Protocol of the Session on November 11, 2010

aber gilt: Solange offen ist, wie die gesetzliche Neuregelung am Ende aussehen wird, können wir noch nichts Konkretes festlegen. Deshalb können wir in Berlin gegenwärtig auch nicht entscheiden, ob das Bildungs- und Teilhabepaket durch die Berliner Jobcenter oder durch die Berliner Bezirke umgesetzt wird.

Eine Nachfrage von Frau Jantzen – bitte!

Vielen Dank, Frau Senatorin! Ich teile Ihre Kritik an dem Ganzen und möchte noch nachfragen: Haben Sie eine Einschätzung, wie viel eigentlich der Verwaltungsaufwand ausmacht, damit 10 Euro pro Kind für diese Teilhabe- und Bildungsleistung letztendlich ausgegeben werden können und das Kind davon profitiert?

Bitte schön, Frau Senatorin Bluhm!

Frau Abgeordnete Jantzen! Da sprechen Sie ein ganz relevantes Problem an. Denn zu dieser Problemschilderung, der ich mich anschließe, kommt ja noch, dass wir in Berlin jetzt eine wirkliche Kultur von kostenfreien Angeboten haben, also Sportvereine, die sich aus sozialer und jugendpolitischer Verantwortung dafür entscheiden, für Kinder und Jugendliche aus Familien mit wenig Geld – da sind beispielsweise auch Eltern, die im Niedriglohnsektor arbeiten, mit gemeint – Angebote kostenlos anzubieten. Meine Befürchtung – die wird auch von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen auf der Bundesebene geteilt – ist, dass, wenn es formal ein noch so kleines Angebot von momentan 10 Euro für die unmittelbare Teilhabe an Bildung, Kultur und Sportangeboten gibt, die Sport- und andere Institutionen dieses Angebot nicht mehr kostenfrei anbieten. Das heißt also für Berlin: ein Rückschritt, und zwar für die Kinder aus Hartz-IV-Haushalten, aber auch für alle die anderen im Geringverdienerbereich. Von daher wird der Aufwand sehr groß.

Die Chipkarte, die ein bisschen aus der öffentlichen Debatte herausgekommen ist, soll ja erst 2011 erprobt werden. Wenn man sich vorstellt, dass alle Vereine, die es in dieser Stadt gibt, mit einem Lesegerät ausgestattet werden müssten, um dann die Abrechnungen zu vollziehen, die dann wiederum ausgewertet werden müssten, dann steht der Aufwand aus meiner Sicht in keinem Verhältnis zu dem angebotenen Gegenwert von Teilhabe.

Wir schauen uns die Berliner Verhältnisse mal genauer an, das haben wir auch in diesem erwähnten Gespräch, wie die Umsetzung denn vonstatten gehen könnte, getan. Ein Musikschulunterricht, der immer von Frau von der

Leyen als möglich und notwendig zu finanzieren ins Gespräch gebracht worden ist, kostet eine halbe Stunde 110 Euro im Monat. Bei einem bereits gewährten fünfzigprozentigen Rabatt sind das momentan 55 Euro. Da bin ich dann mit einem 10 Euro schweren Bildungsgutschein ausgesprochen schlecht beraten, denn ich kann dann vielleicht einen siebenminütigen Unterricht im Monat realisieren. Der wird aber nicht angeboten. Von daher finde ich ausgesprochen schwierig, dass eine hohe Erwartungshaltung in die Gesellschaft hineingetragen wurde, dass jetzt Bildung und Teilhabe möglich ist. In der Tat ist es mehr als in der Vergangenheit, wo es dafür gar keinen Cent oder Euro gab. Aber mit 10 Euro kann ich dieses Problem überhaupt nicht lösen. Dennoch werden wir uns intensiv bemühen, die Möglichkeiten, die es gibt, für Berlin sinnvoll umzusetzen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Senatorin! – Keine weiteren Nachfragen. Dann ist die Fragestunde wegen Zeitablaufs beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet werden.

Ich begrüße die Schülerinnen und Schüler von der Landespolizeischule. – Herzlich willkommen! Wir freuen uns, dass Sie sich für unsere Arbeit interessieren. Danke schön!

[Allgemeiner Beifall]

Jetzt kommt

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Es beginnt der Kollege Oberg. – Bitte schön, Herr Oberg, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Ich habe eine Frage an den Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. – Herr Zöllner! Welche Auswirkungen wird Ihrer Einschätzung nach die Aussetzung der Wehrpflicht auf die Zahl der Studienplatzbewerber in Berlin haben?

Herr Prof. Zöllner!

Bundesweit geht man davon aus, dass es eine Größenordnung an zusätzlicher Nachfrage nach Studienplätzen ge

ben wird, die über 50 000 bundesweit liegen wird. Das bedeutet, dass wir eigenständig in Berlin mit einer Größenordnung in Höhe von 5 Prozent rechnen müssen, also ca. 2 500 plus einen gewissen Wert, weil Berlin eine überregional beachtliche Attraktivität hat. Die leeren Zahlen sind wahrscheinlich gar nicht in der Lage, deutlich zu machen, welches Problem möglicherweise durch eine solche Entscheidung nicht nur auf Berlin, sondern auch auf die anderen Länder zukommt. In der Diskussion um eine Veränderung der Wehrpflicht hat das bisher überhaupt keine Rolle gespielt. Um es aus meiner Sicht relativ realistisch darzustellen: Es stehen in jedem Fall doppelt so viele Studenten vor den Toren der Hochschulen, um ein Studium aufzunehmen, wie in einem normalen Jahr, das heißt wie in den Vorjahren. Die Situation wird in einigen Bundesländern noch zusätzlich dadurch erschwert, dass diese schon etwas früher mit einer Verkürzung der gymnasialen Schulzeit begonnen haben als Berlin, sodass im Klartext in einigen Ländern die dreifache Anzahl von Studierenden Studienplätze nachfragt, sodass ich der festen Überzeugung bin, dass diesem Gesichtspunkt bei der Diskussion, obwohl es inhaltlich keinen Zusammenhang gibt mit der Abschaffung der Wehrpflicht, erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

Ich weise weiterhin darauf hin, dass diese Zahlen möglicherweise noch zu klein sind, weil zusätzlich auch die Veränderung im Ersatzdienst zum Tragen kommt. Damit sehen Sie die ganze Dramatik der Situation.

Eine Nachfrage des Kollegen Oberg – bitte!

Herr Zöllner! Haben Sie denn schon Gespräche mit dem Bund darüber geführt, inwieweit dieser bereit ist, sich im Sinne eines Verursacherprinzips an den Kosten für zusätzliche Studienplätze, deren es offensichtlich bedarf, zu beteiligen?

Herr Senator Zöllner – bitte!

Auf meine Anregung hin ist in der GWK, also der gemeinsamen Bund-Länder-Kommission, dieses Thema erörtert worden, und – für dieses Gremium ungewöhnlich – man hat noch außerhalb der normalen Abläufe vereinbart, dass man zu einer gemeinsamen Beurteilung der Situation kommt und die dem Bund mitteilt. Man ist bereit, einen Exekutivausschuss mit einer Beschlussfassung noch vor Weihnachten zu befassen. Um da auch ein Gefühl für die Größenordnung zu geben, um die es geht: Das sind im Klartext mit Sicherheit Beträge an zusätzlichen Kosten für diejenigen, die für die Hochschulen verantwortlich

sind, d. h. die Länder, in der Größenordnung von über 1 Milliarde Euro. Sie müssen quasi eine Kohorte an Absolventen, also an Abiturienten, Studienbewerbern, mindestens vier Jahre zusätzlich an den Hochschulen versorgen. Ich bin gespannt, wie Parteien, die im Bund Verantwortung tragen und sonst immer für das intellektuell ausgedrückte Konnexitätsprinzip sind, jetzt bereit sind, die Konsequenzen zu ziehen.

Danke schön!

Jetzt geht es mit einer Anfrage von Frau Kroll für die CDU weiter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Innensenator, Herrn Körting, und zwar: Treffen Informationen der Gewerkschaft der Polizei zu, wonach die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes für Feuerwehrleute von ein auf zwei Jahre für die jungen Brandmeister oder Brandmeisterinnen eine Minderung ihres Einkommens für das zweite Ausbildungsjahr von 1 700 Euro auf 800 Euro monatlich bedeutet, obwohl sie bereits nach Ablauf des ersten Ausbildungsjahres ohne Abschluss und ungeprüft auf den Feuerwehrwachen Einsatzdienst leisten?

[Zurufe von den Grünen]

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Frau Kollegin! Das trifft zu. Wir haben seinerzeit beschlossen, die Feuerwehrausbildung von einem Jahr auf zwei Jahre zu erweitern. Damit werden die Feuerwehrleute genauso wie im Justizvollzug oder bei der Polizei mit Anwärterbezügen bezahlt, solange sie sich in der Ausbildung befinden.

Eine Nachfrage? – Frau Kroll!

[Zuruf von Dirk Behrendt (Grüne)]

Die war schriftlich eingereicht, aber sie ist von der Tagesordnung runter, weil sie zurückgezogen ist. Deshalb ist sie in unserem Sinne nicht existent, und deshalb ist sie zulässig. – Bitte, Frau Kroll, fragen Sie!

[Özcan Mutlu (Grüne): Das merken wir uns!]

Danke, Herr Präsident! – Herr Innensenator! Ich habe eine Nachfrage dazu: Die jungen Brandmeister und

Brandmeisterinnen sind ja in der Regel schon im Berufsleben gewesen, haben also schon verdient und sind jetzt finanziell deutlich schlechter gestellt, obwohl sie vollen Einsatzdienst leisten, was Sie ja bestätigt haben. Würden Sie dann der Forderung der Gewerkschaft der Polizei nach Einführung der freien Heilfürsorge zustimmen, um diese jungen Beamten entsprechend zu entlasten?

Herr Senator Körting – bitte!

Frau Kollegin! Schlechter gestellt ist von denjenigen, die bei der Feuerwehr eingestellt waren, überhaupt keiner. Wir haben den Bewerbern für die kommenden Jahre zu einem bestimmten Zeitpunkt mitgeteilt, dass wir eine Veränderung der Ausbildung vorhaben und dass in dieser Veränderung der Ausbildung die künftig zwei Jahre lang ausgebildet werden, dementsprechend auch zwei Jahre lang Ausbildungsbezüge bekommen. Das ist im Bereich der Polizei bei einer zweieinhalbjährigen Ausbildung auch so. Und das ist in anderen Ausbildungsbereichen ganz genauso. Insofern ist dort keiner von einem Tag zum anderen schlechter gestellt worden, sondern es ist mitgeteilt worden, dass wir die Ausbildungsgänge verändert haben. In der Ausbildung gehören Praktika dazu. Das heißt, die machen dann im Rahmen ihres zweiten Jahres auch praktische Tätigkeiten im Rahmen ihrer Ausbildung, sind dann praktisch tätig auch im Rahmen bei Feuerwehreinsätzen, ersetzen aber natürlich noch nicht voll die Feuerwehrleute, die bereits verbeamtet sind, und zwar nicht auf Widerruf, sondern auf Probe.

Die zweite Frage, die Sie stellen, ob man für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes eine Heilfürsorge dergestalt macht, dass sie in ihrer Ausbildungszeit keine Beträge zur Krankenversicherung zahlen müssen, sondern dass zu 100 Prozent das Land Berlin für die Krankenversicherung der Betroffenen aufkommt, diese zweite Frage hat mit der Frage der Veränderung der Ausbildung nichts zu tun. Das ist eine generelle Frage. Wir haben uns bisher nicht imstande gesehen, hier eine Änderung der Verhältnisse zu bekommen. Wir haben die Besonderheit bei der Polizei. Polizisten in dieser Ausbildungsform bekommen freie Heilfürsorge. Das ist historisch so gewachsen. Das will ihnen auch keiner wegnehmen. Eine Erweiterung dieser historisch gewachsenen Situation auf alle anderen – es würde nicht nur auf Feuerwehrleute zutreffen – Ausbildungsberufe des Landes Berlin, dass die entgegen der Übung, die wir bisher hatten, nicht mehr ihre Krankenversicherung – soweit sie nicht beihilfeberechtigt sind – zu 50 Prozent selber tragen, eine derartige Änderung ist nicht beabsichtigt, würde – wenn man es machen wollte, kann man alles machen – das erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Diese finanziellen Auswirkungen müsste man dann bei künftigen Gehaltssteigerungen o. Ä. abziehen. So einfach ist das im Leben.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage von Frau Kubala von Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Gestern Abend haben im Rahmen einer Informationsveranstaltung rund 350 Schüler und Eltern ihre große Sorge über das Asbestproblem an der Poelchau-Oberschule geäußert. Ich frage den Bildungssenator, Herrn Prof. Zöllner, was Sie als Zuständiger – die Eliteschule des Sports, die Poelchau-Oberschule untersteht dem Bildungssenator – machen werden, welche Maßnahmen Sie ergreifen werden, um das Asbestproblem an der Poelchau-Oberschule zu lösen.

Herr Senator Prof. Zöllner – bitte schön!

Herr Präsident! Frau Kollegin! An der Schule habe ich ausnahmsweise auch die Verantwortung für die baulichen Rahmenbedingungen, weil sie, glaube ich, zu Beginn dieses Jahres in die zentrale Verwaltung überführt worden ist. Offensichtlich gab es an dieser Schule schon seit Langem – damals in der Verantwortung des Bezirks – eine Diskussion über potenzielle Asbestgefährdung. Mein Haus hat veranlasst, dass wir sofort, nachdem wir die Verantwortung für dieses Haus übernommen haben, eine entsprechende Untersuchung, Messung und Begutachtung durchgeführt haben, ob eine entsprechende Gefährdung vorliegt. Ich habe jetzt aus dem Gedächtnis nicht genau den Terminus technicus. Die Belastung wurde aber sinngemäß mit dem Maximum an Risiko für Betroffene, die sich in diesen Räumen aufhalten, also der Staub wurde quasi überall aufgerüttelt, wo man ihn aufrütteln kann, und es wurden dann Messungen durchgeführt. Es hat sich aus meiner Erinnerung ergeben, dass in keinem einzigen Fall Asbestfasern, also überhaupt Asbestfasern, nachgewiesen werden konnten, auch Mikrofasern, die zusätzlich mit untersucht worden sind, sind nicht identifiziert worden, sodass nach Aussage des Gutachters davon ausgegangen werden muss, dass keine Gefährdung stattfindet.

Parallel dazu – nicht in einem direkten Zusammenhang, aber letzten Endes natürlich sinnvollerweise – haben wir ein großes Interesse, eine bauliche Maßnahme, die so und so vorgesehen ist, durchzuführen. Diese Schule als Schule des Sports, zumindest mit diesem Schwergewicht, möglicherweise in einer anderen Formulierung, soll ja neu gebaut werden. Wir haben ein großes Interesse daran, dass eine entsprechende Baumaßnahme in die entsprechende Investitionsliste des Landes aufgenommen wird. Das wird in der Zukunft, bei der nächsten Entscheidung, wenn wir als Senat über eine entsprechende Investitions

liste beraten, zu entscheiden sein. Ich gehe davon aus, dass man den besonderen Umständen, die ich geschildert habe, Rechnung tragen wird und die so und so notwendige Baumaßnahme so früh wie möglich etatisieren bzw. in Planung, in Realisierung bringen wird.

Danke, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Kubala – bitte!

Ich bin irritiert, wie Sie das Problem hier schildern. Der Gutachter hat gestern zweifelsfrei festgestellt, dass es dort ein Asbestproblem gibt und dass, wenn Feuchtigkeit eindringt oder sich eine Deckenplatte löst, sofort Asbestfasern im Raum sind. Die Eltern und Kinder waren in sehr großer Sorge. Das Problem ist der Senatsverwaltung spätestens seit meiner Anfrage von vor vier Wochen bekannt, auch die Fragestellung. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie noch einmal nachdrücklich: Was gedenken Sie zu tun, zum einen diese Sorge der Eltern und Schüler auch ernst zu nehmen und zum anderen, wenn dort durchaus über Nacht ein akuter Fall eintreten kann, dass sich Asbestfasern durch gelockerte Deckenplatten im Raum befinden? Die Situation gibt das her. Das hat der Gutachter gestern so geschildert. Was werden Sie dann veranlassen? Das möchten wir hier heute wissen.

Herr Senator Prof. Zöllner!