Protocol of the Session on March 11, 2010

[Özcan Mutlu (Grüne): Genau!]

Man kann zwar alles gleichzeitig wollen, aber man kann eben nicht alles gleichzeitig machen, lieber Kollege Mutlu! Einfach einen solchen Antrag zu machen und zu denken, das beschließt man einfach, erklärt den guten Willen und dann ist das Problem gelöst, nein so ist es nicht.

[Özcan Mutlu (Grüne): Nein, ist es nicht!]

Wir haben das Problem, dass wir uns aufgrund unserer Haushaltssituation nicht alles gleichzeitig leisten können. Wir haben Schwerpunkte im Bildungsbereich gesetzt, wir haben dort in den vergangenen Haushaltsberatungen Prioritäten gesetzt. Wir haben die erstens im Kitabereich gesetzt, wo wir eine deutliche Verbesserung hinbekommen haben, und wir haben sie zweitens gesetzt im Bereich der Schulreform, wo wir gesagt haben, wenn wir solch ein

schneidende Reformen machen, dann müssen wir sie auch vernünftig ausstatten.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Es ist uns in der Tat nicht gelungen, an dieser Stelle auch noch die offenen Fragen, die wir im Bereich der Grundschule haben – Sie haben eines hier vorhin angesprochen –, mit zu lösen. Nun legen Sie durch Ihre Argumentation die ganze Zeit nahe, solange ihr diese Lücke in den Klassen 5 und 6 nicht schließt, dürft ihr doch die Reformen im Sekundarschulbereich nicht machen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Hat keiner gesagt!]

Wenn man so herangeht, wird man gar nichts ändern. Deswegen haben wir gesagt, wir machen das jetzt in dem Wissen, dass dort eine Lücke bleibt und dass dort noch etwas zu tun bleibt, dass hier noch eine Aufgabe bestehen bleibt.

Das ist dann das Schwierige. Ihrem Antrag geht es ja gar nicht darum, hier einen gemeinsamen Willen festzustellen, tatsächlich einen Beitrag dazu zu leisten, dass es erreicht wird, sondern Ihrem Antrag geht es darum, zu dokumentieren, dass die einen wirklich wollen und die anderen nicht wirklich wollen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Das ist ein Spielchen. Ich habe an manschen Stellen schon gesagt, wir würden uns hier viel Atemluft und die Produktion von viel CO2 und viel Lebenszeit sparen, wenn wir da draußen vor der Tür am Abgeordnetenhaus ein Schild aufhängen würden, auf dem steht: „Wir haben es zuerst gewollt. Ihre Opposition“. Dann können wir darunter noch einen Zettel kleben: „Besonders die Grünen“, dann müsste es hier nicht ständig erwähnt werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Özcan Mutlu (Grüne): Ich kann nur sagen: Getroffene Hunde bellen!]

Nein, es geht darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Und anders als die Kollegin Tesch bin ich auch nicht der Auffassung, dass es weniger als sechs Millionen Euro kosten würde, es würde, befürchte ich, deutlich mehr kosten. Deswegen muss man so etwas seriös finanzieren. Wir müssen in der Tat nach Lösungen und Voraussetzungen dafür suchen, dass wir in einem nächsten Schritt,

[Özcan Mutlu (Grüne): Fangen Sie einmal an! – Zuruf von Felicitas Kubala (Grüne)]

Das werden wir tun! – und der kann sinnvollerweise – alles andere wäre Augenwischerei – erst nach neuen Haushaltsberatungen stattfinden, diese Lücke schließen können.

Der Antrag trägt dazu nicht bei, sondern ist Bekenntnis und betreibt Entlarvung, und das hilft in der Debatte nicht. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Zillich! – Jetzt hat Frau Senftleben für die Fraktion der FDP das Wort. – Bitte schön, Frau Senftleben!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Aber nicht so schreien wie Herr Mutlu! – Zuruf von der Linksfraktion: Ist wohl schon Schlafenszeit?]

Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Das ist nun das letzte Jamaika-Projekt, das ich Ihnen heute vorstelle,

[Gelächter bei der Linksfraktion]

denn, liebe verehrte Kollegen von den Grünen, Sie haben nun schon einmal gemeinsam, auch unterstützt von der CDU, das will ich hier ausdrücklich sagen, einen Antrag gestellt, der wurde wiederum dummerweise von der FDP unterstützt, aber wirklich mit vollem Bewusstsein haben wir das getan.

[Andreas Gram (CDU): Herr Lehmann!]

Da wollten Sie diese Bedarfsregelung der Fünft- und Sechstklässler kippen. Das ist noch nicht lange her. Das war bei der neuen Schulgesetzgebung. Ich glaube, jedem hier im Haus, jedem bildungsfernen und begabten Abgeordneten ist jetzt klar,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Bildungsferne Abgeordnete! – Was ist das für ein Quatsch?]

worum es geht, nämlich allen Kindern den Besuch einer Ganztagsschule zu ermöglichen, und zwar in jeder Klassenstufe. Die jetzige krude Regelung muss weg. Und warum?

[Beifall bei der FDP]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu?

Bitte, gerne, Herr Mutlu!

Herr Mutlu – bitte schön!

Liebe Kollegin Senftleben! Weil Sie heute wiederholt dieses Wort bemühen, würde ich gerne von Ihnen wissen: Was ist denn ein „bildungsferner Abgeordneter“?

Herr Mutlu! Das erkläre ich Ihnen gerne. Sie wissen ja, dass wir dieses Thema Bildung mindestens in jeder zweiten Debatte haben, aber dafür mit drei bis fünf Themen. Wir sehen doch an der Begeisterung der Kollegen und Kolleginnen, dass dieses den Menschen irgendwie auf den Keks geht, deswegen war das eine leicht süffisante Bemerkung. Ich hoffe, es nimmt mir keiner übel, aber man kann doch kleine Späßchen machen. Das dazu.

[Beifall bei der FDP und bei der SPD – Christian Gaebler (SPD): Man wüsste nicht, was bildungsfern ist, wenn man Sie nicht reden hörte!]

Lieber Herr Gaebler! Ich mache heute das Licht aus, lassen Sie mir die Freude. Ich tue das so gerne! – Diese jetzige krude Regelung muss weg.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Es hört keiner von der FDP zu!]

Doch, Herr Jotzo hört zu, der klatscht sogar, das tut er auch nicht immer.

[Lars Oberg (SPD): Er ist bildungsfern!]

Also in den Klassen 1 bis 4 gewöhnen und erfreuen sich die Kinder und Eltern meistens an einen mehr oder weniger geregelten Ganztagsbetrieb. Der endet aber abrupt mit Beginn der fünften Klasse. Dann werden die Kinder nämlich um 13.30 Uhr nach Hause geschickt und damit auch oft auf die Straße. Hausaufgaben werden eher dann zu einem lästigen Beiwerk, auf das auch gerne verzichtet wird. Die Kinder sind dann in diesem zarten Alter von zehn, elf Jahren, kommen langsam in die Pubertät. In dieser Entwicklungsphase – wissen wir alle – stehen die Kinder oft zwischen Baum und Borke, und Eltern können das nicht immer auffangen, z. B. dann, wenn sie berufstätig sind oder wenn ihre Erziehungskompetenz zu gering ausfällt oder vielleicht gar nicht vorhanden ist. Auch das soll es geben.

Ausgerechnet in dieser Entwicklungsphase ist es hier im roten Berlin keine Selbstverständlichkeit, für Kinder eine Ganztagsschule besuchen zu können. Ausgerechnet hier im roten Berlin wird man zum Bittsteller und muss erst den Bedarf nachweisen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das ist ein Skandal!]

Das ist mehr als hirnrissig, nicht nur ein Skandal, es ist hirnrissig, es ist idiotisch.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Es ist einfach völlig bescheuert, dass man die Kinder in diesem Alter auf die Straße entlässt, anstatt ihnen einen vernünftigen Ganztagsbetrieb zukommen zu lassen. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es ist eine Frage der Finanzierung, haben Sie ja recht, natürlich ist es eine Frage der Finanzierung, alles ist eine Frage der Finanzierung. Aber dann müssen Sie doch mal Prioritäten setzen, dann müssen Sie mal überlegen: Was ist uns eigentlich wichtig? – Sie packen hier ganz viele Dinge an, meinen, Sie machen alles richtig. Und was machen Sie? – Nur

halbe Sachen! Und das ist genau das Problem in dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Ich finde es schon bemerkenswert, den Sekundarschulen ab Klasse 7 wird besonderer Betreuungsbedarf attestiert und in den zwei vorhergehenden Schuljahren gar nichts. So, Herr Senator! Was ist hier eigentlich das Verständnis von Schulentwicklung? – Ich finde, nicht gerade intelligent und vor allen Dingen nicht zukunftsweisend. Und vor allem, eines finde ich ja schon merkwürdig: Diese Haltung, diese Aktion konterkariert all Ihre hehren Aussagen zum Thema Chancengerechtigkeit. Und dann wundern Sie sich über Folgen. Das haben Sie zu verantworten, ausschließlich Sie!

[Beifall bei der FDP]

Jetzt habe ich leider nur noch 60 Sekunden, weil es mir vorher so viel Spaß gemacht hat. Ich höre jetzt auch auf. Ich sage nur eines: Organisieren Sie einen rhythmisierten Ganztagsbetrieb und vor allem ohne Lücke für die zehn- bis zwölfjährigen Kinder! Gerade diese Altersstufe braucht einen verlässlichen und möglichst gebundenen Ganztagsbetrieb, der über einen schülerbezogenen Kostensatz von den Verantwortlichen in der Schule geregelt wird. Alles andere ist Kappes.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Also wir hätten Ihnen noch einen Zuschlag gegeben wegen der Frage des Kollegen Mutlu. Also eine Minute haben Sie noch.