In der bundesweiten Debatte ist vieles in den letzten Tagen gesagt worden, vieles, was besser nicht gesagt worden wäre, auch Feststellungen, man solle bestimmte Viertel zusätzlich mit Polizei versehen oder Ähnliches, was alles mit Terrorismusbekämpfung nichts zu tun hat, sondern Vorurteile schürt.
Wir haben auch über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Ich stimme mit dem Kollegen Jotzo in einem Punkt überein: Ich glaube, wir sind gut aufgestellt, was das
Instrumentarium rechtlicher Art betrifft, um Gefahren zu begegnen. Dazu hat es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben gegeben. Ich halte die Vorratsdatenspeicherung übrigens primär nicht für eine Frage, die den Terrorismus, sondern für eine, die insbesondere die Bekämpfung organisierter Kriminalität betrifft. Dazu kann man unterschiedlicher Meinung sein. Es gibt hier im Haus Fraktionen, die eher sagen, sie wollen auf dieses Instrument völlig verzichten. Das respektiere ich. Was wir nicht machen sollten, ist, dass wir uns gegenseitig die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts interpretieren. Das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz nicht deshalb aufgehoben, weil es die Auffassung vertreten hat, dass es keine Vorratsdatenspeicherung geben darf, sondern weil es gesagt hat, so wie die Vorratsdatenspeicherung angelegt gewesen ist, sei sie unverhältnismäßig. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich gesagt, dass Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerster Kriminalität möglich ist. Dann ist es eine politische Entscheidung. Wie gesagt, dazu kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Es ist eine politische Entscheidung, ob man es möchte oder nicht.
Freiheit ohne Risiko gibt es nicht. Das sollten wir uns alle ins Bewusstsein rufen. In der Freiheit gibt es Unsicherheit. Keine Polizei der Welt und schon gar nicht Polizeien in freiheitlichen Staaten können den Rest der Unsicherheit nehmen, den wir haben. Wir alle wissen nicht, ob die Hinweise, die wir auf mögliche Anschläge haben, wahr sind. Sie sind plausibel, sie sind konkreter als früher. Ob sie wahr sind, weiß keiner von uns. Wir werden alles daran setzen zu erfahren, ob sie wahr sind. Es gibt einige Möglichkeiten, dem nachzugehen. Die haben bislang zu keinen Ergebnissen geführt. Sie können sicher sein, dass die Polizeien des Bundes und der Länder – insbesondere die des Bundes, die hat das Verfahren nach § 4a Bundeskriminalgesetz an sich gezogen – alles tun werden, um zu einer Aufklärung zu kommen und einen möglichen Anschlag zu verhindern. – Ich danke Ihnen!
[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]
Meine Damen und Herren! Mir liegen bisher Wortmeldungen für eine zweite Runde nicht vor. – Dabei bleibt es. – Damit hat die Aktuelle Stunde ihre Erledigung gefunden.
Für die gemeinsame Beratung steht jeweils eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort hat für die antragstellende Fraktion Frau Bayram von den Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist der Internationale Tag zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Deshalb haben wir eine Entschließung erarbeitet, in der wir uns insbesondere zu den aktuellen Themen geäußert haben, nämlich zu bundesgesetzlichen Initiativen, die einerseits positive Aspekte haben, wie den eigenständigen Straftatbestand in Bezug auf die Zwangsverheiratung und ein besseres Rückkehrrecht, leider aber auch Verschlechterungen wie die Verlängerung des Verbleibens in einer Ehe, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu erwerben. Terre des Femmes sagt dazu: Der Eheterror wird unnötig verlängert. Tatsächlich ist es oft leider so, dass – meistens – die Frauen in Ehen bleiben müssen, die Männer geschlossen haben, um aus der Stärke auch des Aufenthaltsrechts ihre Frauen zu terrorisieren. Dagegen sind wir, dagegen sprechen wir uns in der Entschließung aus.
Weiter ist uns wichtig darzustellen, dass sehr viel in dem Bereich getan wird. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere ausdrücklich allen denjenigen im Namen meiner Fraktion danken, die in Bereichen arbeiten, in denen Frauen geschützt werden.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass insbesondere dann, wenn Frauenrechte gestärkt werden, die Konflikte in den Familien eskalieren. Es ist immer wieder und erwiesenermaßen festgestellt worden, dass die Stärkung von Frauen dazu führt, dass sich die Dynamik in den Beziehungen verändert und dies zur Folge hat, dass sie stärker Opfer von Gewalt werden. Deswegen haben wir uns nicht damit begnügt, diese Entschließung hier einzubringen, sondern gesagt, dass wir es ganzheitlich betrachten müssen. Schuldzuweisungen helfen nicht, wir müssen schauen, wie wir insgesamt Familien stärken und wie wir es hinbekommen, dass solche Beziehungen möglichst frei von Machtgefällen und Gewalt bestehen können. Insbesondere haben wir uns dort angeschaut, was in Neukölln seit Jahren sehr gut praktiziert wird und funktioniert: die Arbeit von Kazim Erdogan, der in Gesprächskreisen insbesondere dafür sorgt, dass Männern mit Migrationshintergrund die Kompetenz gestärkt wird, sowohl gegenüber der eigenen Ehefrau als auch den eigenen Kindern gewaltfrei Konflikte auszutragen. Deswegen haben wir uns dafür ausgesprochen, solche Gesprächskreise in allen Bezirken verpflichtend anzubieten. Wir sind der Ansicht, dass diese Menschen einer besonderen Unterstützung bedürfen. Und wir sind auch der Ansicht, dass das ganzheitlich betrachtet eine Bekämpfung von Ursachen ist.
Es gibt noch zwei weitere Entschließungen. Ich will kurz dazu Stellung nehmen. Die Entschließung der Koalitionsfraktionen hat einen Satz, der besagt, dass die Gewalt die Arbeitsfähigkeit von Frauen beeinträchtigt. Da kommt wieder eine Nützlichkeitsdebatte auf, die wohl in der SPD eine gewisse Tradition hat. Einen solchen Antrag können und wollen wir nicht unterstützen.
Der FDP-Antrag hat die Schwäche, dass die FDP ihre eigenen Fehler, die sie derzeit auf Bundesebene durch Gesetze auf den Weg gebracht hat, die von ihrer eigenen Justizsenatorin ebenfalls kritisiert werden, hier einfach herauslässt. Es ist ein guter Versuch – dem können wir uns aber auch nicht anschließen.
Daher bitten wir Sie ganz herzlich, unserem Antrag, unserer Entschließung zuzustimmen. Über den Antrag in Bezug auf den Gesprächskreis werden wir noch in den Ausschüssen beraten. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 50 Jahren, am 25. November 1960 wurden die drei Schwestern Mirabal vom dominikanischen Geheimdienst ermordet. 1999
hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 25. November zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen erklärt und dazu aufgefordert, an diesem Tag Aktivitäten zu organisieren, die für das Problem der Gewalt gegen Frauen sensibilisieren.
Seit 2001 finden in Berlin an diesem Tag vielfältige Aktionen statt. Damals hat Terre des Femmes auch mit der Fahnen-Aktion begonnen. In diesem Jahr wehen zum zehnten Mal überall in der Stadt blaue Fahnen mit der Aufschrift: Frei Leben ohne Gewalt – auch hier vor dem Abgeordnetenhaus. Meine Fraktion und ich unterstützen die Aktion. Nein-Karten gegen Gewalt an Frauen haben wir heute Vormittag auf dem Potsdamer Platz verteilt. Unser Präsident, Walter Momper, war auch dabei.
Die frühere UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, brachte es 2007 in einer Rede auf den Punkt: Gewalt gegen Frauen ist das immer noch am weitesten verbreitete, aber am seltensten bestrafte Verbrechen der Welt. Die vielen Facetten weltweiter Gewalt an Frauen sind bekannt. Ein Viertel bis die Hälfte der Frauen haben Gewalterfahrungen mit ihrem Partner. Jährlich sterben mehr als 5 000 Frauen durch sogenannte Ehrenmorde. Bei weniger als 5 Prozent von Vergewaltigungsfällen kommt es zur Strafverfolgung.
Täglich sterben mehr Frauen an den Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt als an anderen Menschenrechtsverletzungen. Frauen sind Opfer von Genitalverstümmelungen, Steinigungen und Menschenhandel. Sie werden versklavt und sexuell ausgebeutet. Sie werden Opfer von Folterungen und Tötungen, von Verschwinden-Lassen. In allen Regionen der Welt leben Millionen von Frauen in Armut, werden ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte beraubt. Auf dem Arbeitsmarkt werden Frauen vielfach diskriminiert oder sind zur Arbeitslosigkeit verurteilt. Die Feminisierung der Armut ist ein Einfallstor für Frauenhandel und Zwangsprostitution.
Gewalt gegen Frauen muss überall dort bekämpft werden, wo sie auftritt, auch in Berlin. Berlin verfügt über ein breit gefächertes Hilfs- und Schutzangebot. Polizei, Staatsanwaltschaft, Gesundheitseinrichtungen und Frauenprojekte arbeiten zusammen. Wichtig ist, dass Frauen schnell und umfassend über Hilfsangebote informiert werden.
Frühzeitige Gegenwehr gegen gewaltgeprägte Lebensverhältnisse schützt nicht nur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Frauen, sie dient auch dem Wohl der Kinder.
Auch wir wollen die Zwangsverheiratung als eigenen Straftatbestand unter Strafe stellen. Wir lehnen es aber entschieden ab, dass die Bundesregierung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Frauen an vorherige längere Ehedauer knüpfen will. Damit würde die Abhängigkeit der Frauen von ihrem Ehepartner verstärkt, Zwangsverhältnisse und Gewalt würden begünstigt.
Befremden muss auch, dass in dem Antrag der Grünen die unterschiedliche Herkunft der Männer besonders betont wird.