Protocol of the Session on November 11, 2010

[Christian Goiny (CDU): Die einen sagen so, die anderen so!]

Nur sehr wenige wörtliche Zitate von Zeugen wurden zur Feststellung des Berichtes benötigt.

Viertens: Die Mitarbeit im Untersuchungsausschuss war zusätzliche Parlamentarierarbeit, die nicht zusätzlich vergütet wurde. Meine Achtung gehört dafür ausdrücklich den kleineren Oppositionsfraktionen, deren Abgeordnete in noch größerem Umfang extremen zeitlichen Belastungen ausgesetzt waren als diejenigen aus den größeren Koalitionsfraktionen.

[Christian Goiny (CDU): Das sagen die Regierungsfraktionen aber auch!]

Bei einer Neuregelung des Untersuchungsausschussgesetzes sollte überlegt werden, ob die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen für ihre Sitzungstätigkeit nicht eine zusätzliche Vergütung erhalten sollten. Auf jeden Fall sollte die unsinnige Regelung abgeschafft werden, dass sie bei Nichtteilnahme an Sitzungen mit 25 Euro quasi bestraft werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie mir nachfolgend einen kurzen Abriss der wesentlichen Ergebnisse unserer Untersuchungstätigkeit!

Erstens: Worum ging es im Ausschuss eigentlich? – Anfang der 90er-ahre sollte das Deutsche Theater, das den Erben nach Max Reinhardt gehörte, an diese restituiert werden, mit der Folge, dass dann der Spielbetrieb eingestellt worden wäre, da die Erben nicht in der Lage gewesen wären, diesen aufrechtzuerhalten. Der Diepgen-Senat hätte an die Erben ca. 60 bis 120 Millionen DM zahlen müssen, um sie abzufinden – Geld, das in der Staatskasse nicht vorhanden war, damals wie heute. Stattdessen verfiel der damalige Finanzsenator Peter Kurth auf den Gedanken eines Tausches: Erhalt des Deutschen Theaters gegen Befriedigung der Erben durch einen Investor, der dafür ein Landesgrundstück am S-Bahnhof Friedrichstraße, das sogenannte Spreedreieck erhielt. So weit, so gut, aber wenn man zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte miteinander zu verknüpfen versucht, dann beginnen die Probleme.

Der Untersuchungsausschuss ist zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Schaden für das Land Berlin entstanden ist. Unter Berücksichtigung der finanz-, kultur- und stadtentwicklungspolitischen Belange einschließlich der Ablösung von unbestreitbar existierenden Restitutionsansprüchen der Erben nach Max Reinhardt am Deutschen Theater ist die Entwicklung am Spreedreieck ein für das Land Berlin insgesamt vorteilhaftes Geschäft gewesen. Im Ergebnis verbleibt ein positiver Saldo in Höhe von mindestens 4,277 Millionen Euro für das Land Berlin. In dieser Bilanz sind sowohl die Restitutionsansprüche am Deutschen Theater in Höhe von – angenommen – 63 Millionen DM berücksichtigt als auch der Grundstückswert des Spreedreiecks, die dem Investor zugestandene Kaufpreisminderung und weitere Grundstücksübertragungen sowie die Ausgleichszahlung an die Anrainer.

Zweitens: Der Kardinalfehler liegt darin, dass am 19. Dezember 2000 unter der Federführung des damaligen Finanzsenators Peter Kurth und seines Staatssekretärs Hugo Holzinger ein Kaufvertrag abgeschlossen wurde, der Mängel aufwies. Unter großem Verhandlungsdruck wurde kurz vor Weihnachten 2000 verhandelt und ein Vertrag abgeschlossen. Der damalige Finanzsenator Peter Kurth erwartete eine zusätzliche Einnahme von 3 Millionen DM. Deswegen wurde der Vertrag entsprechend schnell abgeschlossen, ohne richtige juristische Überprüfung. Ein weiteres Versäumnis war, dass dieser Vertrag nicht dem Abgeordnetenhaus zur Zustimmung vorgelegt wurde.

Drittens: Wir haben grobe Fehler bei der Vermögenszuordnung durch die Oberfinanzdirektion festgestellt, die dann auch in der Folgezeit geheilt werden mussten.

Viertens – etwas Erfreuliches: Es war parteiübergreifender Konsens, dass die große kulturelle Institution Deutsches Theater zu erhalten war. Dieses ist auch gelungen. Ich bitte, diesen so wichtigen kulturellen Aspekt in der weiteren Debatte zu berücksichtigen und angemessen zu bewerten. Dieses gilt auch für den Tränenpalast, der bis

auf den nicht denkmalgeschützten Eingangsbereich für eine zukünftige kulturelle Nutzung erhalten blieb.

Fünftens hat der Ausschuss sich mit der Rolle der Deutschen Bahn AG beschäftigt und kein Verständnis dafür aufgebracht, dass für ein 45 Quadratmeter großes Grundstück ein Kaufpreis von 1,3 Millionen Euro hätte gezahlt werden müssen. Dieses führte dazu, dass der gesamte Kaufvertrag aus dem Jahre 2000 im November 2004 geheilt werden musste, was mit weiteren Problemen verbunden war, auch mit der Aufstellung des Bebauungsplans I-50 und deren Nichtigkeit, in deren Folge mit Grundstückseigentümern auf der gegenüberliegenden Seite nachverhandelt werden musste.

Es ist mir noch wichtig zu sagen, dass das Parlament im Hauptausschuss einschließlich Unterausschuss Vermögensverwaltung und anderer entsprechender Ausschüsse umfangreich beteiligt war. Dieses gilt für den Zeitraum ab 2001. Davor wurde der Vertrag vom 19. Dezember 2000 leider nicht den entsprechenden Gremien vorgelegt, was die Probleme auslöste.

Letztlich – und damit möchte ich enden – gehört mein Dank den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen des Untersuchungsausschusses. Wir haben heftig gestritten, aber auch gearbeitet und manchmal über die eine oder andere Situation kräftig geschmunzelt. Mein besonderer Dank geht an unseren Koalitionspartner, insbesondere an den Kollegen Uwe Doering. Wir haben vorbildlich und mit großem gegenseitigen Vertrauen zusammengearbeitet. Und endlich gehört mein Dank unseren Kolleginnen Ellen Haußdörfer und Liane Ollech. Sie waren die einzigen Frauen in unserem Ausschuss und noch dazu von der SPD-Fraktion. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Christian Goiny (CDU): Sie sind doch der Vorsitzende und nicht der Sprecher!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Köhler! – Wir setzen die Beratung fort. Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Schneider das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Reden wir nicht drumherum! Am Spreedreieck haben vor allem die Investoren ihren Schnitt gemacht, der eine brutal clever, der andere als politischer Wegelagerer, alle auf Kosten der Allgemeinheit. Das eigentliche Bauvorhaben Spreedreieck hat eine erhöhte Bruttogeschossfläche zu einem geringeren Kaufpreis, als bei einem fehlerfreien Verhandlungserfolg möglich gewesen wäre. Die Schwierigkeiten am Spreedreieck verursachen sich nahezu ausschließlich aus einem Umstand: Berlin verpflichtete sich kaufvertraglich, Grundstückseigentum frei von rechtlichen Lasten und frei von tatsächlichen Nutzungen zu verschaffen, ohne dazu in der Lage zu sein. Ein über

sehener S-Bahntunnel untendrunter und der Eingang obendrauf, ein verbummeltes Urteil, ein gebrochenes Wort des zuständigen Senators hier im Plenum, eine offene Missachtung dieses Parlaments. Für diese Umstände ist politisch Herr Kurth von der CDU verantwortlich, der seinerzeit hier Finanzsenator war. Den berechenbaren Regeln politischer Zuschreibung folgend soll jedoch eine amtierende Senatorin kritisiert werden. Wir kennen das alle, ich brauch Sie da nicht zu belehren. Die Bürgermeisterin von Berlin, Senatorin Junge-Reyer, habe zu investorenfreundlich 3 000 Quadratmeter verschenkt. Dabei soll das Wort „verschenkt“ den unzutreffenden Eindruck erwecken, es gebe zugleich einen Vermögensabfluss zulasten Berlins. Man kann diese sogenannte baurechtliche Lösung kritisieren, also die Gestaltung einer umfassenderen Bebauung ablehnen, aber wer das tut, der muss dann den Nachweis führen, wie er es anders zahlen möchte, statt die kostenlose Bebauung zu erlauben, also Geld auszukehren, das dann anderswo fehlt.

Zudem blenden viele unserer Kolleginnen und Kollegen, auch welche hier im Saal, die seinerzeitigen politischen Realitäten aus. Fraktionsübergreifend wurde ein noch erheblicheres Bauvolumen gefordert: höher, schneller, besser. Insoweit lobe ich ausdrücklich das umsichtige und besonnene Agieren der Senatorin, dem zu widerstehen.

Es wird vertreten, das Abgeordnetenhaus habe für das Spreedreieck einen rechtswidrigen Bebauungsplan beschlossen. Die entsprechende gerichtliche Auseinandersetzung wurde nach zwei Instanzen durch Klagerücknahme erledigt. Allerdings mussten wir 4 Millionen Euro an die hinter der Klägerin stehenden Herren zahlen. Die Opposition hat sich hier verweigert und ist ihrer Verantwortung für unser Land nicht gerecht geworden. Ich frage Sie jetzt: Was ist der größere Fehler: ein möglicherweise fehlerhafter Bebauungsplan, einer von über 200? Oder ist der größere Fehler nicht die Haltung der Grünen, die sich in dieser Frage als Stillstandspartei profilieren und in den letzten Jahren über 200 Bebauungsplänen die Zustimmung verweigerten? Das mag im Einzelfall eine vertretbare Handlung sein und zu einem ländlichen Raum passen; zu einer lebendigen Stadt wie Berlin passt diese Wirtschaftsfeindlichkeit nicht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Michael Dietmann (CDU)]

Das Agieren der Gesellschafter, der Grundstücksverwaltungsgesellschaft am Weidendamm GVG, das ist die, die das Melia-Hotel errichtete, nicht diejenige, die es betreibt, und die Berlin Millionenbeträge politisch abpresste, finde ich hochgradig anstößig. Wer die Verschattung eines Gebäudes rügt und die gesunden Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern einfordert und zugleich auf der abgewandten Gebäudeseite viel engere Baubestände und Bauabstände zu verantworten hat, der ist moralisch nicht integer. Dies gilt umso mehr, als Berlin dieser Truppe zuvor durch fraktionsübergreifenden einstimmigen politischen Abwägungsprozess weitere 4 Millionen Euro nachließ, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. An den Arbeitsverhält

nissen im Melia-Hotel hat sich nichts geändert. Ich habe hier eine ganz klare Erwartungshaltung: Mit solchen Leuten darf unser Land keine Geschäfte mehr machen.

Es trifft allerdings auch zu, dass die GVG zunächst die Errichtung eines Bürogebäudes statt eines Hotels plante und das Genehmigungsverfahren von dem stadtbekannten Investorenschreck Dubrau verschleppt wurde. Wenn sich diese robuste, geschätzte, hochbezahlte Kollegin dann auch noch im Ausschuss hinstellt und erklärt, sie fühle sich durch berechtigte Ermahnungen des Senats unter Druck gesetzt, dann frage ich mich, liebe Grüne: Wie wollen Sie denn dem Druck täglicher Regierungsgeschäfte gewachsen sein?

[Beifall bei der SPD – Joachim Esser (Grüne): Ihre Mitarbeiter!]

Die grüne Vision für das Spreedreieck war Wiese.

[Joachim Esser (Grüne): Ja, genau!]

Das kann man sich politisch wünschen, man darf es sogar politisch versprechen. Aber diese Wiese sollten andere mit bis zu 120 Millionen bezahlen.

[Joachim Esser (Grüne): Nein!]

Das ist systemimmanent für Ihre derzeitige Politik.

Fahren wir und blicken wir wenige Kilometer flussaufwärts zur Mediaspree. Da wollen die Grünen aufgrund einer eigenen politischen Entscheidung einen dreistelligen Millionenbetrag versenken. Den sollen erneut andere bezahlen. Hier feilschen Sie mit uns um jedes Komma.

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Können Sie uns sagen, welche Rolle die SPD in Kreuzberg dabei spielt?]

Stellen Sie gern eine Zwischenfrage, Herr Kollege Schruoffeneger, Sie sind es mir wert, darauf zu antworten!

[Heiterkeit – Christian Gaebler (SPD): Weil ihr sie doch unter Druck gesetzt habt, weil ihr doch die Mehrheit habt!]

Noch schwerwiegender ist aber der Umstand, dass sich dem Ausschuss neben der Feststellung von vielen kleinen Fahrlässigkeiten in einem Fall sogar Vorsatz aufdrängte. Es ist aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung ausgeurteilt und geklärt, und zwar ausgerechnet am Beispiel einer Wiese, dass man keine reinen Verhinderungsbebaupläne erlassen darf. Für den Bezirk Mitte erklärte der seinerzeitige Bürgermeister Zeller, der heute für die CDU im Europaparlament sitzt, ausdrücklich, dass es sich bei dem bezirklichen Bebauungsplan zur Freifläche Spreedreieck um einen B-Plan zur Verhinderung einer Bebauung handele.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Dieses offenherzige Eingeständnis mag in Unkenntnis der ausgeurteilten Rechtslage erfolgt sein, die Zeugin Dubrau allerdings musste einräumen, diese Rechtslage gekannt zu haben.

[Lars Oberg (SPD): Aha!]

Es sei dem Bezirk jedoch um eine planerische Absicherung von Fahrradständern und dergleichen mehr gegangen.

[Heiterkeit von Lars Oberg (SPD)]

Werte Damen und Herren und Kollegen und mit Erlaubnis dieses Floskelurhebers, Herr Esser: „Ich lasse das mal so stehen.“

Die SPD-Fraktion ist sicher und erwartet, dass die Berliner Landesverwaltung die geänderten Tendenzen der Rechtsprechung zu nachbarrechtlichen Abwägungsprozessen umsetzt und auf diese Umsetzung auch in den Bezirksverwaltungen sensibilisiert. Die beiden Charlottenburger Fälle – ich sage das ausdrücklich – sind auch ärgerlich, aber hatten ihre Abwägungsprozesse vor dieser geänderten Rechtsprechung, insoweit von mir keine Zuweisungen.

[Christian Gaebler (SPD): CDU-Baustadtrat verantwortlich!]

Sicher sind wir auch, dass die Verwaltung die Ausschussergebnisse zum Anlass nimmt, die geltenden zureichenden Rechts- und Weisungsvorschriften zu Prozessen von Aktenführungen und Informationsverarbeitung umzusetzen. Was einer einvernehmlichen Justierung der Gesetzeslage entgegenstehen können sollte mit Bezug auf Wahlen des Vorsitzenden etc., vermag ich auch nicht zu erkennen. Wertanpassungsklauseln sind für uns grundsätzlich selbstverständlich. Diese Selbstverständlichkeiten bedürfen keines separaten Antrags.

Sie jedoch legen einen Antrag vor und erklären, dass also Geschäfte, bei denen die Kaufpreisforderungen durch Forderungsverzichte substituiert werden, zu kompliziert seien. Auch Verträge zwischen mehr als zwei Parteien würden Sie, insbesondere die Grünen, überfordern. – Das wird im Schuldrecht, allgemeiner Teil, en passant gelehrt. Ich frage Sie erneut: Wie wollen Sie Staatsgeschäfte führen, wenn Sie der Lehrstoff des zweiten Semesters überfordert?

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD]

Im Übrigen bilanzieren Sie zwar den Wert des Spreedreiecks, aber die Gegenleistung nicht oder unzureichend. Sie bilanzieren die politisch einvernehmlich verabredeten Abwendungserlasse wegen der Insolvenzvermeidung. Der Höhepunkt grüner Dialektik ist aber die Einpreisung eines Preisnachlasses aus einer Wertanpassungsklausel in Ihre Schadensparolen. Sie kommen ernsthaft hierher und beantragen gleich zwei Mal, nur mit Wertanpassungsklauseln zu veräußern. Zugleich erklären Sie aber die Anwendung einer solchen Klausel zum skandalösen Millionenschaden. Ihre Zahlen sind reine Propagandaenten.

Die CDU hat’s verzapft. Der Rest ist unabweisbarer Reparaturbetrieb. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]