Protocol of the Session on March 11, 2010

Schönen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008 und 2009 von der Ausländerbehörde die Einleitung eines Anfechtungsverfahrens wegen des Verdachts einer sogenannten Scheinvaterschaft empfohlen, und wie verteilen sich diese Verdachtsfälle jeweils auf die einzelnen Berliner Bezirke?

2. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008 und 2009 ein Verfahren zur Überprüfung der angegebenen Vaterschaft eingeleitet, und wie verteilen sich diese Verfahren auf die Berliner Bezirke?

Danke, Herr Trapp! – Herr Innensenator – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Trapp! Ich beginne mit der zweiten Frage und verweise auf die Antwort, die ich der Kollegin Senftleben gegeben habe. Ich hoffe, Sie ersparen es mir, die Zahlen noch einmal vorzulesen.

Es sind 98 Anfechtungsverfahren anhängig. Die Ausländerbehörde hat in den beiden von Ihnen genannten Jahren insgesamt 231 Fälle gemeldet, in denen sie aufgrund bestimmter Tatsachen davon ausgegangen ist, dass eine Scheinvaterschaft vorliegt, sodass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht vorliegen. Das verteilt sich auf die Bezirke wie folgt: CharlottenburgWilmersdorf 6; Friedrichshain-Kreuzberg 16; Lichtenberg 51; Marzahn-Hellersdorf 50; Mitte 31; Neukölln 17; Pankow 19; Reinickendorf 7; Spandau 15; Steglitz-Zehlendorf 3; Tempelhof-Schöneberg 9; Treptow-Köpenick 7. Schon aus der Nennung der Bezirke können Sie ersehen, dass sich meine Anmerkung, in welchen Fällen das besonders zutage getreten ist, offensichtlich mit der Population der Bezirke deckt.

Eine Nachfrage des Kollegen Trapp? – Bitte schön, Herr Trapp!

Herr Senator! Stimmen Sie vor dem Hintergrund der von Ihnen genannten Zahlen der Feststellung des für Neukölln zuständigen Stadtrates zu, der den durch die Scheinvaterschaften entstandenen Schaden für die Sozialkassen und den Steuerzahler in Berlin allein für die zurückliegenden 20 Monate mit ca. 5 Millionen Euro beziffert? Teilen Sie die Einschätzung Ihres Parteifreundes Buschkowsky, dass im Zusammenhang mit den Scheinvaterschaften von organisierter Kriminalität gesprochen werden kann?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Ich fange mit der letzten Frage an. Ich teile die Auffassung von Herrn Buschkowsky, dass ein Teil der Vaterschaftsanerkennungen offensichtlich wirtschaftlich vertrieben wird und dementsprechend Organisationen dahinterstehen, die das machen. Wie weit das strafrechtlich relevant ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Ich habe große Zweifel, ob es strafrechtlich relevant ist. Insofern ist es nicht organisierte Kriminalität, sondern organisierte Scheinvaterschaft.

Die erste Nachfrage zu den dadurch entstehenden Schäden habe ich sinngemäß bereits bei der Frage der Kollegin

Senftleben beantwortet. Natürlich kann ich theoretisch irgendetwas hochrechnen und kann hochrechnen, dass ich eigentlich Menschen habe, die dieses Land verlassen müssen. Diese Menschen bleiben jetzt erst einmal aufgrund einer Anerkennung der Vaterschaft hier und erhalten Leistungen aus öffentlichen Kassen für die Dauer ihres Hierbleibens. Von einem Schaden würde ich allerdings nur sprechen können, wenn ich nachweisen könnte, dass diese Menschen zum Zeitpunkt X die Bundesrepublik Deutschland verlassen hätten. Die Realität ist, wie wir alle wissen, nicht so, dass in dem Moment, wo die Aufenthaltserlaubnis oder eine Duldung endet, die Menschen das Land automatisch verlassen müssen, denn dann sind eine Vielzahl von zusätzlichen Prüfungen bis hin zu Gerichtsverfahren erforderlich.. Deshalb teile ich die Einschätzung, dass ein Schaden in Höhe von 5 Millionen Euro entstanden ist, nicht.

Danke schön, Herr Senator! – Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Damit hat die Fragestunde wegen zeitlichen Ablaufs ihr Ende erreicht. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden wieder mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet werden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Es beginnt die Fraktion der SPD mit Frau Harant. – Bitte schön, Frau Harant hat das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an den Senator für Bildung, Herrn Zöllner. – Herr Zöllner! Es geht um die Gewaltvorfälle an den Schulen, die bisher alle meldepflichtig waren. Warum steht es den Berliner Schulen seit Anfang des Jahres frei, ob sie der Bildungsverwaltung Gewaltvorfälle melden?

Herr Senator Zöllner – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Es steht ihnen nicht frei. Sinn und Ziel des Gewaltberichts ist es, Hilfe bei der Prävention, der Intervention und der Aufarbeitung von Gewaltvorfällen zu geben. Zentraler Baustein ist der sogenannte Notfallordner, den wir in Berlin eingeführt haben. Er erfüllt nachweislich einen bundesrepublikanischen Vorbildcharakter. In ihm sind konkrete Handlungsanweisungen an die Schulen enthalten, was sie im Fall A, B, C oder D

machen sollen. Wir haben – übrigens schon Mitte letzten Jahres und mit entsprechendem Vorlauf – angekündigt, dass wir die äußere Form der Meldung von Gewaltvorfällen ändern. Wir haben einen anderen Fragebogen gemacht und die vorkommenden Fälle in drei Gefährdungskategorien eingeordnet. Eine Kategorie gibt es, die in Verantwortung der Schulen behandelt werden muss, schon mit dem Sinn und dem Zweck, die Korrelation zu dem Notfallordner herzustellen und um letzten Endes erreichen zu können, dass in einer Flut von Meldungen das Wichtige von dem weniger Wichtigen – aber auch noch Bedeutenden – getrennt und ihm die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Insgesamt bedeutet das, dass das Meldeverfahren nach der Gefährdungsstärke eingestellt ist. Die einzelnen Meldevorgänge sind jetzt differenzierter.

Es ist richtig, dass in den Fällen – Gefährdungsstufe 1 –, die in Verantwortung der Schule abgewickelt werden können – darunter fallen z. B. Pöbeleien oder Raufereien auf dem Schulhof –, nicht gemeldet werden muss, sehr wohl aber gemeldet werden kann. Das muss in den Fällen gemeldet werden, wenn die Vorfälle schwerwiegend sind. Dass dieses auch so praktiziert wird, belegen die neuesten Rückmeldungen, die wir aus den Bezirken haben. Beispielsweise sind aus meiner Erinnerung aus dem Bezirk Neukölln etwa 60 Prozent der rückgemeldeten Fälle in der Gefährdungskategorie 1, in der nicht gemeldet werden muss. Wenn es sich aber um einen gravierenden Fall handelt, beispielsweise eine Rauferei, wird auch gemeldet.

Ich erlaube mir schon noch in diesem Zusammenhang gerade wegen der Diskussion um sexuelle Gewalt, die sicher in Bezug auf die Aufmerksamkeit, die die Berliner Schulen diesem Problemkreis zuwenden, anzumerken, dass das Gesamte eine Maßnahme ist, die sich im Nachhinein bestätigt, weil ein solcher Fall beispielsweise eben in der Gefährdungsgruppe 2 hervorgehoben und deswegen auch sehr viel ernster genommen wird. Es wird von den Schulen in dem Bereich, wo die Bandbreite der echten Gefährdung, beispielsweise bei Pöbeleien, die so oder so interpretiert werden, sehr groß angesehen.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Kollegin Harant. – Bitte!

Herr Zöllner! Wie bewerten Sie dann die Kritik, dass in Zukunft eine belastbare vergleichende Statistik zwischen den Schulen nicht mehr möglich sein wird, wenn die Schulen unterschiedlich verfahren können?

Herr Senator Zöllner, bitte!

Senator Dr. Ehrhart Körting

Diese Kritik ist der wissenschaftliche Beweis dafür, dass die Handlungsweise des Senators rational und notwendig war, weil es genau das aussagt, dass die bisherige Statistik in diesen Fällen überhaupt nicht verifizierbar war, was als Rauferei gemeldet wird, wenn 10 Blätter über die Schulaufsicht an das Ministerium ausgefüllt werden müssen. Der Eine meldet den Fall A, der Andere den Fall B. Es wird überhaupt keine nachweisbare, nachvollziehbare belastbare und wissenschaftlich hinterfragbare Statistik geführt. Sie wurde auch noch nie in Berlin geführt. Es wird klargestellt, dass die Aussage in den Fällen, in denen die Interpretationsfähigkeit oder die Bedeutung sehr groß ist, nicht mehr zu einem falschen Bild in der Öffentlichkeit und – noch wichtiger – bei den handelnden Personen führen kann, während es in den Fällen, in denen die Konsequenzen über die Schule hinausgehen müssen, keinen Zweifel mehr geben kann und wir dort ein viel zuverlässigeres Bild als bisher erhalten.

Danke schön!

Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Rissmann von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Rissmann!

Danke, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an die Senatorin für Justiz. – Frau Senatorin! Sind dem Senat der Terminsbericht bzw. die Urteilsgründe der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15. Dezember 2009, Aktenzeichen B 1 AS 1/08 KL – Hintergrund war hier die Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen das Land Berlin auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von ca. 47 Millionen Euro wegen unangemessener Unterkunftskosten nach § 22 SGB II – bekannt, wonach das Land Berlin „durch den Erlass der AV Wohnen vorsätzlich und schwerwiegend seine Pflicht verletzt hat“, höherrangiges Recht beim Erlass von Verwaltungsvorschriften zu beachten, und durch dieses offen gesetzwidrige Handeln ein Schaden in Höhe von 13 Millionen Euro verursacht hat, und welche staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang eingeleitet worden?

Frau Senatorin von der Aue für die Justiz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Rissmann! Das von Ihnen zitierte Urteil ist dem Senat bekannt. Das gebe ich zu. Ich kann Ihnen im Moment nicht sagen, ob und in welcher Form staatsanwalt

schaftliche Ermittlungen bereits durchgeführt werden. Ich werde Ihnen das gern nachreichen.

Gibt es eine Nachfrage des Kollegen Rissmann – bitte!

Frau Senatorin! Warum ist Ihnen das nicht bekannt, wenn man bedenkt, dass ich mit Kleiner Anfrage vom 11. Januar 2010, also vor beinahe neun Wochen, genau eine gleichlautende Frage gestellt habe und Sie diese nicht beantwortet haben, obwohl § 50 Abs. 3 Satz 3 unserer Geschäftsordnung Ihnen eine Beantwortungsfrist von zwei Wochen auferlegt?

Frau Senatorin von der Aue!

Herr Abgeordneter! Wir sind vermutlich mit der Beantwortung der Frage in Verzug geraten. Ich bitte insoweit um Entschuldigung. Das kommt gelegentlich vor. Sie sehen aber, dass wir an der Sache noch arbeiten.

[Vereinzelte Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion ]

Danke schön, Frau Senatorin!

Für die Fraktion der Grünen hat nun Frau Kollegin Villbrandt eine Frage und das Wort.

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an die Sozialsenatorin. – Frau Bluhm! In Anbetracht der Ergebnisse der bisherigen Aufklärung im Aufsichtsrat der Treberhilfe frage ich Sie, welche Maßnahmen der Senat ergriffen hat und ergreifen wird, um sowohl die Angebote für die Hilfebedürftigen, als auch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Treberhilfe abzusichern.

Frau Senatorin Bluhm, Bitteschön!

Frau Abgeordnete! Was die Aufklärung des Aufsichtsrats über das Geschäftsgebaren der Treberhilfe gGmbH betrifft, muss man zum jetzigen Zeitpunkt eher von Nichtaufklärung sprechen. Die Diakonie hat gestern zu einem Pressegespräch eingeladen, um einen Zwischenbericht einer Prüfung der Treberhilfe gGmbH vorzulegen und

gleichzeitig Auskunft über die Erkenntnisse zu geben, die der Aufsichtsrat – er besteht erst seit kurzem – gewonnen hat. Dazu kam es nicht, weil das Verfahren nun klagebefangen ist und Herr Ehlert mit seinem Rechtsanwalt gedroht hat, dass die Inhalte sowohl des Prüfberichts als auch die der Geschäftsgebaren der Treberhilfe gGmbH nicht bekannt werden dürfen.

In diesem Zusammenhang ist es aber richtig, dass wir uns gemeinsam mit der Diakonie auf alle Eventualitäten einer Änderung der Förderungsbedingung und Voraussetzung einstellen werden und einstellen müssen. Es wird am Montag ein Treffen auch mit den betroffenen Stadträtinnen und Stadträten aus den Bezirken geben, die selbst Förderung erhalten und zu kontrollieren haben, was die Qualität der Leistungserbringung betrifft. Dort wird auch der aufklärungswillige Teil des Aufsichtsrates der Treberhilfe gGmbH anwesend sein. Es wird darum gehen, alle Voraussetzungen für Eventualitäten der Änderungen auch der Rechtsform zu schaffen, das Angebot für 3 000 Betroffene und 280 Arbeitsplätze auch zu erhalten. Möglicherweise kann diese in eine andere Rechtskonstruktion übertragen werden. Das kann man im Moment aber nur als Vorbereitung auf eine mögliche Veränderung in aller Vorsicht formulieren. Auf diese Eventualitäten muss man sich aber gemeinsam mit den Bezirken und dem Teil des Aufsichtsrates, der dazu auskunftsfähig und -willig ist, einstellen, damit das Angebot und die Arbeitsplätze erhalten bleiben können und die Förderung aufrecht erhalten bleiben kann, auch wenn sie im bestimmten Fall nicht mehr über die jetzige Konstruktion angeboten werden kann.

Wir können aber auch noch einmal konstatieren, dass die Qualität der Leistungserbringung der Treberhilfe auch von den Bezirken nicht in Zweifel gezogen worden ist und nicht in Zweifel gezogen wird und gute Arbeit von den betroffenen Beschäftigten geleistet wird. Sowohl der Senat als auch die Diakonie und die Liga haben ein großes Interesse, die Arbeit und Leistungserbringung aufrechtzuerhalten.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Villbrandt. – Bitte!

Sind Sie mit mir einer Meinung, dass man in diesem Fall noch nicht von einer gesicherten guten Arbeit sprechen kann, weil die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist? Sind Sie der Meinung, dass nach bisherigen Äußerungen Ihrer Vorgängerin Frau Knake-Werner und Herrn Dane eigentlich die Zusammenarbeit mit diesem Vorstand der Treberhilfe weder möglich noch wünschenswert ist?

Frau Senatorin Bluhm, bitte!

Die angekündigten Handlungsweisen implizieren auch eine bestimmte Interpretation. Ich finde es wichtig, dass wir auseinanderhalten, was 280 Beschäftigte hier tatsächlich im Rahmen des Vereins, aber auch der gGmbH für Arbeit leisten, dass die Bezirke diese Arbeit zu kontrollieren haben, dass es keine Beanstandungen der Qualität der Leistungserbringung der Arbeit der 280 Beschäftigten gegeben hat, was aber insofern ein besonderes Rechtsgut ist, dass diese Arbeit erhalten bleiben kann, wenn auch in anderer Rechtsform. Das ist also die Überlegung. Das ist die Frage, die wir gemeinsam mit den Bezirken und gemeinsam mit der Diakonie vorzubereiten haben, die Überführung in eine andere Gesellschaftsform zu überlegen.