Mir geht es um die Durchlässigkeit, Herr Senator! Ich brachte gerade das Beispiel Baden-Württemberg. Sie sagten, dass in Berlin 40 Prozent Abitur machen. Ist es nicht aber egal, auf welchem Weg man das Abitur erreicht und die Hochschulreife erlangt? In Baden-Württemberg liegt die Studienberechtigtenquote bei 48 Prozent, die nicht ausschließlich auf dem Gymnasium erlangt wird – das ist mir klar –, sondern auch an den Berufsoberschulen. Dort führt also noch ein anderer weg zur Hochschulreife. Das ist zu respektieren. Ich halte das für einen guten Weg, den Baden-Württemberg da geht.
Ich freue mich über Ihre sachliche Position. Ich sage bereits seit Langem, dass man Chancengleichheit und Durchlässigkeit auf unterschiedlichen Wegen realisieren kann. In Deutschland hat das aber nur BadenWürttemberg geschafft. Allen anderen mit gegliedertem Schulsystem ist das nicht gelungen. Offensichtlich ist das mit einem gegliederten Schulsystem schwieriger, auf diesem Weg eine Chancengleichheit – bezogen auf die Abiturquote – zu erreichen.
Ich will damit nicht sagen, andere seien nicht auch gut, sondern nur, dass es Bereiche gibt, in denen wir gut sind, und andere, in denen wir schlecht sind. Das ist Teil einer objektiven Diskussion.
Es gibt noch einen Aspekt der Chancengleichheit: Berlin hat bundesweit den höchsten Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Mit 31 Prozent liegen wir noch vor Bremen und Hamburg, und die Tendenz stiegt. Die östlichen Bundesländer haben nur 5 Prozent. Zu einem fairen Vergleich – das wissen Sie auch – gehört, dass man diese Schülerinnen und Schüler gesondert betrachtet. Wenn man das tut, stellt man fest, dass Berlin beim Vergleich mit den anderen Bundesländern sehr wohl im Mittelfeld liegt. In diesen Zusammenhang gehören auch die Chancengleichheit und die Integrationsquote. In Berlin werden 42 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf integriert unterrichtet. Bundesweit ist es nicht einmal die Hälfte, lediglich 19 Prozent.
Ich will nichts schönrechnen, geschweige denn schönreden. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler besser fördern. Aber Bildungsreformen benötigen Zeit. Auch die Schulen brauchen Zeit, die vielfältigen Neuerungen in den Schulalltag zu übernehmen und für einen besseren Unterricht zu nutzen.
Wir müssen die Schulen unterstützen, die noch keine zufriedenstellenden Leistungen erzielen. Aus diesem Grund lasse ich derzeit in meinem Haus ein Qualitätspaket erarbeiten, das den Schulen helfen soll, ihre Leistungen zu verbessern.
Dabei geht es in erster Linie um ein schlichtes Qualitätsmanagementsystem mit einer Diagnose, dem Ergreifen von Maßnahmen, der Vergewisserung, ob die Maßnahmen greifen,
und unter Umständen muss es auch Unterstützung und schulaufsichtliche Interventionen geben, denn trotz ergriffener Maßnahmen kommt es oft zu keiner Verbesserung.
Die Verbesserung der Qualität setzt nicht stets zusätzliche Ressourcen voraus. Wir haben inzwischen mit der Lehrerzumessung – insbesondere für die Schulen mit einer hohen Integrationslast – die notwendigen Ausstattungsverbesserungen erreicht. Dennoch stellen wir immer wieder fest, dass vergleichbare Schulen mit diesen Ressourcen gute Leistungen erreichen und andere eben nicht. Da muss die Frage an die Schulleitungen und an die Schulaufsicht erlaubt sein, woran das liegt und wie man das ändern kann.
Wenn wir problematische Befunde über unser System erhalten, sollten wir selbstkritisch darüber reden, unser Handeln hinterfragen und es gegebenenfalls korrigieren. Wenn wir aber – wie jetzt durch die Bertelsmann-Studie – bescheinigt bekommen, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind, muss das deutlich ausgesprochen werden. Ein großer Berg steht noch vor uns. Nur die Vergewisserung, dass wir das Richtige tun, gibt uns und den vielen engagierten Schulen und Kitas die nötige Kraft, die wir brauchen, um am Ende erfolgreich zu sein. – Ich bedanke mich!
Vielen Dank, Herr Senator Prof. Zöllner! – Wir treten in die zweite Rederunde ein, in der zunächst Herr Statzkowski von der CDU das Wort erhält. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Objektiv belegbar“, sagte der Senator und meinte damit, die Weichen seien richtig gestellt. Objektiv belegbar sind die Ergebnisse der Berliner Schülerinnen und Schüler, und die sind katastrophal. Da frage ich mich, ob die Weichen wirklich richtig gestellt wurden. Wenn der Senator heute sagt, die schlechten Leistungen hätten nicht am finanziellen Input gelegen, dann müssen wir nicht nur fragen, welche Inhalte wir an unseren Schulen haben und
wo die richtigen Ansätze sind, sondern wir müssen uns auch fragen, ob es neben einem pädagogischen auch ein finanzielles Versagen des Senats gibt.
Das sind Dinge, mit denen wir uns intensiv befassen müssen. Wenn ein armes Land wie Berlin in diesen Bereich viel investiert, muss man auch erwarten können, dass entsprechende Ergebnisse erzielt werden. Somit hat der rot-rote Senat auch finanziell versagt.
Es ist wichtig, nicht nur Phrasen zu dreschen, Herr Senator. Wenn Sie eine Gleichbehandlung der Gymnasien wollen, dann sorgen Sie doch dafür, dass die Ganztagsgymnasien in diesem Land die gleichen Voraussetzungen wie die Sekundarschulen erhalten! Das tun Sie nicht, und solange Sie das nicht tun, bleibt es nur Gerede an dieser Stelle. Das müssen wir auch heute wieder feststellen.
Es macht aber Sinn, sich einmal mit den fachlichen Problemen auseinanderzusetzen, die die Studien in letzter Zeit deutlich gemacht haben. Beispielsweise liegt in Berlin der Anteil der Kinder unter der Kompetenzstufe III im Lesen bei 24,9 Prozent, während er beispielsweise in Thüringen bei 6,8 Prozent liegt. Der Leistungsvorsprung im Leseverständnis von Kindern aus Familien mit mehr als 100 Büchern liegt in Berlin bei 70 Punkten und damit weit unter den Kompetenzen, die für die anderen Bundesländer aufgeführt werden.
Berlin zeichnet sich gerade durch ein großes Maß an sozialen Disparitäten aus. Bayern weist Werte auf, die auch im internationalen Vergleich als relativ gering einzuschätzen sind. Das heißt, Rot-Rot scheitert an den eigenen Ansprüchen.
Hinsichtlich der jährlich aufgewendeten Unterrichtszeit weisen Berlin, Bremen und Thüringen die höchsten Werte in der Bundesrepublik Deutschland auf. Wir wissen, dass das in Thüringen dementsprechend positive Ergebnisse zeitigt. Wir wissen aber auch, dass Bremen und Berlin an dieser Stelle versagen. Dementsprechend stellen sich erhebliche Fragen hinsichtlich der Form der Umsetzung. Es ist darüber nachzudenken, wie der Anteil von positiver Lesekompetenz zu erhöhen ist und welche Maßnahmen im Leseunterricht zu ergreifen sind. Wo setzt die konkrete Förderung der leseschwachen Schüler und Schülerinnen ein? Es gibt Programme, mit denen man hier aufhelfen kann. Es gibt die Möglichkeit der Hinzuziehung von Schulpsychologen, Sozialpädagogen und Sprachheilpädagogen. Warum gibt es hierzu keine ausreichenden Konzepte?
Es gibt jetzt am Ende eines Schuljahres und zu Beginn eines entscheidenden Schuljahres, vor dem wir im Herbst stehen, in diesem Zusammenhang viele Fragen, die bisher
nicht beantwortet worden sind. Warum wurden die vorliegenden Erkenntnisse zur Leistungsverbesserung in der Schulform nicht berücksichtigt? Warum gibt es kein Konzept zur Umsetzung der UN-Konvention an den Berliner Schulen? Warum sind bisher die Möglichkeiten der Barrierefreiheit an den Schulen nicht ausgeschöpft worden? Warum sind die Vorbereitungen des nächsten Schuljahres immer noch nicht abgeschlossen worden?
Warum wird erst jetzt bekannt, dass noch 170 Lehrerstellen in Berlin unbesetzt sind? – Ich bin sicher, dass wir uns auch im nächsten Schuljahr mit der Bildungspolitik des rot-roten Senats und seinem Versagen an dieser Stelle intensiv auseinandersetzen müssen.
Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Sie haben noch zwei Minuten. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier werfen uns alle rot-rote Ideologie vor. Das habe ich aus allen Redebeiträgen herausgehört. Ich habe die Debatte genau verfolgt. Wer hat hier am ideologischsten geredet? Das war doch Herr Statzkowski an der Stelle.
Das hat man überall herausgehört. Sie sind übrigens die Einzigen, die die Hauptschule beibehalten wollen. Ansonsten haben wir hier im Hause – und nicht nur hier, sondern auch in der Gesellschaft – einen breiten Konsens, dass die Hauptschule ein Auslaufmodell ist.
Was werfen Sie uns auf der anderen Seite wieder vor? – Sie haben eigentlich nur zwei Punkte genannt: zum einen die Aufbauklassen und zum anderen die verbundenen Haupt- und Realschulen. – Zu Letzterem: Da gehen wir einen Schritt weiter, und darauf bin ich mit meiner Fraktion und unserer Koalition besonders stolz. Wir belassen es nicht bei den verbundenen Haupt- und Realschulen, sondern machen im Verbund mit den jetzt noch bestehenden
Gesamtschulen die Sekundarschule. Das ist doch viel mehr. Das ist ein wichtiger Schritt hin zur Chancengleichheit und zur Durchlässigkeit.
Sie sagen, die Abschaffung der Aufbauklassen sei schlecht. Herr Statzkowski! Die brauchen wir nicht mehr, da wir im Gymnasium in 12 Jahren zum Abitur führen und in den Sekundarschulen schon 13 Jahre haben. Also brauchen wir an dieser Stelle keine Aufbauklassen.
Gestatten Sie mir noch ein Wort zu der Dichotomie zwischen Quantität und Qualität, die Frau Senftleben gebetsmühlenartig behauptet! Ich selbst habe auch mal empirisch gearbeitet und gelernt, dass das überhaupt kein Gegensatz in dem Sinne ist. Natürlich ist keine gute Qualität ohne Quantität möglich – und umgekehrt. Wir brauchen einen längeren Betreuungszeitraum – und da ist Berlin wirklich spitze –, um dann auch unsere Inhalte verwirklichen zu können, nämlich die individuelle Förderung an dieser Stelle durchzusetzen.
Selbstverständlich haben wir eine große Leistungsstreuung innerhalb der Schülerschaft in Berlin. Deswegen können wir Berlin nicht mit Bayern vergleichen. Wir müssen aber darauf achten, dass wir mit dieser leistungsheterogenen Gruppierung, die wir in Berlin haben, möglichst gut umgehen.