viertens: Das sind selbstverständlich auch notwendige Voraussetzungen für die Emanzipation in Berlin. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal Dank an die Kollegin Baba und an die Kollegin Bayram, die mit ihren Beiträgen auch noch unsere Anträge, die heute unter Tagesordnungspunkt 23 und 24 besprochen werden, zum Thema gemacht haben. Dafür bedanke ich mich recht herzlich! – Aber nun muss ich leider etwas Wasser in den schönen Wein von Frau Baba schütten. Das mache ich ungern,
Lassen Sie mich positiv beginnen! Wir konnten es heute in den Berliner Zeitungen lesen: Berlin ist weiblich! – Das ist eine schöne Aussage gerade heute zum Internationalen Frauentag. Der „Tagesspiegel“ verstieg sich sogar zu der Schlagzeile: „Berlin – die emanzipierte Metropole!“
Für den „Tagesspiegel“! – In einem erstaunlich gut informierten und gutgelaunten Artikel zählte der Autor Thomas Loy das weibliche Potenzial auf, das in unserer Stadt schlummert. Ob es die hohe Zahl der Abiturientinnen und der Studentinnen, die erkleckliche Zahl der weiblichen Abgeordneten in diesem Haus oder die Zahl der weiblichen Auszubildenden im letzten Jahr ist – fast überall sind Frauen spitze. Eine schöne Bilanz!
Apropos Bilanz: Darum geht es heute. Wie steht es z. B. mit der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen in Berlin? – Der damalige Ressortzuschnitt von Arbeit, Wirtschaft und Frauen sollte Synergieeffekte bringen. Dieser Effekt ist leider unter der messbaren Marke geblieben. Es wurde weder ein zählbarer Anstieg von Frauenarbeitsplätzen verzeichnet, noch wurden die im Bericht zur Situation der Frauen in Berlin genannten mittelfristigen Schwerpunkte der Senatspolitik erreicht. Die Verbreiterung des Berufsspektrums von Frauen – hier besonders das Förderprogramm für Mädchen in technischen Berufen: Gestrichen! – Die Weiterentwicklung von Maßnahmen zur besseren Ausschöpfung des Gründungspotenzials von Frauen: Hier sind die geschlechtsspezifischen Programme einfach abgeschafft worden. – Oder die Verbesserung der gleichstellungspolitischen Ausrichtung von Förderprogrammen im Bereich Wirtschaft, berufliche Bildung und Arbeitsmarkt: Nichts passiert!
Die Frauenerwerbsquote ist in Berlin mit ca. 60 % eher schlecht, und wenn man dann noch bedenkt, dass ein erheblicher Anteil dieser Frauenarbeitsplätze – Sie haben es bereits erwähnt – in den Bereich der Midi- und Minijobs fällt – mit einem Verdienst unter und um 800 € –, kann man nicht wirklich von einer eigenständigen Existenzsicherung sprechen.
Der bereits zitierte Bericht zur Situation der Berliner Frauen stellt zusammenfassend fest, dass die Situation am Berliner Arbeitsmarkt und die hohe Arbeitslosigkeit, die wir leider trotz leichten Aufschwungs immer noch zu verzeichnen haben, zurzeit die größten Hemmnisse für das Erreichen eines weiteren Fortschritts bei der Gleichstellung der Geschlechter darstellen. Unser Fazit lautet deshalb leider: Frauen kommen mit Rot-Rot weder an die Spitze – nämlich in die Vorstände – noch zu mehr ökonomischer Sicherheit.
Aber wir fragen uns trotzdem ernsthaft, warum Frauen in Berlin heute immer noch nicht Beruf und Familie optimal verbinden können. Das Netz von Kinderbetreuungsplätzen ist in Berlin engmaschig, aber das Angebot geht noch immer am Bedarf vorbei. Die Arbeitswelt flexibilisiert sich fast stündlich, die Betreuungsstrukturen nicht. Überhaupt – dieses ganze Herumeiern mit den Kitakosten! Erst wurden sie deftig und heftig erhöht. Es gab ein Riesengeschrei. Dann sollte das letzte Kitajahr kostenlos sein. Das beschließt nicht der zuständige Senator, sondern der Bürgermeister persönlich, und er überfordert damit im Wahlkampf auch noch seine Parteifreunde.
Warum ist Berlin nicht Vorreiterin für ein konkurrenzlos gutes Angebot geworden, das im Rest des Landes seinesgleichen sucht? Das müssen Sie sich heute fragen lassen.
Ihre Antwort, die Sie mir und uns geben, ist immer die gleiche: Zu teuer! Lieber lassen wir gut ausgebildete Frauen zu Hause sitzen und alimentieren sie.
Wie sagte kürzlich die FDP-Europaabgeordnete KochMehring so schön: „Ich habe Betriebswirtschaft studiert und nicht Kinderspiele.“ – Das Bild, das diese Stadt in diesem Land in puncto Kinderbetreuung bietet, mutet Menschen aus anderen Ländern, z. B. Frankreich, geradezu surreal an. Hier werden Frauen teuer ausgebildet und unter Tränen dazu angehalten, doch bitte ein Kind oder besser zwei Kinder zu bekommen, um sie danach nicht mehr einzustellen oder in Halbtagstätigkeiten abzuschieben. In Frankreich hält man uns allein dafür schlichtweg für bekloppt.
Diese Frauen haben das völlig absurde Problem, dass alle nach gut qualifiziertem Personal schreien, aber niemand eine zeitflexible Kinderbetreuung bezahlen will, weil sie angeblich so teuer ist. Dieser Senat leistet sich ein teures Vergnügen und verpasst auch noch den Anschluss. Unser Fazit lautet auch hier: Mit Rot-Rot schaffen es Frauen weder an die Spitze noch zu mehr ökonomischer Sicherheit.
Bei dem Wort „Sicherheit“, das zum Schluss gefallen ist, darf man auch die Sicherheit von Frauen im öffentlichen und privaten Raum dieser Stadt nicht vergessen. An jedem Internationalen Frauentag ist die Forderung nach effektiver Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen allgemein leider ein Bestandteil jeder Rede und jedes Forderungskatalogs, der präsentiert wird. Auch hier können wir feststellen, dass die Weichen richtig gestellt sind, aber die Struktur nicht entsprechend gepflegt wird. Hier wird immer noch zu wenig Geld investiert, um die Arbeit, die auf die Beratungsstellen, Frauenhäuser, Interventionsteams und Frauenzufluchtswohnungen zukommt, zu finanzieren. Das ist ein Versäumnis, das wir so nicht hinnehmen werden. Es fehlt wieder einmal Geld, um Geld zu sparen, denn die meisten – oder alle hier – werden wohl wissen, dass jede geschlagene oder verletzte Frau Kosten verursacht.
In Deutschland fliehen jährlich ca. 40 000 Frauen und Kinder in die Frauenhäuser, weil sie zu Hause die Hölle erlebt haben. In Berlin sind es einige Tausend. Jede vierte Frau hat Formen von sogenannter häuslicher Gewalt erlebt oder erlebt sie gerade. Es entstehen über diese direkten Kosten hinaus aber auch Kosten für Justiz, Polizei, ärztliche Behandlung und Arbeitsausfälle. Diese Gewalt gegen Frauen und Mädchen kostet die Solidargemeinschaft jedes Jahr ca. 14,8 Milliarden €. Auf Berlin umgerechnet sind das ungefähr 632 Millionen €. Was macht der Senat? – Er findet jede Aufstockung für die Fraueninfrastruktur zu kostspielig. Er will z. B. nicht in Präventionsarbeit in der Schule und Selbstbehauptungstrainings für Mädchen investieren. Es gibt keinen Cent mehr für die Mädchenarbeit oder für die genauso wichtige Jungenarbeit, also Geld für die, die morgen entweder Schläger oder Geschlagene sein könnten.
Der Senat ziert sich, wenn das einzige Täterprojekt Berlins, das soziales Training anbietet und dessen Finanzierung aus Lottomitteln ausläuft, um Weiterfinanzierung bittet. Unserer Meinung nach muss ein solches Projekt auch nicht bei der Senatsverwaltung für Frauen etatisiert werden, sondern bei Justiz oder bei Inneres – so, wie es auch in Rheinland-Pfalz der Fall ist, wo sich das Land diese Arbeit immerhin 380 000 € im Jahr kosten lässt. Aus der Justizverwaltung kam aber schon der Hinweis – für Leute, die das gern nachlesen möchten, habe ich den Brief zur Hand –, dass eine solche Arbeit ja als Erstes den Frauen zugute komme, und deshalb sollten die auch bitte die Kosten tragen – d. h. Rücküberweisung an Herrn Wolf.
Unser etwas bitteres Fazit an dieser Stelle: Mit Rot-Rot wird zu wenig für die Sicherheit der Frauen getan.
Abschließend bleibt festzustellen: Die Zeit der Alphatierchen ist sicher noch nicht vorbei – wie es Frau von der Leyen schon ausrief. Aber Berlin ist eine Stadt der Frauen. Seien Sie ab heute auch der Senat der Frauen! – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kofbinger! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Senftleben das Wort. – Bitte!
[Mario Czaja (CDU): Da hat Herr Lindner heute Glück, dass Sie keine Grippe haben! – Zuruf von der Linksfraktion]
Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! – Vorab, liebe Frau Baba: Am 1. April 1998 wurde von SchwarzGelb das Gesetz zum Schutz der Frau gegen die Vergewaltigung in der Ehe verabschiedet.
Sie haben eben etwas von Rot-Grün erzählt. Sie wissen es offensichtlich nicht. Deshalb lassen Sie es sich einfach sagen!
Das Zweite vorab: Thea Dorns Buch „Die neue F-Klasse“ ist wunderbar. Erstens hat Thea Dorn eine liberale Haltung, und zweitens werden in diesem Buch eine Menge liberaler Frauen dargestellt.
Nun möchte ich zum Thema kommen. Ich schicke voraus: Ich bin im Westen sozialisiert, auch frauenpolitisch, und ich sehe überhaupt nicht, dass Frau und Sozialismus in irgendeiner Weise etwas miteinander zu tun hätten.