Protocol of the Session on March 8, 2007

[Beifall bei den Grünen]

Deshalb fordern wir schon seit Monaten die dauerhafte, unbefristete Einstellung von 400 Lehrerinnen und Lehrern. Unbefristeten! Wohl wissend, dass die 400 Stellen allein nicht reichen werden.

Vor einigen Wochen hat endlich der Senat die Rufe der Eltern und Schulen erhört und beschlossen, neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Der Haken an der Sache ist: Die Stellen sind nur bis zum Ende des Schuljahres befristet. Ob das in Anbetracht der Bildungsmisere und der Qualitätsdefizite, die uns bereits von mehreren internationalen Studien nachgewiesen worden sind, der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln.

Wir brauchen keine halben Sachen, kann ich nur Herrn Zöllner sagen, davon hatten wir bis jetzt genügend. Wir fordern insbesondere Sie, Herr Zöllner, und Ihren Kollegen Herrn Sarrazin auf, die Personalausstattung der Schulen, insbesondere der Grundschulen, durch eine langfristige Planung zu verbessern und eine Planungssicherheit für Schulen und Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen. Alles andere sind halbe Sachen, die wir nicht akzeptieren können!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Sascha Steuer (CDU)]

Der Nachtragshaushalt ist Ihre Chance! Nutzen Sie diesen Nachtragshaushalt für eine Bildungs- und Qualitätsoffensive! Die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und insbesondere die Schülerinnen und Schüler werden es Ihnen danken. Im Übrigen: Ich würde mich diesem Dank sogar anschließen!

Meine Damen und Herren! Sie haben es gehört, der Senator für Bildung hat beschlossen, 300 neue Lehrerinnen und Lehrer bis zum Schuljahresende einzustellen. Mit welchem Erfolg, das haben Sie vorhin in der Fragestunde bereits gehört und konnten es auch in der Tagespresse lesen. Herr Steuer hat mit dem pensionierten Lehrer ein schönes Beispiel gebracht. Das ist im Übrigen kein Einzelfall, wie es einer der Zurufer meinte. Aber das ist noch nicht alles.

Ich habe Zuschriften von Schulen erhalten. – Frau Präsidentin! Ich möchte gern zitieren. – Ein Bewerber meldet sich bei einer Schule X:

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihr Interesse. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich bereits eine unbefristete Stelle habe. Bedauerlicherweise nicht im Land Berlin, umso bedauerlicher, als die zentrale Bewerbungsstelle das seit geraumer Zeit schon weiß. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Suche.

Oder ein anderer Bewerber meldet sich und schreibt:

Mich wundert es, dass ich noch in der zentralen Bewerberliste stehe. Ich habe bereits seit zwei Jahren eine Anstellung in Baden-Württemberg angenommen. Vielen Dank dennoch für Ihr Interesse!

Das ist die Realität dieser Bewerberliste. Was ist eine Bewerberliste wert, wenn sie überholt ist und nicht regelmäßig gepflegt wird? Wie kommt es, dass zum Stichtag 24. Januar 2007 insgesamt 2 271 Lehrerinnen und Lehrer in der zentralen Bewerberliste erfasst sind und es bisher dennoch nicht gelungen ist, die 300 Lehrerinnen- und Lehrerstellen zu besetzen?

Wir bilden die Lehrerinnen und Lehrer aus, und die reichen im Übrigen – ich habe es vorhin schon gesagt – nicht einmal aus, um unseren Lehrerbedarf zu decken. Wir bilden sie mit Steuergeldern der Berlinerinnen und Berliner aus, und andere Bundesländer stellen sie ein. Damit muss Schluss sein, weil ein Unterrichtsausfall von etwa 11 % nicht mehr geduldet werden kann,

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

weil eine unzureichende Personalausstattung an den Schulen zu erheblichen Qualitätseinbußen führt und weil dadurch Schulentwicklung und Schulprogrammarbeit vor Ort unmöglich werden.

Herr Mutlu, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum Schluss! – Berlin kann sich ein derartiges generationsübergreifendes politisches Versagen in der Bildungspolitik nicht mehr länger leisten, und deshalb haben wir diesen Antrag stellt – im Übrigen an die Kollegen von der SPD: zuhören! – und heute einen Antrag eingereicht – der trägt auch die Unterschrift des Kollegen Esser –, dass endlich 400 Lehrerinnen- und Lehrerstellen zusätzlich geschaffen werden, damit wir uns wenigstens ein Stück nach vorn bewegen können und den Schulen, den Schülerinnen und Schülern helfen und ihre Zukunft nicht verbauen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Bluhm das Wort! – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dann reden wir einmal über Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern in Berlin. Es liegen drei Anträge der Opposition vor. Die Grünen unterbreiten in acht Punkten konkrete Vorschläge, die allerdings alle in Arbeit sind, und die CDU- und FDPVorschläge lesen sich wie Planerfüllungsvorschläge im sozialistischen Wettbewerb.

Die Koalition ist mit ihrem Koalitionsvertrag und den angekündigten Arbeitsgruppenvorschlägen der zuständigen Senatsverwaltung gut aufgestellt. Wir wollen den tariflosen Zustand für die nach dem Jahr 2003 neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer beenden und ein neues Arbeitszeitmodell unter Berücksichtigung der Pflichtstunden und der ganztägigen Bildung und Betreuung gemeinsam mit den Gewerkschaften entwickeln, heißt es dort.

Die Koalition wird einen relevanten Geldbetrag zu Beginn des neuen Schuljahres zur Verfügung stellen, der es gestattet, 100 % für die Unterrichtsversorgung mit herausgerechneten dauerkranken Lehrerinnen und Lehrern zu nutzen und darüber hinaus 3 % Vertretungsmittel zusätzlich in die Eigenverantwortung der Schulen zu geben. Das wird zwischen 17 Millionen € und 34 Millionen € kosten, und wir werden diesen Betrag aufwenden.

Frau Bluhm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mutlu?

Frau Kollegin! Nach den derzeit gültigen Organisationsrichtlinien des laufenden Schuljahres haben die Schulen eine Ausstattung von 105 % einschließlich der Dauerkranken, die wir alle bedauern. Die werden jetzt herausgerechnet, und den Schulen werden 100 % Grundausstattung zugebilligt plus 3 % Vertretungsreserve. Ich frage Sie: Bei einem Vertretungsanteil von 8 % und da es nicht genug Lehrer auf dem Markt gibt, die wir einstellen könne, was sollen die Schulen mit diesen 3 % machen, und wo sind die 2 % geblieben, die wir zuvor hatten, nämlich 105 %?

Herr Mutlu! Genau über dieses Thema reden wir hier, und dass es einfallslos ist, einfach immer nur mehr Lehrerinnen und Lehrer zu fordern, und dass es sinnvoll ist, sich der Gesamtproblematik zu stellen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben immer noch mit Stichtag 1. November 2006 in der Bilanz zwischen Lehrerbedarf und Lehrausstattung einen Überhang von 184 Lehrerinnen und Lehrern. Wir müssen also konstatieren, dass das Problem woanders liegt und dass wir uns dieser Problematik stellen müssen. Da erwarte ich auch von der Opposition, dass sie ein bisschen einfallsreicher ist, denn Sie müssen Anträge stellen, und wir müssen sie gegebenenfalls mit unserem Koalitionspartner und der zuständigen Senatsverwaltung abstimmen und umsetzen. Einfach nur zu sagen, es sind nicht genug Lehrer, ist kein Beitrag dazu.

Ich finde es richtig, dass die Arbeitsgruppen eingerichtet werden – da drängeln wir ein bisschen, damit wir schnell die Ergebnisse vorlegen –, aber es liegt vielleicht auch an der Organisationsstruktur. Vielleicht müssen wir einmal genau schauen, ob die Lehrerinnen und Lehrer inklusive der Referendare – bei denen wir übrigens auch aufstocken, wie Sie bestimmt zur Kenntnis genommen haben, 200 Stellen im Jahr 2008 und 200 Stellen im Jahr 2009 – nicht alle zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle geschickt werden.

Wir sollten uns auch der Problematik stellen, Herr Mutlu, dass wir Lehrerinnen und Lehrer entlasten müssten. Ich fand es sehr beeindruckend, dass die GEW noch einmal 29 Punkte benannt hat, was zusätzliche Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern sind, wie die Lernstandsanalyse, die Sprachlerntagebücher, die weitergeführt werden, die Schlichtung von Streit und die Gewaltprävention. Das sind Tätigkeiten, die zum Lehrer- und Lehrerinnenberuf gehören und die von den Lehrerinnen und Lehrern gemacht werden müssen. Trotzdem müssen wir uns Gedanken machen – kein Vorschlag dazu von der Opposition –, ob nicht der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor – die ÖBSis – tatsächlich bei Koordinationsaufgaben die Lehrerinnen und Lehrer entlasten können, damit sie ihre Kernaufgaben besser und weniger belastet verrichten können.

Ein weiterer Vorschlag ist – das ist eine Hausaufgabe, die wir noch machen müssen, die aber schon zu einem sehr weiten Fortschritt gekommen ist –, über die Lernassistenten nachzudenken. Die Voraussetzungen sind gegeben. Wir müssen jetzt über eine vernünftige Eingruppierung, über einen vernünftigen Einsatz in der Schule nachdenken. Auch hier wäre es sinnvoll, darüber nachzudenken, diese Lernassistenten an den Berliner Schulen einzusetzen. Einen Bedarf wird es auf jeden Fall geben.

[Beifall bei der FDP]

Ja, Frau Senftleben! Sie können noch mit einem Antrag unterstreichen, dass Sie da mit mir einer Meinung sind!

[Mieke Senftleben (FDP): Haben wir schon gemacht! Einer müsste reichen!]

Jetzt stellt sich die Frage zum Stichwort Neueinstellungen. Als es eine Kampagne gab zu der schwierigen Situation für Lehrerinnen und Lehrer, mit Zweidrittelstellen eingestellt zu werden, hätte ich mir gewünscht, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass es sich um Zweidrittelver

träge handelt, die aber bei Abschluss unbefristete Verträge sind, mit dem Wissen, dass es nach zwei Jahren volle Stellen werden. Das ist ein wichtiger, hinzuzufügender Sachverhalt, der die Gesamtsituation etwas anders darstellt.

Darüber hinaus finde ich es bemerkenswert hinzufügen, dass in allen anderen ostdeutschen Ländern BAT-Ost gezahlt wird, dass die Lehrerinnen und Lehrer in Brandenburg seit mehr als zehn Jahren freiwillig auf 60 %-Stellen gegangen sind und trotzdem ein Einstellungskorridor realisiert wird.

Abschließend: Wir sehen dieses Problem, und uns sollte möglichst schnell etwas einfallen, wie gerade die guten Lehrerinnen und Lehrer, die guten Absolventen unserer Hochschulen und Universitäten in Berlin bleiben. Die Attraktivität der Stadt und das Streben der Koalition, gerade in diesem Bereich mehr Geld zu geben, dann aber auch genau hinzuschauen, wie wir es ausgeben, finde ich absolut sinnvoll und richtig.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bluhm! – Für die FDPFraktion hat jetzt Frau Senftleben das Wort. – Bitte!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! Zum Thema Lernassistenten: Verehrte Frau Bluhm, ich sehe nicht ein, dass ich noch einmal einen Antrag stellen muss. Wir haben einen Antrag gestellt. Das war einer der wenigen Anträge, die wir überhaupt durchbekommen haben. Es ist jetzt Ihre Aufgabe bzw. die Aufgabe von Rot-Rot, dieses auch zu erfüllen. Das ist das Entscheidende. Wir haben kürzlich eine Kleine Anfrage gestellt, und diese Antwort will ich Ihnen gern einmal zur Verfügung stellen, oder lesen Sie sie nach. Inzwischen kennen Sie sie auch. Dies ist absolut nicht zufriedenstellend, und deshalb sage ich: Wir brauchen die Lernassistenten. Der Antrag ist gestellt. Dem ist stattgegeben worden und jetzt: machen!

[Beifall bei der FDP]

Wir wissen es ja alle: Bei Berlins Schulen liegt so vieles im Argen. Das wissen betroffene Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte, und wir wissen es auch. Die täglichen Hilferufe – und die kommen täglich, die haben Herr Mutlu und die Kollegen vorher erwähnt: Briefe, Anrufe, E-Mails – sind nun einmal da. Die zwei Aktionen: die laufende im Rahmen der Fastenzeit mit dem Motto „Bildungshunger“ – das finde ich eigentlich ganz charmant – oder auch die „Adventskalender“, jeden Tag ein Türchen geöffnet, jeden Tag eine neu Schule vorgestellt, wo es andere Probleme gab, das sind schon konkrete Sachen. Wenn man mit Eltern und Lehrern redet, dann werden einem schon die Augen geöffnet.

Der Unterrichtsausfall ist eklatant. Er ist so hoch, dass es die jetzige Regierung offensichtlich auch begriffen hat, denn sie ergreift schließlich Maßnahmen. Es soll hier Abhilfe geschaffen werden. Dass Sie, Herr Senator, es jetzt tun, ist allerhöchste Zeit. Ich hatte allerdings bei der Beantwortung der Frage, die Kollege Mutlu gestellt hat, ein wenig den Eindruck, dass auch Sie sich inzwischen die Situation schönreden. Das hatten wir schon einmal: Ihr Vorgänger sprach von einem „gefühlten Unterrichtsausfall“. Ich muss gestehen, das fand ich die Arroganz par excellence.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte Sie wirklich bitten, sich diese Art nicht zu eigen zu machen, denn das bringt nichts. Akzeptieren Sie die Realität, denn nur das bringt uns voran! Sie haben lange genug bestritten, auch die Kollegen von Rot-Rot in der letzten Legislaturperiode, dass wir diesen Unterrichtsmangel haben. Das ist unverantwortlich gegenüber den Schülerinnen und Schülern, die ihre Vergleichsarbeiten schreiben müssen, die zentrale Prüfungen bestehen müssen, von denen etwas abhängt. Das ist das Entscheidende, wo wir Verantwortung zu tragen haben. Das sage ich ganz deutlich auch im Rückblick auf die letzte Legislaturperiode.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt zu den Anträgen, Berliner Schulen zentral zu steuern. Das ging schief, das geht schief, und das wird weiter schiefgehen. Da gibt es das Beispiel der Lehrerpersonalplanung der Senatsverwaltung für Bildung. Da wurde im Jahre 2002 dem Land für die nächsten zehn Jahre ein Bedarf von 1 044 Pädagogen nachvollziehbar vorgerechnet. Diese Zahl wurde dann alle zwei Jahre nach unten korrigiert. Wenn die Verwaltung so häufig nachbessert, an Zahlen herumfeilt, dann kann sie sich eigentlich die Mühe sparen, und sie sollte es sein lassen. – Insofern, Kollege Steuer, stehen wir diesem Antrag etwas skeptisch gegenüber.

Meines Erachtens sollten wir die Schulen selbst auffordern, die eigenen Bedarfe zu schätzen, was dann in der Verwaltung ausgewertet werden muss. Eine anschließende Ausschreibung erfolgt dann dezentral vor Ort. Das ist es, was die Liberalen unter eigenverantwortlicher Schule verstehen, verehrte Frau Kollegin Bluhm.

[Beifall bei der FDP]