Effektiv wäre beispielsweise das Ausbringen von Feuchtsalz auch auf Geh- und Radwegen. Eine Regelung zu erlassen, welche sich stets an der Katastrophe orientiert, ist hingegen nicht zielführend und am Ende ein teures Unterfangen für die Berlinerinnen und Berliner. Es bleibt also dabei: Wir lehnen die Novellierung dieses Straßenreinigungsgesetzes ab!
Danke schön, Herr Kollege Wilke! – Für die Linksfraktion hat nun Kollege Dr. Albers das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Albers!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Zu den einzelnen Änderungen im Straßenreinigungsgesetz hat Kollege Buchholz bereits detailliert Stellung genommen, lassen Sie mich deswegen noch etwas grundsätzlich sagen.
Den freien Wettbewerb hatten wir im letzten Jahr, Herr Schmidt, und die Ergebnisse haben Sie selbst mit Nachdruck geschildert. Es war gerade die Anwältin des Verbandes der gewerblichen Schneeräumbetriebe, die uns den politischen Handlungsbedarf in Sachen Schneeräumung noch einmal ganz deutlich gemacht hat. Die hat sich nämlich auf dem Höhepunkt der letzten Wintereiszeit öffentlich darüber empört, dass die Ordnungsbehörden von den Schneeräumbetrieben verlangten, das Eis zu beseitigen. Sie berief sich dabei auf das geltende Straßenreinigungsgesetz; dort sei in § 3 lediglich verlangt, Schnee und Eis mit Granulat zu bestreuen. Genau das war das Problem – es gab in der alten gesetzlichen Regelung Schwachstellen, die seit Jahren ein Ärgernis darstellten und die durch die Extremsituation im letzten Winter nur noch einmal besonders drastisch deutlich geworden sind. Der Mieterverein hat es auf den Punkt gebracht: Er begrüßte in seiner Stellungnahme ausdrücklich die Änderungen im Gesetz, gerade auch deshalb, weil es schon in früheren Jahren Mängel im Winterdienst gegeben hat. Deshalb wurde diese Novellierung notwendig, und die ganz einfache Botschaft lautet: Das Beseitigen der Winterglätte ist jedermanns Bürgerpflicht. Am teuersten ist es nämlich, Herr Schmidt, wenn man auf die Nase fällt. Deshalb haben wir das jetzt stringent geregelt und klar definiert, der BSR ihre Aufgaben zugewiesen und die Eigentümer sehr wohl in die Pflicht, auch in die Haftungspflicht, genommen.
Bei den Kritikern des Gesetzes wird es zum Teil ganz spitzfindig, deshalb noch einmal zur Semantik: Ja, die Entstehung von Eis ist ein physikalischer Prozess, den man auf unseren Straßen zunächst einmal nicht verhindern kann. Das gebildete Eis zu beseitigen, zeitig und
konsequent, das ist ein einfacher, mechanischer Prozess, der steuerbar ist und umso leichter machbar, je zeitiger und konsequenter er einsetzt – und darum geht es uns, Eis, das sich gebildet hat, schnellstmöglich zu beseitigen.
Die Erfahrung des letzten Winters hat gezeigt, dass wir durch mangelnde Konsequenz bei der anfänglichen Beseitigung vorprogrammiert in den Notfall hineinschlittern, der dann nur noch schwer zu beherrschen ist.
Im Prinzip schon, Herr Schmidt, aber das macht keinen Sinn, wir haben schon so lange darüber diskutiert. Wenn es so sehr pressiert, dann machen Sie doch eine Kurzintervention.
Wir haben nun Klarheit geschaffen. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie die Damen und Herren der Opposition im letzten Winter Regelungsbedarf angemahnt haben. Die Grünen forderten damals in einem Antrag eine kritische Evaluation der Rechtslage beim Winterdienst. Das war der Antrag 16/2974 vom 17. Februar 2010. Der aktuelle Antrag, den Sie jetzt im Ausschuss noch einmal vorgelegt haben, den haben Sie aus Ihrer großen grünen Tonne Ratlosigkeit herausgezogen, ein bisschen recycelt und uns dann noch einmal zur Entscheidung vorgelegt. Der hat aber nichts Neues enthalten. Das Konzept und die rechtlichen und organisatorischen Konsequenzen, so haben Sie damals gefordert, müssten spätestens, Frau Kubala, Anfang Oktober 2010 dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden. In der Begründung heißt es dann:
Mittelfristig muss der Senat alle verantwortlichen Akteure an den Tisch holen und die bisherige Gesetzeslage und Praxis des Winterdienstes evaluieren.
Genau das ist jetzt passiert: Der Schneegipfel der Senatsverwaltung mit den Beteiligten BBU, BSR, BVG und dem Verband der Schneeräumbetriebe hat am 3. März stattgefunden, und nun legen wir in der Auswertung des Geschehens als Konsequenz ein novelliertes Gesetz vor – alles im Zeitplan.
Zum Schluss kurz zu der auch im letzten Gesundheitsausschuss kolportierten Mär von den mangelnden Kontrollen und dem Vollzugsdefizit bei den Ordnungsämtern, die ja auch im CDU-Antrag enthalten ist. Insgesamt haben die Ordnungsämter an den 57 Schneetagen des letzten Winters 8 235 Fälle einer säumigen Streu- und Räumpflicht festgestellt. 112 Mitarbeiter waren dazu in den Bezirken ausschließlich zur Kontrolle der Räum- und Streupflicht unterwegs. In der Folge wurden 687 Bußgeldbescheide verschickt, 3 637 befinden sich in der Vorbereitung und 1 119 konnten bereits berlinweit abgeschlossen werden.
Das Problem liegt nicht bei den Ordnungsämtern, und wir lösen es auch nicht mit effektiverer Überwachung, sondern durch vorbeugendes Handeln. Worauf es doch eigentlich ankommt, ist, dass das Eingreifen des Ordnungsamtes die Ausnahme sein soll, weil die Zivilgesellschaft ihre Pflicht ernst nimmt. Diese Pflicht über konkretere Vorgaben exakter zu definieren, dazu leistet dieses Gesetz seinen Beitrag. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Albers! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Kubala das Wort. – Bitte schön, Frau Kubala, ergreifen Sie es!
Nicht in guter Erinnerung, in kalter und weniger guter Erinnerung! – Wir sind uns alle darin einig, dass wir aus diesem extremen Winterereignis lernen wollen, dass es Handlungsbedarf gibt und dass u. a. auch die BSR zusätzliche Aufgaben bekommen soll – darin gibt es Konsens: Radwege, Plätze, Haltestellen, Fußgängerzonen sollen auch vom Schnee befreit werden. Wir sind uns auch darin einig, dass private Eigentümer in die Pflicht genommen werden müssen, entweder den Schnee auf ihrem Grundstück selbst zügig zu räumen oder zuverlässige, zertifizierte Unternehmen damit zu betrauen. Die Folgen des Schneechaos haben wir gesehen – Unfälle. Das Ziel aller ist es, dass der Schnee zügig geräumt wird.
Aber, Kollege Albers, Sie haben die Bürgerpflicht angesprochen. Wir hätten uns gewünscht, dass der Regierende – statt über Haiti zu schwadronieren – mal zum Schneebesen greift, vormacht, wie man auf so ein extremes Winterereignis reagiert,
[Beifall bei den Grünen – Zurufe von Christian Gaebler (SPD), Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Martina Michels (Linksfraktion)]
Das Gesetz ist keine Antwort auf das Schneechaos, das Gesetz wird seine Wirkung frühestens Ende nächsten Jahres entfalten, die Verträge für dieses Jahr sind geschlossen, und es wird wahrscheinlich Gerichte und Verwaltungen ordentlich beschäftigen.
Schaut man es sich im Detail an, so ist einiges Kritisches anzumerken. Das zentrale Problem ist ja die Eisglätte, die Eisbildung. Wann soll wie oft Schnee gefegt werden, wie soll der Schnee beseitigt werden, damit die Straßen eisfrei bleiben? – Unverzüglich nach dem Schneefall. Experten sind sich einig, dass das kaum zu machen ist, das wurde mehrfach vorgetragen. Gerichte werden sich damit beschäftigen können, einen Winter zum Extremereignis zu erklären. Sie werden sich damit beschäftigen, was „unverzüglich“ heißt. Das ist in seiner rechtlichen Aussage so unsicher, dass es Gerichte beschäftigen wird. Ein extremer Winter bedarf bestimmter Instrumente.
Die Höhe des Bußgeldes liegt bei Ihnen zwischen 10 000 und 25 000 Euro. Sie können sich offensichtlich nicht richtig entscheiden, ob es eine hohe, abschreckende Wirkung haben soll. Das kann man unterstützen, aber mit einem Bußgeld ist kein gebrochener Knochen repariert. Ein Bußgeld wird im Nachhinein erhoben. Wir wollen, dass Schnee geräumt wird. Die Bußgelder sind das eine, die kommen im Frühling, das andere ist die Schneebeseitigung.
Sie haben die zentrale Stelle in Lichtenberg abgeschafft. Das mag aus Ihrer Sicht klug sein. Sie hat sich auch nicht so gut bewährt. Sie haben aber keine Möglichkeit geschaffen, den Eigentümer zu erreichen.
Sie sagen: Keine Schilder! Man soll nicht nachfragen. Und wenn man nachfragen will, wo bitte? Die Schilder sind im Zuge der Diskussion wieder herausgefallen.
Die Menschen, die auf Behindertenparkplätze angewiesen sind, haben unter Schnee am meisten zu leiden. Behindertenparkplätze werden nur nach Bedarf und nach Kapazität der BSR geräumt. Das lehnen wir sowieso strikt ab.
Der ganze Ablauf – vier Änderungsanträge, wovon der letzte heute als Tischvorlage kam – zeigt, wie man ein Gesetz nicht machen sollte. So bringt man kein Gesetz auf den Weg, das handwerklich gut gemacht ist, Kollege Buchholz. Dieses Gesetz ist keine adäquate Antwort auf das Schneechaos.
Frau Kollegin Kubala! Da Sie hier vier Minuten darüber reden, was falsch gemacht wurde und wo man das Gesetz schärfer fassen müsste, frage ich Sie, warum Sie nicht bereit sind, wenigstens einzelne Paragrafen des Koalitionsantrags zu unterstützen, anstatt sich komplett zu verweigern.
Kollege Buchholz! Ich leite zu dem über, was ich in meiner letzten Redeminute sagen wollte. Wir sind der Meinung, dass ein Notfallplan ausreicht.
Das haben wir bereits im Februar in unserem Antrag festgestellt. Wir haben noch einmal einen geänderten, angepassten Vorschlag vorgelegt. Koordinierung der Beteiligten, Maschinen, Streumaterial und Personal bereitstellen, umgehende Beseitigung der Glätte, Hotline und verstärkte Kontrollen – das ist eine adäquate Antwort auf extreme Winterereignisse. Man muss aber nicht jeden Winter zum Extremwinter erklären.
Es gibt ohne Zweifel Handlungsbedarf nach dem Schneechaos, aber das uns vorliegende Gesetz ist unverhältnismäßig, übereilt und schlecht gemacht. Es ist vorauszusehen, dass es die Verwaltung und Gerichte beschäftigen wird. Für einen künftigen Extremwinter ist Berlin mit diesem Gesetz schlecht gerüstet. Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.
Zum Gesetzesantrag Drucksache 16/3229 – Straßenreinigungsgesetz – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Stimmen der CDU – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Die Gegenprobe! – Das sind die Regierungsfraktionen, Bündnis 90 und die FDP. Das ist die Mehrheit. Enthaltungen sehe ich nicht.