Protocol of the Session on November 11, 2010

Ich bin skeptisch, ob die lebenslang vergebene Dienstnummer wirklich auch lebenslang ein polizeiinternes Geheimnis bleibt, unabhängig von der Tatsache, dass auf der anderen Seite des Klettschildes der Klarname steht. Das dürften viele der zitierten Berlinerinnen und Berliner und auch Gäste dieser Stadt, und zwar insbesondere diejenigen, die zum 1. Mai besonders gerne nach Berlin kommen, zu einem kleinen Spielchen ermuntern. Wer die meisten Klettschilder erbeutet hat, hat gewonnen, und dazu gleich beides: die Dienstnummer und den Namen des Beamten. Herzlichen Glückwunsch!

[Zuruf von Udo Wolf (Linksfraktion)]

Meine Damen und Herren von Rot-Rot! Ich appelliere an Sie: Ist diese Frage wirklich ein so wichtiges Anliegen, dass es sich lohnt, die Sorgen, die Demotivation und den Zorn der Polizeibeamten und ihrer Familien zu riskieren? Auch die FDP frage ich, ob sie es wirklich ernst meint mit der fortgesetzten konsequenten Verdrehung der Prioritäten beim Opfer- versus Täterschutz. An die Grünen hingegen braucht man nicht zu appellieren. Sie geben es offen zu, dass es ihnen vor allem um das Misstrauen gegen die eigene Polizei geht.

Meine Damen und Herren! Sie können sich heute beteiligen an dem ideologischen Prestigeprojekt von Rot-Rot, das erste und auch einzige Bundesland zu sein, das eine Kennzeichnungspflicht vorsieht. Sie können auf der Seite derjenigen stehen, denen es egal ist, dass im Fall einer Kennzeichnungspflicht mit einer Flut von unberechtigten Anzeigen gegen Polizeibeamte zu rechnen ist, Sie müssen es aber nicht. Sie dürfen auch an der Seite der CDU die Sorgen der Berliner Polizistinnen und Polizisten sowie ihrer Familien ernst nehmen.

[Beifall bei der CDU]

Ihr Abstimmungsverhalten werden wir jedenfalls namentlich feststellen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Juhnke! – Für die SPDFraktion hat die Abgeordnete Hertel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, in der rot-roten Koalitionsvereinbarung von schon 2002 haben wir – übrigens erneut – unser politisches Ziel und dem politischen Willen Ausdruck gegeben, zu einer möglichst individuellen Kennzeichnung der Berliner Polizei zu kommen. Aber, und das, lieber Herr Juhnke, haben Sie nicht nur im Innenausschuss, sondern auch hier wieder in Ihrer Rede völlig missachtet, sicherlich nicht aus Versehen, wir haben gelernt, auch aus eigenen Fehlern – ich will es ganz offen sagen. Es war und ist uns sehr wohl bewusst, dass es einer dringenden und zwar kontinuierlichen Überzeugungsarbeit bedarf, um die Sorgen und Ängste in der Berliner Polizei zu beseitigen und zu einer großen Akzeptanz einer Kennzeichnung – ob Namen oder Nummer – zu kommen, denn es geht tatsächlich nicht um eine bessere Identifizierbarkeit von Polizeibeamten, die – zumindest von Teilen in diesem Haus – grundsätzlich für jede Schandtat gut sein müssen. Es ist nicht nötig, Berliner Polizisten identifizierbar zu machen, denn – das belegen die vergangenen Jahre – Berliner Polizei handelt regelmäßig und grundsätzlich mit rechtsstaatlichen Mitteln und im Rahmen ihrer Befugnisse. Es ging und geht uns tatsächlich darum, dass für eine bürgernahe Polizei in einer weltoffenen Stadt, die Berlin ja sein will, und in einer Bundeshauptstadt tatsächlich auch das

Tragen von Namensschildern zu einer selbstverständlichen Geste der Bürgernähe gehört.

Aber es war nicht ganz einfach und mit Sicherheit nicht per Knopfdruck oder par ordre du Mufti zu erreichen. Denn – auch da, Herr Juhnke, gebe ich Ihnen recht – die Arbeit von Polizeibeamten ist in den letzten Jahren nicht etwa einfacher, sondern ganz im Gegenteil sehr viel schwerer geworden. Und wenn Polizisten im täglichen Dienst immer öfter beschimpft, beworfen und, wenn es ganz herb kommt, auch schon mal geschlagen werden, dann freuen die sich natürlich nicht, wenn man ihnen nun aufdrückt: Nun müsst ihr euch individuell kennzeichnen; wer weiß, was ihr tut? – Aber ich bitte Sie auch zu bedenken: Die Polizei hat, wenn sie präventiv und wo erforderlich auch mit Sanktionen für unsere Sicherheit tätig ist, wenn sie bei Fußballspielen in den Berliner Fußballstadien für einen friedlichen Verlauf der ach doch nur Sportbegeisterten sorgen muss oder wenn sie, um die im Grundgesetz verankerte Demonstrationsfreiheit zu schützen, sich auch schon mal beschimpfen lassen muss, dass sie nun ausgerechnet diese Demonstration schützt – Seien Sie gewiss, der eine oder andere Polizist würde sich an dieser Stelle gern in die Reihe der Gegendemonstranten stellen – oder wenn Sie und ich, wenn wir Bürgerinnen und Bürger in der festen Überzeugung mit Sitzblockaden, mit Anketten, mit Abschottern und Ähnlichem im Grunde genommen nur heroische Maßnahmen zivilen Ungehorsams zeigen, dann müssen genau diese Polizeibeamten im Rahmen ihrer Verhältnismäßigkeit so gemäßigt wie möglich und eben doch so deutlich wie nötig, und das auch mit Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, gegen uns vorgehen.

Es war wichtig, deshalb einen Weg zu wählen, die Kollegen zu überzeugen, um ihnen vor allen Dingen ihre durchaus berechtigten Ängste um die eigene Sicherheit zu nehmen. Darum bedanke ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich für das gewählte Verfahren des Polizeipräsidenten, der bereits 2002 dafür gesorgt hat, dass es erst einmal im Rahmen einer freiwilligen Herausgabe der Namensschilder bzw. Anheftens des Namensschilds erfolgt ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Er hat dafür gesorgt, dass die Kennzeichnung beworben und das Tragen von Namensschildern erst mal auf freiwilliger Basis befördert wird. Ich glaube, dass auch das zu dem sehr viel geringeren Widerstand bei der Polizei und z. B. auch bei der Gewerkschaft geführt hat, die sich bereits 2009 und dann noch einmal 2010 mit einer individuellen Kennzeichnung durchaus einverstanden erklären kann, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt und besondere Sicherheitshinweise beachtet werden. Ich glaube, der Entwurf des Polizeipräsidenten hat dem schon Genüge getan. Es wird jetzt darauf ankommen, dass in der Einigungsstelle, die morgen noch einmal tagt, zu einem gemeinsamen Kompromiss gefunden wird und zu einer Einigung. Ich bin recht guten Mutes, dass das gelingen wird.

Eines will ich allerdings dann auch noch sagen: Eines wird es in Berlin sicherlich nicht geben, weder mit uns noch mit diesem Polizeipräsidenten: Wenn ein Berliner Polizist mit dem Namen Müller Ihnen am Bahnhof entgegentritt – am Bahnhof, Herr Juhnke, hat der kein Problem, mit dem Namen aufzutreten und nicht mit 4712 –, dann ist in Berlin auch ein Herr Müller drin in der Uniform; anders als bei der Deutschen Bahn, die ihren Mitarbeitern schon mal vorschlägt, sie sollen mit falschen Namen auftreten. Das wird es in Berlin nicht geben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hertel! – Für die Grünen hat der Abgeordnete Lux das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, Frau Hertel, von welcher Akzeptanz Sie reden. Denn wer mit der Polizei spricht, der kann dieses Projekt noch so gut finden wie meine Fraktion, der merkt aber, wenn er ein bisschen Gespür hat: Die Akzeptanz bei der Berliner Polizei für das verpflichtende Namensschild ist gleich null. Und dieser Null-Akzeptanz muss man sich auch einmal stellen als verantwortungsführende Fraktion.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Aber wir stehen vor dem Scherbenhaufen Ihrer Politik, dass Sie das Projekt seit acht Jahren wollen, aber überhaupt nicht für Akzeptanz innerhalb der Polizei gesorgt haben. Es ist wirklich ein Trauerspiel, dass der Innensenator, der Polizeipräsident das zwar wollen, aber überhaupt nicht für Akzeptanz innerhalb der Berliner Polizei gesorgt haben.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf des Christian Gaebler (SPD)]

Wir wollen per Gesetz verordnen, dass es keine namentliche Kennzeichnung gibt, sondern dass es individuelle Nummern gibt für Einsatzschaften der Berliner Hundertschaften. Das ist etwas völlig anderes als das, worüber wir hier reden, Herr Gaebler. Also sparen Sie sich Ihre unqualifizierten Zwischenrufe, sondern machen Sie sich erst mal kundig bei Ihren Leuten, bevor Sie reinblöken.

[Beifall bei den Grünen]

Der zweite Punkt ist – worüber wir reden können: Man kann ja für die richtige Sache kämpfen.

[Andreas Gram (CDU): Das tun wir ja auch!]

Und so zitiere ich aus einem Gesetzentwurf der CDU:

Zu einer bürgernahen und bürgerorientierten Polizei gehört insbesondere die Möglichkeit, den einzelnen Polizeivollzugsbeamten im täglichen

Dienstgeschehen persönlich anzusprechen. Das ist auch Ausdruck einer selbstbewussten Polizei.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Auf freiwilliger Basis!]

Das ist die CDU im Landtag Brandenburg. Ich kann nur sagen: Schneiden Sie sich eine Scheibe von denen ab! Die CDU im Landtag Brandenburg ist deutlich weiter als die alte Westberliner Block- und Bambule-CDU. Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Es geht tatsächlich nicht um Misstrauen gegenüber den Berliner Polizistinnen und Polizisten.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Nein!]

Es geht um Transparenz, und es geht auch um etwas, was in der Berliner Verwaltung längst Standard ist. Allein in der Berliner Polizei ist es nicht verpflichtend vorgesehen, namentlich zu handeln. Das Jugendamt, das die Kinder wegnimmt, handelt namentlich. Der LKA-Beamte, der Sie zur Vernehmung vorlädt oder als Zeuge vor Gericht erscheint, handelt namentlich. Der Staatsanwalt, der bei einer Anklage auf fünf Jahre Haft oder für Sicherungsverwahrung plädiert, handelt namentlich. Der Richter, der dann zur Sicherungsverwahrung verurteilt, handelt namentlich. Der Gutachter vom Sozialpsychiatrischen Dienst, der sagt, Sie sind nicht mehr fähig oder müssen eingewiesen werden, handelt namentlich. Warum sparen wir die Berliner Polizei davon aus, das, was an Transparenz, das, was an Menschlichkeit nötig und möglich ist, verpflichtend einzuführen?

[Beifall bei den Grünen]

Ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf, mit den Ängsten der Berliner Polizistinnen und Polizisten zu spielen! Gewalt gegen Polizei ist ein ernsthaftes Thema, das zunimmt und das auf Antrag meiner Fraktion mit der Gewerkschaft auf Grundlage der Forschungsergebnisse des Kriminologischen Instituts Niedersachsen nach der Sommerpause besprochen worden ist. Auf Antrag meiner Fraktion ist Gewalt gegen Polizei besprochen worden. Herausgekommen ist, die meiste Gewalt gegen Polizei funktioniert in Ad-hoc-Situationen. Da geht es gar nicht um den Namen, den die Person hat, sondern da gibt es mal eins so auf die Nase, weil es eine Konfliktsituation gibt, die sich aus Sicht des Betreffenden nicht anders lösen lässt. Das ist das Problem, das wir bei Gewalt gegen Polizei haben.

[Zurufe von der SPD und der CDU]

Wir haben nicht das Problem, dass die Polizisten namentlich erkennbar sind, sondern wir haben das Problem, dass Gewalt aus Ad-hoc-Situationen kommt. Deswegen nehmen Sie das Problem sachlich und ernsthaft auf, und hören Sie auf, mit den Ängsten der Polizistinnen und Polizisten zu spielen! Das ist unlauter.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD und der CDU]

In vielen anderen Ländern ist die individuelle Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten Standard. In Großbritannien, wir konnten das Beispiel sehen, sind alle Po

lizistinnen und Polizisten gekennzeichnet. Selbst in China sind Polizistinnen und Polizisten gekennzeichnet. Ich glaube, viele Staaten haben kein Problem, ihren Bürgerinnen und Bürgern mit offenem Visier gegenüberzutreten.

[Andreas Gram (CDU): Ein Rückfall in die Staatsmachtallergie!]

Das ist auch das, was wir in Berlin brauchen. Ich kann nur sagen, für das weitere Verfahren ist es wichtig, die Akzeptanz der Berliner Polizei zu haben. Diese Akzeptanz wurde nicht ausreichend vom Senat hergestellt. Hier müssen Sie dringend nachbessern, indem Sie auch ins ernste Gespräch mit den Berliner Polizistinnen und Polizisten gehen. Das haben Sie bislang verabsäumt. Gleichwohl wird meine Fraktion den Antrag der CDU ablehnen. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux!

Bevor ich das Wort für eine Kurzintervention an Herrn Dr. Juhnke gebe, möchte ich ganz herzlich eine Delegation begrüßen, und zwar den Herrn Botschafter der Republik Indonesien, Herrn Botschafter Pratomo, mit seiner Delegation. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus!

[Allgemeiner Beifall]

Jetzt hat der Abgeordnete Dr. Juhnke das Wort zu einer Kurzintervention.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich mache es auch wirklich kurz.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]