Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Sandra Scheeres von der Fraktion der SPD zu dem Thema
1. Wie bewertet der Senat die zunehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die mit akuter Alkoholvergiftung stationär behandelt werden müssen, und welche Erkenntnisse liegen dem Senat zum Alkoholkonsumverhalten von Kindern und Jugendlichen insgesamt vor?
2. Worin liegen aus Sicht des Senats die Ursachen für den gestiegenen Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen, und welche Präventionsmaßnahmen werden vonseiten des Senats bereits unternommen bzw. erforderlich?
Danke schön, Frau Abgeordnete! – Zur Beantwortung hat Frau Senatorin Dr. Knake-Werner das Wort. – Bitte schön!
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Scheeres! Ich habe etwas kurzfristig diese ehrenvolle Aufgabe der Beantwortung übernommen, und ich hoffe, ich kann Ihren Fragen einigermaßen gerecht werden.
Im Jahr 2005 sind insgesamt 274 Kinder und Jugendliche wegen akuten Rausches stationär in Berliner Krankenhäusern behandelt worden. Das entspricht 0,1 Prozent dieser Altersgruppe. Wenn man dies mit dem Jahr 2000 vergleicht, so waren es 156 Kinder und jugendliche der selben Altersgruppe, die aufgrund von Alkoholmissbrauch behandelt werden mussten.
Wenn man jetzt die Altersgruppe etwas differenziert und sich die Gruppe der 10- bis 15-Jährigen anschaut, so kann man einen sehr geringer Zuwachs in diesen 6 Jahren feststellen.
In der Altersgruppe der 15- bis 20-jährigen ist der Zuwachs ein bisschen größer, hält sich aber, wenn man sich die Prozentzahlen anschaut, noch einigermaßen im Rahmen, finde ich.
Zahlen zum Alkoholkonsumverhalten von Berliner Kindern und Jugendlichen für das Jahr 2006 liegen uns erfahrungsgemäß erst im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres vor. Alle zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Zahlen und Trends zum Alkoholkonsumverhalten bei Kindern und Jugendlichen,
Kindern und Jugendlichen, die wir für dieses Jahr zur Verfügung haben, zeigen folgende Tendenz auf: Insgesamt ist der Alkoholkonsum unter Kindern und Jugendlichen eher rückläufig. Die Gruppe der alkoholabstinent lebenden Jungen und Mädchen nimmt leicht zu. Hier kann man eine positive Entwicklung registrieren. Wir müssen allerdings feststellen – das ist das, was uns gemeinsam immer wieder beschäftigt –, dass eine relativ kleine Gruppe von Jugendlichen durch ihren besonders riskanten Umgang mit Alkohol und alkoholhaltigen Getränken auffällt. Bei diesen Jugendlichen scheint das „Kampftrinken“ oder das „Komasaufen“ als eine Art Sport mit zum Freizeitverhalten zu gehören – was eine verheerende Entwicklung ist. Der Senat wird diese Entwicklung sehr genau beobachten und schauen, welche Möglichkeiten des Eingriffs dort geboten sind.
Zur Frage 2 nach den Ursachen des Alkoholmissbrauchs: Das ist bei Kindern und Jugendlichen nicht anders als bei Erwachsenen. Die Ursachen sind vielschichtig und sehr facettenreich. Es gibt auf der einen Seite das, was ich gerade schon angedeutet habe: ein bestimmtes, ausgeprägtes Experimentier- und Risikoverhalten mit illegalen und legalen Drogen in der Jugendphase. Man versucht, die persönlichen Grenzen auszutesten, und guckt, wie weit diese Grenzen überschritten werden können. Es gibt da ganz jugendtypische Verhaltensweisen. Mutproben spielen auch im Umgang mit Alkohol eine Rolle. Experimentieren gehört sozusagen dazu. Und es kommt etwas anderes hinzu: Auch das Verhalten mancher Eltern hinsichtlich des Alkoholkonsums ihrer Kinder ist ausgesprochen unkritisch. Wenn ich das zum Beispiel mit der aktuellen Debatte um das Nichtrauchen vergleiche, finde ich, dass es da einen deutlichen Nachholbedarf gibt. Auch das eigene Trinkverhalten vieler Eltern ist nach meinem Eindruck nicht gerade vorbildlich. Ich denke, dass Eltern bisweilen die Energie fehlt, rechtzeitig einen Haltepunkt zu setzen und die Kinder auf die Gefahren des Alkoholkonsums und vor allen Dingen des Alkoholmissbrauchs hinzuweisen. Das ist unter den Jugendlichen selbst ausgesprochen schwierig.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eines hinweisen, was mir sehr wichtig ist: Ich finde, dass man mit der Legendenbildung aufhören muss, dass Alkohol die Droge der Armen und sozial Benachteiligten ist. Unsere Erfahrungen sind vielmehr, dass riskanter Umgang mit Alkohol in allen sozialen Schichten vorkommt, und es gibt sehr unterschiedliche Gründe dafür.
Deutlich und klar muss man sagen: Wir haben eindeutige gesetzliche Regelungen, deren Nichtbeachtung jedoch immer wieder Anlass zur Kritik ist. Hier verweise ich vor allen Dingen auf das Jugendschutzgesetz §§ 5 und 9, wo es um den Verkauf und Konsum von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränken ab 16 Jahren bzw. von stärkeren Drogen ab 18 Jahren geht. Hier wünsche ich mir persönlich, dass das, was jetzt nach langer Debatte an Restriktionen beim Zugang zu Zigaretten eingeführt worden
Berlin verfügt über ein ausgebautes Drogen- und Suchtpräventionssystem, verstärkt durch ein System zur Prävention von Alkohol. Es gab in der Vergangenheit eine Fülle von Öffentlichkeitskampagnen. Das Konzept „Nüchternheit“ – also kein Alkohol am Arbeitsplatz, kein Alkohol im Straßenverkehr, kein Alkohol für Kinder, Jugendliche und Schwangere – ist dabei ein wichtiger Punkt. Wir haben im Jahr 2005 die Fachstelle für Suchtprävention in Berlin gebildet,
die ausdrücklich die Aufgabe hat, sich der Prävention zu widmen. Sie hat auch ein spezielles Präventionsangebot für Kinder und Jugendliche, gerade was Alkohol angeht. Insofern haben wir hier in der Vergangenheit recht gute Erfahrungen gesammelt. Ich glaube, dass Berlin in dieser Hinsicht ganz gut aufgestellt ist.
Danke schön, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage von Frau Scheeres gibt es nicht. Dann ist Frau Jantzen mit einer Nachfrage dran. – Bitte schön, Frau Jantzen!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Nachfrage, weil riskantes Suchtverhalten von Kindern und Jugendlichen wie auch die gesamte Gewaltproblematik die gleichen oder ähnliche Ursachen haben. Verfügt der Senat über einen Gesamtüberblick, was im Rahmen von Prävention in dieser Stadt dazu läuft? Gibt es ein Gesamtkonzept, wo Maßnahmen abgestimmt werden, damit sie nicht immer nur nebeneinanderher laufen?
Frau Abgeordnete Jantzen! Ja, es gibt ein Gesamtkonzept. Sie wissen aus der gemeinsamen Diskussion im Gesundheitsausschuss, dass wir genau aus diesem Grund die Fachstelle Suchtprävention gebildet haben – gegen großen Widerstand verschiedener anderer Projekte. Wir haben gesagt: Wir wollen mit dieser Fachstelle Suchtprävention gemeinsam mit den Bezirken und den Angeboten auf der Landesebene die Koordinierung erreichen, die wir dringend brauchen, um gemeinsame Konzepte zu entwickeln, die in den Schulen und in der Kinder- und Jugendarbeit möglichst früh eingesetzt werden können. – Das macht die Fachstelle Suchtprävention. Sie stimmt sich auch mit den Bezirken ab. Insofern, glaube ich, war es eine gute
Danke schön, Frau Senatorin! – Eine weitere Nachfrage von dem Kollegen Saleh von der Fraktion der SPD. – Bitte schön!
Ich frage die Senatorin: Gibt es Erkenntnisse über Alkoholmissbrauch bei jungen Mädchen und Frauen und werdenden und stillenden Müttern? Welche präventiven Maßnahmen werden ergriffen, um dieses Problem zu beheben?
Herr Saleh! Ich hoffe, dass Sie mir nachsehen, dass ich Ihnen dazu jetzt keine detaillierten Zahlen liefern kann. Das habe ich nicht im Kopf, und es ist auch nicht entsprechend vorbereitet worden. Aber es ist völlig klar, dass gerade junge Mädchen und Frauen auch einen Schwerpunkt in der Präventionsarbeit darstellen. Ich selbst habe Projekte gegen Alkoholmissbrauch begleitet, die wir im Rahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den Schulen durchgeführt haben. Wir haben uns an Bundesprojekten unter dem Stichwort „Hart am Limit“ beteiligt. Genau in diesen Projekten hat auch die Frage des Umgangs von jungen Mädchen mit Alkohol eine Rolle gespielt.
1. Warum schließt der Senat die Aidsberatungsstelle in Schöneberg, obwohl nicht nur allein wegen des größten Berliner Schwulenkiezes, sondern auch wegen der Drogen- und Prostituiertenszene ein hoher Beratungsbedarf besteht?
2. Welche Bedarfsanalyse oder sonstigen Untersuchungen wurden der Entscheidung, die Beratungsstelle für Aids und sexuell übertragbare Krankheiten zu schließen, zugrunde gelegt?
Richtig, Herr Präsident! Vielen herzlichen Dank! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Thamm! Der Frage, die Sie heute stellen, ist ein sehr langer Diskussionsprozess vorausgegangen. Alle Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss, aber auch die aus den Bezirken, die beteiligt gewesen sind, kennen diesen komplizierten Prozess. Es geht dabei um das neue Gesundheitsdienstegesetz, das eine strukturelle Weiterentwicklung der bestehenden bezirklichen Dienstleistungen darstellt. Es ist vor allem darum gegangen, die Mittel dort zu konzentrieren, wo sie aufgrund der Sozialstruktur der jeweiligen Regionen besonders gebraucht werden, und auf der anderen Seite dort zu konzentrieren, wo es keine anderen Angebote gibt.
Nach dem neuen Gesundheitsdienstegesetz und der dazu beschlossenen Verordnung sollen die Aufgaben der bisherigen sozialmedizinischen Dienste – dazu gehört auch die Schwangerschaftskonfliktberatung – und die Beratungsstellen für sexuell übertragbare Krankheiten – wie Aids – in drei zentralen Zentren für sexuelle Gesundheit und Familienplanung zusammengeführt werden. Dieser Entscheidung ist ein langatmiger Diskussions- und Streitprozess vorausgegangen. Der Grundgedanke bei dieser Zentralisierung besteht darin, dass es eine Zusammenarbeit Tür an Tür geben soll. Diese drei Zentren sind für alle Bezirke zuständig. Es gibt ein Zentrum in CharlottenburgWilmersdorf, eines in Friedrichshain-Kreuzberg und eines in Marzahn-Hellersdorf. Darüber hinaus gibt es eine spezielle Einrichtung im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, weil der Bedarf für Schwangerschaftsberatung besonders hoch ist. Der gesamte Reformprozess des ÖGD stand immer unter der Maßgabe, die Ressourcen für den öffentlichen Gesundheitsdienst so sinnvoll und effizient wie möglich einzusetzen. Unter dieser Maßgabe ist entschieden worden, dass die Beratungsstelle in Tempelhof-Schöneberg nicht erhalten werden kann, weil dort kein sozialmedizinischer Dienst vorhanden war, und damit die Möglichkeit der Zusammenführung nicht bestanden hat. Man hätte von dort Stellen abziehen und die, die für die Aids-Beratung benötigt werden, zusätzlich finanzieren müssen. Gegen diesen Weg hat man sich entschieden. Es hat nie eine Diskussion darüber gegeben, dass womöglich die fachlichen Standards nicht ausreichten. Alle Fachleute waren sich darin einig, dass diese Beratungsstelle sehr gut gearbeitet hat. Nach meiner Einschätzung muss man sich eine ganze Menge Gedanken darüber machen, wie man die Kooperation mit dem Auguste-Viktoria-Krankenhaus
tion mit dem Auguste-Viktoria-Krankenhaus erhält. Das halte ich aber für leistbar. In den jetzt arbeitenden Zentren wird das Tür-an-Tür-Prinzip praktiziert. Man erhofft sich, dadurch Synergieeffekte zu erzielen und die Arbeit und Angebote zu qualifizieren, auf jeden Fall nicht einzuschränken. Wir gehen davon aus, dass alle drei Zentren für die Bürgerrinnen und Bürger gut erreichbar sind.
Vielleicht noch zur Bedarfsanalyse, nach der Sie gefragt haben. Bei der Entwicklung des Konzepts für die Zentren zur sexuellen Gesundheit und Familienplanung ist im Rahmen des ÖGD-Prozesses eine Expertenanhörung durchgeführt worden. Hierin sind die fachlichen und inhaltlichen Bedarfe dieser Beratungsstellen aufgezeigt worden. Im nächsten Schritt ist gemeinsam mit den Experten aus den Bezirken ein Gesamtkonzept für die Zentren erstellt und auf dieser Grundlage sind die Entscheidungen getroffen worden. Ich weiß, dass es eine Reihe von Diskussionen dazu gegeben hat, zuletzt im RdB. Bei der Entscheidung zum Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat es auch eine Rolle gespielt, dass es eine Reihe von Angeboten für die betroffenen Personengruppen durch freie Träger gibt. Ich nenne nur einige
ist gut, ich bin gleich fertig. Es sind sehr differenzierte Fragen, die Sie beantwortet bekommen wollen. Das mache ich jetzt ordentlich.
Um nur einige wenige zu nennen: Mann o Mann, Subway und das Café Olga für die Drogenabhängigen. Damit gibt es in Tempelhof-Schöneberg eine Struktur, auch wenn die Aidsberatungsstelle nicht mehr da ist.
Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage von Frau Kollegin Thamm, die auch das Wort hat. – Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Nachfrage: Wird der Senat sich um zusätzliche Mittel aus dem Bundesprogramm, das gerade auf 400 Millionen € aufgestockt worden ist, bemühen, und wann beabsichtigt der Senat, das Abgeordnetenhaus förmlich über seine diesbezüglichen Maßnahmen zu unterrichten, oder hält er die Unterrichtung durch die Presse für hinreichend?