Protocol of the Session on July 1, 2010

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung

Ich rufe die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Tagesordnungspunkt 13, auf. Das ist

lfd. Nr. 4.1:

Beschlussempfehlung

Keine Schaffung von vollendeten Tatsachen: Kündigung von Kleingärten nicht vor Abschluss des Planfeststellungsverfahrens zur A 100

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/3287 Antrag der Grünen Drs 16/3132

in Verbindung mit

Dringlicher Entschließungsantrag

Bauabschnitt 16 der Bundesautobahn 100 jetzt konsequent weiterplanen und den Baubeginn wie geplant im 3. Quartal 2011 starten!

Antrag der CDU Drs 16/3352

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Abgeordnete Hämmerling hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Herr Müller – ich sehe ihn gerade nicht – und Herr Wowereit haben am Wochenende richtig Druck auf ihre Basis ausgeübt. Wer nicht für die A 100 ist, ist gegen Wowereit und gegen Junge-Reyer. Genauso hat das DDR-Politbüro argumentiert und agitiert:

[Oh! von der SPD]

Wer nicht für Honecker ist, ist für den Krieg.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ich sage Ihnen: Das ist undemokratisch. Damit haben Sie die Basis für eine vernünftige Argumentation und sachliche Auseinandersetzung verlassen.

[Beifall bei den Grünen – Buh-Rufe von der SPD – Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Sie haben den Kleingärtnern gekündigt, obwohl es völlig unnötig ist, denn ein Planfeststellungsbeschluss liegt noch nicht vor. Abfindungen gibt es auch erst nach Vorliegen des Beschlusses, denn erst dann ist der Planungsschaden entstanden. Die Bahn hat ihre Kleingärtner, die ebenfalls betroffen sind, bis heute nicht gekündigt. Das Land Berlin schafft also vollendete Tatsachen. Vielleicht steht für die SPD der Ausgang dieses Planfeststellungsverfahrens schon fest. Wenn das so ist, dann seien Sie bitte so ehrlich und geben zu, dass Sie auf demokratische Beteiligungsverfahren genauso pfeifen wie auf Ihre Basis und dass Sie sowieso nur das umsetzen wollen, was Ihnen die Betonlobbyisten einflüstern.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Die anderen 50 Prozent waren keine Basis – oder was!]

Wir fordern Sie auf: Lassen Sie den Kleingärtnern ihre Datschen, bis die Planung rechtskräftig ist! Herr Müller und Herr Wowereit! Sie haben Ihre Basis vorsätzlich getäuscht. Sie haben Entlastungen in Neukölln versprochen – das mag vielleicht sein –, aber Sie haben verschwiegen, dass der 16. Bauabschnitt eine Lücke zwischen der B 96a und der A 100 bzw. der A 113 schließt. Damit ist doch klar, dass die 60 000 Fahrzeuge am Ende der Autobahn nicht einfach in die Spree fallen. Nein! Die fahren in die Umweltzone – entweder Richtung Alex oder auf der B 96a Richtung Norden. Der Bund finanziert

nämlich eine Bundesautobahn und keine örtliche Umgehungsstraße.

Es entsteht eine Transitverbindung mitten durch Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Pankow. Der LkwTransitverkehr wird vor allem in den Nachtstunden die Abkürzung durch die Stadt wählen. Das ist eine einfache Rechnung: Zwei Drittel Mautkosten weniger, die Fahrtzeit bleibt gleich! – Das heißt am Ende aber: Die Wohngebiete in der Warschauer Straße, der Danziger Straße und der Schönhauser Allee in Pankow bekommen deutlich mehr Lkw-Durchgangsverkehr, mehr Lärm, mehr Feinstaub, mehr Abgase und höhere Risiken an den Unfallschwerpunkten Warschauer Straße und Schönhauser Allee. Wer das unterschlägt, der handelt völlig verantwortungslos. Seien Sie sicher: Wir werden den Widerstand in den Wohngebieten organisieren!

[Beifall bei den Grünen]

Die Berliner Sozialdemokraten haben am Wochenende weder sozial noch demokratisch entschieden

[Lars Oberg (SPD): Was ist das für eine Nummer? Peinlich!]

Und Sie haben dem Wirtschaftsverkehr einen riesigen Bärendienst erwiesen. Kein einziges Berliner Wirtschaftsunternehmen profitiert davon, wenn die Straßen im Norden und in Friedrichshain vom Transitverkehr verstopft sind. Das Konzept der A-100-Verlängerung ist der verkehrspolitische Super-GAU für den Nordosten.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Herr Gaebler! Sie haben Ihren Genossen ein Maßnahmepaket zur Kfz-Verkehrsentlastung versprochen. Das können und das wollen Sie doch gar nicht einhalten. Mehr Parkraumbewirtschaftung, wir haben es schon gehört, dafür sind Sie nicht zuständig. Da können Sie höchstens Reklame machen. Dieses Versprechen ist unseriös. Mehr Tempo 30, ÖPNV-Verbesserungen und Straßenrückbau: Das klingt gut. Das steht aber schon ewig in Ihren Senatspapieren, und das setzen Sie nicht um, obwohl Sie seit 20 Jahren in Berlin an der Macht sind. Die Straßenbahngleise, die Senator Strieder am Potsdamer Platz verlegen ließ, vergammeln seit 10 Jahren. Die SPD hat das Landesgeld lieber für Straßen statt für die Straßenbahn ausgegeben. Aber, Herr Gaebler, Sie wissen auch genau: Selbst für Straßenbau wird es eng. Für die Grundinstandhaltung von Straßen und Schieneninfrastruktur braucht Berlin 6,7 Milliarden Euro in den nächsten 15 Jahren. Sie haben nicht den geringsten Spielraum für die versprochenen Entlastungen. Sie wussten das, und Sie haben Ihre Basis vorsätzlich mit falschen Versprechungen geködert. Sie machen hier FDP- und CDU-Politik. Und um das durchzusetzen, haben Sie Ihre Genossen getäuscht.

Und noch eins: Zwei Tage nach Ihrem Parteitag haben Sie den Nahverkehrsplan im Verkehrsausschuss beschlossen. Zusätzliche Maßnahmen zur Kfz-Entlastung, also für den ÖPNV, stehen da gar nicht drin. Nur zwei Tage nach

Ihrem Parteitag: versprochen – gebrochen. Das ist ein ganz mieser Politikstil.

[Beifall bei den Grünen]

Ich finde es beschämend: Druck auf die Basis, Halbwahrheiten, falsche Versprechungen. Dieser Politikstil, Herr Gaebler und liebe SPD, macht politikverdrossen. Arbeiten Sie ruhig so weiter, kämpfen Sie gegen jede Wählerinnen- und Wählerstimme! Ich sage Ihnen: Mit uns ist dieser Politikstil nicht zu machen, und mit uns gibt es diesen dümmlichen Betonlobbyismus nicht. Das sollte Ihnen klar sein.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hämmerling! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Gaebler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Hämmerling! Erst mal ist es sehr seltsam, dass Sie unter einem Antrag, bei dem es um die Kündigung von Kleingärten im Vorgriff auf den A-100-Bau geht, sozusagen eine verkehrspolitische Philippika abgeben. Das ist auch nicht ganz glaubwürdig. Ich glaube, das führt auch zu Politikverdrossenheit; das ist nämlich Etikettenschwindel, was Sie hier betreiben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Claudia Hämmerling (Grüne): Da klatscht nur einer!]

Ich war noch gar nicht fertig, Frau Hämmerling! Warten Sie mal ab, am Ende klatschen auch noch mehr. – Es geht mir aber darum, Ihnen vielleicht noch mal ein paar klärende Sätze dazu zu sagen, wie SPD-Verkehrspolitik aussieht. SPD-Verkehrspolitik beschränkt sich nicht darauf, einzelne Projekte hochzuziehen, in populistischer Art und Weise auszuschlachten und dann hinterher zu sagen: Ist mir egal, was passiert; Hauptsache, ich bin an der Regierung oder nicht an der Regierung oder nicht dafür verantwortlich. – Sondern SPD-Verkehrspolitik sagt: Wir leben in einer großen Stadt, wo viele Bedürfnisse bestehen, viele Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen sind. Wir müssen überlegen, wie kriegen wir das unter einen Hut, und wie kriegen wir das vor allen Dingen im Sinne einer stadtverträglichen Abwicklung von Mobilität zusammen. Das heißt, man kann an der Stelle nicht sagen: Wir machen jetzt Politik gegen die Autofahrer, für die Autofahrer, gegen die Radfahrer, für die Radfahrer oder Fußgänger. Oder: Der ÖPNV ist das Einzige! Sondern wir müssen tatsächlich sehen: Wie kriegen wir den Mix hin, der eine Stadt lebenswert hält, der allen Mobilitätschancen und Zugang zu Mobilität sichert? Was ist da sozusagen die beste Lösung, auch im Hinblick darauf, dass wir die dicht bebauten Teile der Innenstadt und der Stadtteilzentren von Lärm und Schadstoffbelastung entlasten wollen?

Genau das ist das Ziel, das der Stadtentwicklungsplan Verkehr verfolgt. Und in diesem Stadtentwicklungsplan

Verkehr gibt es eine Menge von Maßnahmen. Das, was wir beim Parteitag gemacht haben, ist, noch mal aufzuzeigen, wie dieses Gesamtkonzept aussieht. Frau Hämmerling, Sie haben es nicht begriffen. Das sind keine zusätzlichen Versprechungen, sondern das ist die SPDVerkehrspolitik, die wir seit Jahren entschlossen, konsequent Schritt für Schritt vorantreiben. Und das wollen wir auch weiter so machen.

[Beifall bei der SPD]

Nicht mehr und nicht weniger haben wir gesagt. Und dazu gehört übrigens auch nicht, wie hier immer wieder gesagt wird, flächendeckend Tempo 30. Dazu gehört, dass man die Zahl der Tempo-30-Abschnitte zur Entlastung der Anwohner, zur Sicherung der Nachtruhe, zur Reduzierung der Umweltbelastung weiter erhöht, jeweils in einer Einzelfallprüfung. Und nicht das, was Sie wollen, Frau Hämmerling, nämlich die autofreie Stadt, die Fahrverbote. Sie sind ja die, die immer mit Verboten agieren: Man soll nicht mehr Auto fahren, man soll keine Heizpilze aufstellen, man soll nicht auf dem Balkon grillen – was man noch alles nicht machen soll. Migranten müssen irgendwie erzogen werden, dass sie die Umwelttonne richtig füllen. Sie sind eine autoritäre Vorgabepartei. Sie sind die Ökodiktatoren dieser Stadt!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und deswegen behüte uns Gott, dass Sie hier jemals eine Mehrheit bekommen, mit der Sie alleine machen können, was Sie wollen. Dann ist diese Stadt nämlich tot. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gaebler! – Frau Hämmerling möchte erwidern und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!

Na ja, Herr Gaebler! Offenbar ist es mit Ihrem Gedächtnis nicht so weit her. Die Heizpilz- und die Grillverbote, die hat der Senat erlassen. Wir unterstützen das natürlich, aber das ist eine Sache des Senats.