Protocol of the Session on December 9, 2010

[Heiterkeit bei der SPD]

Zunächst einmal, wir reden über ein ernsthaftes Thema, und die Zeit sollte man sich an der Stelle auch nehmen.

[Zurufe von den Grünen]

Die Weltklimakonferenz ist angesprochen worden. Es gibt eine Verantwortung, die wir gerade in unseren Industriestaaten, in der größten deutschen Stadt, in Berlin als Hauptstadt haben. Wir sind auch Emittenten von klimaschädlichen Gasen. Deswegen müssen wir schauen, wie wir diese reduzieren und wie wir unsere Verantwortung national wie auch international übernehmen. Der Regierende Bürgermeister hat das völlig zu Recht am Anfang ausgeführt. Die Energiedaten und auch die Klimadaten, wer mal genau schaut, wird ziemlich überrascht sein, dieses 2-Grad-Ziel, das sich die internationale Gemeinschaft, das sie sehr heftig diskutiert in Cancún, wie man es denn umsetzen kann. Wenn man sich den letzten internationalen Energy-Outlook der Weltenergiebehörde anschaut, dann sieht man, die rechnen teilweise schon mit 3,5 Grad Temperaturerhöhung, und zwar auf der gesamten Erde mit entsprechenden katastrophalen Folgen. Das zeigt, dass wir Verantwortung wirklich zeigen müssen und sie auch bei uns übernehmen müssen.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Erstes Stichwort Energiepolitik: Kollege Schäfer! Sie wissen, dieser rot-rote Senat sagt ganz klar, bis zum Jahr 2020 werden die CO2-Emissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne)]

Das ist ein klares Wort. Das heißt auch, bis 2050 um mindestens 80, 90 Prozent, wenn es möglich ist.

Zu einer zukunftsorientierten Energiepolitik gehört eben aber auch, energiepolitische Leitlinien zu haben. Da bin ich auch gespannt, wenn in Kürze endlich aus den Leitlinien ein ganzes Energiekonzept 2020 wird, was denn Wirtschaftssenator Wolf uns hier vorlegen wird. Aber Kollege Schäfer, Sie haben Ihre Sensibilität angesprochen, was die Biomassenutzung in Berliner Kraftwerken angeht. Wann wird denn die Berliner Grünen-Fraktion uns klar sagen können, für welche zukunftsfähige Energieform sie überhaupt noch ist? Sie wollen in den Großkraftwerken offensichtlich gar keine Energieträger mehr einsetzen.

[Zuruf von der SPD]

Die Kohle wollen wir offensichtlich gemeinsam nicht, das ist schön. Jetzt gibt es eine Alternativplanung mit Gas und teilweise Biomassenutzung, sagen Sie, ein Großteil Ihrer Fraktion, Ihres Landesverbands, die Biomassenutzung wäre schädlich, womit sie sicherlich in Teilen recht haben, wenn man das Holz aus Liberia und von woanders holt.

[Beifall von Stefan Ziller (Grüne)]

Entschuldigung, Herr Buchholz!

Aber was bleibt dann übrig, Herr Schäfer, können Sie uns das irgendwann beantworten? Sollen wir die Lichter ausmachen, die Wohnungen kaltstellen, oder wo ist die Antwort der Grünen-Fraktion? Diese Frage können Sie nicht beantworten.

[Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?

Bitte schön, Herr Schäfer!

Herr Buchholz! Was sagen Sie denn dazu, dass in Lichtenberg, wenn dort Bürgerversammlungen stattfinden, die Kollegin von der Linksfraktion Frau Platta und Herr Köhler von Ihrer Partei den Leuten Honig ums Maul schmieren und sagen, dass sei alles ganz schlimm, was da geplant wird? Was sagen Sie dazu, dass die Grünen die Einzigen sind, die vor Ort sagen, dass es da Kraftwerke geben wird und geben muss? Wir sind diejenigen, die vor Ort den Leuten auch sagen, wenn es wehtut. Das, Herr Buchholz, sollten Sie vielleicht mal selber tun, bevor Sie hier die großen Reden schwingen. Ihre Partei ist vor Ort die Dagegen-Partei!

Ich glaube, Sie verwechseln da etwas, weil Sie zu viel baden-württembergisches Staatsfernsehen geschaut haben – ich weiß es nicht. Wir sind hier jedenfalls nicht in Stuttgart. Wir sind in Berlin, Herr Schäfer! Ich war selbst auch schon in Lichtenberg – und auch die Kollegin Platta – und habe auch mit Herrn Geisel gerade wieder darüber gesprochen. Die Kollegen aus der SPD-Fraktion können Sie einfach mal ansprechen. Das, was Sie erzählen, ist einfach Unsinn. Es stimmt nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist einfach Unsinn, das tut mir leid.

Herr Schäfer! Wir, Linke und SPD, fragen: Wie wird der Kraftwerksbau aussehen? Wie hoch ist der Schornstein? Wie viele Leute werden von Abgasen und Rauchfahnen belastet? Und wie viel Wasser wird dort verdunsten? Dass Sie als Grüner sagen, das interessiert Sie nicht, und wir als Linke und SPD sagen müssen, uns interessiert, was die

Bürger dazu sagen, das offenbart, wie Sie Klimaschutz verstehen und wie wir Klima- und Umweltschutz wirklich verstehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich war gerade beim Energiekonzept und bei den Kraftwerken. Die Grünen haben keine Antwort, wie wir eine Metropole ernsthaft versorgen können, und zwar in dem Übergang, wenn wir sagen, Atomkraft muss so schnell wie möglich beendet werden, bei Kohle wollen und müssen wir wegen der Emissionen aussteigen – C, CS, also die Verpressung von Kohlendioxid in den Boden ist wahrscheinlich gar keine Option, sondern eine Luftnummer. Was wird dann in der Übergangszeit passieren, Herr Schäfer? Wo ist Ihre Antwort? Darauf warte ich.

[Michael Schäfer (Grüne): Der Senat hat kein Konzept!]

Sie haben keine Antwort! Sagen Sie es doch einfach mal! Mit vielen Worten können Sie das nicht verhehlen: Sie haben keine Antwort!

[Zuruf von der Linksfraktion: Windenergie! Worüber ich gern mit Ihnen sprechen möchte: Es gibt die Planung für ein großes neues Gaskraftwerk – 1 200 Me- gawatt –, aber nicht in Berlin, sondern kurz vor der Lan- desgrenze, in Wustermark, einige Kilometer westlich hinter Spandau. Da muss man sich mal die Planung ge- nauer anschauen. Den Grünen fällt so etwas offensichtlich gar nicht mehr auf. [Zurufe von den Grünen]

Dort soll ein riesiges Gas- und Dampfkraftwerk entstehen – gasbetrieben –, aber Kraft-Wärme-Kopplung – sprich: dass man die Wärme, die man beim Stromerzeugungsprozess produziert, eben auch mit nutzt – soll dort gar nicht stattfinden, nur Strom, und der Rest wird entweder in den Fluss oder in die Luft geheizt. Das lässt sich weder mit einem Brandenburger noch mit einem Berliner Energiekonzept vereinbaren.

[Kurt Wansner (CDU): Wer regiert denn da?]

Ich kann nur an alle – Senat und alle anderen Parteien – appellieren: Ein Großkraftwerk vor den Toren Berlins, wo wirklich die Übergangstechnologie und der Übergangsenergieträger Erdgas benutzt werden soll, der keine KraftWärme-Kopplung hat, das kann nicht wirklich in das Jahr 2010 passen. Das müssen wir gemeinsam verhindern, und Berlin und Brandenburg müssen mit einem Energiekonzept gemeinsam zeigen, dass das im Jahr 2010 nicht geht: Strom ohne Wärmeauskopplung gibt es nicht mehr!

[Unruhe bei den Grünen – Clara Herrmann (Grüne): Wer regiert denn in Brandenburg? – Zurufe von der Linksfraktion]

Wollen wir mal schauen, was die Grünen für eine Antwort hinsichtlich des Eigentums an den Energienetzen haben. Da können Sie sich wiederum an den letzten SPDParteitagsbeschlüssen orientieren – Sie haben auch andere schon zitiert. Da werden Sie völlig zu Recht sehen, die

SPD sagt, dass wir die Energienetze – Strom Gas und Fernwärme – in die öffentliche Hand zurückführen möchten, um nämlich zu gestalten: den Umbau der Energiewirtschaft, nicht bloß zum Energieeinsparen, sondern auch für eine wirklich ökologische Energieerzeugung. Und die muss dezentral sein, eben nicht große Einheiten, sondern dezentral. Das heißt Blockheizkraftwerke. Das heißt im Übergang Erdgas, danach hoffentlich Biogas, um vor Ort Sachen heizen zu können und Strom produzieren zu können, und dies so effizient wie möglich vor Ort und nicht in zentralen großen Einheiten, wo nur große Konzerne davon profitieren.

Herr Buchholz! Entschuldigen Sie, dass ich Sie schon wieder unterbrechen muss. Gestatten Sie eine Zwischen frage von Frau Schneider?

Bitte schön, Frau Kollegin Schneider!

Herr Buchholz! Ist Ihnen schon aufgefallen, dass die SPD sowohl in Berlin als auch in Brandenburg regiert und selbst die Energiepolitik beider Länder koordinieren könnte?

[Christian Gaebler (SPD): Machen wir doch auch!]

Was habe ich denn hier gerade erzählt, Frau Schneider? Einfach mal zuhören! Außerdem hat Berlin mit dem Wustermark-Kraftwerk bisher gar nichts zu tun, weil nämlich erst einmal nur die Vorplanungen eingereicht sind. Das wissen Sie hoffentlich. Sie nicken zumindest. Wir haben uns das im Bezirk Spandau zumindest sehr intensiv vorstellen lassen, haben mit der Bürgerinitiative gesprochen. Und ich kann Ihnen ganz klar sagen: Ein Großkraftwerk vor den Toren Berlins ohne Kraft-Wärme-Kopplung wäre der falsche Weg. Wenn Sie auch dieser Meinung sind – was mich freuen würde –, können wir an der Stelle gern auch gemeinsam kämpfen.

[Zurufe von den Grünen]

Ich war aber gerade bei den Energienetzen, Frau Schneider. Vielleicht wollten Sie auch nur ablenken. Was ist denn dort die Antwort der Grünen? – Genauso wie beim Verkehr, wenn dort mal etwas nicht funktioniert, was sagen dann die Grünen? – Ausschreiben! – am besten europa-, am besten weltweit. Der private Markt wird schon alles richten. Wir haben gesehen, dass das weder im Verkehrsbereich noch im Energiebereich wirklich die Antwort auf die bestehenden Probleme ist. Da muss ich wieder sagen: Die Grünen sensibel, aber ohne Antwort für die Praxis in unserer Stadt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Michael Schäfer (Grüne): Wer hat denn hier privatisiert?]

Auch dass die Grünen nicht anerkennen, was in Berlin in die energetische Gebäudesanierung investiert wird! – Herr Schäfer! Im letzten Jahr sind das rund 300 Millionen Euro für den öffentlichen Gebäudebestand gewesen, wenn man alle Gebäude zusammen nimmt. Im Jahr 2010, dieses Jahr, waren es rund 200 Millionen Euro, wenn man alles zusammen nimmt, für die energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes. Zeigen Sie mir mal eine andere Stadt, die so viel Geld in die Hand nimmt und das ernsthaft tut und auch wirklich umlenkt, z. B. Umweltentlastungsmittel der europäischen Union für solche Sachen ausgibt. Da werden Sie nicht viele finden.

[Zuruf von den Grünen: Fahren Sie mal nach Frankfurt!]

Ein IBB-Förderprogramm, das pro Jahr Investitionen für energetische Sanierung von 310 Millionen Euro auslösen wird, davon träumt Frau Künast doch, auch wenn sie gar keine Ahnung von Berlin hat, wenn sie dann irgendwann – vielleicht in 50 Jahren – doch mal Bürgermeisterin werden sollte, sofern sie dies erlebt. Wir tun das heute: 310 Millionen Euro Investitionen für energetische Sanierung, für Energiesparen in dieser Stadt. Daran können Sie sich ein konkretes Beispiel nehmen, wie man Energiepolitik und Klimaschutz sozialverträglich in einer Großstadt umsetzen kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Buchholz! Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ratzmann?

Ganz kurz: Wenn ich das richtig verstanden habe – so hat uns das auch der Regierende Bürgermeister erklärt –, ist der Weg des rot-roten Senats, energetische Sanierung anzureizen. Gleichzeitig erklären Sie uns aber, dass die energetische Sanierung auf die Mieten umgelegt wird und zu Mietsteigerungen führt, jedenfalls dann, wenn sie über das Klimaschutzgesetz kommt. Wie bringen Sie das denn mit Ihren Anreizprogrammen in Übereinstimmung, denn da wird die Miete ja wohl auch erhöht, wenn die Vermieter die Sanierung umsetzen?

Wieso muss denn der Zirkelschluss, den Sie hier machen, stimmen? Das ist Ihre Behauptung.