aber er ist wieder angekommen, und zwar nicht erst mit den Bombenattentätern, den Kofferbombern von Köln, Koblenz und Dortmund, sondern schon vorher mit dem Verfahren gegen Ih san Garnoui und mit dem Vorgang um Allawi wegen des geplanten Attentats.
Dann kann man Bilanz ziehen und fragen: Sind wir auf diese Situation vorbereitet oder nicht? – Wir haben Terrorismusbekämpfungsgesetze gehabt. Zur Frage, wie sinnvoll sie sind, haben wir unterschiedliche Auffassungen, Herr Jotzo. Ich halte sie für sinnvoll, auch für maßvoll und deshalb für so wenig angewandt, weil die Hürden, im Einzelfall Maßnahmen zu ergreifen, relativ hoch sind. Ich erinnere an Geldwäscheregelungen, die wir gemacht haben, an vereinsrechtliche Fragen, die bundesgesetzlich geregelt und exekutiert worden sind, ob das Kaplan oder al-Tawhid oder al-Aqsa betrifft, wir haben da einiges getan und es in Berliner Recht umgesetzt, da haben Sie recht. Diese rot-rote Koalition hat bestimmte Verschärfungen im Verfassungsschutz beschlossen, weil wir sie für notwendig gehalten haben, etwa was Geldwäsche, Kontenbewegungen, Flugbewegungen oder ähnliches angeht.
Wir haben auch Maßnahmen personeller Art getroffen, insbesondere, was den Islamismus betrifft. Wir haben Maßnahmen materieller Art getroffen, insbesondere Neuanschaffungen von TKÜ-Geräten oder ähnliches. Das Gleiche gilt für die ABC-Ausweitung oder Katastrophenschutzmaßnahmen.
Eine Anmerkung, Kollege Ratzmann: Ich war bei zwei Personalversammlungen der Feuerwehr, schon bevor Sie dort waren, wo es um das Einsatzkonzept 06 und Veränderungen durch die EU-Richtlinie ging, ich werde auch zu weiteren gehen.
Was brauchen wir zur Terrorismusbekämpfung? – Da gibt es einmal die repressive Seite. Wir brauchen eine bessere Vernetzung von Informationen. Da haben wir mit dem gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum, an dem Berlin beteiligt ist, das getan, was erforderlich ist. Wir haben auch bei der Antiterrordatei das getan, was zur Vernetzung von Informationen erforderlich ist. Berlin wird übrigens dafür sorgen, dass die Mitarbeiter, die gefragt werden müssen, wenn bei der Antiterrordatei Zusatzinformationen geliefert werden müssen, 24 Stunden erreichbar sind. Das betrifft sowohl die zuständige Sondereinheit, die wir beim Landeskriminalamt eingerichtet haben als auch den Verfassungsschutz.
Wir sind, was Antiterrorbekämpfung betrifft, gut aufgestellt. Ich sage das auch deshalb, weil in der öffentlichen Diskussion, insbesondere von der Union auf Bundesebene, immer der Eindruck erweckt wird, wir müssten noch diese und jene Maßnahme und diese Einschränkung von Freiheitsrechten umsetzen. Nein, das, was erforderlich ist, haben wir getan.
Ich möchte noch auf zwei Punkte eingehen, die zurzeit debattiert werden. – Zum Luftsicherheitsgesetz ist von Ratzmann, aber auch von anderen das Entscheidende gesagt worden. Ich glaube, Artikel 1 ist nicht veränderbar. Luftsicherheit kann ich am leichtesten erreichen, indem ich die Pilotenkanzel vom übrigen Frachtraum trenne, dann habe ich das Problem nicht mehr. Inzwischen sind die Fluggesellschaften dazu übergegangen, das zu machen.
Zu den Online-Untersuchungen ist auch etwas gesagt worden. Was wir noch nicht ausreichend diskutiert haben und worum sich diejenigen immer drücken, die immer nur nach Repression von Staats wegen rufen: Wir werden künftig Terrorismusformen haben, die eben nichts mit eingeflogenen Terroristen zu tun haben, sondern – das zeigt London, Madrid im Grunde auch – Home-grownTerroristen sind. Das sind Menschen, die bei uns geboren werden, bei uns aufwachsen und sich zu irgendeinem Zeitpunkt radikalisieren. Diese Menschen haben wir in erster Linie aus dem radikalislamistischen Bereich. Da haben wir wenige. Alle Zahlen, die in der Öffentlichkeit über Islamisten genannt wurden, beziehen alle Menschen, die bei Milli Görüs oder wo auch immer an eine Gottes
gesellschaft im Jahr 5000 glauben, mit ein. Das halte ich für völlig verkehrt, sie alle auszugrenzen und in den Bereich „Gefährder“ mit einzubeziehen.
Aber wir haben Menschen, die sich radikalisieren, übrigens auch unter den Konvertiten, sie wurden zu Kämpfern, indem sie nach Tschetschenien oder in den Irak gehen und dort meinen, mitmachen zu müssen. Der entscheidende Gesichtspunkt für die nächsten Jahre und unsere Sicherheit wird sein, wie wir auf diejenigen zugehen, die auf islamischem Glauben beruhen und gläubig sind und denen wir immer wieder verdeutlichen müssen, die anderen, die wenigen, sind nicht Brüder im Glauben, sondern Ketzer und Missbräuchler des islamischen Glaubens. Das heißt, wir müssen deutlich machen, dass Anschläge, die von angeblich Gläubigen kommen, sich nicht nur gegen Christen oder Juden richten, sondern auch Anschläge gegen gläubige Muslime sind.
Dazu müssen wir eine gemeinsame Front vertrauensbildender Maßnahmen schaffen. Herr Henkel, da ist der Kollege Schäuble in seiner Sicherheitspolitik und seinem Islamforum meilenweit vor der Berliner CDU, wenn es darum geht, wo man etwas machen kann. Wir werden einen Schwerpunkt darauf setzen, solche vertrauensbildenden Maßnahmen zu entwickeln. Wir machen es beim Islamforum unter der Leitung von Herrn Piening in Verantwortung von Frau Knake-Werner. Wir werden es auch in anderen Bereichen machen. Die sicherste Maßnahme gegen Terrorismus, ist schon im Urgrund ein Vertrauen zu schaffen, dass möglichst viele Leute, wenn sie irgendeinen haben, bei dem sie das Gefühl haben, der driftet in eine Gegend ab, wo wir ihn nicht haben wollen, mit uns allen zusammenarbeiten. Denn da sind wir alle Berlinerinnen und Berliner. – Danke schön!
Einsetzung einer Enquetekommission „Demografischer Wandel – Aufgaben Berlins für die nächsten Jahrzehnte bis 2040“
Die Fraktion Die Linke hat diesen Tagesordnungspunkt ebenfalls als ihre Priorität benannt. Somit rufe ich die lfd. Nr. 4 c damit ebenfalls auf.
Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort hat zunächst Frau Leder von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Prognosen sind immer schwierig. Diese alte Erkenntnis jedoch gilt nicht für das Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen: demografischer Wandel dieser Gesellschaft. Wir wissen heute sehr viel darüber, wie sich die Altersstruktur in den kommenden Jahren verändern wird. Wir können genau berechnen, in welche Richtung die Einwohnerzahlen Berlins sich bewegen werden. Wir kennen zwar den früheren Aufbau der Alterspyramide – unten die Jungen und nach oben wird es mit den Alten immer weniger –, aber wir wissen auch, dass diese Alterspyramide schon lange keine Pyramide mehr ist, sondern ein Pilz. Der Pillenknick und die Unsicherheiten im Zuge der Wende sind die wesentlichen Ursachen dafür, dass nun die zahlenmäßig geringere jüngere Generation den Fuß des Pilzes ausmacht, während die geburtenstarken Jahrgänge der Sechzigerjahre als breiter Kopf des Pilzes statistisch zielsicher dem Seniorenalter entgegenstreben.
Was wir brauchen, sind ganz konkrete Maßnahmen und Vorschläge, wie wir mit unserer Bevölkerungsentwicklung umgehen wollen. Das ist die Herausforderung quer durch alle Ressorts. Daher werden wir den Senat beauftragen, ein Demografiekonzept für Berlin vorzulegen.
In ihrer Klausurtagung im Januar hat sich die SPDFraktion sehr ausführlich mit dem Thema Demografie beschäftigt. Daraus folgt: Wir fürchten dieses Thema nicht. Wir sind gut darauf vorbereitet.
Auch in Zukunft müssen wir uns in Berlin als familien- und kinderfreundliche Stadt positionieren. Junge Menschen müssen gern nach Berlin kommen, gern hier leben und Familien gründen wollen. Wir werden sie brauchen, um den absehbaren Arbeitskräfte- und insbesondere Fachkräftebedarf zu decken. Berlin ist eine der Metropolen mit hoher Anziehungskraft auf junge Menschen. Aber es ist auch noch genug zu tun.
Eines ist ganz einfach: Wir werden insgesamt immer weniger, der Anteil der Älteren wird größer. Daran lässt sich kurzzeitig nichts ändern. Selbst wenn der ungehemmte Kinderwunsch sofort ausbrechen würde und nach dem euphorischen Fußballsommer bereits eine gewisse Realität erwiesen hat, dauert es noch Generationen, bis der Alterspilz wieder zur Pyramide wird.
Inzwischen fehlen uns statistisch gesehen die Mütter, die die Kinder zur Welt bringen. Bleibt eine zweite Möglich
keit, mit der man die Überalterung der Bevölkerung abmildern könnte: die Zuwanderung – aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland. Aber auch damit wird man der demografischen Entwicklung nicht grundsätzlich entgegenwirken können.
Es mangelt also nicht an wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, wie sich die Bevölkerung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Weshalb also brauchen wir eine Enquetekommission zum demografischen Wandel? Womit genau sollte diese Kommission sich befassen? Was soll herauskommen, was wir nicht ohnehin schon wissen? Ist hier etwa ein Verschiebebahnhof vorgesehen, weil man die grundlegenden Themenfelder fürchtet? Oder weil man – wie in der CDU – immer noch nicht in der Realität angekommen ist, wie man es gut sehen kann bei den Debatten um Zuwanderung und Krippenplätze?
Ein besonderes Augenmerk hat die Fraktion der SPD immer auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt, um Frauen, insbesondere Müttern, die Möglichkeit zu eröffnen, ihr häufig auf hohem Niveau ausgebildetes Knowhow beruflich zu nutzen. Berlin ist spitze im Angebot von Kinderbetreuung, erst recht im Vergleich zu Bayern. Das hat gestern der ehemalige Vorzeigebayer in seinem Aschermittwochsklamauk wohl etwas falsch verstanden. Er kann sich ja wohl nur auf die guten Zahlen aus München bezogen haben, einer Stadt, die seit langem sozialdemokratisch regiert wird.
Eine der positiven Seiten des demografischen Wandels sind die guten beruflichen Möglichkeiten, die sich jungen Menschen eröffnen. Das gilt auch für Berufsgruppen, für die es momentan etwas mau aussieht. Attraktiv sein für junge Menschen, das ist eine der Aufgaben, die sich für Berlin aus dem demografischen Wandel ergeben.
Eine andere Frage: Wie leben wir in zunehmenden Alter? – Die Wirtschaft hat sich bereits längst auf die Alten eingestellt. Sie sind längst eine feste Größe in den um griffige Formulierungen selten verlegenen Marketingabteilungen geworden. Empfahl mir das Werbefernsehen bisher stets Mittelchen gegen das Altern, so werden inzwischen offensiv Pro-Aging-Cremes versprochen.
Die Belegschaften in den Betrieben werden älter. Das ist an sich nicht negativ, da entgegen den landläufigen Meinungen die älteren Mitarbeiter nicht leistungsschwächer sind. Es bedeutet aber, dass wir über unser Bildungssystem erweitert nachdenken müssen und der Bereich Weiterbildung eine höhere Bedeutung bekommt. Lernen wird zu einer Sache, die sich über das ganze Leben erstreckt und nicht nur auf Schule und Ausbildung beschränkt ist.
Wir haben bereits vieles in Angriff genommen, und wenn Sie sich unseren Koalitionsvertrag ansehen, werden Sie herausfinden, dass viele dieser Herausforderungen und Aufgaben dort bereits eingeflossen sind. Warten Sie es ab! Wir werden diesen Vertrag in reale Politik umsetzen, auch und gerade mit dem Wissen um die Veränderung der Bevölkerungsstruktur.
„Ich sorge mich nie um die Zukunft, sie kommt früh genug“, hat Albert Einstein einmal gesagt. Entscheidend ist, dass wir früh genug rechtzeitig, das heißt jetzt, die Weichen stellen. Und wenn wir bei all unseren Entscheidungen nur immer im Hinterkopf haben, was wir heute schon über die Zukunft wissen, dann werden wir den demografischen Wandel meistern. Dazu brauchen wir jedoch keine Enquetekommission. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Zukunft ist kein Schicksalsschlag, sondern die Folge der Entscheidungen, die wir heute treffen.“