Lieber Herr Gaebler! Ich habe Ihnen gerade schon eine ganze Handvoll Initiativen mitgeteilt, die wir als Opposition entwickelt haben, um die Rahmenbedingungen dieses Standorts zu verbessern.
Auf Tempelhof sind Sie gar nicht eingegangen. Das ist auch wieder so ein Fall. Da reden Sie sich raus und tun so, als sei das eine rechtliche Frage, derweil ist es eine Frage, dass Sie nicht den Arsch in der Hose haben, sich gegenüber den linken Vögeln in Ihrer Partei durchzusetzen.
Das ist doch das Problem bei der ganzen Geschichte. Es ist doch pure Ideologie wieder, und aus reiner Ideologie wird dieser Flughafen, wird diese Ansiedlung von Arbeitsplätzen über die Klinge springen. Das ist alles. Bei Ihnen gibt es nur die SPD: vor Ihnen SPD, hinter Ihnen SPD und unter Ihnen SPD. Das ist das Einzige, was Sie interessiert. Die Menschen da draußen, die beglücken Sie manchmal mit Hetzreden, aber bringen tun Sie denen ganz und gar nichts und überhaupt nichts.
Herr Dr. Lindner! Auch den Begriff „linke Vögel“ möchten wir rügen. Wir bitten Sie, sich etwas zu zügeln!
Mehr haben Sie nicht drauf. Und auch Sie müssen endlich mal sehen, dass Sie dem Volk verpflichtet sind und nicht nur einer Partei. – Herzlichen Dank!
Hier sind offenbar ein paar Damen und Herren völlig aus der Kontrolle geraten, vorweg Dr. Lindner. Der ist völlig aus der Kontrolle geraten.
Lieber Kollege, lassen Sie sich mal beraten. Holen Sie sich mal ärztliche Unterstützung! Also, das ist nicht ganz normal.
dazu ist in den 90er Jahren einem Herrn Diepgen – der Name hat sich vielleicht auch bis Hannover herumgesprochen – nichts weiter eingefallen als „Dienstleistungen, Dienstleistungen, Dienstleistungen!“ Damals war Wirtschaftspolitik: Wir schenken ihnen hier einen Potsdamer Platz, wir schenken ihnen da ein bisschen was. Nichts weiter „Dienstleistungsmetropole“ ist Ihnen eingefallen. Das alles wurde finanziert mit den Finanzen dieser Stadt, daher kommt die Haushaltskrise. – Ich gebe Ihnen nur ein bisschen historischen Nachhilfeunterricht!
Daher kam die Haushaltskrise. Sie haben damals davon geträumt, dass mit Dienstleistungen diese Stadt einmal 6 Millionen Einwohner bekommt, und die ganze Welt guckt auf diese Stadt und Ihre Dienstleistungsmetropole. Der Traum Ihrer Dienstleistungsmetropole war ungefähr so realistisch wie Helmut Kohls blühende Landschaften.
Das nur nebenbei, denn es scheint hier ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein, wer überhaupt angefangen hat, über Industriepolitik in dieser Stadt zu reden: Das war Rot-Rot!
Lieber Kollege Lindner, gehen wir mal über zu Martins kleiner Vorlesung. Jeder durchschnittlich begabte Volkswirtschaftler neoliberaler Passion hat etwas mehr Realitätsbezug zu dem, was er erzählt als diesen Unsinn zu reden, den Sie hergebetet haben,
dieser kleine volkswirtschaftliche Kurs dessen, was man Leuten heute in der 5., 6. Klasse erzählt, wie angeblich diese Gesellschaft funktioniert.
Wissen Sie was? Schering wäre niemals auf die Idee gekommen, diese Stadt zu verlassen vor der Übernahme durch Bayer.
Dass wir mittlerweile einen globalen Gesamtzustand haben, wo das Renditemaß überhaupt nur noch in globalem Maßstab festgelegt wird, dass ein Unternehmen überhaupt keinen lokalen Bezug mehr hat, sondern das Einzige, was sie überhaupt noch interessiert ist, ob in China, Mexiko oder sonst wo die maximalen Renditemargen zu erzielen sind, ist traurig genug. Das ist das einzige Kriterium für Unternehmen, noch zu entscheiden. Wenn es danach ginge, müsste konsequent zu Ende gedacht Ihre Ideologie eigentlich sein, diese Stadt einfach abzuschaffen bzw. das Steuergeld direkt umzuleiten auf die Renditekonten der Aktionäre von Bayer oder wem auch immer. Das sind Ihre Vorstellungen von Gesellschaftsgestaltung. Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt, dazu vielleicht noch die eine
Das ist ordo- und neoliberales Geschwätz. Vor 30 Jahren hat es dafür einmal den Wirtschaftsnobelpreis gegeben. Aber selbst diejenigen, die 10 Jahre später Wirtschaftsnobelpreise bekommen haben, wie z. B. Herr Stieglitz, haben den Unsinn, den Sie erzählen, schon lange abgeräumt. Kaufen Sie sich das Buch einfach mal! Es ist bei Knaur erschienen und gar nicht so teuer, das können selbst Sie sich leisten. Lesen Sie sich das mal durch, und dann denken Sie darüber nach, was Sie hier Ungutes reden.
Letztlich, so oder so: Wer eine Gesellschaft will wie Sie, Herr Lindner, der sollte sämtlichen Gestaltungsanspruch für Arbeitsplätze und Sozialpolitik aufgeben. Der sollte sich dann hier aber auch nicht darüber mokieren, dass es noch Menschen gibt, denen nicht völlig egal ist, was aus denjenigen wird, die jetzt bei Bayer gekündigt werden. Sie sind nichts als ein Zyniker, Ihnen geht das alles letztlich am A. vorbei. Hauptsache, Sie haben hier Ihren pomadisierten Auftritt. Das ist das Einzige, was Sie interessiert.
Und ganz nebenbei, lieber Kollege Lindner! Es hat in den letzten fünf, sechs Jahren immer ganz gut geklappt, bei jeder Rede noch einen zuzulegen. Und es waren eine Menge Reden, die wir von Ihnen gehört haben. Das Problem ist: Sie kommen mit Ihren Beleidigungen langsam an eine Grenze, wo die Konsequenz die ist, dass man dann auch einmal für zwei, drei Sitzungen ausgeschlossen wird. Wollen Sie ernsthaft, dass wir Sie hier nicht mehr erleben können? – Also bremsen Sie sich einfach ein bisschen!
Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Eichstädt-Bohlig das Wort. – Bitte!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, ich bin etwas erstaunt, wie stark sich hier einige Jungs aufspielen müssen.
Als wir Grünen diesen Antrag initiiert haben, haben wir das nicht gemacht, um hier parteipolitische Profilierung zu inszenieren, sondern wir haben das gemacht, weil wir erstens der Meinung sind, dass die Kolleginnen und Kollegen von Schering wirklich ganz entschlossen unsere Solidarität, und zwar die gemeinsame dieses Hauses, mehr als verdient haben – da gebe ich der Kollegin Grosse in jedem Fall recht – ,
und wir haben es auch initiiert, weil wir der Meinung sind, dass es richtig ist, dass unser Regierender Bürgermeister diese Sache zur Chefsache macht. Wir hätten uns das schon damals gewünscht, als es um die erste Problematik bei Schering ging, wir hätten es uns auch bei anderen Unternehmen gewünscht, dass er sich ernsthaft bemüht, so wie andere Ministerpräsidenten in ihrem Lande sich aktiv darum bemühen, Standortpolitik mit wirtschaftspolitischer Diplomatie zu machen, sich darum aktiv zu kümmern. Ich erwarte vom Regierenden Bürgermeister, dass er das auch tut und dass das hier nicht nur schöne Worte sind, sondern dass er sich aktiv einbringt. Denn wir wissen sehr genau: Auf der einen Seite ist es klar, dass die politischen Instrumente im Wirtschaftsspektrum begrenzt sind. Da soll sich niemand hier im Hause etwas in die Tasche lügen. Auf der anderen Seite gehört das mit zur politischen Diplomatie, in höchstem Maße feinfühlig aktiv tätig zu sein, Herr Regierender Bürgermeister.
Halt, stopp! – Aber jetzt spreche ich in die andere Richtung. Herr Kollege Pflüger, in Ihre Richtung. – Es war absolut unkorrekt vorhin in dieser Runde, den Arbeitsplatzabbau für eine parteipolitische Inszenierung zu benutzen und Ihrerseits auf Herrn Wowereit draufzudreschen. Das ist falsch und diesem Thema, dieser ernsthaften Problematik und Sorge, die wir um diese Arbeitsplätze haben, nicht angemessen, Herr Kollege Pflüger.
Als Letztes, Herr Kollege Lindner! Es ist dieser Problematik nicht angemessen, einen teilweise etwas volltrunkenen, neoliberalen, allgemein wirtschaftspolitischen Kursus zu halten, der von vorne bis hinten verquer ist. Das ist absurd!
Darauf nur einen Satz: Wirtschaften ist dazu da, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt und ihr Einkommen und ihr Leben organisiert bekommen. Wirtschaften ist kein Selbstzweck. Es ist kein Selbstzweck zur Kapitalvermehrung, dass das Geld durch die Welt wandert und Heuschrecken sich daran dumm und dusselig verdienen. Das kann nicht der Zweck des Wirtschaftens sein, und das zu verherrlichen, ist nicht Aufgabe unserer Hauses – schon gar nicht angesichts der wirtschaftlichen Strukturschwäche, in der Berlin sich befindet. Deshalb bitte ich auch Sie, sehr viel mehr Realitätstauglichkeit in Ihre liberale Politik hineinzubringen. Das hat diese Stadt verdient.
Darum, letzter Satz: Ich werbe alle, dass wir unsere Solidarität mit den Beschäftigten von Schering wirklich deut
lich machen, nicht nur heute, sondern auch im konkreten weiteren Handeln. Ich fand das gut, wie heute unsere Lisa Paus sofort – wir haben es erst heute Vormittag erfahren – zu der Protestdemonstration der Schering-Beschäftigten gegangen ist. – Herr Regierender Bürgermeister, werden Sie aktiv! Wir brauchen es ganz dringend, dass Sie diese Angelegenheit aktiv zur Chefsache machen.