Protocol of the Session on November 25, 2010

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Behrendt! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird einvernehmlich die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und

Familie und an den Hauptausschuss vorgeschlagen. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Der Antragsteller beantragt zudem die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungsschutz. Hierüber lasse ich abstimmen. Wer dieser zusätzlichen Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und Grünen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist diesem Antrag nicht entsprochen worden.

Ich komme zu

lfd. Nr. 20:

Antrag

Mehr Lebensqualität für alle Berlinerinnen und Berliner durch bürgerfreundliche Flugrouten und bessere Lärmschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Großflughafens in Schönefeld – BBI –

Antrag der CDU Drs 16/3638

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Ich komme zu

lfd. Nr. 21:

Antrag

Sondervermögen für eine integrierte Sozialraumentwicklung

Antrag der CDU Drs 16/3639

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die vorgesehenen Reden zu Protokoll zu geben. Dazu besteht nun Gelegenheit.

Mit diesem Antrag fordert die CDU die Zusammenführung aller Programme des Landes Berlin für die sozialräumliche Entwicklung, wie „Aktive Stadtzentren“ oder das Programm „Soziale Stadt“.

Wir fordern, dass die dafür im Haushalt bereitgestellten Mittel in einem Fonds in der Rechtsform des Sondervermögens zusammengeführt und daraus in Verantwortung der Bezirke die soziostrukturelle Entwicklung gezielt und quartiersgerecht unterstützt wird. Flankiert werden soll dieses neue System durch den Aufbau einer einheitlichen Organisationsstruktur mit einheitlichen Mechanismen, die die Durchführung der einzelnen Maßnahmen unterstützen und die Erfolgskontrolle sicherstellen.

Warum halten wir eine solche umfassende Reorganisation für erforderlich? – Wir reden über ein Programmvolumen von ca. 150 Millionen Euro. Hinzu kommen die bei den

Bezirken veranschlagten Mittel. Der Landesanteil beträgt ca. 90 Millionen Euro, der Rest wird aus Bundesmitteln finanziert. Die Förderlandschaft, die der Senat – insbesondere die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die für Soziales – aus diesen Steuergeldern kreiert haben, ist inzwischen unüberschaubar geworden.

Allein zum Verteilungsmodus der Fördermittel gibt es viele Fragen, z. B.: Wie viel behalten die Senatsverwaltungen für eigene aufgelegte Programme, wie und nach welchen Kriterien werden die Mittel auf die Bezirke verteilt? Und manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, die Gelder würden nach den Vorlieben der Senatorin für Stadtentwicklung vergeben werden.

Dubios und für die Bezirksverwaltungen kaum nachvollziehbar sind nicht nur die Vergabekriterien und die Verteilungsmodi, sondern auch die Organisationsstrukturen, die den Programmen hinterlegt sind. Die Programme überschneiden sich, sie korrespondieren nicht mit den einzelnen Haushaltstiteln, die Empfänger der Fördermittel und deren Finanzierungsquellen sind nur mit langwierigen Recherchen zu ermitteln. Doppelförderungen sind Tür und Tor geöffnet. Aber eine klare inhaltliche und haushälterische Abgrenzung zwischen den Programmen ist nach Auffassung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht nötig.

So soll das Programm „Aktive Stadtzentren“ dem „schleichenden sozialen Funktionsverlust und dem Strukturwandel“ entgegenwirken, „den Zustand der umliegenden Wohngebiete“ verbessern. Im Programm „Soziale Stadt“ heißt es: „Defizite des Wohnumfeldes sollen verbessert werden, Leerstand von Gewerbe- und Wohnraum soll behoben werden.“ Erklärtes Ziel beider Programme ist die Identifikationsbildung der Anwohner und Anwohnerinnen mit ihrer Straße, ihrem Kiez. Überhaupt ist „Identitätsbildung“ ein Lieblingswort in diesen Programmen.

So ist es folgerichtig, dass der Landesrechnungshof in der Hauptausschusssitzung am 10. November den Senat kritisierte. Er bemängelte

die unzureichenden Festsetzung und Präzisierung der Programmziele,

deren mangelhafte Nachhaltigkeit,

fehlende Kriterien für die Erfolgsbeurteilung,

Interessenkonflikte bei den Trägern der Projekte,

Doppelfinanzierungen,

die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Mittelverwendung.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der SPD-Bezirksbürgermeister Buschkowsky in dieser Sitzung das Vorgehen des Senats verteidigte; er akzeptierte die willkürliche und unkontrollierte Verteilung der Steuergelder auf Projektteams und behauptete, dass die Berliner Verwaltung mit der Aufgabe eines unbürokratischen Sozialraummanagements ohnehin überfordert sei. Wo er recht, hat er recht.

Wir können ihm nur zustimmen, dieser Umstand ist uns seit Langem bekannt.

Zwar formulierten Bezirksvertreter übereinstimmend, dass die Bildung von Netzwerken in den Kiezen erwünscht sei, aber zwei Drittel aller Quartiersräte sind selber Projektträger oder an Projekten beteiligt. Zum Teil vertreten mehr als die Hälfte der Quartiersräte Institutionen, die von Fördermitteln profitieren. Es haben sich Anbieterkartelle gebildet, die die offene Bürgerbeteiligung dominieren oder gar konterkarieren.

Und was machen die Bezirksvertreter? – Sie sehen hilflos zu, lassen die Akteure bei der Aufteilung der Gelder gewähren. Eine offene Bürgerbeteiligung sieht anders aus.

Die Notwendigkeit von Förderprogrammen stellen wir nicht infrage, wohl aber den Umgang damit – also die Kriterien der Mittelverteilung und die fehlende Nachhaltigkeit der Maßnahmen. Denn es hat sich in den vergangenen Dekaden ein regelrechter Schattenhaushalt entwickelt, der nur noch von wenigen „Auserwählten“ durchschaut wird, und die behandeln ihr Wissen als Herrschaftsinstrument. Gerade die vom Senat so oft beschworene Solidarität, die Integration, die Stabilisierung von Stadtteilen machen es in unseren Augen zwingend erforderlich, die Mittel nachhaltig und dem vorher klar formulierten Zweck entsprechend auszugeben.

Dazu braucht man mehr Transparenz. Die Mittel müssen zusammengeführt werden, Mittelzuweisung und Verwendung müssen klaren Regeln folgen, und der Senat muss sicherstellen, dass die Durchführung dieser Programme rechtsförmig ausgestaltet wird – insbesondere bezüglich der Gewährung und Verwendungsprüfung von Zuwendungen.

Als ich Ihren Antrag letzte Woche gelesen habe, da musste ich auf Grund Ihrer Dreistigkeit erst einmal schmunzeln. Was möchte denn die CDU? – Sie führen aus, dass sie in Zukunft nicht mehr Mittel und in gleicher Höhe für diverse Programme der Sozialen Stadt ausgeben wollen. Sie begründen dies mit den drastischen Kürzungen auf Bundesebene – was für ein Hohn angesichts der Berliner CDU- und FDP-Mitglieder des Deutschen Bundestages, die gestern alle keine Probleme hatten, diese Kürzungen zu unterstützen.

Aber es kommt noch besser: Mit der Bildung eines Sondervermögens soll also – unter dem Deckmantel vermeintlicher Transparenz und Effizienz – eine verschleierte Kürzungsaktion durchgeführt werden. Damit ist wahrscheinlich, dass die CDU doch ein echtes Sondervermögen nach §26 (2) LHO meint. Den Zweck der Bündelung und eine verbesserte Koordination der verschiedenen Programme könnte man sicherlich auch anders erreichen. Ob zweckgebundene Zuweisungen an die Bezirke aus dem Sondervermögen nun tatsächlich am Ende dazu füh

ren, dass die Mittelverwendung effizienter und effektiver würde, bedarf einer Erläuterung.

Was genau wird dadurch besser? Schon heute gibt es mehr oder weniger aktive Stadträte, die entsprechende Aktivitäten an den Tag legen und damit zuverlässig Mittel akquirieren. Auch muss die CDU erst einmal begründen, warum ein Sondervermögen nun der Hort der Transparenz ist, in dem das Zielerreichen der aufgeführten Programme in besonderem Maße und besser als mit einer Veranschlagung der einzelnen Programme im Haushalt gewährleistet werden kann.

Die grundsätzliche Idee: „Alles in einen Topf und dann dezentral an die Orte, wo es gebraucht wird“ mag zunächst etwas für sich haben – ob aber das Ziel Transparenz, Effektivität, Effizienz angesichts der doch sehr unterschiedlichen Zwecke der Programme wirklich realistischerweise erreicht wird, ist doch mehr als fraglich.

Aber die CDU hat auch keine Einsicht. Montag im Stadtentwicklungsausschuss – totale Verwaisung der CDUBank, einzig ein importiertes FDP-Mitglied versuchte die CDU darzustellen. Frau Vogelsang, CDU MdB, vermeintlich langjährige Kommunalpolitikerin für Neukölln, hatte keine Probleme, jahrelang Gelder der „Sozialen Stadt“ für die richtige Verwendung gerade im Bereich Gesundheit zu akquirieren, hatte aber keine Probleme, gestern der „Sozialen Stadt“ den Todesstoß zu versetzen. Sie haben es nicht verdient, in der Regierung zu sitzen, weil CDU und FDP den Todesstoß für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt und in den Kommunen legen.

Ein Sondervermögen hilft ihrem Ansinnen nicht. Was es braucht, ist Kopf und Augenmaß bei der nachhaltigen Entwicklung, und das kann nur die SPD!

Warum will die CDU jetzt Stadtentwicklung von unten? Wir haben doch schon heute das Problem, dass Berlin keine Vision hat. Was diese Stadt braucht, ist eine Stadtentwicklungs- und Infrastrukturpolitik, die klare Ziele definiert. Sie ist am Leitbild einer wachsenden Stadt und an den Belangen der Wirtschaft zu orientieren. Dazu ist ein ganzheitliches Flächenmanagement- und Stadtentwicklungskonzept notwendig.

In einer vorausschauenden Rahmenplanung sind die unterschiedlichen Nutzungen und Bedarfe der Stadt zu definieren. Hierzu gehören auch die ausreichende Ausweisung von Flächen für unterschiedliche Nutzungen und das Bereitstellen der entsprechenden Haushaltsgelder, um diese Nutzungen zu bespielen.

So ist es Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung, gerade in der dichten Innenstadt ausreichend Sport- und Freizeitflächen zur Verfügung zu stellen, für ein Kita- und Grundschulangebot zu sorgen, das den Bedarfen vor Ort entspricht. Dabei muss immer die Hauptfrage sein, wie

definierte stadtentwicklungspolitische Ziele zum Wohl der Bürger erreicht werden können.

Das Modell der Sozialraumorientierung in der Stadtentwicklung ist jedoch das Gegenteil davon. Hier werden kleinteilig Gelder für Projekte ausgegeben, in einer Struktur, die in nicht kontrollierbar ist. Eine Anhörung im Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschuss Anfang des Jahres hat deutlich gemacht, dass gerade im Bereich der „Sozialen Stadt“ und hier im Besonderen beim Quartiersmanagement die Projekte nicht evaluierbar sind, da es keine klaren, überprüfbaren Ziele gibt. Daher weiß auch keiner, ob die Projekte zielführend sind, ob sie einen positiven Effekt haben oder ob sie rausgeschmissenes Geld sind.

Deshalb wollen wir der intransparenten Veranschlagung unterschiedlichster Maßnahmen und Projekte in den Haushalten den ersten Träger- und Projekteatlas entgegenstellen. Einen entsprechenden Antrag haben wir im Frühjahr eingebracht, und die Finanzverwaltung scheint dieser Forderung zumindest dem Namen nach nachzukommen. Durch den geforderten Träger- und Projekteatlas soll ein Überblick über den Dschungel an sozialen Leistungen und Projekten erlangt werden. Der Leser bzw. Nutzer muss dabei in die Lage versetzt werden, diesen Bericht aus unterschiedlichen Blickwinkeln auswerten zu können und dadurch Häufungen oder auch Lücken im Angebot zu erkennen. Heute ist in Berlin niemand in der Lage, das Angebot zu überblicken.

Geld nicht nach Ziel des Förderprogramms sondern nach prekärer Lebenssituation. Und wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, wollen Sie die defizitären Lebensräume auch noch entwickeln. Wir würden lieber die Lebenssituation für alle Berliner positiv verbessern. Und selbst der Vater der integrierte Sozialraumorientierung, Herr Prof. Häusermann, ist inzwischen der Meinung, dass wir andere Wege gehen müssen. Auf die Frage, ob die Lage in Berlin sich verschärft hat, antwortete Herr Prof. Häusermann Anfang des Jahres: „Ja. Dort, wo die Probleme groß sind, da wachsen sie weiter.“ Und er ist fest davon überzeugt, dass hier „die Verlierer und die Unterschicht von morgen produziert werden“.