Lippenbekenntnisse und keine echten in Form von finanzieller Absicherung!

Inhaltlich hat die CDU Fraktion sich mehrfach zum ICC positioniert. Wir setzen nach wie vor auf eine schrittweise Sanierung des ICC während laufender Nutzung, was laut Auskunft von Experten auch möglich wäre – allein es fehlt der politische Wille des aktuellen Senats. Auch auf

der städtebaulichen Rundfahrt des Hauptausschusses konnte die Messe das Sanierungsverfahren nicht deutlich machen. Die Entscheidung des Senats, der Messe Berlin an der Stelle der heute noch existenten Deutschlandhalle für 65 Millionen Euro einen Ersatzbau zu gewähren, der Veranstaltungen aus dem ICC aufnehmen soll, darf nicht dazu führen, dass am Ende die Totenglocke für das ICC geläutet wird. Inhaltlich könnten wir jetzt schon fertig sein – allerdings muss die haushaltsrechtliche Konsequenz noch einmal beleuchtet werden.

Der rot-rote Senat plant, eine umfangreiche und für die Wirtschaftspolitik des Landes besonders relevante Maßnahme möglichst teuer zu lösen. Hierfür musste nicht nur die Deutschlandhalle weichen, sondern es wird ein teurer Ersatzbau geschaffen, dessen Nachnutzungszweck wahrscheinlich der Konkurrenzbetrieb zum ICC sein wird. Daneben sind deutliche Investitionen für die ILA erforderlich. Summiert man die bisher geplanten Kosten für die Sanierung und messetechnisch notwendigen Investitionen, dann sind rund 300 Millionen Euro Finanzbedarf erforderlich – per aktueller Planung. Dass für diese umfangreichen Maßnahmen keine haushaltsrechtliche Absicherung erfolgt, ist schon bemerkenswert. Ordnen wir das in die noch bestehenden weiteren haushaltsrechtlichen großen Lasten im Bereich der BIH-Pleite – geschätzte 500 bis 1 000 Millionen Euro – und den geplanten Anteilsrückkauf von geschätzten 800 bis 1 000 Millionen Euro für 25 Prozent Anteil an den Wasserbetrieben ein, dann hat der Senat allein mit drei Maßnahmen erheblichen finanziellen Konsolidierungsbedarf, der das Investitionsvolumen mehrerer Jahre binden würde.

All das will der Senat aber nicht offen legen. Die Entscheidung für das ICC bedurfte diverser Gutachten, die Millionen verschlungen haben. Am Ende ist es finanziell nicht seriös ausgeplant und steht im Schatten verschiedener anderer Vorhaben des Landes. Lediglich die Finanzierung für den Ersatzbau ist unterlegt. Betrachtet man das Gesamtbild, drängt sich uns der Eindruck auf, dass die Sanierung nachhaltig gefährdet ist und am Ende dann doch die Schließung, der Abriss droht, weil der Senat eben nicht nachhaltig ausfinanziert hat. Diese Unsicherheiten lähmen die Messe und die Diskussion um die Zukunft des ICC und schädigen den Kongressstandort Berlin. Ziel aller Beteiligten muss es jedoch sein, den Messe- und Kongressstandort zu stärken. Um den Kongressbetrieb in der Stadt dauerhaft und ununterbrochen zu gewährleisten, muss folglich eine Entscheidung über die Zukunft des ICC getroffen werden. Für die CDU ist die seriöse finanzielle Planung genauso wichtig wie die Entscheidung, denn nur damit ist Planungssicherheit möglich. Gerade diese Planungssicherheit ist für das Kongressgeschäft mit mehrjährigen Planungszyklen besonders wichtig. Für die CDU gilt: Seriöse Sanierung und seriöse Finanzierung gehören zusammen, und deshalb stimmen wir dem Antrag gerne zu.

Das Internationale Congress Centrum ist eines der entscheidenden Pfunde, mit denen Berlin in der internationalen Kongressszene wuchern kann. Es wurde 1979 genau zu dem Zweck eröffnet, Berlin aus einer relativ mittelmäßigen Position bei internationalen Kongressen zu einem der führenden Kongressstandorte der Welt zu entwickeln. Mit ihrem wegweisenden Entwurf haben die Architekten Ursulina Schüler-Witte und ihr leider kürzlich verstorbener Mann Ralf Schüler für Berlin die Kongressfacilitäten geschaffen, durch die unsere Stadt überhaupt erst unter die drei führenden Kongressstädte weltweit aufrücken konnte. Und dies sind keine längst vergangenen Meriten, sondern das ICC ist in den letzten Jahren immer wieder mit dem World Travel Award für das weltbeste Kongresszentrum ausgezeichnet worden. Ich betone das deswegen so ausdrücklich, weil in der Stadt in letzter Zeit immer mehr der Eindruck erweckt wurde, das Internationale Congress Centrum sei völlig desolat und nicht mehr brauchbar. Das Gegenteil ist der Fall: Das ICC ist Jahr für Jahr ausgebucht und für den hiesigen Kongressstandort unverzichtbar.

Genau deshalb gestaltet sich die nach über 30 Betriebsjahren nun notwendig gewordene technische Generalüberholung des Congress Centrums auch so schwierig. Wir wollen doch nicht allen Ernstes riskieren, dass wichtige internationale Kongresse Berlin verlassen, weil die entsprechenden Facilitäten vorübergehend nicht zur Verfügung stehen. Das wäre wirtschaftspolitisch vollends irrational, denn ob einmal abgewanderte Großkongresse oder Hauptversammlungen je zurückkehren, ist sehr ungewiss.

Der Sanierungsplan des Senats, der in der Vorlage – zur Kenntnisnahme – vom 16. Dezember 2010 nachzulesen ist, zeigt auf, wie diese Quadratur des Kreises möglich werden kann. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat beispielhafte Arbeit geleistet: Ausgehend vom Bedarfsprogramm, auf der Basis technischer Gutachten und von Schadstoffgutachten hat sie gemeinsam mit der Wirtschaftsverwaltung einen Plan geliefert, wie das ICC saniert werden kann und für Berlin trotzdem keine Kongresse verloren gehen.

Der Antrag der Grünen ist demzufolge überflüssig. Ich nehme an, der Antrag ist vor allem der Sorge geschuldet, die Partei des Wirtschaftssenators bekämpfe das ICC nach wie vor, um sozusagen „Rache für den Abriss des Palastes der Republik“ zu nehmen. Ich habe es neulich schon im Bauausschuss gesagt, unsere Devise lautet: „Krieg den Palästen, Friede den Kongressen!“ – Das sieht auch unser Koalitionspartner sicherlich nicht anders. Der gewesene DDR-Palast hat einfach mit der ICC-Sanierung so wenig zu tun, wie der Müggelturm oder die Siegessäule damit zu tun haben – nämlich gar nichts. Die ICC-Sanierung ist eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, und ich bin überzeugt, dass der gesamte Senat dabei an einem Strang zieht.

Wir – und damit meine ich die Mehrheit dieses Hauses – wünschen uns, dass die Sanierung des Internationalen Congress Centrums endlich Gestalt annimmt, weil dieses Gebäude für die Stadt prägend und weil es eine Attraktion ist. In der hier zu behandelnden Drucksache wollten wir den Senat auffordern, eine Planung für die Sanierung – sprich einen Ablauf- und Zeitplan – vorzulegen, Termin 31. März 2011. Das ist heute. Geschehen ist natürlich nichts, denn der Senat geht anders vor: Er erteilt eine Abrissgenehmigung für den Standort der Deutschlandhalle und erlaubt der Messegesellschaft und dem linken Wirtschaftssenator erst mal, eine neue Messe – und Kongresshalle errichten am Standort der Deutschlandhalle – Kostenpunkt 65 Millionen Euro. Das ist eine Planungskultur, die Berlin gerade nicht aus seiner Haushaltsmisere herausbringen wird.

Die Ersatzhalle ist ein Wunschprojekt der Messegesellschaft. Ein geordneter Planungsprozess für den Gesamtstandort Messegelände mit ICC findet nicht statt. Eine seriöse Kosten- und Zeitplanung sieht anders aus. Nicht einmal versucht haben Sie, den Prozess der Sanierung des Kongresszentrums mit einer Teilschließung zu organisieren, obwohl nach einer Vielzahl von Gutachten der Senat 2008 eine Sanierung bei laufendem Betrieb beschlossen hatte. Die Messegesellschaft im Zusammenspiel mit der Wirtschaftsverwaltung plant an dem auffälligsten Gebäude der 70er-Jahre des alten Westberlin vorbei. Und der Senat in Gänze schwankt wie eine Feder im Wind.

Bis heute gibt es für die ICC-Sanierung keine Bauplanungsunterlage, nur eine Grobschätzung der Kosten auf 240 Millionen Euro. Wir alle wissen, dass solche Schätzungen fast nie zutreffen. Berlin baut oft nach dem Grundsatz „20 Prozent auf alles“. Die 65 Millionen Euro, die Sie für die neue Halle ausgeben wollen, hätte ich eher als Mehrkostenreserve eingeplant. Wenn hier so getan wird, als ob diese 65 Millionen von der Messegesellschaft kommen und quasi zusätzlich zum Landeshaushalt existieren, dann muss ich dem deutlich widersprechen. Die Messe ist ein Betrieb des Landes Berlin. Alles, was die Messe erwirtschaftet oder an Zuschüssen aus der Landeskasse bekommt, zählt letztendlich mittelbar zum arg gebeutelten Haushalt des Landes Berlin.

Zu den Zukunftsaufgaben der Messe gehört es, ohne zusätzliche Gelder auszukommen. Die Investition in die neue Halle konterkariert dieses Ziel. Wir haben eine lange Reihe von Sanierungsfällen im Gebäudebestand, von Steglitzer Kreisel, Klinikum Steglitz, Charité-Hochhaus bis zu diversen Opern. Doch der Senat setzt auf Neubauvorhaben, einen Knast in Großbeeren, den keiner braucht, eine Messehalle als Kongresszentrum, weil das ICC politisch zwischen Rot und Rot umkämpft ist, oder eine Kunsthalle für den Regierenden Bürgermeister, damit später etwas in der Stadt an ihn erinnert.

Gestern wurde uns der Eckwertebeschluss für den Haushalt 2012/13 vorgelegt. Der Senat lässt an keiner Stelle

darin erkennen, welche der vielen Wunschprojekte er nun finanzieren will und welche nicht. Rot-Rot muss sich entscheiden: Wollen Sie Neubauvorhaben vor die Ruinen dieser Stadt platzieren, oder wollen Sie als Senat Verantwortung übernehmen und den Gebäudebestand fit machen für die Zukunft? Entscheiden Sie sich, aber bitte vor der Wahl am 18. September 2011! Und Sie haben auch sofort eine Chance: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Lassen Sie uns die ICC-Sanierung seriös planen! Keine Neubauten auf Kosten der Sanierung!

Zum Antrag Drucksache 16/3702 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU, die Grünen und die FDP. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich komme zur

lfd. Nr. 26:

Beschlussempfehlung

Prävention ausbauen – häusliche Gewalt ist keine Privatsache!

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/3971 Antrag der Grünen Drs 16/3644

Dieser Tagesordnungspunkt soll heute vertagt werden. – Widerspruch gibt es nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur

lfd. Nr. 27:

Beschlussempfehlung

Wohnprojekt für Opfer von Zwangsverheiratung einrichten

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/3972 Antrag der Grünen Drs 16/3940

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kofbinger, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie gleich bitten, am Ende meiner Rede unserem Antrag „Wohnprojekt für die Opfer von Zwangsverheiratung einrichten“ zuzustimmen. Kommen wir kurz zu den Fakten. In jedem Jahr suchen ca. 400 junge Menschen, überwiegend sind es Frauen, die in der Stadt tätigen Beratungsstellen auf, weil ihnen eine Zwangsheirat droht oder sie bereits zwangsverheiratet wurden. Diese bereits erschreckend hohe Zahl ist nur die Spitze eines Eisbergs. Wir wissen, die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher. Und immer mehr Frauen sind bereit – –

Entschuldigung, Frau Kofbinger, dass ich Sie unterbreche! – Würden Sie vielleicht etwas leiser sein! Ich weiß nicht, was in diesem Moment so aufregend ist, aber vielleicht verlagern diejenigen, die es nicht aushalten können, ihre Gespräche nach außen, und die anderen lauschen bitte. Ansonsten kann ich auch die Sitzung so lange unterbrechen, bis hier wieder mal ein bisschen Ruhe einkehrt. – Ist schon besser. Sie haben das Wort, bitte sehr!

Der Trend zeigt – das ist wiederum erfreulich –: Immer mehr junge Frauen wenden sich auch an die Hilfeorganisationen und wollen ihre Familien verlassen. Das ist also eine stetige Zahl von Hilfesuchenden und meist sehr jungen Frauen, die einer stagnierenden Zahl von Unterbringungsmöglichkeiten in Hilfeeinrichtungen gegenübersteht. Dies führt dazu, dass dieser Personenkreis nicht mehr angemessen betreut werden kann. Hinzu kommt, dass diese Frauen auch einen besonderen Beratungs- und Betreuungsbedarf haben, der in der herkömmlichen Zufluchtswohnung oder in einem Frauenhaus nicht abgedeckt werden kann. Diese Frauen brauchen eine Einrichtung, die Schutz, Betreuung, Beratung und Begleitung unter einem Dach bietet.

[Beifall bei den Grünen]

Das sind aber keine neuen Erkenntnisse. Das ist uns natürlich seit Längerem bekannt. – Deshalb auch folgerichtig unser Antrag zur Einrichtung eines Wohnprojekts für Opfer von Zwangsverheiratungen. Dass der von Ihnen, Rot-Rot, abgelehnt wird mit dem Hinweis auf eine Broschüre des Berliner Arbeitskreises gegen Zwangsverheiratung, das hat mich doch sehr erstaunt.

[Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Quatsch!]

Genau das von uns geforderte Angebot gibt es noch nicht, folgerichtig kann es dort auch noch nicht verzeichnet sein. Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei,

[Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion): Doch!]

wir haben uns etwas dabei gedacht. Wie Sie ja wissen, gibt es seit dem 17. März ein neues Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsverheiratungen, in dem endlich ein eigenständiges Rückkehrrecht von bis zu zehn Jahren für Opfer von Zwangsverheiratung verankert wurde. Das haben alle Parteien gewollt. Das bedeutet aber auch, dass sie nun auch wirklich zurückkehren werden – was auch alle Parteien wollen, selbstverständlich; das war ja Sinn der Sache. Es ist also ein Umstand, den wir alle begrüßen, auf den wir uns aber noch einstellen müssen. Deshalb finde ich die Ablehnung unseres Antrags geradezu skandalös.

[Beifall bei den Grünen]

Liebe Kollegin von den Linken! Sie haben sich hier so lautstark eingemischt. Ich frage mich an dieser Stelle wirklich, was in Ihrem Kopf vorgeht.

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]

Wie kann man nur so ignorant sein, vor allem, wenn man bedenkt, dass ein solches Wohnprojekt mit verhältnismäßig wenig Mitteln an bereits bestehende und hervorragend arbeitende Vereine und Organisationen angegliedert werden kann, denn das Know-how ist reichlich vorhanden. Das Geld kann es also nicht sein.

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]

Eine starke Befürworterin eines solchen Wohnprojekts ist u. a. die interkulturelle Initiative, die in diesem Bereich seit genau zehn Jahren hervorragende Arbeit leistet. Sie sitzen im Vorstand dieses Vereins und lehnen allen Ernstes dieses Ansinnen ab, als Einzige. Finden Sie das nicht irgendwie merkwürdig?

[Zuruf von Evrim Baba-Sommer (Linksfraktion)]

An Ihrer Stelle wäre mir da schon längst ein Kronleuchter aufgegangen, wenn ich eine solche Vorstandssitzung besuche.