Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Senftleben! Die FDP muss sich schon entscheiden, was sie will.
Ihr Fraktionsvorsitzender erklärt heute zur Begründung der Aktuellen Stunde, überall mehr privates Kapital einbinden zu wollen. Sie fordern hingegen vor allem vom Senat – also vom Staat –, er solle alles machen. Die FDP entdeckt plötzlich den Staat.
Frau Senftleben! Aus Ihrer Rede und Ihrem Antrag wird mir aber auch eines deutlich: Die FDP ist auf der Suche nach der verlorengegangenen bzw. nicht vorhandenen Sozialkompetenz, denn spätestens seit März letzten Jahres ist Ihnen auch personell das soziale Gewissen abhanden gekommen.
Sie suchen allem Anschein nach verzweifelt nach geeigneten sozialen Themen, um Ihr Sozialprofil zu stärken.
Frau Senftleben! In Ihrer Begründung erwähnen Sie richtigerweise, dass seit dem Januar 2008 ein Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget für die betroffenen Personen besteht. Aber Sie erwähnen nicht, dass bisher in einem langen Vorlauf eine Informationskampagne angeboten wurde. Ein kleine Rückblende: Unter Rot-Grün wurde mit Inkrafttreten des SGB IX zum Juli 2001 die Leistungs
reform des persönlichen Budgets erstmals in einem Bundesgesetz verankert. Der Gesetzgeber legte fest, dieses durch Modellvorhaben zu erproben. Mit Wirkung zum Juli 2004 wurde die Rechtsgrundlage zum persönlichen Budget in § 17 SGB IX erheblich erweitert und konkretisiert. Frau Karin Evers-Meyer von der SPD
hatte als Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung in der großen Koalition das persönliche Budget sehr gefördert und eine starke Werbe- und Informationskampagne organisiert.
Die Modellphase in Berlin verlief außerordentlich erfolgreich. Die Erfahrungen aus den Modellregionen wurden einer breiten Öffentlichkeit auch in Berlin zugänglich gemacht. Es wurden also in einem längeren Zeitraum Informationskampagnen und Aktionen organisiert und öffentliche Aufmerksamkeit für das persönliche Budget erzielt.
Wo sind die Informationskampagnen des FDP-Gesundheitsministers Rösler in dieser schwarz-gelben Regierung? Ich sehe auf der Bundesebene keinerlei Aktion. Oder schläft dort die FDP?
Es gibt verschiedene Informationsangebote. Insbesondere im Internet sind viele gute Möglichkeiten zur Information vorhanden. Die Wohlfahrtsverbände beispielsweise sind hierbei auch in Berlin aktiv. Aktuelles Beispiel ist das Kompetenzzentrum Persönliches Budget des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Dieses Kompetenzzentrum verbindet in einem neuen Projekt sein Onlineangebot mit praktischen Schritten zur Umsetzung dieser Reform der Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Dieses neue Projekt wird wenigstens von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales – die bekanntlich nicht der FDP angehört – gemeinsam mit den Paritätischen Landesverbänden gefördert. Immerhin, kann ich dazu nur sagen.
Beim persönlichen Budget kommt es nicht nur auf die Information an, sondern wichtig sind auch die Frage des Könnens und die Frage, ob der Aufwand für den einzelnen Betroffenen zu bewältigen ist. Hier sind selbstverständlich Informations- und Unterstützungsstrukturen wichtig. Die SPD-Fraktion steht zu dem persönlichen Budget. Es ist ein sehr gutes Angebot für die betroffenen Menschen. Unsere Unterstützung hat es weiterhin. Wir werden auch dafür sorgen, dass im Interesse der Betroffenen das Angebot der Information weiterhin ausgebaut wird und die soziale Infrastruktur dafür erhalten bleibt.
Frau Senftleben und die FDP werden uns in den Ausschussberatungen noch ausführlich darlegen können, wie
Ich bin gespannt, welche Vorschläge Sie in den kommenden Haushaltsberatungen dafür unterbreiten wollen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Verehrte Kollegin Radziwill! Bei diesem Kommentar kann ich es mir nicht verkneifen: Das persönliche Budget – ich sagte es eingangs meiner Rede – ist ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Selbstbestimmung und zu mehr Teilhabe der Menschen mit Behinderung. Das ist genau das, was wir als Liberale aktiv unterstützen, nämlich Selbstbestimmung und mehr Teilhabe. Diesen Paradigmenwechsel begrüßen wir. Das hat nichts mit der Rede zu tun, die Herr Meyer zu Beginn der Sitzung gehalten hat.
Entschuldigen Sie, Frau Senftleben! Ich finde, die Fröhlichkeit in der CDU-Fraktion sehr angenehm, aber wir können daran leider nicht teilhaben. Jetzt hat Frau Senftleben das Wort.
Nein, es wäre schön, wenn Sie das jetzt sein lassen würden oder nach draußen verlegen. – Bitte, Frau Senftleben!
Ich danke Ihnen sehr, liebe Frau Präsidentin, aber ich bin sicher, dass die CDU auch gleich zuhören wird.
Der Paradigmenwechsel wurde mit unserer Unterstützung eingeläutet, und das ist genau der Punkt. Wenn Sie jetzt sagen, dass die FDP wieder ihr soziales Gewissen entdeckt, kann ich nur lachen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Unser soziales Gewissen schlägt nicht nur im Sozialausschuss, sondern das sehen wir klar als Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern an. Das macht Herr Thiel in der Wirtschaftspolitik deutlich, das mache ich in der Bildungspolitik deutlich, und das macht Herr Meyer als Fraktionsvorsitzender deutlich. Das will ich hier ganz klar sagen.
Zu Ihrer Rede kann ich nur kurz Folgendes sagen: Es war eine weitere historische Rede der SPD-Fraktion. Verehrte Frau Radziwill! Es kommt hinzu, dass genau das eingetreten ist, was ich befürchtet hatte, dass Sie nämlich mit parteipolitischem Gezänk auf unseren Antrag reagieren. Dazu kann ich nur sagen: Selbst schuld! – Danke!
Ich glaube, dass ich einen wunden Punkt der FDP erwischt habe, denn wenn es kein wunder Punkt wäre, würden Sie sich hier gar nicht so aufregen. Frau Senftleben!
Ich frage mich wirklich, ob z. B. der übermäßige Einsatz für Privatschulen das soziale Gewissen der FDP darstellt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das soziale Gewissen der FDP kennen wir aus den Anträgen, die Herr Meyer im Hauptausschuss gestellt hat. Die Entlassung von Beschäftigten in Berlin – das ist das soziale Programm der FDP.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Henner Schmidt (FDP): Das soziale Programm der CDU ist Zuwachs der Beschäftigung im öffentlichen Dienst! – Weitere Zurufe von der FDP]
Ja, Beschäftigung schafft schnelle Entscheidungen. So ist das einfach. Ein gutes, florierendes Unternehmen zeichnet sich durch gute Beschäftigte aus.
So sehr ich es begrüße, dass von Ihnen ein Sozialthema zur Priorität gemacht wurde – das ist schon mal gut, und das kann ich als Sozialpolitiker nur gutheißen –, so wenig will ich in den allgemeinen Tenor des FDP-Antrags einstimmen und so tun, als müsste die Umsetzung des persönlichen Budgets für Menschen mit Behinderung im Land Berlin noch einmal erfunden werden. Das wäre sachlich und fachlich unredlich. Außerdem hat es hier keiner verdient, noch einmal über die Rolle und die Bedeutung Berlins belehrt zu werden.
Ich will aber einräumen, dass die Übersichtlichkeit zur Inanspruchnahme des persönlichen Budgets in Berlin zu wünschen übrig lässt, was sicherlich auch an den unterschiedlichen Leistungsträgern liegt, die diesen Rechtsanspruch für Menschen mit Behinderung umsetzen. Hier könnte in der Kommunikation einiges verbessert werden. Wie man der Beantwortung einer aktuellen Kleinen Anfrage entnehmen kann, ist ein solches Informationssystem jetzt im Aufbau. Ob es ausreichen wird, wird sich später zeigen.
Was weitere Aktivitäten des Senats betrifft, so kennen die Sozialpolitiker dieses Hauses das Modellprojekt zum persönlichen Budget, das im Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg lief. Die ausführlichen Informationen darüber sind in den Protokollen des Sozialausschusses nachzulesen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass sich alle Beteiligten am Modellprojekt die redlichste Mühe gaben, die notwendigen Informationen breit zu streuen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter, die man nämlich dafür braucht, zu qualifizieren. Nach Beendigung des Modellprojekts berät allerdings nur noch eine der gewesenen Projektkoordinatoren die Bezirke, und dies in Einzelfällen. Das ist meiner Meinung nach zwar ziemlich mager, doch man darf nicht vergessen, dass die Betroffenen selbst durch ihre eigenen Interessenverbände und die Sozialverbände umfangreich informiert werden.
Beispielsweise dazu hat jüngst beim DPW ein neues Projekt innerhalb seines Kompetenzzentrums persönliches Budget begonnen, um die Menschen mit Behinderung zur Inanspruchnahme desselben noch umfassender zu beraten.