Dazu komme ich gleich. – Berlin entwickelt seine Kindertagesstätten konsequent auf der Grundlage des Berliner Bildungsprogramms als Teil des Bildungswesens und das Zug um Zug für die Eltern kostenfrei und für viele Kinder mit einem erweiterten Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung von mittlerweile immerhin sieben Stunden. Ihnen muss doch die Kostenfreiheit sehr aufstoßen, denn Sie benutzen dies jedes Mal als schlechtes Argument. Aber vielleicht können wir uns darüber noch etwas gründlicher unterhalten.
Frau Senftleben! Hören Sie genau hin! – Auch die unter Dreijährigen werden in Berlin bereits überdurchschnittlich gut erreicht. Mit 41,6 Prozent besuchen dreimal so viele Kinder unter drei Jahren die Kitas wie z. B. in den
Da sollten Sie investieren! Die öffentlichen Ausgaben pro Kind unter sechs Jahren betragen in Berlin mehr als 4 000 Euro. In den Ländern, die ich eben genannt habe, beträgt der Satz ungefähr 2 000 Euro bzw. 2 300 Euro, also fast die Hälfte dessen, was für die Förderung der Kleinsten in Berlin ausgegeben wird.
Einer aktuellen Aufstellung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist zu entnehmen, dass der mit den finanziellen Anstrengungen des Landes Berlin einhergehende und politisch ja gewollte Effekt – das wurde auch schon von meiner Kollegin Felicitas Tesch gesagt – auch eintritt: Mit der wachsenden Attraktivität des Betreuungs- und Förderungsangebots steigt die Nachfrage nach Plätzen. Jawohl! Allein in der Zeit von 2006 bis 2010 ist die Nachfrage hier in Berlin um mehr als 15 000 Plätze gestiegen, und die Prognose sagt, dass jährlich ein Mehrbedarf von etwa 3 000 Plätzen hinzukommt.
Die Koalitionspartner haben eine Schulreform auf den Weg gebracht, die sich ein verlässliches Ganztagsangebot für alle Schülerinnen und Schüler bis zur 10. Klasse zum Ziel gesetzt hat. Meine Fraktion Die Linke sieht an dieser Stelle durchaus noch Handlungsbedarf.
Wir wollen, dass für jedes Grundschulkind ohne Bedarfsprüfung der Besuch der offenen Ganztagsschule bis 16 Uhr möglich sein muss.
Aber lassen Sie mich auch darauf hinweisen: Eine bessere und intensive Förderung von Schulkindern ist nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit einer längeren Hortbetreuung oder mit mehr Verschulung. Ein angemessenes Ganztagsangebot für die Fünft- und Sechstklässler sollte sich aus dieser Sicht deshalb eher an dem Modell der Ganztagsschule der Sekundarstufe orientieren und damit älter werdenden Kindern auch mehr Flexibilität und Mitbestimmung ihres Schulalltags erlauben. Das ist unsere Position. Mit diesem Beispiel mag deutlich geworden sein, dass die aktuellen Herausforderungen, welche sich aus einer in manchen Regionen stark steigenden Nachfrage nach Kitaplätzen ergeben oder die Klärung der ganztägigen Förderung älterer Grundschulkinder erfordern, nicht die Folge – so wie Sie es darstellen – politischer Versäumnisse sind, sondern vielmehr als Ergebnis der Erfolge rot-roter Bildungspolitik zu verstehen sind.
Wir selbst haben ein politisches Interesse daran gehabt, dass der Zugang für die Kinder zu den Kindertagesstätten erweitert wird. Wir selbst haben ein politisches Interesse daran gehabt, dass der Rechtsanspruch erweitert wird. Damit steigt natürlich auch die Nachfrage. Selbstver
ständlich bedarf es angemessener Konzepte, um nun auch hier hinsichtlich Platzkapazitäten und Personalbedarf in geeigneter Form nachzusteuern und Engpässe zu vermeiden. Aber es ist nicht so, wie Sie sagen, Frau Senftleben, dass der Senat die Eltern nicht unterstützt.
In einer Millionenstadt wie Berlin kann es doch wohl nicht darum gehen, dass es Aufgabe einer Zentralstelle des Senats ist, den Eltern einen Kitaplatz zu vermitteln. Das kann es doch wohl nicht sein! Wir haben uns im Ausschuss darüber ausgetauscht.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass – so wie wir das in der Ausschusssitzung am 10. Februar auch abgestimmt haben – die bezirklichen Planungen zukünftig durch eine überbezirkliche Koordination zu ergänzen sind. Damit wird es möglich sein, spezifischen Entwicklungen, die sich von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich darstellen, besser als bisher mit geeigneten Maßnahmen der überbezirklichen und gesamtstädtischen Steuerung zu begegnen.
Von zentraler Bedeutung erscheint mir abschließend noch ein anderer Hinweis, der von Ihnen aufgegriffen wurde: Das Land Berlin steht mit seinen Jugendämtern als öffentlicher Träger der Jugendhilfe in der Gesamtverantwortung für ein angemessenes und ausreichendes Angebot an Kindertageseinrichtungen und -plätzen. Mit einem Drittel der insgesamt zur Verfügung stehenden Kitaplätze sind die Eigenbetriebe des Landes diejenigen Trägerstrukturen, mit denen die Bezirke in Abstimmung mit freien Trägern in eigener Verantwortung auf den sich verändernden Bedarf flexibel reagieren können. Der Erhaltung und Absicherung der Kitaeigenbetriebe ist nicht zuletzt deshalb eine wesentliche Funktion zur Erhaltung leistungsfähiger Jugendhilfe- und Bildungsstrukturen zuzuschreiben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich muss nicht immer recht haben, aber ich möchte etwas klarstellen. – Sehr verehrte Frau Dr. Barth! Sie selber, das Land Berlin, RotRot definieren einen extrem hohen Anspruch an die Kita und an die frühkindliche Bildung. Genau das ist doch der Punkt: dass dieser hohe Anspruch momentan nicht mehr zufriedenstellend ausgefüllt werden kann.
Worin besteht der hohe Anspruch? – Der hohe Anspruch besteht darin: Der Rechtsanspruch wird erweitert. Der hohe Anspruch besteht darin: Beitragsfreiheit für alle.
Die Beitragsfreiheit gilt generell für alle. Die Qualität des Bildungspakets ist implementiert. Noch einmal: Sie selbst definieren diesen hohen Anspruch. Und dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Opposition, wenn die FDPFraktion hier steht, wenn ich hier stehe und Sie daran erinnere, wer diesen Anspruch an sich selber hat. Diese Debatte von wegen eigener Anspruch und diesen eigenen Anspruch auch erfüllen haben wir im Übrigen die ganzen letzten 14 Tage geführt. Genau darum geht es. Erfüllen Sie den eigenen Anspruch! Dann sind wir hier auch nur noch voll des Lobes. – Vielen Dank!
Frau Dr. Barth, möchten Sie nicht? – Sie müssen ja auch nicht. Wunderbar! Dann machen wir weiter mit der Fraktion Bündnis 90/Grüne, und Frau Jantzen hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht können sich die Herren beruhigen. – Vielen Dank!
Die Koalition scheint offensichtlich von ihrem eigenen Erfolg überrollt worden zu sein. Ich finde es gut, dass mehr Kinder in die Kitas gehen und dass in Berlin wieder mehr Kinder geboren werden. Aber, liebe Kollegin Tesch und liebe Kollegin Barth, Sie hätten vorher wissen müssen, dass dann mehr Kitaplätze benötigt werden.
Die fallen nämlich nicht vom Himmel, und die sind auch nicht von einem Tag auf den anderen vorhanden. Da können Sie sich nicht dem Vorwurf entziehen, dass Sie nicht vorausschauend eine Kitabedarfsplanung gemacht haben.
Berlin ist gut aufgestellt – noch. Berlin ist unter Rot-Rot dabei, dieses Gutaufgestelltsein zu verspielen.
[Lars Oberg (SPD): Was für ein Quatsch! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie wissen, dass das Quatsch ist! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]
Nein, das ist kein Quatsch! Wir sind alle stolz auf das Bildungsprogramm. Ich bin sehr stolz darauf, dass die Kitas sich allesamt auf den Weg gemacht haben,
[Uwe Doering (Linksfraktion): Sie müssen nicht Frau Senftleben geben! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]
eine gute, frühe Förderung anzubieten. Dafür können wir denen dankbar sein, die das unter schweren Bedingungen getan haben.
Nur durch das Volksbegehren sind die Personalverbesserungen zustande gekommen. Ohne das Volksbegehren hätte es das nicht gegeben. Aber was nützt dieser Versorgungsgrad und das, was Sie uns anpreisen, den Eltern, die momentan vor den Türen der Kitas stehen und keinen Platz finden? Das Plakat „Wir tauschen Brautkleid gegen Kitaplatz“, ist doch nur ein Beispiel dafür, dass junge Eltern, wo sogar der Vater in Erziehungszeit gegangen ist und nach einem Jahr wieder zurück in seinen Beruf will, keinen Platz bekommen und damit auch keine Chance haben, ihre Berufstätigkeit auszuüben. Das ist ein Armutszeugnis. Das ist nichts, worauf Sie stolz sein können.
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass meine Kinder schon an der Universität sind. Der eine ist zwar auch von Bachelor und Master betroffen, aber das können wir gut handeln. Ich bin jedenfalls froh, dass wir von den Reformen, die in den Schulen in der letzten Zeit umgesetzt worden sind, verschont geblieben sind, und das, obwohl sowohl meine Fraktion als auch ich diese Reformen im Grundsatz immer gutgeheißen haben. Sowohl die Einführung des Gutscheinsystems als auch die Überführung der Kitas an freie Träger und die Eigenbetriebe, die Einführung der Schuleingangsphase mit dem jahrgangsübergreifenden Lernen für eine bessere individuelle Förderung und auch jetzt die Einführung der integrierten Sekundarschulen. Wir finden die im Grundsatz weiterhin richtig. Aber die Eltern, die Lehrer und die Kinder vor Ort empfinden es zum Teil als Katastrophe und völlige Überforderung. Sie sind von dem Ziel, das Sie propagieren, Kinder besser zu fördern, noch meilenweit entfernt.
Der Titel der Aktuellen Stunde heißt „Rot-rote Bildungsreformitis hat Kinder und Eltern völlig aus den Augen verloren“. Das sehe ich auch so. Aber die Eltern und Kinder standen hier noch nicht im Mittelpunkt, in keinem der vorangegangenen Beiträge.