Das ist bereits Alltag in diesem Land. Viele Menschen – Frau Grosse hat es schon gesagt – können von ihrer Arbeit nicht leben, auch wenn sie Vollzeit arbeiten. Das Problem, liebe FDP, lösen Sie nicht über branchenspezifische Tarifverträge, denn Sie wissen ja, dass die Tarifbindung abnimmt. Wenn Sie jetzt auf einmal auf Tarifverträge insgesamt setzen, dann wissen Sie auch, dass Tarifverträge kein Garant mehr für existenzsichernde Arbeitsplätze sind. Deshalb brauchen wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn.
Mindestlöhne sind kein Jobkiller. Das zeigen die Erfahrungen der anderen Bundesländer. Auch das ignorieren Sie einfach, und zwar seit vielen Jahren.
In vielen Branchen erhalten Vollzeitbeschäftigte bereits heute weniger als 1 300 Euro. Das ist weniger, als die Beschäftigten im Berliner ÖBS verdienen. Angesichts dieser Situation ist es richtig, dass die rot-rote Landesregierung dort, wo sie kann, Mindestlohnbedingungen einführt und sich für einen gesetzlichen Mindestlohn einsetzt.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf den ÖBS eingehen, denn Sie stellen ja in ihrem Antrag fest, dass der ÖBS in Berlin kein flächendeckender Ansatz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei. Das, Herr Thiel, hat übrigens auch nie jemand behauptet. Rot-Rot wollte mit dem ÖBS zeigen, dass er einerseits Erwerbslosen ökonomische Unabhängigkeit und eine berufliche Perspektive bieten kann und dass im ÖBS andererseits gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichtet wird, die gesellschaftliche Ausgrenzung verhindert und für den Zusammenhalt wichtig ist.
Wenn Sie sich die Untersuchungen anschauen, die jetzt vorliegen, dann werden Sie feststellen, dass wir recht hatten: Der ÖBS ist gut für die Beschäftigten; er ist gut für die Gesellschaft; und das Geld ist übrigens auch gut angelegt. Deshalb war es richtig, den Einstieg in den Berliner ÖBS zu wagen. Er muss weiter ausgebaut werden.
Herr Thiel! Er ist auch eine ernsthafte Alternative zu der Bürgerarbeit, die die Bundesregierung einführen will, weil er viel besser ist, und zwar für alle Seiten. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie sich ernsthaft wirklich einmal mit dem ÖBS in Berlin auseinandersetzen. Ich empfehle Ihnen hierzu die Seite www.von-Arbeit-leben.de.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Breitenbach! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat jetzt Frau Abgeordnete Pop das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle gegen die FDP. So ist das hier heute. Aber wenn man sich die Anträge durchliest, kann man auch verstehen, warum. Fangen wir an mit der Forderung, ein menschenwürdiges Einkommen sicherzustellen. Wenn die FPD solch einen Antrag stellt, bekommt man schon fast Angst. Wenn man sich anschaut, was Ihr Parteivorsitzender unter menschenwürdig versteht, bin ich froh, dass wir diese Anträge ablehnen. Ich erinnere nur an die spätrömische Dekadenz. Aber gut, dieser Bumerang hat gut zurückgetroffen.
Es ist das alte Lied, das wir schon kennen: gegen Mindestlöhne, aber für Sanktionen. Sie setzen hier ganz klar auf sinkende Löhne, obwohl die Reallöhne in den letzten Jahren schon so stark gefallen sind. Sie setzen auf den Niedriglohnsektor, und als Clou wollen Sie ihn auch noch steuerlich subventionieren. Ich frage mich, wie das funktionieren soll. Sie nutzen jede Möglichkeit, den Niedriglohnbereich zu Lasten der Beschäftigten, die davon nicht leben können, und zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die das mit Steuermilliarden subventionieren müssen, immer weiter wachsen zu lassen. Woher diese Steuermilliarden bei den milliardenschweren Steuererleichterungen, die Sie haben wollen, und der zusätzlichen Subventionierung der Kopfpauschale kommen sollen, das interessiert mich dann ja doch. Wie wird das alles zusammengerechnet? Ich glaube, das Kunststück haben Sie bis heute noch nicht vollbracht.
Auch die geforderte „sinnvolle Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten“ ist nichts anderes als eine Subventionierung von Unternehmen, die Niedrigstlöhne zahlen. Die eigentliche Frage ist doch: Wer finanziert den Lebensunterhalt von Menschen, die regulär Vollzeit arbeiten, aber davon nicht leben können? Da sehe ich nicht den Staat in der Pflicht, Herr Thiel – ich wundere mich sowieso, dass die FDP hier den Staat in der Pflicht sieht, um das zu subventionieren –, sondern die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Diese sind in der Pflicht, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so viel Gehalt zu zahlen, dass sie davon leben können. Deshalb brauchen wir auch einen Mindestlohn.
Richtig ist allerdings, dass davon nicht mehr allzu viel übrig bliebe. Das Netto vom Brutto eines Mindestlohns – wir haben das einmal ausgerechnet – wäre sehr gering. Das liegt aber nicht an zu hohen Steuern, Herr Thiel, sondern daran, dass die Sozialversicherungsabgaben in diesem Land nicht progressiv gestaltet sind wie die Steuern, sondern pauschal gezahlt werden. Das heißt: Ganz
gleich, wie viel oder wie wenig ich verdiene, ich zahle den gleichen Prozentanteil an Sozialversicherungsabgaben. Das muss man ändern. Diese Abgaben müssen herunter, sie müssen gestaffelt werden – die Grünen nennen das „Progressivmodell“ –, damit diejenigen, die wenig verdienen, tatsächlich mehr Netto vom Brutto haben. Mit Steuersenkungen hat das wahrlich gar nichts zu tun.
Zurück zu dem zweiten Antrag, der auch ein buntes Potpourri an arbeitsmarkt-, wirtschafts-, bildungs- – nur nicht sozialpolitischen – Forderungen ist: In einem Punkt haben Sie natürlich recht, nämlich dass wir in Sachen Arbeitsmarktpolitik in Berlin nicht besonders gut aufgestellt sind, weder bei der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit noch beim Bemühen dieser Regierung, Menschen dauerhaft von Leistungen der Grundsicherung unabhängig zu machen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob diese Regierung überhaupt der Meinung ist, dass sie Menschen Perspektiven eröffnen sollte, um sie langfristig tatsächlich von Transferleistungen unabhängig zu machen.
Wir Grüne sagen Ja zu einer vernünftigen materiellen Absicherung – Stichwort höhere Regelsätze. Aber erwerbslose Menschen brauchen auch Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt, und da sehen wir den Senat in der Pflicht. Berlin hat den Aufschwung der letzten Jahre nicht genutzt und steht zurzeit ziemlich schlecht da. Die einzige Ausweitung von Jobs, die wir haben, ist im Niedriglohnbereich. Das müsste Ihnen von der FDP eigentlich gefallen. Anstatt Erwerbslose zielgerichtet so zu qualifizieren, dass sie auch vom Konjunkturprogramm profitieren können, wird das Nachholen von Schulabschlüssen für Jugendliche gestrichen. Das ist angesichts von 25 000 arbeitslosen Jugendlichen – wir diskutierten heute bereits darüber – ein echter Skandal.
Zum Thema ÖBS: Der ÖBS ist das Einzige, was Sie arbeitsmarktpolitisch hinbekommen haben. Aber er ist und bleibt ein Symbolprojekt. Weder ersetzt er die Ein-EuroJobs, noch ist er ein ernsthaftes Modell, das tatsächlich für die Erwerbslosen der Stadt funktionieren könnte. Es sind ein paar Tausend, die größtenteils vernünftige Dinge machen und dafür eine gute Bezahlung erhalten. Das ist keine Frage, Frau Breitenbach. Aber für alle anderen – was haben Sie da eigentlich im Angebot? – Gar nichts, außer Ein-Euro-Jobs und hier und da vielleicht einmal eine Weiterbildungsmaßnahme. Das reicht an dieser Stelle schlicht und einfach nicht.
Nein! – Ein letzter Punkt: Bei der Neuordnung der Jobcenter warten wir bis heute darauf, dass Sie etwas tun.
Aber auch da agieren Sie nach dem alten Motto: An Hartz IV macht man sich von Rot-Rot die Hände lieber nicht schmutzig. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik, meine Damen und Herren von RotRot. Kümmern Sie sich wenigstens an dieser Stelle darum, dass die Jobcenter endlich vernünftig aufgestellt werden! Denken Sie in der Frage der Optionskommune noch einmal nach! Vielleicht kommen Sie dann doch auf die Frage der Verantwortung zurück, dass Berlin sich tatsächlich um seine Erwerbslosen kümmert und nicht so tut, als ob man mit denen nichts zu tun hätte. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pop! – Zum Antrag auf Drucksache 16/1450 – Stichwort: Mindesteinkommen – empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktionen CDU und Bündnis 90/Grüne. Das ist die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Zum Antrag auf Drucksache 16/3170 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Den Kulturtourismus in Berlin fördern, Vermarktungspotenziale besser nutzen, starre Spielzeitregelungen flexibilisieren
Den Kulturtourismus in Berlin fördern zu wollen, klingt so, als wollten wir Liberale Eulen nach Athen tragen. Berlin ist Boomtown. Berlin ist bereits Kulturmetropole. Die neuesten Studien belegen das eindrucksvoll. Leider belegen diese Studien aber auch: Berlin nutzt seine Potentiale nicht. Wir wollen Potentiale besser nutzen. Wir wollen Angebote ausweiten, Qualität verbessern und darüber die Einnahmen im Kulturbereich erhöhen.
Eine erste notwendige Reform wäre die Flexibilisierung der Spielzeiten. Die Sommerzeit ist Ferienzeit: Es strömen die Touristen in großer Zahl in die Stadt – die Berliner Wirtschaft profitiert davon – die Theater hingegen machen Pause, insgesamt fast drei Monate lang. Sicher, es
gibt Open-Air-Events, von Konzerten bis zu Straßenfesten. Aber: Ist das wirklich das Angebot, was unsere Gäste erwarten?
Die Kulmon-Studie der Berliner Tourismus-Marketing GmbH – BTM –, in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen in Berlin, dem Deutschen Historischen Museum, dem Jüdischen Museum, dem Naturkundemuseum, Schloss Charlottenburg, Friedrichstadtpalast und Stiftung Oper in Berlin, macht nämlich auch deutlich: Nicht Veranstaltungen als solche sind attraktiv, sondern die Angebote der jeweiligen Häuser in diesen Häusern. Die Menschen kommen nicht nach Berlin für Veranstaltungen der Marke „umsonst und draußen“ – Sie kommen wegen der Stahlkraft Berlins und vor allem wegen der Strahlkraft der Opern und Theater. Deren Angebote gilt es zu stärken und zeitlich auszuweiten.
Was spricht dagegen, wenn die Deutsche Oper ihre Spielzeit um vier Wochen verlängert? Was spricht dagegen, wenn das Deutsche Theater seinen Spielzeitbeginn um vier Wochen vorzieht? Die genannten Häuser sind Beispiele, meine Kolleginnen und Kollegen. Hier geht es erst einmal nicht um Vermarktung, sondern um Vermittlung von Kultur. Dass Kultur ein Wert an sich ist, haben gerade Liberale immer wieder betont. Diesen Wert stellen wir hier keineswegs in Frage. Im Gegenteil: Wir wollen ihn stärken, indem wir den Zugang zu ihm ausweiten. – Auch wenn Sie das, Herr Kollege Brauer, wider besseres Wissen anders interpretieren!
Natürlich gibt es Tarifverträge, natürlich gibt es historisch gewachsene und liebgewonnene Gewohnheiten. Aber Berlin ist keine Insel mehr. Die zweite Reform ist eine Reform der Vermarktung. Ist doch Kultur eben nicht nur Wert an sich sondern auch ein Wirtschaftsfaktor. Gerade dies verkündet der Senat doch oft und gerne medienwirksam. Hier passiert einiges, aber hier passiert nicht genug.
Nicht nur die Kulmon-Studie sondern auch die McKinsey-Studie zeigen, welch großes wirtschaftliches Potential der Kulturbereich besitzt, um in der Metropole Berlin Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Subventionierte Kultur ist keine Kulturwirtschaft. Aber subventionierte Kulturinstitutionen müssen wie Wirtschaftsunternehmen agieren.
So ist eine engere Kooperation der Häuser untereinander ebenso vonnöten wie – Abstimmungsprozesse der Spielpläne und -zeiten, – gemeinsame Marketingaktivitäten – Verstärkung des Eigenmarketings der einzelnen Häuser.
Die zielgruppengenaue Ansprache von Kulturtouristen muss weiter verbessert werden. Kulturpakete mit unterschiedlichen Angeboten müssen geschnürt und Buchungen unkompliziert vorgenommen werden können. Alle Instrumente zur Stärkung der kulturellen Stahlkraft Ber
Es muss im Interesse Berlins liegen, dass Touristen in unserer armen Metropole so viel Geld ausgeben wie nur möglich, zufrieden die Rückreise antreten, möglichst häufig wiederkommen und unsere Stadt in der Welt weiterempfehlen.
Der Fachausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die FDP die Ablehnung auf der Drucksache 16/2527. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen der FDP und der CDU. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Grüne. Das ist die Mehrheit. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Der Tagesordnungspunkt 12 steht auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 13 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter der lfd. Nr. 4.3. Die lfd. Nr. 14 steht auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 15 war gemeinsame Priorität der Koalitionsfraktionen unter der lfd. Nr. 4.1. Die lfd. Nr. 16 steht auf der Konsensliste.