Protocol of the Session on March 31, 2011

Herr Dr. Juhnke! Ihr vorbehaltloses Gottvertrauen in die Sicherheit staatlich vorgehaltener Datenbestände – oder wie hier, nicht einmal staatlich vorgehalten, sondern bei einem Verkehrsunternehmen – kann ich nicht teilen, allein aufgrund der Datenschutzskandale, die wir bei Krankenhäusern, Melderegistern und allen möglichen anderen Einrichtungen des öffentlichen Lebens in den letzten Monaten und Jahren sehen mussten. Da muss man schon ein gehöriges Maß an Naivität beibringen, um hier im Abgeordnetenhaus eine solche Argumentation zu verfechten. Herr Dr. Juhnke, ich bin entsetzt!

[Beifall bei der FDP]

Wenn man sich ernsthaft über die Frage unterhalten will, welche Fristen für diese Speicherung angemessen sind, dann ist das Mindeste, was man dafür tun muss, eine Evaluation. Das ist hier bereits mehrfach gesagt worden. Nur: Beantragt haben wir es, und zwar gleich zweimal. Einmal, als das ASOG geändert worden ist – da hat die Linke unglaublich herumlaviert, die SPD hat das Ganze hingebogen, es ist erst einmal abgesegnet worden. Die Folge war, dass Herr Dr. Körting keine Evaluation vorgenommen hat, sondern uns alle, das gesamte Haus, zum Narren gehalten hat. Das Entscheidende und das Entsetzliche dabei ist, dass die Regierungskoalition sich tatsächlich so vom Senat am Nasenring hat durch die Manege führen lassen. Das hätten Sie sich in einer solch wichtigen bürgerrechtlichen Frage nie hätten gefallen lassen dürfen. Das ist auch ein Skandal!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Das, was wir dann beim zweiten Mal gefordert haben, war, dass wenigstens jetzt der Senat eine entsprechende Evaluation durchführt, eine wissenschaftlich begleitete Evaluation, um festzustellen, wo die sinnvollen Grenzen sind. Da wurde ganz richtig gesagt: Von den 2 907 Anträgen im Jahr 2010 gab es in einer unbestimmten Anzahl von Fällen möglicherweise keine Daten mehr. 50 bis 60 Fälle nannte Frau Dr. Nikutta, der Datenschutzbeauftragte sagt in seiner Presseerklärung, ihm sei ein Fall bekannt, bei dem das tatsächlich der Fall gewesen sei. Die Frage lautet doch: Woran hat es gelegen? Hat es daran gelegen, dass tatsächlich innerhalb von 48 Stunden keine Daten mehr zur Verfügung standen, oder kamen möglicherweise die Antragsteller erst viel später? Das überhaupt erst einmal festzustellen, dafür müsste man eine Evaluation durchführen. Erst danach wäre eine Interessenabwägung zwischen den Rechten der Beeinträchtigten und dem Interesse an der Strafverfolgung überhaupt erst sinnvoll anzustellen. Deshalb ist das, was Sie von der CDUFraktion mit diesem Antrag machen, plumper interessengeleiteter Populismus – und nichts anderes.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD) und Lars Oberg (SPD)]

Das, was wir brauchen, ist eine solche Evaluation und dann ein integriertes Sicherheitskonzept, –

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Kollege!

das nicht nur die Frage der Datenspeicherung

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

und der Datenerhebung, sondern auch die Frage der Garantie echter Sicherheit, echter Strafverfolgung und das beinhaltet, was wir wollen, nämlich einen sicheren ÖPNV, und nicht populistische Schnellschüsse.

[Beifall bei der FDP]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Lux.

[Sven Kohlmeier (SPD): Er hat doch nichts gesagt! Worauf willst du denn reagieren?]

Herr Kollege Jotzo! Vielen Dank für den Hinweis! Die Grünen wissen natürlich, dass es sich um einen erheblichen Eingriff handelt. Aber dieser Eingriff durch die Videoaufzeichnung ist von dem Haus beschlossen worden. Der wurde von Rot-Rot beschlossen. Die flächendeckende Überwachung im öffentlichen Nahverkehr, den Menschen vorzugaukeln, es gebe mehr Sicherheit durch Kameras, Personal abzubauen, das hat Rot-Rot gemacht, das ist beschlossen.

[Lars Oberg (SPD): Fängst du schon wieder mit Wahlkampf an?]

Hier geht es um die Folgefrage: Speichern wir 24 oder 48 Stunden? S-Bahn: 48 Stunden, Gleichlaufargument, das spricht durchaus für den Antrag der CDU. Es war doch erstaunlich, was wir heute für ein Possenspiel von der SPD und der Linken, die hier angeblich regieren, gesehen haben. Da gibt es ein paar Fans von 48-StundenVideoaufbewahrung, und dann gibt es die alten Argumente von Frau Seelig, von denen sich auch nicht eines in der Koalition durchgesetzt hat. Nicht eines davon schlägt sich nieder auf die tatsächliche Arbeit der Berliner Innenbehörden.

Wir führen hier nicht nur die Datenschutzdebatte. Wir Grüne glauben, dass Datenschutz, öffentliche Sicherheit und Bürgerinnen- und Bürgerrechte zusammen gehören. Wir haben ein hohes Interesse daran, dass Ermittlungen schnell laufen, dass wir am besten kaum Speicherfristen brauchen, weil die Leute ein klares Anzeigeverhalten haben, weil sie gleich nach der Straftat hingehen und sagen: Hier ist die Anzeige, ich bin überfallen worden.

Vorhin ist erwähnt worden, dass zum Beispiel bei Opfern von Homophobie, von Gewalt gegen Schwule und Lesben, das Anzeigeverhalten gestärkt werden muss. Das war einer der zentralen Punkte in unserem Aktionsplan gegen

Homophobie. Darauf müssen wir immer wieder aufmerksam machen, dass die Bevölkerung, wenn jemand überfallen wird, wenn Gewalt passiert im öffentlichen Personennahverkehr, wenn dort Straftaten begangen werden, sofort eine Anzeige macht. Denn nur frische Anzeigen und frische Sachverhaltsermittlungen führen zu einem schnellen Ergebnis. Deshalb ist der Vorbehalt bei einer zu langen Speicherung bei uns Grünen vorhanden. Natürlich ist er da. Aber ich will hier eine Haltung von der Koalition sehen, die sich nicht entscheiden kann, ob sie für 48 Stunden ist und wo sie überhaupt steht. Sie hat bei einer Evaluation nicht mitgemacht, sondern hat hier alles durchgehen lassen. Pudding kann man nicht an die Wand nageln, Herr Jotzo, und deshalb sollte man auf das Richtige abzielen.

[Beifall bei den Grünen]

Zur Erwiderung Herr Jotzo.

Herr Lux! Sie haben mit einem recht, und das ist die Frage: Wie kann man es vereinbaren – Herr Juhnke hat es so geschildert –, dass man in der U-Bahn eine Aufbewahrungsdauer von 24 Stunden hat und oben in der S-Bahn von 48 Stunden? Das ist, hat Herr Dr. Juhnke vorhin gesagt, in der Tat eine Absurdität, aber die kann man nicht auflösen, indem man ungeprüft das niedrigere Niveau an Datenschutz auch für das Land Berlin implementiert. Im Gegenteil! Eine solche Absurdität müsste Ansporn und Hinweis für uns als Landespolitiker sein, in der umgekehrten Richtung zu denken und möglicherweise zu überlegen, ob nicht das höhere Niveau an Datenschutz für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr in Berlin implementiert werden sollte, und uns dafür wir uns auf Bundesebene einzusetzen. Das wäre das, was hier angezeigt wäre, Herr Lux.

[Beifall bei der FDP – [Sven Kohlmeier (SPD): Wer regiert denn auf Bundesebene? – Christian Gaebler (SPD): Wer regiert denn da?]

Das Zweite ist doch in der Tat die Frage, Herr Lux, die Sie aufgeworfen haben: Was wird gesagt, und was wird hinterher getan? – Wir haben in dieser Legislaturperiode erlebt, dass seitens der Linksfraktion alles Mögliche gesagt wurde, aber in den entscheidenden Situationen hat man sich dann enthalten und der Anti-Bürgerrechtspolitik der SPD Tür und Tor geöffnet. Das ist richtig, nur, Herr Lux, wenn Sie heute kommen und uns erzählen wollen, dass die Grünen da völlig anders handeln würden, denke ich an die Zeit von Otto Schily und rot-grüne Bundestagskoalition zurück und frage: Was haben Sie da gemacht? – Da haben Sie die Sicherheitsgesetze nach dem 11. September durchgewinkt, da sind Sie einen großen Schritt im Hinblick auf die Biometrie weitergekommen und haben sogar Verfassungswidriges beschlossen wie das Luftsicherheitsgesetz. Da fehlt mir – angesichts Ihrer

Worte – der Glaube. Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, sowohl bei Rot-Rot als auch bei Grün.

Ich bin der Meinung, dass wir einen neuen und klaren Kurs brauchen, der angesichts dieser Fragen auch die Bürgerrechte, den Datenschutz und dessen elementare Grundsätze mit einbezieht. Deswegen ist es gut, dass wir in diesem Haus auch eine liberale Stimme haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Özcan Mutlu (Grüne): Nicht mehr lange!]

Vielen Dank, Herr Kollege Jotzo! – Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags Drucksache 16/3978 an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Die lfd. Nr. 8 steht auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 9 war die Priorität der Linksfraktion.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 10:

a) Erste Lesung

Gesetz zur Abschaffung des Grundwasserentnahmeentgeltes

Antrag der FDP Drs 16/3990

b) Beschlussempfehlung

Wasser ist für die Bürger da – Wasserpreise senken und wettbewerbsfähige Strukturen in der Wasserwirtschaft schaffen!

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/3920 Antrag der FDP Drs 16/3862

Ich eröffne die erste Lesung hinsichtlich des Gesetzesantrags. Für die Beratung stehen jeweils wieder fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Für die Fraktion der FDP beginnt der Kollege Schmidt. – Bitte sehr, Herr Schmidt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz des erfolgreichen Volksentscheids zum Wasser tut sich noch immer nichts, um die Wasserpreise zu senken. Das ist aber die Politik den Berliner Bürgern schuldig.

[Beifall bei der FDP]

Die FDP-Fraktion hat bereits 2008 vorgerechnet, dass die Wasserpreise in Berlin 20 bis 25 Prozent zu hoch sind. Nun hat das Bundeskartellamt mit fast identischen Zahlen gerechnet, und wir fühlen uns dadurch bestätigt.

Wir wissen seit Jahren, dass wesentliche Gründe für die überhöhten Wasserpreise die überhöhten Kapitalverzin

sungen der Wasserbetriebe und das unnötige Grundwasserentnahmeentgelt sind.

[Beifall bei der FDP]

Wir bleiben als FDP-Fraktion dabei, dass der Senat endlich mal erste Schritte unternehmen muss, um die Wasserpreissenkung voranzutreiben. Der Senat muss darauf verzichten, von den maßlos überhöhten Verzinsungen auch noch selbst zu profitieren.

[Gernot Klemm (Linksfraktion): Blödsinn!]

Der Senat darf sich dabei nicht weiter hinter den Privaten verstecken und bei ihnen als Trittbrettfahrer mitfahren.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb ist es richtig, dass wir als FDP-Fraktion den Senat immer wieder auffordern, wenigstens auf seinen eigenen Teil der übermäßigen Abschöpfung zu verzichten. Das heißt keineswegs, dass die Gewinne der Privaten durch das Land bezahlt werden, wie es Herr Wolf und Herr Lederer immer wieder behaupten, sondern das heißt nur, dass der Senat endlich mal selbst zum politischen Anstand zurückkehrt.

[Beifall bei der FDP]