Protocol of the Session on September 9, 2010

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Wir wollen erstens ein zukunftsfähiges Abfallsystem. Wir wollen eine möglichst weit gehende Wertstoffsammlung

und das zu verträglichen Preisen und natürlich auch ökologisch orientiert, das heißt, das, was mit einer Wertstofftonne gesammelt wird, soll auch sehr vernünftig, möglichst stofflich verwertet werden, also weitestgehend auch in den Wirtschaftskreislauf zurückkommen. Wunderbar! Aber es geht hier eben nicht nur um Glaubensbekenntnisse, es geht um praktische Politik, und es geht auch um praktische Abfallwirtschaftssammlung in Berlin. Herr Schmidt! Da haben Sie, genau so, wie das auch schon die Fraktion der Grünen in einer Pressemitteilung offenbart hat, offensichtlich ganz wenig mit der Realität in Berlin zu tun. Das wundert mich sehr, denn wenn man beim Ziel einer Meinung ist, kann man offensichtlich doch, wenn man sich die Realität mit sehr unterschiedlich gefärbten Brillen anschaut, zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Wir haben seit fünf Jahren die Gelbe Tonne plus von ALBA in der Stadt als ein Wertstoffsammelsystem. Es ist ein Pilotprojekt, das mit bestimmten Voraussetzungen gestartet wurde, bewusst nur als begrenztes Pilotprojekt, und dieses Pilotprojekt hat wichtige Impulse gesetzt. Da haben Sie recht, was den Wettbewerb in der Stadt angeht, auch was das Aufwachen bei der BSR beim Stichwort Wertstoffsammlung angeht. Richtig! Aber wir leben jetzt im Jahr 2010. Seit ungefähr einem halben Jahr sagt auch die BSR, die Wertstoffsammlung muss verbessert werden, und bietet ebenso ein System an, das Orange Box heißt. Da frage ich Sie jetzt mal, das kann man vielleicht nicht nur an der Parteifarbe, an der Krawattenfarbe oder an anderen Sachen ablesen:

[Zurufe von der FDP]

Wozu stehen Sie, wenn es darum geht, wem der Berliner Müll, der in Haushalten entsteht, gehören soll? Das ist hier die Gretchenfrage bei der FDP, der CDU und den Grünen, wo die Grünen uns immer erzählen, sie wollen eine zukunftsfähige Abfallwirtschaft.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Ja, Sie müssen sich irgendwann entscheiden, Herr Ratzmann: Wollen Sie ein stabiles öffentliches System, oder wollen Sie tatsächlich das, was die FDP will und die CDU so ein bisschen nachplappert, mit Verlaub, die dann sagen, na ja, wir geben das mal in einen Wettbewerb, da wird sich schon der Schönste durchsetzen?

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Mit Verlaub, so wird es nicht sein. Schauen wir uns doch mal die Realität an! Nachdem die BSR gesagt hat, sie wird auch die Orange Box aufstellen, was hat ALBA plötzlich gemacht? – Hektischer Aktionismus bei den Dunkelblauen! Und was kündigen sie an? – Zunächst wollen sie ihre Gelbe Tonne plus flächendeckend für 4,95 Euro pro Monat in den Außenbezirken anbieten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?

Kleinen Moment noch! – 4,95 Euro! Dann ein, zwei Wochen später Kehrtwendung im ALBA-Headquarter! Was sagt man dann? – Nein, wir bieten die plötzlich kostenlos für ganz Berlin an. Warum? – Weil sie nämlich selbst gemerkt haben, dass da ein, zwei Dinge nicht ganz verträglich sind. Übrigens mal, was die wirtschaftlichen Auswirkungen angeht: Die Gelbe Tonne plus funktioniert nur, wenn die Gelbe Tonne, ein von uns allen Verbrauchern schon bezahltes System, darunterliegt. Dafür bekommt ALBA eine Menge Geld. Das ist auch in Ordnung so. Haben sie über eine Ausschreibung gewonnen. Aber so funktioniert nur dieses System. Das muss man dann auch mal aussprechen. Da muss man auch mal die Wahrheit wirtschaftlich sagen. Alleine funktioniert die Gelbe Tonne plus nicht. Und auch die Gelben Tonnen bleiben alle stehen. Da wird im Augenblick nur ein anderer Aufkleber raufgemacht, weil es ja hieß, um Gottes willen, gleich morgen sieht es bei allen Berliner Haushalten anders aus. Es ist mitnichten so. ALBA hat diesen Pilotversuch durch sein Agieren – hektisch hin, hektisch her – als Reaktion auf die BSR-Politik wirklich gegen die Wand gefahren. Das muss man ALBA auch vorhalten.

[Zurufe von der CDU und den Grünen]

Selbstverständlich ist es so! – ALBA hat das selbst zu verantworten, denn man muss sehen: Es gibt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – Sie kennen es – vom Juni 2009, das sagt, Wertstoffe – genau wie der normale Abfall – aus privaten Haushalten stehen zunächst mal dem kommunalen Entsorger zu. Und wir haben hier einen kommunalen Entsorger. Mensch, Herr Wilke, Sie haben doch auch in Ihren neuen Parteigeschichten stehen, wir wollen kommunale Entsorger stärken. Die Grünen schreiben es auch als Überschrift rein. Wenn es um konkrete Politik geht, dann lassen Sie den öffentlichen, kommunalen Entsorger im Regen stehen. Ist das vernünftig? – Nein, das ist es nicht, denn Sie können es auch nicht an irgendwelchen Abfallkosten festmachen. Wenn man sich die Abfallgebühren der zwölf größten deutschen Städte anschaut, dann ist Berlin ganz am Ende. Wir haben die preiswertesten, die günstigsten Abfallgebühren.

[Beifall von Frank Jahnke (SPD) – Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Das wird vom BBU festgestellt, da kann man ruhig mal klatschen, dass die BSR ein wirklich vernünftig aufgestelltes kommunales Unternehmen ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Absolut wettbewerbsfähige Preise! Und im nationalen Vergleich ganz vorne! Die Benchmark für andere kommunale Unternehmen! Da wollen Sie sagen, das ist kein vernünftiges Unternehmen, und sagen, die Wertstoffsammlung wird kommunal aufgestellt.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Herr Ratzmann! Sie müssen die Frage hier beantworten. Vielleicht kann Frau Kubala das gleich mal sagen. Was

passiert, wenn ALBA den Auftrag für die Gelbe Tonne verliert? – Dann gibt es auch plötzlich keine Gelbe Tonne plus mehr. Und diese Ausschreibung passiert alle drei Jahre.

Herr Kollege Buchholz! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Schade, ich fange gerade erst an! – Die Gelbe Tonne ist dann weg. Das ist kein stabiles System, und ich sage zu den Grünen: Das ist dann auch kein ökologisches System. Das ist dann nämlich wilder Wettbewerb.

Sie sind jetzt wirklich über Ihre Redezeit hinaus!

Letzter Satz: Wenn man sagt, grundsätzliche Verantwortung in kommunaler Regie, und Private können und sollen dabei auch helfen, aber geordnet unter kommunaler Regie – das ist der richtige Weg. Ich hoffe, Sie werden das auch noch erkennen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Wilke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Entscheidung, die Gelbe Tonne plus aus dem Verkehr zu ziehen, vernichtet der Senat das bislang bewährte und einzige System zur Wertstoffsammlung in Berlin.

[Daniel Buchholz (SPD): Was vernichten wir denn konkret?]

Das einzige bewährte und anerkannte Wertstoffsammelsystem in Berlin, Herr Kollege Buchholz! – Außerdem entsteht mit dem, was Sie sich vornehmen, der Eindruck, dass der landeseigene Entsorger massiv bevorzugt werden soll.

Seit 2004 wurden ca. 400 000 Haushalte an das System Gelbe Tonne plus angeschlossen. Damit hat Berlin von allen Städten Deutschlands in den letzten Jahren mit der haushaltsnahen Sammlung der Wertstoffe einen Weg eingeschlagen, der durchweg gute Erfahrungen gebracht hat. Wir verdanken dieses System nicht der landeseigenen Gesellschaft, die niemals gehindert war, eigens und auch schon vor Jahren, Aktivitäten in diese Richtung zu entfalten. Dieses System kommt nicht von Orange!

Es ist ein gutes Signal, dass der Bundesminister Röttgen mit seinem Referentenentwurf zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Wertstofftonne einführen will und damit 20 Jahre nach der Einführung der Verpackungsverordnung einen genauso wichtigen Meilenstein setzen wird.

[Beifall bei der CDU]

Der Bundesminister hat sich mit den Kollegen aus den Ländern, den Umweltministern der Länder, darauf verständigt, zunächst eine eigene Untersuchung durchzuführen, wo Fragen der Konzeption, der Finanzierung und auch der Zuständigkeiten geregelt werden sollen. – Herr Kollege Buchholz! Dieses sollte man doch zunächst einmal abwarten, bevor man ein bewährtes System, das in Berlin eingeführt und etabliert ist, so einfach plattmacht.

Jeder weiß: Die Europäische Union hat erneut kritische Anfragen zur Struktur der deutschen Überlassungspflichten gestellt. Es ist jetzt schon überwiegend klar, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Altpapiersammlung keinen Bestand haben wird, weil sie europarechtlich nicht haltbar sein wird. Deswegen ist es kurzsichtig, wenn der Senat sich ausgerechnet auf diese Rechtsprechung, die schon im Referentenentwurf der Bundesregierung Korrekturen erfährt, stützt, um eine kommunale Zuständigkeit nun auch für die Wertstofftonne abzuleiten, nachdem jahrelang das privatwirtschaftliche Modell im Abfallwirtschaftskonzept des Senats sogar verankert gewesen ist. Wir werden die Gerichtsverfahren erleben und die Rechtsmittel dagegen. Parallel dazu werden auf Bundesebene die richtigen Fakten geschaffen.

Als vor sechs Jahren die Gelbe Tonne plus eingeführt wurde, ging Berlin beispielgebend voran, denn die anstehende Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verfolgt genau diesen Ansatz, alle Wertstoffe in einer gemeinsamen Tonne zu erfassen. Das Handeln des Senats fällt jetzt hinter das bewährte Instrument zurück, da nun neben der herkömmlichen Gelben Tonne zur Erfassung der Verpackungen mit grünem Punkt eine Orange Box aufgestellt wird und damit eine weitere Wertstofftonne neben dieser Gelben Tonne stehen soll – für andere verwertbare Stoffe ohne grünen Punkt. Dies ist eine für private Haushalte umständliche und teure Entscheidung.

[Beifall bei der CDU]

Senat und BSR bleiben auch den Nachweis schuldig, dass die Orange Box kurz-, mittel- und langfristig die erfolgreiche Wertstofferfassung der Gelben Tonnen Plus kompensieren kann.

Auf eine Kleine Anfrage von mir antwortete der Senat vor einem Jahr.

Eine Voraussetzung für das Aufstellen der Orangen Box ist, dass auf der entsprechenden Ladestelle keine anderen Ladesysteme, z. B. die Gelbe Tonne plus, stehen.

Eine solche Antwort, vor einem Jahr gegeben, lässt auf seriöse Weise nur vermuten oder verstehen, dass die Ab

sicht des Senats darin bestand, an jeweils unterschiedlichen Standorten jeweils unterschiedliche Systeme zur Wertstofferfassung zu ermöglichen, um eben Standortkonkurrenz zu verhindern. Ein Jahr später wird klar, was wirklich gemeint war, wie unseriös geantwortet wurde, wie dreist der Senat die Öffentlichkeit getäuscht hat. Denn wenn man, so wie jetzt, die Gelbe Tonne plus einfach aus dem Verkehr zieht, ist natürlich jeder Standort frei für die Orange Box, weil die Konkurrenz ausbleibt. Tricksen und täuschen bestimmen das Handeln unserer Landesregierung. Das ist kein seriös handelnder Senat. So handelt nur ein Trickbetrüger!

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion fordert deshalb den Senat auf, den Sofortvollzug des Aufstellverbots der Gelben Tonne plus zumindest solange außer Kraft zu setzen, bis das Verwaltungsgericht in dieser Angelegenheit in der Hauptsache entschieden hat. Darüber hinaus erwarten wir vom Senat, einen ordnungsrechtlichen Rahmen aufzustellen, der einen fairen Wettbewerb ermöglicht und somit eine Lösung für ALBA, für die BSR und auch andere herbeiführt. Dabei muss der Fokus auf ein verbraucherfreundliches System gerichtet sein.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Vielen Dank, Herr Kollege Wilke! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Platta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit von: Igittigitt, Müll! – ist vorbei. Ein gewinnträchtiger Wirtschaftsbereich rückt mehr und mehr ins Blickfeld der Wirtschaft und der Öffentlichkeit. Denn heute und in Zukunft geht es verstärkt um die Rückgewinnung von immer knapper werdenden Rohstoffen aus den unterschiedlichsten Produkten, um Brauchbares wieder zu benutzen, um Wertstoffe stofflich zu verwerten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen die Sammelsystem verändert werden. Darüber sind wir uns in diesem Haus auch heute einig.

Die Vernichtung von Wertstoffen durch Verbrennung, die schon heute wieder in den Stoffkreislauf zurückgegeben werden könnten, steht auch in Berlin seit Langem in der Kritik. Die Ablehnung von weiteren Standorten für Müllverbrennungsanlagen in den Neunzigerjahren wurde auch von der Linken – damals noch PDS – aktiv betrieben.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Abhilfe gegen Wertstoffvernichtung ist dringend geboten.

Durch die Pilotprojekte Gelbe Tonne plus eines privaten Entsorgers und seit Kurzem die Orange Tonne des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers BSR sind in dieser Stadt nun weitere Möglichkeiten zur Trennung echten

Mülls von Wertstoffen gegeben. Für diese Erstinitiative durch den privaten Betreiber für dieses Projekt, gekoppelt an die Wertstofferfassung von Verpackungen, möchte ich mich hier ausdrücklich bedanken. Denn ohne diesen Anfang zur verbesserten Trennung wären wir ehrlicherweise heute noch nicht so weit beim öffentlich-rechtlichen.