Protocol of the Session on March 25, 2010

Danke schön, Herr Kollege Thiel! – Für den Senat antwortet nun Senator Wolf. – Bitte schön, Herr Wolf, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage der FDP, Herr Kollege Thiel hat es eben noch mal gesagt, verlangt eine allgemeine Auskunft über ein breites Themenspektrum, über das Thema Rekommunalisierung: Welche Vor- und welche Nachteile hat es, und wie stellt sich das Thema dem Land Berlin dar?

Wir haben gegenwärtig in vielen Kommunen eine Diskussion über Rekommunalisierung. Es gibt einen neuen Trend hin zur Rekommunalisierung im Gegensatz zur Privatisierungswelle, die wir in den Neunzigerjahren erlebt haben. Dresden hat vor wenigen Tagen einen Energieversorger zurückgekauft, eine Vielzahl von Kommunen nutzen das Auslaufen von Konzessionsverträgen, um entweder Eigentum an den Netzen zu erwerben oder Stadtwerke zurückzukaufen. Einer der bedeutendsten Schritte war die Tatsache, dass 50 Stadtwerke den EonAnteil an der Thüga zurückgekauft haben und damit die Thüga vollständig kommunalisiert ist. Unter anderem haben sich dort Frankfurt, Hannover und Nürnberg beteiligt. Nach meiner Kenntnis ist zumindest Frankfurt keine rot regierte Kommune, sodass das durchaus ein über mehrere Parteien hinweg diskutiertes Thema ist.

Es ist nicht nur ein Thema, das die Parteien und die Stadträte bewegt, sondern es ist auch ein Thema, das Bürgerinnen und Bürger bewegt. So haben sich 87 Prozent der Leipziger gegen die geplante Teilprivatisierung der Stadtwerke ausgesprochen. In anderen Städten haben wir ähnliche Volksentscheide mit ähnlichen Ergebnissen.

Der Hintergrund dieser Entwicklungen ist die Tatsache, dass sich die Versprechungen, die mit den Privatisierungen der 90er Jahre verbunden waren – dass die Märkte und Kapitalmärkte das schon regeln werden, dass die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge durch den Wettbewerb, der mit der Liberalisierung verbunden sein soll, effizienter und kostengünstiger erbracht werden –, meistens nicht realisiert haben. Wenn wir uns den Energiesektor ansehen, dann können wir feststellen, dass wir dort einerseits eine Liberalisierung gehabt haben, sich gleichzeitig aber mit den Privatisierungen auch oligopolistische Strukturen herausgebildet haben, etwa dadurch, dass sich die großen Energiekonzerne an kommunalen Versorgern beteiligt haben, entweder über Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen oder gänzlichen Aufkauf. So ist der Wettbewerb im Energiemarkt, um es einmal vorsichtig zu formulieren, weitgehend nicht vorhanden oder bestenfalls nur in Teilbereichen. Deshalb haben sich die erwarteten Effekte auch nicht eingestellt.

Gleichzeitig haben wir durch diese oligopolistische Struktur, wo langfristige Investitionen gebunden sind, die Situation gehabt, dass auch eine dezentrale, ökologische Energiepolitik zumindest gebremst, wenn nicht blockiert worden ist. Sie müssen sich nur die gegenwärtige Diskussion über die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ansehen, jetzt einmal jenseits der Frage, ob

man aus der Atomenergie aussteigen soll oder nicht. Aber die Tatsache, dass die Laufzeiten für diese abgeschriebenen Atomkraftwerke verlängert werden sollen und deshalb riesige, zusätzliche Strommengen auf dem Markt wären, würde dazu führen – und dagegen gibt es einen breiten Protest der Stadtwerke –, dass Investitionen in dezentrale oder ökologische Energieversorgung blockiert werden. Das macht deutlich, dass man in diese Strukturen eingreifen und etwas unternehmen muss.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben in Berlin Erfahrungen mit der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe gemacht. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es mittlerweile keine Fraktion mehr in diesem Hause gibt – im Gegensatz zum Jahr 1999, als es dafür noch eine Mehrheit gab –, die die Teilprivatisierung, wie sie damals vollzogen wurde, heute noch unterstützt. Das Resultat ist eine Preisentwicklung, die von, glaube ich, allen hier im Hause, den privaten Haushalten und auch der Wirtschaft beklagt wird. Sie liegt nicht daran, dass die Kostenstruktur bei den Berliner Wasserwerken so hoch ist, sondern daran, dass man sich, wenn man eine Umsatzrendite von 25 Prozent aus einem Monopolunternehmen generiert, die Frage stellen muss, ob das in Ordnung oder etwa die missbräuchliche Ausnutzung einer Monopolstellung ist. Es liegt in der Natur der Wasserbetriebe, dass wir hier ein natürliches Monopol haben. Ich möchte keine Durchleitung von Wasser aus irgendwelchen anderen Versorgungsgebieten in das Berliner Wassernetz haben, weil ich die Berliner Qualität behalten möchte. Ich möchte kein verchlortes Wasser aus – ich nenne jetzt keine Namen – in unser Netz eingespeist haben. Deshalb wird es weiterhin ein natürliches Monopol bleiben, und ein natürliches Monopol bedarf der öffentlichen Kontrolle. Man kann ein natürliches Monopol nicht in private Hände geben, sondern es bedarf der öffentlichen Kontrolle. Daher müssen wir hier etwas unternehmen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir haben gegenwärtig 50,1 Prozent an den Berliner Wasserbetrieben. Das ist formal eine Mehrheit. Aber wir haben das Problem, dass wir durch die Bestimmungen des Teilprivatisierungsvertrags, die damals an Verzinsungsregelungen, an kalkulatorischen Kosten etc. vereinbart worden sind, in unserer Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sind. Deshalb ist es das Ziel des Senats, diesen Vertrag neu zu verhandeln oder zu modernisieren, wie es die privaten Anteilseigner nennen, also wieder die Möglichkeit zu bekommen, wirtschaftlich zu handeln. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben seit Jahren bei den Berliner Wasserbetrieben die Situation, dass wir einen sinkenden Umsatz und gleichzeitig steigende Preise haben. Das ist ein typisches Monopolverhalten. Wenn man aber rational agieren würde, würde man auf sinkenden Umsatz mit stabilen, teilweise auch sinkenden Preisen reagieren, um den Umsatz stabil zu halten oder sogar zu erhöhen.

Darum also geht es bei den Berliner Wasserbetrieben: aus einem teilprivatisierten Unternehmen wieder ein teilre

kommunalisiertes Unternehmen zu machen, wo der öffentliche Einfluss auch wieder im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und des Landes Berlin ausgeübt werden kann. Da gehören solche Regelungen heraus wie disproportionale Gewinnaufteilung, Ausgleichsverpflichtungen etc.

Aus der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe haben wir netto 1,5 Milliarden Euro eingenommen, die damals nicht als Nettokreditaufnahme getätigt werden mussten. Das entspricht einer jährlichen Zinsersparnis von ca. 70 Millionen Euro. Diese 70 Millionen Euro kumuliert sind 700 Millionen Euro. Jetzt sehen Sie sich an, was aus den Anteilen der Privaten in dieser Zeit an Rendite gekommen ist: Die Privaten haben in dieser Zeit 1,05 Milliarden eingenommen. Das Land hat etwas weniger eingenommen, aber auch noch eine ganze Menge. Aber wenn wir 100 Prozent hätten, hätten wir beide Anteile bekommen, und das wäre deutlich mehr gewesen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich sage: Auch unter fiskalischen Gesichtspunkten hat sich diese Teilprivatisierung nicht gelohnt. Das ist ein Hinweis darauf, dass es durchaus auch für das Land sinnvoll sein kann, Eigentum zu halten, wenn es wirtschaftlich geführt wird, nicht nur, um gute Leistungen zu bringen, sondern auch, um eigenständige Einnahmen für die Kommune zu generieren, was gegenwärtig übrigens auch ein Grund ist, warum Kommunen Netze zurückkaufen. Das ist nämlich ein relativ stabiles Geschäft mit einem stabilen Cashflow für die Kommunen und damit auch eine sichere Rendite. Gleichzeitig können ökologische und wirtschaftlich vernünftige Zwecke damit verfolgt werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die zweite Erfahrung, die wir in Berlin gemacht haben, war keine mit einem privaten Unternehmen, sondern mit einem öffentlichen Unternehmen, das aber wie ein privates Unternehmen und wahrscheinlich schlechter als ein privates Unternehmen geführt wurde. Ich spreche von der S-Bahn. Mit der Vorbereitung auf den Börsengang wurde alles darauf ausgerichtet, die Braut hübsch zu machen und das Unternehmen auf Verschleiß zu fahren. Wir haben das hier ausführlich diskutiert. Deshalb will ich es an dieser Stelle kurz machen. Auch ist Ihnen die Position des Senats bekannt. Der Senat hat am 26. Januar beschlossen, drei Varianten anzugehen: die Ausschreibung eines Teilnetzes, die Direktvergabe an das kommunale Unternehmen BVG oder den gänzlichen Kauf der S-Bahn einschließlich des Netzes.

An dieser Stelle würde ich mich, Herr Thiel, freuen, wenn sich die FDP im Bundestag und die Landesregierungen mit FDP-Beteiligungen dafür engagieren würden – was durchaus auch im Sinne von Wettbewerb wäre –, dass ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn, wenn es nicht mehr mit dem Betrieb beauftragt wird – sei es über eine Ausschreibung oder weil wir eine Direktvergabe an die BVG vornehmen –, verpflichtet ist, sein rollendes Material zum Buchwert an den neuen Betreiber abzugeben, statt auf seiner Monopolstellung zu beharren und damit den Ein

tritt anderer Akteure zu erschweren. Das wäre einmal ein Beitrag der FDP, den sie für mehr Wettbewerb leisten könnte.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie haben das Thema Netze angesprochen. Ich halte es in der Tat für ein wichtiges Thema. Wir haben bei den Netzen für Gas und Strom laufende Konzessionsverträge bis 2013 und 2014. Wir werden dazu im Jahr 2011 Entscheidungen treffen müssen, weil spätestens dann über Neuausschreibungen entschieden werden muss.

Netze sind meiner Auffassung nach wesentliche städtische Infrastruktur. Sie sind auch nichts, was man sinnvoll im Wettbewerb betreiben kann. Man sollte nämlich keine konkurrierenden Netze betreiben. Wir haben das teilweise bei der Telekommunikation, was nicht unproblematisch ist. Sie sind also eine wichtige städtische Infrastruktur und entscheidend für das Funktionieren einer Stadt.

Deshalb ist es aus mehreren Gründen auch wichtig, auf Netze kommunalen oder öffentlichen Einfluss auszuüben, einmal aus dem Grund, dass wir ein nachhaltiges Investitionsgeschehen und einen Unterhalt dieser Netze brauchen, weil es Lebensadern einer Stadt sind. Ich habe kein Interesse daran, dass Netze auf Verschleiß gefahren werden. Das ist gegenwärtig nach all dem, was wir wissen, bei Vattenfall und GASAG nicht der Fall, aber GASAG hat vor kurzem ihr Überlandnetz verkauft. Da waren Finanzinvestoren am Start. Eine solche Entwicklung, dass städtische Netze an Finanzinvestoren veräußert werden können, möchte ich nicht haben. Deshalb brauchen wir nicht nur einen Einfluss über Konzessionsverträge, sondern – das ist eine Position von mir, sie ist im Senat noch nicht endgültig diskutiert – wir müssen zumindest Teileigentum an den Netzen erwerben.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von den Grünen]

Herr Thiel! Wenn Sie sich die Situation ansehen, dass es von der Bundesnetzagentur von der bundesweiten Regulierung gegenwärtig zulässig ist, dass Sie auf das Eigenkapital in den Netzen eine Verzinsung von um die 9 Prozent nehmen können – wenn Sie die Netze mit einem Kommunalkredit erwerben würden, wo Sie zurzeit zwischen 4 und 4,5 Prozent zahlen, wäre das nicht schädlich, sondern eher positiv für den Haushalt, unter der Voraussetzung, dass die Netze in einem vernünftigen Zustand sind – wovon ich beim gegenwärtigen Erkenntnisstand bei den Berliner Netzen ausgehe.

Deshalb sage ich: Das ist wirtschaftlich vernünftig, es ist aber auch vernünftig, wenn wir ernsthaft an das Thema dezentrale Energieversorgung in der Stadt herangehen wollen. Wenn wir den Bestand von dezentralen KraftWärme-Kopplungsanlagen erweitern wollen, wenn wir mehr über biogasdezentrale Anlagen in das Netz einspeisen wollen, brauchen wir eine entsprechende Netzinfrastruktur. Da brauchen wir auch eine Einflussmöglichkeit der Kommune, weil es sich um ein Thema der Stadtent

wicklung dreht, und das können wir nicht einfach der privaten Einflussnahme überlassen, sondern hier brauchen wir auch öffentlichen Einfluss und öffentliche Steuerung. Deshalb ist mein Plädoyer – wie gesagt, in der Koalition und im Senat noch nicht abschließend diskutiert –, dass wir versuchen sollten, auch öffentlichen Einfluss auf Netze zu bekommen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich habe auf dem Parteitag meiner Partei zwei Sätze zu einem Thema gesagt, nämlich dass ich finde, dass wir auch darüber nachdenken müssen, wie das andere Kommunen tun, ob wir nicht gerade auch unter dem Gesichtspunkt ökologischer Energieversorgung einen eigenen kommunalen Energieversorger brauchen. Denn wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Akteuren, die ökologische Energie liefern oder in die ökologische Energieerzeugung gehen, von dem, was an Solaranlagen bei der Berliner Energieagentur betrieben wird über dezentrale Blockheizkraftwerke über die Frage, was an Solaranlagen in der Stadt noch perspektivisch entwickelt werden kann – Biogasanlagen bei der BSR etwa, aber auch in anderen Bereichen, wo das vorstellbar ist. Auch die Müllverbrennungsanlage Ruhleben produziert in erheblichem Umfang Energie, die zurzeit überwiegend an Vattenfall verkauft wird. Es stellt sich also die Frage, ob wir diese Energiekapazitäten nicht bündeln und damit selbst als Akteur auftreten können – das ist eine Überlegung, die ich in die Diskussion geworfen habe. Ich werde diesbezüglich zu einer Fachveranstaltung mit Experten im Mai einladen. Es wird auch eine Einladung an die Fraktionen des Abgeordnetenhauses geben, damit wir auf der breiten Ebene diskutieren können, welche Potenziale, welche Chancen und Risiken es gibt und ob das ein sinnvoller und zielführender Vorschlag ist. Sie sind herzlich zu dieser Diskussion eingeladen.

Sie haben nach der kommunalen Wohnungswirtschaft gefragt, aber ich glaube, dazu ist Ihnen die Position klar. Der Senat vertritt die Position: Wir wollen einen kommunalen Wohnungsbestand von 270 000 Wohneinheiten in Berlin. – Gegenwärtig liegen wir leicht darüber.

[Zuruf von Andreas Otto (Grüne)]

Es ist grundsätzlich möglich, im Rahmen wohnungspolitischer Grundsätze hier weitere Zukäufe zu tätigen, es ist gegenwärtig aber nicht geplant, dieses in einem größeren Umfang zu tun. Das ist der gegenwärtige Stand.

Es geht bei dieser Diskussion von Rekommunalisierung nicht einfach darum, dass man sagt, wir wollen jetzt unbedingt so viele Anteile von irgendetwas wie möglich wieder in die staatliche Hand bekommen, sondern es geht um die Frage – und das wird bei den einzelnen Themen der Daseinsvorsorge durchaus unterschiedlich sein –: Wie kann der notwendige, sinnvolle öffentliche Einfluss ausgeübt werden? Wie können die Interessen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden, und wie können die Interessen der Stadtentwicklung, der ökologischen Ausrichtung der Stadt in eine vernünftige Strategie der

Beteiligung, aber auch der Unternehmenssteuerung integriert werden?

Es ist richtig, dass jede Unternehmensbeteiligung neben Chancen auch Risiken beinhaltet. Das ist im privaten Bereich so, und das ist im öffentlichen Bereich so. Sie wissen, glaube ich, alle, dass ich nicht den Grundsatz teile, dass privat grundsätzlich besser ist als öffentlich, sondern ich kenne sowohl schlecht geführte private Unternehmen als auch schlecht geführte öffentliche Unternehmen, und ich kenne gut geführte öffentliche Unternehmen und gut geführte private Unternehmen. Dafür, ob ein Unternehmen gut geführt wird, ist nicht die Eigentumsstruktur entscheidend, sondern das Management und die Frage, welche Strategie der Eigentümer mit dem Unternehmen verfolgt und ob das entsprechend controllt wird.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Hier haben wir im Land Berlin in den letzten zehn Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Das sieht man allein schon an der Bilanz, die wir regelmäßig im Beteiligungsbericht haben: 2000 oder 2001 ein Defizit aus den Landesbeteiligungen von 2 Milliarden Euro, mittlerweile jährlich konstant einen Überschuss von 500 Millionen Euro. Das heißt, es ist möglich, öffentliche Unternehmen wirtschaftlich verantwortlich zu führen, auch mit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung, und dabei gleichzeitig ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen: Daseinvorsorge zu gewährleisten, Verkehrsdienstleistung zu erbringen, qualitätsvolle Wasserversorgung zu erbringen, Entsorgung, ökologische Kriterien zu erfüllen. Deshalb sollten wir keine ideologische, sondern eine rationale Diskussion führen, nämlich über die Frage: Was nützt den Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt, was nützt dem Land Berlin?

Ich sage noch mal: Der Vorteil von öffentlichen Unternehmen besteht darin, dass ihr wesentlicher Geschäftszweck nicht die Erwirtschaftung einer maximalen Rendite ist, sondern der Geschäftszweck eines öffentlichen Unternehmens ist nach meinem Verständnis auf wirtschaftlicher Basis mit einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung, aber nicht mit einer Renditemaximierung um jeden Preis, entsprechende Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Kommune zu erbringen. Dass das geht, sieht man an einer Reihe von Unternehmen. Ich nehme nur mal das Beispiel BSR, wo die Effizienz seit über zehn Jahren gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern systematisch gesteigert wird. Die BSR ist im Benchmark mit den deutschen Großstädten mittlerweile das Unternehmen mit dem günstigsten Tarif. Im Gegensatz zu den Privaten, wo teilweise gerade in diesem Sektor der Entsorgungs- und der Abfallwirtschaft Dumpinglöhne gezahlt werden, werden dort gleichzeitig gute Löhne gezahlt. Es existieren dort gute Arbeitsbedingungen, und das Unternehmen ist mitbestimmt. Ich glaube, wir sollten daran arbeiten, dass kommunale Unternehmen im Land Berlin gut geführt werden und wirtschaftliche Rendite bringen, aber auch eine Stadtrendite, einen

Mehrwert für die Stadt, weil sie Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringen, und dass in diesen Unternehmen auch gute Arbeit unter guten Bedingungen geleistet wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Präsident Walter Momper Danke schön, Herr Senator! – Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die anfragende Fraktion der FDP in Person von Herrn Schmidt. – Bitte schön, Herr Schmidt, ergreifen Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Wolf! Ich nehme gern Ihre Einladung an, das rational zu diskutieren, und danke Ihnen auch dafür, dass Sie das so rational vorgetragen haben.

In Ihrer Rede waren ein paar Punkte, die aus FDP-Sicht durchaus richtig sind. Sie haben gesagt: Wir sind für den Wettbewerb, wir wollen Oligopole hindern, dass sie schalten und walten, wie sie wollen.

Wir wollen als FDP natürlich auch eine öffentliche Kontrolle der Monopole. Wir geben zu, dass es dort eine Reihe von Fehlentwicklungen gegeben hat. Auch die politischen Ziele bei der Energiepolitik – Durchleitung, Dezentralisierung – teilen wir. Die Frage ist nur, ob das etwas ist, dass durch Eigentum des Landes Berlin gesichert werden muss oder ob man es nicht durch andere politische Hebel erreichen kann.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte eine Reihe potenzieller Risiken und Nachteile benennen, die Sie nicht angesprochen haben. Das Erste ist: In den meisten Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge haben wir eine sehr starke Regulierung. Da gibt es kaum Freiheitsgrade für den Betreiber – auch nicht für den öffentlichen. Das gilt insbesondere für die Energienetze. Dafür gibt es in Zukunft sogar Preisvorgaben der Energieagentur. Das ist es, was wir wollen, öffentliche Kontrolle durch eine unabhängige Aufsicht. So wollen wir die Bürger vor der Ausnutzung von Monopolen bewahren. Es gilt: Die Rendite ist nicht sicher, weil in Zukunft die Preise vorgegeben werden. Da haben Sie auch als Land Berlin ein wirtschaftliches Risiko.

Wichtig ist es bei den Netzen – gut, dass Sie es angesprochen haben –, über die Konzessionsverträge zu sprechen. Hier hat der Senat zurzeit noch viel zu wenig vorgelegt, wie wir über die Konzessionsverträge Einspeisung, Durchleitung und Ähnliches erreichen können. Das ist eine Alternative gegenüber der Möglichkeit, sich in Unternehmen einzukaufen. Vieles kann man über Konzessionsverträge regeln.

[Beifall bei der FDP]

In manchen Bereichen – beim Strom – gibt es einen kompletten Wettbewerb. Jeder darf einspeisen, jeder darf sich seinen Anbieter suchen. Es gibt ein komplettes Spektrum von Angeboten. Hier lautet die Frage, ob das Land Berlin etwas anbieten kann, was kein anderer Anbieter im Markt liefert. Ich glaube das nicht, ich glaube, Sie würden nur ein Angebot verdoppeln, das es ohnehin schon gibt.

Eine Gefahr bei öffentlichen Unternehmen haben wir aber im Land Berlin gesehen. Wir haben über die HOWOGE gesprochen und haben vor langer Zeit mit der Berliner Bankgesellschaft zu tun gehabt. Öffentliche Unternehmen neigen dazu, politisierte Unternehmen zu sein. Politisierte Unternehmen neigen dazu, parteibuchgesteuerte Unternehmen zu sein, in die Parteisoldaten entsorgt werden, wo Kumpeln in Netzwerken etwas zugeschoben wird. Das ist eine ganz große Gefahr. Der Staat ist nicht immer gut. Manchmal herrscht dort Parteibuchwirtschaft, und das muss man in öffentlichen Unternehmen auf jeden Fall unterbinden.