Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung des einen Paragrafen beziehungsweise der drei Artikel jeweils miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung, sowie die Paragrafen 1 beziehungsweise die Artikel I bis III – Drucksachen 16/2743, 16/3125 und 16/3343. Eine Beratung wird nicht mehr gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Zum Antrag der Koalitionsfraktionen mit der Drucksachennummer 16/2743 – Stichwort: Bauordnung – empfiehlt der Fachausschuss einstimmig, den Antrag für erledigt zu erklären. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann wird so verfahren.
Zur Gesetzesvorlage mit der Drucksachennummer 16/3125 – Stichworte: Bauordnung und Denkmalschutz – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP, den Antrag mit einer Änderung anzunehmen. Wer dem Antrag mit der Änderung der Beschlussempfehlung gemäß Drucksache 16/3343 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Regierungsfraktionen und Bündnis 90. Das ist die Mehrheit. Entschuldigung! Das gilt noch nicht. Erst die Gegenprobe! – Das sind CDU und FDP. Ersteres war die Mehrheit. Jetzt ist es richtig. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist das Gesetz zur Änderung der Bauordnung und des Berliner Denkmalschutzgesetzes angenommen.
Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Berliner Bauordnung ist der Senat doch zu der Einsicht gelangt, dass eine Korrektur der gegenwärtigen Regelung dringend erforderlich ist, wie die CDU-Fraktion es übrigens bereits damals gefordert hat. Und so ist es begrüßenswert, dass wir uns nun endlich intensiv – sowohl im Bauausschuss als auch im Stadtentwicklungsausschuss – insbesondere mit der viel zu liberalen Handhabung der Genehmigung von Werbeflächen auseinandergesetzt haben. Gerade in letzter Zeit sieht man an einigen Stellen in unserer Stadt die negativen Auswirkungen von großflächiger Werbung. Daher befürworten wir die geplante Wiedereinführung eines Genehmigungsverfahrens für Werbeanlagen sowie die grundsätzliche Anwendung des Verunstaltungsverbotes auf Werbeanlagen.
Für nicht richtig halten wir jedoch die starre Regelung der Befristung von Werbung auf eine Dauer von sechs Monaten. Eine solche Regelung erscheint in der praktischen Umsetzung wenig handhabbar. So ist beispielsweise ein Baugerüst, welches mit einer einfachen Bauplane umschlossen ist, nicht gerade dem Stadtbild sonderlich zuträglich, wenn dieses nach Ablauf der sechs Monate stehen bleiben muss, da die Baumaßnahme noch nicht beendet ist. Um großflächige Werbung in Berlin einzudämmen, hatten wir vorgeschlagen, dass der Bauherr vor Baubeginn einen Bauzeitablaufplan vorlegen muss, für dessen Zeit die Werbung dann genehmigt wird. So kann verhindert werden, dass es womöglich zu Bauverzögerungen kommt, damit die Werbung länger hängen bleiben kann. Das halte ich doch für zielführender.
Um dem Problem der ausschließlich zu Werbezwecken errichteten Gerüste zu begegnen, dürfen aber nur Genehmigungen für Werbeplanen an Baugerüste erteilt werden, wenn diese Baugerüste auch tatsächlich für bauliche Maßnahmen erforderlich sind. Ansonsten werden nämlich weiterhin Baugerüste aufgestellt, die für die Baumaßnahmen nicht erforderlich sind oder wo überhaupt keine Bauarbeiten ausgeführt werden – auch innerhalb der ersten sechs Monate.
Die Änderung der Bauordnung betrifft aber noch einen anderen wesentlichen Punkt – nämlich die Schließung von sogenannten Müllabwurfanlagen bis zum 31. Dezember 2013. Betroffen sind rund 4 000 Anlagen in Berlin, und die Schließung verursacht Kosten in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro. Ein Großteil der Kosten kann der Vermieter auf die Betriebskosten der Mieter abwälzen. Die Leidtragenden sind letztendlich also die Mieter – die Mieter, die eine Schließung überhaupt nicht wollen.
Viele der Müllabwurfanlagen wurden in den letzten Jahren modernisiert. So wurden sie mit Edelstahlauskleidung versehen und neue Sprinkleranlagen und Einwurföffnungen eingebaut. In keiner der Ausschusssitzungen – und wir haben in vier oder fünf Sitzungen das Thema disku
tiert – konnte der Senat belegen, dass die Mülltrennung schlechter funktioniert aufgrund des Vorhandenseins von Abwurfanlagen. Im Gegensatz dazu hat der BBU gemeinsam mit der BSR das Restmüllaufkommen vieler Abwurfanlagen ausgewertet. Von Ihnen, Herr Buchholz, hören wir immer nur, dass der BBU und die BSR falsche Zahlen vorlegen würden, ohne dass Sie uns je andere Zahlen präsentiert haben oder präsentieren konnten.
Letztlich beginnt die Mülltrennung doch bereits in der Wohnung – Sie unterstellen den Mietern ja geradezu eine Unfähigkeit zu trennen. Nehmen Sie Abstand von der Schließung der Anlagen! Denken Sie an die vielen – insbesondere älteren – Mieter in dieser Stadt!
Wir verabschieden heute einige kleine Änderungen an der Berliner Bauordnung von 2005. Der Senat hat uns einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Schwerpunkt des Änderungsvorhabens ist die Einführung einer Genehmigungspflicht für großflächige Werbung. Der Senat hat sich fünf Jahre nach Inkrafttreten der Bauordnung also endlich besonnen und will derartige Werbung genehmigungspflichtig machen. Wenn Sie auf unsere Fraktion bereits 2005 gehört hätten oder unseren Antrag „Ganz Berlin eine Werbefläche“ von Anfang 2008 befolgt hätten, wäre vieles besser gelaufen. Die Verschandelung Berlins durch unnötig lange Verhüllung von Gebäuden wäre am heutigen Tage kein Thema mehr. Aber Rot-Rot hat offenbar eine Lust am Scheitern entwickelt und will seine Fehler ausleben. Sie haben der Stadt jahrelang eingewickelte Denkmale zugemutet und – meines Erachtens der Gipfel an Ignoranz – die Durchführung einer Dunkeltherapie für kranke Menschen im Charité-Hochhaus organisiert, indem Sie das landeseigene Gebäude in eine Werbeplane eingewickelt haben. Bei einem vernünftigen Verfahren in der Bauordnung hätte auch dieser Skandal verhindert werden können.
Neben der Werbung geht es um ein umweltpolitisches Thema in der Bauordnung, das Schließen von Abfallschächten in Hochhäusern. Die Abfallschächte erschweren die Mülltrennung. Wir wollen, dass Müll getrennt und ordentlich gesammelt und entsorgt wird. Deshalb auch hier unsere Zustimmung.
Ein anderes ökologisches Thema ignorieren Sie standhaft, Frau Senatorin Junge-Reyer! Innovatives Bauen wird durch den Senat erschwert. Sie brüsten sich zum Beispiel in Ihren Publikationen mit dem siebengeschossigen Holzhaus in der Esmarchstraße 3 in Prenzlauer Berg, ein echtes Vorzeigeprojekt. Allerdings haben Sie nichts dafür getan, dass solche Bauten in Zukunft ohne teure Einzelfallprüfungen genehmigt werden können. Sie behindern ökologische Innovationen im Bauwesen, das muss hier einfach festgestellt werden.
Es gibt weitere Themen in der Bauordnung, die dringend einer Behandlung bedürfen. Deshalb wollen wir als Bündnis 90/Die Grünen, dass die Bauordnung insgesamt
evaluiert wird – so, wie es das Abgeordnetenhaus auch selber in § 87 vorgesehen hat, allerdings mit dem Termin 1. Januar 2010. Das ist nicht geschehen, und wir haben erst jetzt mit dem Senat einen ausführlichen Bericht verabreden können, der Anfang nächsten Jahres vorliegen soll.
Die Evaluierung muss ein weiteres Problem beleuchten. Mit der Bauordnung 2005 wurden die Abstandsflächen, also wenn Gebäude neu errichtet werden, deutlich reduziert. Dadurch kann viel enger gebaut werden. In mehreren Sanierungsgebieten gibt es regelrechte Nachverdichtungswellen. Höfe werden mit Seitenflügeln und Quergebäuden verengt und dadurch wird Licht und Luft von mancher Wohnung ferngehalten. Das müssen wir diskutieren. Wie viel Nachverdichtung wollen wir? Im Bauausschuss hat uns ein Vertreter des Bezirkes Mitte erklärt, dass dort die Verkleinerung der Abstandsflächen sehr kritisch gesehen wird. Aus Pankow weiß ich, dass dort die SPD eine Initiative verfolgt, die Bauordnung zu ändern und die Abstandsflächen anders zu regeln, in jedem Fall mit etwas mehr Freiraum zwischen Gebäuden.
Und ein Nächstes – die Genehmigungsverfahren! Sie haben die sogenannte Schlusspunkttheorie abgeschafft. Ein Bauherr oder ein Architekt kann sich nicht mehr sicher sein, dass eine Baugenehmigung ausreicht, um loslegen zu können mit der Realisierung eines Vorhabens. Die Baugenehmigung ist entwertet worden. Alle möglichen anderen Genehmigungen könnten auch noch erforderlich sein. Dadurch wurden zwar Kosten im Verwaltungsverfahren gespart, aber manchmal entstehen die dann woanders – zum Beispiel beim Verwaltungsgericht. Ich nenne Ihnen einen aktuellen Fall, Sie haben davon bestimmt gelesen. Ich zitiere aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin, Beschluss vom 12. Februar 2010 – VG 13 L 219/09:
Im Jahre 2005 hatte die damalige Eigentümerin eines Grundstücks in der Heinrich-Roller-Straße eine Baugenehmigung für den Umbau des ehemaligen Büro- und Verwaltungsgebäudes in ein Wohnhaus erhalten. Dieses Grundstück grenzt direkt an ein der Antragstellerin gehörendes Grundstück in der Greifswalder Straße, auf dem seit Jahrzehnten – baurechtlich und gewerberechtlich genehmigt – unter anderem die Diskothek „Knaack-Club“ betrieben wird. Die Baugenehmigung enthielt keinerlei Hinweise auf diesen Betrieb und sah daher auch keinerlei Lärmschutzauflagen vor. Nachdem der Umbau fertig gestellt war, beschwerten sich die Bewohner des Wohnhauses über die vom Club ausgehenden nächtlichen Lärmbelästigungen; Messungen ergaben erhebliche Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte. Über den daraufhin gegen die Baugenehmigung von der Antragstellerin eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Die 13. Kammer des VG hat vorerst die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs angeordnet. Dem Antrag stehe weder entgegen, dass das Gebäude inzwischen fertig gestellt
sei, noch, dass die Antragstellerin die Baugenehmigung erst 2009 angegriffen habe. Denn diese sei ihr als Nachbarin nicht bekannt gegeben worden. Gegen das Vorhaben stehe ihr ein Abwehranspruch zu, weil es das baurechtliche Rücksichtnahmegebot verletzte. Zur Rücksichtnahme sei nicht nur derjenige verpflichtet, der Emissionen verursache, sondern auch derjenige, der ein gegenüber Immissionen schutzbedürftiges Vorhaben wie ein Wohngebäude in der Nachbarschaft einer emittierenden Anlage errichte. Der Wohnungsbau sei in diesem Sinne als rücksichtslos anzusehen.“
Wenn bei der Baugenehmigung auch der Immissionsschutz eine Rolle gespielt hätte, wären dieser Rechtsstreit und einige öffentliche Aufregung vermieden worden. Sie sehen also: Auch das Genehmigungsverfahren muss überprüft und gegebenenfalls verändert werden.
An einer anderen Stelle haben wir eine Freistellung jetzt neu in die Bauordnung aufgenommen: Wärmedämmung ist bei Gebäuden, mit Ausnahme von Hochhäusern, nunmehr genehmigungsfrei. Das ist für statische Belange sicher in Ordnung. Aber es ergibt sich ein neues Problem: Bisher hat der Senat nichts unternommen, um die Einhaltung der Energieeinsparverordnung, der EnEV, bei Bauvorhaben zu prüfen oder gar zu gewährleisten. Das wird jetzt umso dringender.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die Bauordnung, aber auch andere Vorschriften funktionieren nicht von selbst. Und sie müssen gelegentlich evaluiert werden. Bei der Bauordnung ist es höchste Zeit. Die heutige Novellierung ist nur ein ganz kleiner erster Schritt.
Die vorgelegte Änderung der Berliner Bauordnung sehen wir inzwischen bei dieser Vorlage auch positiv. Wir erachten die Änderung der Bauordnung in Teilbereichen als sinnvoll und hilfreich, insbesondere die Abschaffung der Genehmigungspflicht für Dämmmaßnahmen, die bei Grenzbebauung auf das anliegende Grundstück überragen. Hier Erleichterungen für den Bauherren und Gestaltungsmöglichkeit zu eröffnen, ist aus unserer Sicht ein richtiger Schritt. Deregulierung in weiten Bereichen ist aus unserer Sicht ohnehin die richtige Richtung, auch wenn so mancher Administrator darüber stöhnt, dass ihm Mitspracherechte verloren gehen.
Die vorgeschlagene Änderung hinsichtlich einer Abschaffung von Müllschluckern oder Müllabwurfanlage sehen wir noch als nachvollziehbar ein. Die bei der Beratung dagegen vorgebrachten Argumente nehmen wir differenziert zur Kenntnis. Letztendlich haben wir uns bei der Abwägung von Pro und Kontra dieser noch bestehenden Anlagen von den Antworten und Überlegungen gegen das Beibehalten bestehender Anlagen zur Abschaffung bis zum Jahr 2013 überzeugen lassen.
Wovon wir allerdings überhaupt nicht überzeugt worden sind, ist die vorgesehene neue Regelung für Werbung an Baugerüsten. Die formulierte starre Regelung, dass Werbung nach sechs Monaten zu verschwinden hat, macht nach unserer Auffassung überhaupt keinen Sinn. Weder ist diese vorgesehene Regelung an die Größe des Bauvorhabens gekoppelt noch an die Bauzeit. Dagegen wenden wir uns, allerdings auch wegen der sich daraus ergebenden Konsequenzen als Finanzierungsinstrument.
Statt Aufhebung der Verfahrensfreiheit fordert die FDP hier echte Bürgerbeteiligung bei stadtbildprägenden Großwerbeflächen. Die Entwürfe sollen vom Senat im Internet zur Abstimmung gestellt werden mit dem Hinweis auf die entsprechend Einnahmemöglichkeiten. Bleibt die Beteiligung unter einer bestimmten Mindestbeteiligung, gilt das Plakat als genehmigt. Das jetzt vorgeschlagene strikte Verbot ist zwar typisch für diesen Senat, der Wirtschaft und den Bürgern permanent in die Tasche greift, stört ihn aber leider nicht wirklich.
Nein, die Liberalen lehnen diese Werbeflächenänderungsplanungen rundherum ab. Sollte der Senat dann noch versuchen zu definieren, was im Straßenbild ästhetische tragbar ist oder nicht, bleib nur noch völliges Unverständnis zurück. Da fällt einem glatt der Begriff der „Schönheitspolizei“ ein. Wer soll denn die Ästhetik bewerten? Wir denken, jede Menge Rechtsstreitigkeiten werden mit dieser Änderung der Bauordnung auf den Weg gebracht, weswegen wir sie in Gänze, auch bei Teilinhalten, die wir mittragen, am Ende ablehnen.
Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt Drs 16/3369 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2458
Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der jeweils zwei Artikel miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die jeweiligen Artikel I und II – Drucksachen 16/2458, 16/3369, 16/3100 und 16/3331. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.
In Bezug auf die Drucksache 16/2458 haben die Ausschüsse mehrheitlich gegen die FDP im Bauausschuss und Enthaltung der Grünen die Annahme in neuer Fassung zugestimmt. Wer dem Antrag im Wortlaut der Beschlussempfehlung mit der Drucksachennummer 16/3369 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grünen. Die FDP hat dagegen gestimmt. Dann ist gleichwohl so beschlossen.
Hinsichtlich der Drucksache 16/3100 hat der Bauausschuss die Neufassung mehrheitlich gegen CDU und FDP bei Enthaltung der Grünen empfohlen. Wer der Vorlage im Wortlaut der Beschlussempfehlung Drucksache 16/3331 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Dagegen sind die Fraktionen der CDU und der FDP. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grünen ist das dann so beschlossen.
Die vorliegenden Beschlussempfehlungen Drucksachen 16/3369 und 16/3331 beinhalten textgleich eine neue Fassung für das Erste Gesetz zur Änderung des Straßenausbaubeitragsgesetzes, sodass sie in einer Gesetzesausfertigung zusammengesetzt werden können. – Hierzu gibt es keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Damit ist das Erste Gesetz zur Änderung des Straßenausbaubeitragsgesetzes so angenommen.