Sprechen wir lieber von einem Protestbrief, den die Initiative „Grundschulen im sozialen Brennpunkt“ an den Senator schickte.
Auch dieser Brief ist nicht mehr aktuell, zumal die Initiative selbst am Montag beschloss, nicht zum Boykott der Vergleichsarbeiten für Drittklässler – das ist nämlich VERA 3 – aufzurufen.
Die Sorgen, die diese Initiative, den Grundschulverband und die GEW umtreiben, die nehmen wir durchaus ernst.
Deshalb sind in der letzten und in dieser Legislaturperiode viele Maßnahmen ergriffen worden. Wer hat denn 2004 das Schulgesetz maßgeblich verändert? – Diese Reformen betrafen doch hauptsächlich die Grundschule,
da können Sie doch nicht von Vernachlässigung reden! Das war die Priorität der letzten großen Schulreform, Frau Senftleben.
Wer hat das Einschulungsalter gesenkt, damit wir den Kindern aus bildungsfernen Schichten früher helfen können?
Wer hat die Schulanfangsphase eingeführt, damit die Kinder individuell in unterschiedlichen Geschwindigkeiten lernen können und zwar nicht par ordre du Mufti verpflichtend, sofort und für alle, wie Sie behaupten, Herr Steuer, sondern ganz behutsam?
Wer hat die Grundschule sukzessive zu Ganztagsgrundschulen gemacht – nicht nur, damit die Kinder länger miteinander lernen und spielen können, sondern auch, damit durch die vielfältigen Angebote am Nachmittag sportliche, künstlerische oder andere Interessen gefördert werden können? – Aber, und das hat zu meinem Erstaunen noch niemand gesagt, uns, die SPD, ist durchaus bewusst, dass man bereits vor der Schule, nämlich bei den Kitas, anfangen muss. Auch hier frage ich Sie: Wer hat denn – trotz Haushaltskonsolidierung – die letzten Kitajahre beitragsfrei gestellt, damit niemand ausgeschlossen wird, der sein Kind in eine Kita schicken möchte?
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Die Ergebnisse sehen Sie doch! – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]
Wer hat die Kitas zu Bildungseinrichtungen gemacht und die Erzieherinnenausbildung verbessert? Wer hat die Sprachlerntagebücher eingeführt, die sich nach anfänglicher Skepsis großer Beliebtheit erfreuen? Wer hat den Deutschtest vor der Einschulung festgeschrieben, aufgrund dessen Ergebnisse verpflichtende Deutschkurse durchgeführt werden?
Ich habe erwartet, Frau Dr. Tesch, dass Sie sich wieder auf die Schulter klopfen: Wer hat, wer hat, wer hat? – Natürlich hat die SPD!
Genau die Frage müssen Sie mir jetzt beantworten: Mit welchem Ergebnis stehen wir heute eigentlich? Warum führen wir diese Debatte,
wenn diese Maßnahmen wirklich zum Erfolg geführt hätten? – Hier müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen!
Ich habe es gewusst! Frau Senftleben! Es ist schon richtig eine Verbindung, die zwischen uns beiden besteht. Ich habe genau gewusst, was Sie fragen. Was ich Ihnen nun antworte, wäre mein nächster Satz gewesen.
Sie sind genau so lange, vielleicht noch länger, Bildungspolitikerin wie ich und wissen, dass man bei solch großen Reformen nicht sofort einen Erfolg spüren.
[Zurufe von Michael Schäfer (Grüne), Andreas Gram (CDU), Mieke Senftleben (FDP) und Daniel Buchholz (SPD)]
Danke, Herr Präsident! Ich trinke auch Wasser; es ist ein bisschen wie in der Schule hier, so mein Gefühl.
Ich wiederhole: Solche großen Reformen brauchen Zeit, sicherlich fünf bis zehn Jahre. Einen minimalen Fortschritt haben wir aber schon erzielt – bei den Ergebnissen des Deutschtests sind schon minimale Verbesserungen zu verzeichnen.
Welches sind nun die hauptsächlichen Bedenken der Verfasserinnen und Verfasser von offenen oder Protestbriefen? – Ein immer wiederkehrendes Argument sind die Klassenfrequenzen. Zunächst ist es aber so, dass kleine Klassen allein keine besseren Ergebnisse bringen. Dies belegt erneut eine Studie, die der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Wilfried Bos durchgeführt hat und die am 20. April 2010 im „Tagesspiegel“ vorgestellt wurde. Hier wurden Ergebnisse der internationalen Grundlesestudie IGLU 2006 analysiert. Diese Studie bekräftigt frühere Ergebnisse – auch die von PISA übrigens –, dass geringe Klassenfrequenzen allein keine Leistungssteigerungen bringen. Bos sagt:
Es ist ein Mythos, dass eine geringere Schülerzahl allein der Schlüssel zu individualisiertem Unterricht ist.
Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass man die Klassen voll stopfen solle, denn irgendwie werden die Kinder schon lernen. Dies tun wir in Berlin, und dies ist auch nicht beabsichtigt. Immer wieder wird die vermeintliche Wahrheit ausgesprochen, die Klassenfrequenzen in Berlin seien zu hoch. Die Grundschulverordnung hingegen basiert auf einer Einrichtungsfrequenz von 24 bis 28, je nach baulichen und organisatorischen Rahmenbedingungen können aber auch noch kleinere Klassen eingerichtet werden. Die Zumessungsrichtlinien basieren auf einer 24er Zumessungsfrequenz, und es gibt einen Stundenbonus von 0,5 pro Schülerin und Schüler bei überfrequentierten Klassen. Durch zusätzliche Stundenzumessung für Schulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunft und solchen mit Lern
An dieser Stelle ist es mir wichtig zu betonen, Frau Kollegin, dass durch die neue Bemessung, die Senator Zöllner eingeführt hat,