Protocol of the Session on April 22, 2010

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Eine starre Regelung der Befristung von Werbung auf eine maximale Dauer von sechs Monaten lehnen wir jedoch eindeutig ab.

[Beifall bei der CDU]

Eine solche Regelung erscheint in der praktischen Umsetzung wenig handhabbar. So ist beispielsweise ein Baugerüst, welches mit einer einfachen Bauplane umschlossen ist, nicht gerade dem Stadtbild sonderlich zuträglich, wenn dieses nach Ablauf der sechs Monate stehen bleiben muss, weil die Baumaßnahme noch nicht beendet ist. Da werden Sie mir doch recht geben, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition.

[Beifall bei der CDU – Uwe Goetze (CDU): Tun sie nicht, die schlafen oder quatschen!]

Die Beschränkung auf sechs Monate hätte übrigens auch die Sanierung des Brandenburger Tores verhindert. Um großflächige Werbung in Berlin einzudämmen, ist es doch wesentlich zielführender, wenn man die zur Verfügung stehende Werbefläche auf eine bestimmte Größe beschränkt und z. B. sagt, dass maximal 40 Prozent der Gesamtfläche des Gerüstes für Werbezwecke verwendet werden dürfen. Das sieht die Industrie- und Handelskammer übrigens ebenso – Flächenbegrenzung anstelle von starren zeitlichen Regelungen. Zudem könnte der Bauherr vor Baubeginn einen Bauzeitablaufplan vorlegen, für dessen Zeit die Werbung genehmigt wird, um zu verhindern, dass es womöglich zu Bauverzögerungen kommt, nur damit die Werbung länger hängenbleiben kann.

Um dem Problem der ausschließlich zu Werbezwecken errichteten Gerüste zu begegnen, dürfen nur Genehmigungen für Werbeplanen an Baugerüste erteilt werden, wenn diese Baugerüste auch tatsächlich für bauliche Maßnahmen erforderlich sind. Ansonsten werden nämlich weiterhin Baugerüste aufgestellt, die für die Baumaßnahmen nicht erforderlich sind oder überhaupt keine Bauarbeiten ausgeführt werden.

Ellen Haußdörfer

Entschuldigung, Frau Bung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Hämmerling?

Nein, danke! – Das gilt dann übrigens auch in den sechs Monaten, sehr geehrte Frau Senatorin.

Die Änderung der Bauordnung betrifft aber noch einen anderen wesentlichen Punkt, nämlich das Verbot, neue Abfallschächte zu errichten bzw. bestehende Schächte bis zum 31. Dezember 2013 außer Betrieb zu nehmen. In der Schlangenbader Straße in Wilmersdorf hat die DEGEWO vor einigen Jahren versucht, ein neues Müllkonzept umzusetzen und die hausinternen Abfallschächte zu schließen. Als alternative Lösung wurden dann Kinderwagenräume – ja, Sie hören richtig, Kinderwagenräume! – zur Müllaufbewahrung umgenutzt. Die Kapazitäten dieser Einrichtung reichten jedoch bei weitem nicht aus, um das Müllaufkommen dieser Wohnanlage mit mehr als 2 500 Wohneinheiten zu bewältigen. Die Mülltonnen quollen über, mit dem Abtransport kam man nicht hinterher. Nach großem Protest der Mieter und Unterstützung der Eigentümer hat die DEGEWO dann vorerst Abstand von der Schließung der Abfallschächte genommen. Das gleiche Problem stellt sich übrigens momentan auch im Märkischen Viertel, wo die GESOBAU gegen den Willen der Mieter die Schächte schließen möchte. Letztlich ist die Mülltrennung doch nicht abhängig vom Vorhandensein einer Müllabwurfanlage, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition. Ich hoffe, dass Sie Ihre Position dieser Frage noch einmal überdenken werden. Wie Sie mit den Mietern unserer Stadt umgehen, haben wir schon in unserer letzten Sitzung am Montag gesehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bung! – Für die Linksfraktion hat Herr Abgeordnete Dr. Flierl das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linksfraktion begrüßt die Vorlage zur Änderung der Bauordnung und des Berliner Denkmalschutzgesetzes ganz ausdrücklich. Wir haben uns auch Mühe gegeben, am Zustandekommen dieser Fassung aktiv mitzuwirken.

Die großflächige Werbung – auf die will ich mich konzentrieren – ist ein großes Ärgernis im Stadtbild Berlins. Man muss feststellen, dass die Baugerüstwerbung stärker wurde, nachdem der Bauboom eigentlich abgeschwächt war. Während in den 90er-Jahren die großen Investitionen in der Innenstadt waren, ist die richtige Renaissance und die Blüte der Großflächenwerbung an Baugerüsten eigentlich erst später entstanden. Das hat unter anderem auch damit zu tun, und insofern müssen wir das auch selbstkri

tisch als Koalition betrachten, dass die Liberalisierung in genau die Zeit dieses Senats fällt, nämlich 2005, und dass in der Tat die Grundannahme der damaligen Novellierung anzunehmen, Werbung sei nicht verunstaltend, falsch war.

[Beifall von Claudia Hämmerling (Grüne) und Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Und wenn man nach den Gründen fragt, warum das gemacht wurde, dann gab es natürlich so eine mainstreamige Vorstellung, dass Werbung mit Urbanität und Weltläufigkeit zu tun hat. Wenn man sich allerdings in den Metropolen dieser Welt umsieht, sieht man, dass Großflächenwerbung in dieser barbarischen und banalen Art wie in Berlin kaum zu finden ist, dass das also eine sehr provinzielle Vorstellung von Welthaltigkeit ist, diese Großflächenwerbung hier zu unternehmen.

[Zuruf von Albert Weingartner (FDP)]

Hinzu kommt, dass natürlich durchaus ein Theorem der Vermögensaktivierung mitwirkte, dass also schmaler werdende öffentliche Haushalte dazu führten, dass die öffentlichen Flächen und Gebäude herhalten mussten, um öffentliche Ausgaben zu finanzieren und dass sich da die öffentliche Hand mitunter selbst etwas herausgenommen hat, was sie anderen nach der Bauordnung gar nicht gestattet hat, also musste diese nachträglich geändert werden. Ich glaube, dass man diesen Mechanismus genau verstehen muss, warum es eigentlich im Nachgang zu den großen Bauaktivitäten der 90er-Jahre 2005 zu dieser richtigerweise korrigierten Änderung kam.

Ich hatte Gelegenheit, selbst in verschiedener mehr beobachtender oder distanzierter Form als Baustadtrat in Mitte daran teilzunehmen. Und Sie werden sich alle an die ersten Verhüllungen des Brandenburger Tors erinnern – und ich fand die Idee richtig, durch Selbstdarstellung von Sponsoring die Sanierung des Tores mit zu finanzieren, aber die ersten Darstellungen waren noch von Intelligenz getragen und hatten einen gewissen künstlerischen Anspruch. Die späteren waren dann tatsächlich nur noch Produktwerbung. Wir wissen alle, dass inzwischen die Gerüste nach den Formaten der Großflächen aufgestellt wurden und nicht nach den Baubedürfnissen. Die Steigerung war noch das Potemkinsche Dorf des Leipziger Platzes, dass nämlich die Investoren den Baubeginn hinauszögern konnten, weil sie sich die Grundsteuer und die Kosten, die auf dem Grundstück liegen, ersparen konnten, weil sie geworben haben. Für das Land Berlin wäre es von den Bauinvestitionen bis zur tatsächlichen Wirtschaftskraft sinnvoller gewesen, bald anzufangen.

Das soll nun ein Ende haben. Das ist sehr zu begrüßen. Es ist natürlich auch zu hoffen, dass solche wichtigen großen öffentlichen Bauten wie das Humboldt-Forum dann befreit werden von kleinlicher Werbung. Ich hoffe, dass der Weihnachtszug von Coca Cola eine einmalige Ausnahme war, die Humboldt-Box zu finanzieren. Wir müssen hier einen Paradigmenwechsel vornehmen. Wir müssen die Bedeutung der öffentlichen Räume, auch der öffentlichen Gebäude stärken. Nehmen wir uns ein Beispiel an der

übrigens sehr konservativ regieren Metropole São Paulo. Sie haben vor einigen Jahren sämtliche Werbung im öffentlichen Raum verdammt. Die Stadt, obwohl sie modern und chaotisch entstanden ist, hat eine Gestalt und an Qualität gewonnen, die ihresgleichen sucht.

[Beifall von Claudia Hämmerling (Grüne) und Stefan Ziller (Grüne)]

Ich freue mich auf die Ausschussberatung, auf eine grundsätzliche Änderung in dieser Frage und will nach anmerken, dass auch die anderen Aspekte der Bauordnungsänderung von uns unterstützt werden. Vielleicht können die Abfallschächte auch schon vor 2013 beseitigt werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Flierl! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Otto das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bauordnung ist ein ganz wichtiges Gesetz in jedem Bundesland. Insofern hätte ich mir eigentlich gewünscht, dass die Senatorin uns hier vielleicht eine Einführung gibt in das, was Sie vorhat, in das, was jetzt neu wird, und uns insbesondere einen Überblick gibt, welche Erfahrungen es eigentlich mit der Bauordnung von 2005 gibt. Die ist jetzt ungefähr fünf Jahre alt. Die Bauordnung bestimmt alles, was neu gebaut wird, alles, was umgebaut wird in Berlin, bestimmt Bauprodukte, Abstände. Das ist ein sehr lebensnahes Gesetzeswerk. Da hätte ich mir gewünscht, Frau Junge-Reyer, das Sie uns das hier vorstellen.

Wir haben in § 87 der Bauordnung selbst stehen, dass sie bis zum 1. Januar 2010 überprüft werden soll. Deswegen hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits im vergangenen Jahr eine Anhörung im Ausschuss für Bauen und Wohnen angeregt. Die haben wir dann auch durchgeführt. Ich bin enttäuscht, dass der Senat hier nur drei Einzelthemen herausgegriffen hat und aus dem Kanon der anderen Themen, die dort angesprochen wurden, nichts aufgegriffen hat. Ich erwähne beispielhaft die Abstandsflächen. Es haben sich mehrere Bezirke an uns gewandt, haben gesagt, wir sind mit der Regelung nicht zufrieden, die seit 2005 gilt. Dazu sagen Sie nichts.

Es haben uns im Rahmen der Anhörung Leute gesagt, die neuen Genehmigungsverfahren und Freistellungsregelungen forderten sehr viel von den Architekten, von den Ingenieuren, das könnten nicht alle leisten. – Was muss man da tun? Was ist an Schulung nötig? Wo muss man vielleicht diese Freistellungsverfahren überprüfen und Änderungen herbeiführen? Ein Beispiel: Viele Gebäude,

die in Berlin errichtet werden, sehen niemals jemand vom Bauamt.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Das muss nicht schlimm sein!]

Ich habe schon Gebäude besichtigen dürfen, weil sich Bürger an mich gewandt haben, die wirklich gruselig sind, wo man sich sagt, dass das überhaupt noch steht, ist ein Wunder. Ist die Freistellung von Genehmigungen, von Verfahren, von Abnahme in jedem Fall richtig gewesen? Dazu hätte ich mir etwas gewünscht.

Oder ein weiteres Beispiel: Auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben Sie unter anderem das Gebäude in der Esmarchstraße, das im vergangenen Jahr den deutschen Holzbaupreis erhalten hat: Wie ist es eigentlich mit innovativem Bauen, mit ökologischem Bauen? Dazu sagen Sie nichts. Ich kann Ihnen sagen, der Architekt, den wir bei unserer Anhörung hatten, der hat uns erklärt, wie schwer das ist, in Berlin innovativ-ökologisch zu bauen. Man wird von Behörden behindert, man muss Gutachten beauftragen, man muss sehr viel Geld mehr ausgeben als man eigentlich hat, um so etwas voranzubringen. Auch dazu sagen Sie uns hier nichts.

Zu dem Thema der Werbung, das hier die Debatte dominiert: Wir haben das von Anfang an gesagt, Bündnis 90/Die Grünen hat gesagt, oh, mit der Verunstaltung durch Werbung, wir wundern uns, dass das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Kulturverwaltung das nicht von Anfang an beachtet haben. Wir haben das im Prinzip von vorneherein kritisiert und haben gesagt, das wird schwierig, der Feldversuch Großflächenwerbung in Berlin. Das betrifft ja nicht nur die Bauordnung. Dieses Werbethema wirft ja insgesamt auf die Senatspolitik ein ziemlich schlechtes Licht. Denken Sie an das Beispiel Charité. Das Charité-Hochhaus in Mitte wurde eingewickelt mit Werbeträgern, da wurde überhaupt nicht gebaut. Da lagen die kranken Leute in ihren Zimmern und wurden von außen durch die Werbeplane vom Tageslicht abgeschottet. Für ein Krankenhaus, das dem Land Berlin gehört, war das ein Skandal.

[Beifall bei den Grünen]

Frau Haußdörfer! Sie haben auf die Baudenkmale hier abgehoben, das Charlottenburger Tor haben Sie genannt. Beim Charlottenburger Tor oder auch bei anderen ging es nur am Rand um die Bauordnung. Da ging es in der Hauptsache darum, dass das Land Berlin, dass Senatsverwaltungen, Bezirksverwaltungen Verträge abgeschlossen haben, ohne darauf zu achten, dass Berlin daraus Einnahmen hat, ohne darauf zu achten, wie lange die Bauvorhaben angelegt sind und dass man überprüfen kann, was die Leute, die diese Werbeeinnahmen einkassieren, eigentlich mit dem Geld anstellen. Das war nicht Bauordnung, sondern Unvermögen der Koalition hier in Berlin. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Dr. Thomas Flierl

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Otto! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Weingartner das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorgelegte Änderung der Berliner Bauordnung sehen wir in einigen Bereichen, speziell was die Werbung betrifft, als schwierig an und erachten die Änderung der Bauordnung in diesem Teilbereich als eher nicht sinnvoll. Kommenden Mittwoch haben wir im Ausschuss mit Vertretern der Architektenkammer und BBU zu diesem Gesetz eine Anhörung. Vielleicht ist es ja noch möglich, die qualitativen Erkenntnisse aus dieser Anhörung noch in diesem Gesetz in einer Vorlage unterzubringen.

Bei der danach stattfindenden Debatte im Ausschuss über den vorgelegten Gesetzentwurf werden wir genau darlegen, aus welchen Gründen wir den Versuch, wieder Beschränkungen bei großflächigen Werbungen einzusetzen, sehr kritisch sehen. Wir können es nicht nachvollziehen, Frau Haußdörfer, weswegen z. B. bei einem Sanierungsvorgang, der länger als sechs Monate dauert, nach diesen sechs Monaten statisch die Werbung zu entsorgen ist und danach ein anderer Bauschutz bzw. Schutz der Umgebung aufgebaut werden muss. Das kostet doch alles bloß Geld. Die Koalition redet zwar immer von Kosten kleinhalten, geht es aber um konkrete Dinge, dann stellen wir immer wieder fest, dass der Belastungsfaktor für die Wirtschaft und Bürger beim Senat keine Rolle spielt.

[Beifall bei der FDP]

Sollte der Senat noch versuchen, die Qualität der Werbung zu definieren, was im Straßenbild ästhetisch tragbar ist oder nicht, bleibt nur noch völliges Unverständnis übrig. Da fällt einem glatt nur noch der Begriff Schönheitspolizei oder Ähnliches ein. Statt der Aufhebung der Verfahrensfreiheit fordert die FDP hier echte Bürgerbeteiligung bei stadtbildprägenden Großflächenwerbungen.

[Beifall bei der FDP]

Die Entwürfe sollen vom Senat im Internet zur Abstimmung gestellt werden mit dem Hinweis auf die entsprechenden Einnahmen, die bei einer Anbringung von Werbung möglich wären. Das ist die Auffassung der Liberalen. Bleibt die Beteiligung dann allerdings unter einer bestimmten Mindestgröße, soll das Plakat oder die Werbung als genehmigt gelten.

Das jetzt vorgeschlagene strikte Verbot ist zwar typisch für diesen Senat, der Wirtschaft und Bürgern permanent in die Tasche greift – wir haben das ja heute schon gehört –, stört den Senat aber leider nicht wirklich. Im besten Fall kommen noch ein paar Krokodilstränen über die entstandene Lage, und das war es. Nein, die Liberalen lehnen diese Werbeflächenänderungsplanung rundherum ab. Herr Flierl! Wenn Sie sagen, in anderen Großstädten gäbe es kaum Werbung, ich weiß nicht, ob Sie schon mal

in New York oder London – Trafalgar Square, Times Square – waren, fast keine Werbung zu sehen. Ich kann Ihren Argumenten in dem Fall nicht wirklich folgen.

[Heidi Kosche (Grüne): Aber schön ist das auch nicht!]

Das heißt, wir empfinden diese Änderung als nicht nachvollziehbar.

Anders bei den anderen beiden vorgeschlagenen Änderungen, Vorschriften zur energetischen Sanierung im Bestand und Verbot der Errichtung von sogenannten Müllschluckern bzw. deren Stilllegung. Hier haben wir ähnliche Betrachtungsweisen wie in der Vorlage dokumentiert und werden diesen Teilen der Vorlage zustimmen können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.