Protocol of the Session on April 22, 2010

Das ist auch rein etymologisch nicht haltbar – vielen Dank meinen Kollegen von der SPD.

[Björn Jotzo (FDP): Möchten Sie lieber Brände?]

Sprechen wir lieber von einem Protestbrief, den die Initiative „Grundschulen im sozialen Brennpunkt“ an den Senator schickte.

[Mieke Senftleben (FDP): Ja, schönreden!]

Auch dieser Brief ist nicht mehr aktuell, zumal die Initiative selbst am Montag beschloss, nicht zum Boykott der Vergleichsarbeiten für Drittklässler – das ist nämlich VERA 3 – aufzurufen.

Die Sorgen, die diese Initiative, den Grundschulverband und die GEW umtreiben, die nehmen wir durchaus ernst.

[Mieke Senftleben (FDP): Ah ja!]

Der Koalition sind diese Probleme durchaus bekannt und zwar seit Jahren.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach!]

Deshalb sind in der letzten und in dieser Legislaturperiode viele Maßnahmen ergriffen worden. Wer hat denn 2004 das Schulgesetz maßgeblich verändert? – Diese Reformen betrafen doch hauptsächlich die Grundschule,

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

da können Sie doch nicht von Vernachlässigung reden! Das war die Priorität der letzten großen Schulreform, Frau Senftleben.

[Mieke Senftleben (FDP): Was hat sie gebracht?]

Wer hat das Einschulungsalter gesenkt, damit wir den Kindern aus bildungsfernen Schichten früher helfen können?

[Mieke Senftleben (FDP): Mit welchem Erfolg?]

Wer hat die Schulanfangsphase eingeführt, damit die Kinder individuell in unterschiedlichen Geschwindigkeiten lernen können und zwar nicht par ordre du Mufti verpflichtend, sofort und für alle, wie Sie behaupten, Herr Steuer, sondern ganz behutsam?

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Wer hat die Grundschule sukzessive zu Ganztagsgrundschulen gemacht – nicht nur, damit die Kinder länger miteinander lernen und spielen können, sondern auch, damit durch die vielfältigen Angebote am Nachmittag sportliche, künstlerische oder andere Interessen gefördert werden können? – Aber, und das hat zu meinem Erstaunen noch niemand gesagt, uns, die SPD, ist durchaus bewusst, dass man bereits vor der Schule, nämlich bei den Kitas, anfangen muss. Auch hier frage ich Sie: Wer hat denn – trotz Haushaltskonsolidierung – die letzten Kitajahre beitragsfrei gestellt, damit niemand ausgeschlossen wird, der sein Kind in eine Kita schicken möchte?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Die Ergebnisse sehen Sie doch! – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Wer hat das Mittagessen an den Grundschulen subventioniert?

[Wir! von der SPD]

Wer hat die Kitas zu Bildungseinrichtungen gemacht und die Erzieherinnenausbildung verbessert? Wer hat die Sprachlerntagebücher eingeführt, die sich nach anfänglicher Skepsis großer Beliebtheit erfreuen? Wer hat den Deutschtest vor der Einschulung festgeschrieben, aufgrund dessen Ergebnisse verpflichtende Deutschkurse durchgeführt werden?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Senftleben?

Ja, das passt, wahrscheinlich will sie genau das fragen, was ich jetzt sagen will.

Bitte schön, Frau Senftleben!

Ich habe erwartet, Frau Dr. Tesch, dass Sie sich wieder auf die Schulter klopfen: Wer hat, wer hat, wer hat? – Natürlich hat die SPD!

[Beifall bei der SPD – Dr. Felicitas Tesch (SPD): Danke!]

Genau die Frage müssen Sie mir jetzt beantworten: Mit welchem Ergebnis stehen wir heute eigentlich? Warum führen wir diese Debatte,

[Michael Müller (SPD): Weil Sie sie wollten!]

wenn diese Maßnahmen wirklich zum Erfolg geführt hätten? – Hier müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen!

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Ich habe es gewusst! Frau Senftleben! Es ist schon richtig eine Verbindung, die zwischen uns beiden besteht. Ich habe genau gewusst, was Sie fragen. Was ich Ihnen nun antworte, wäre mein nächster Satz gewesen.

Sie sind genau so lange, vielleicht noch länger, Bildungspolitikerin wie ich und wissen, dass man bei solch großen Reformen nicht sofort einen Erfolg spüren.

[Michael Schäfer (Grüne): 20 Jahre regiert ihr hier, 20 Jahre!]

Die großen Reformen, lieber Herr Schäfer, der große Umschwung, der war 2004.

[Zurufe von Michael Schäfer (Grüne), Andreas Gram (CDU), Mieke Senftleben (FDP) und Daniel Buchholz (SPD)]

Meine Damen und Herren! Lassen Sie die Rednerin in Ruhe ihr Glas Wasser trinken!

[Heiterkeit – Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Danke, Herr Präsident! Ich trinke auch Wasser; es ist ein bisschen wie in der Schule hier, so mein Gefühl.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich darf Sie bitten, der Rednerin zuzuhören!

Ich wiederhole: Solche großen Reformen brauchen Zeit, sicherlich fünf bis zehn Jahre. Einen minimalen Fortschritt haben wir aber schon erzielt – bei den Ergebnissen des Deutschtests sind schon minimale Verbesserungen zu verzeichnen.

[Mieke Senftleben (FDP): 0,4 Prozent!]

Welches sind nun die hauptsächlichen Bedenken der Verfasserinnen und Verfasser von offenen oder Protestbriefen? – Ein immer wiederkehrendes Argument sind die Klassenfrequenzen. Zunächst ist es aber so, dass kleine Klassen allein keine besseren Ergebnisse bringen. Dies belegt erneut eine Studie, die der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Wilfried Bos durchgeführt hat und die am 20. April 2010 im „Tagesspiegel“ vorgestellt wurde. Hier wurden Ergebnisse der internationalen Grundlesestudie IGLU 2006 analysiert. Diese Studie bekräftigt frühere Ergebnisse – auch die von PISA übrigens –, dass geringe Klassenfrequenzen allein keine Leistungssteigerungen bringen. Bos sagt:

Es ist ein Mythos, dass eine geringere Schülerzahl allein der Schlüssel zu individualisiertem Unterricht ist.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass man die Klassen voll stopfen solle, denn irgendwie werden die Kinder schon lernen. Dies tun wir in Berlin, und dies ist auch nicht beabsichtigt. Immer wieder wird die vermeintliche Wahrheit ausgesprochen, die Klassenfrequenzen in Berlin seien zu hoch. Die Grundschulverordnung hingegen basiert auf einer Einrichtungsfrequenz von 24 bis 28, je nach baulichen und organisatorischen Rahmenbedingungen können aber auch noch kleinere Klassen eingerichtet werden. Die Zumessungsrichtlinien basieren auf einer 24er Zumessungsfrequenz, und es gibt einen Stundenbonus von 0,5 pro Schülerin und Schüler bei überfrequentierten Klassen. Durch zusätzliche Stundenzumessung für Schulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunft und solchen mit Lern

mittelbefreiung liegt die Durchschnittsfrequenz in Berlin aber unterhalb der Zumessungsfrequenz.

[Mieke Senftleben (FDP): Und was bringt das?]

An dieser Stelle ist es mir wichtig zu betonen, Frau Kollegin, dass durch die neue Bemessung, die Senator Zöllner eingeführt hat,

[Mieke Senftleben (FDP): Die kein Mensch versteht!]