Für die Beratung steht den Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat Herr Czaja. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie der Begründung unseres Antrags entnehmen können, war der Umgang mit der sogenannten Erprobungsklausel schon mehrfach Thema im Berliner Abgeordnetenhaus. Ihre positiven Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Entscheidungs- und Handlungsabläufe innerhalb der Berliner Hochschulen wurden zu Beginn der letzten Legislaturperiode – genauer gesagt: am 5. Juni 2002 – im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung diskutiert. In diesem Zusammenhang musste sogar Benjamin Hoff von der PDS konstatieren, dass man die ursprünglich ablehnende Haltung aufgegeben habe, da sich die Erprobungsklausel bewährt habe. Auch der damalige Senator Flierl kündigte an, man werde die Erprobungsklausel bei der Hochschulgesetznovellierung berücksichtigen. Auf diese Novelle warten wir im Übrigen bis heute noch.
Die Grünen sprachen – mit Verlaub – wirr. Einerseits sei die Existenz der Erprobungsklausel, die zu einer Vereinfachung der Entscheidungsprozesse innerhalb der Hochschulen führen solle, zu begrüßen – so Lisa Paus. Andererseits wolle man die Festschreibung eines viertelparitätischen Grundordnungsgremiums vorantreiben und die Geschlechterdemokratie befördern.
Die Grünen reden von Verwaltungsreform und schlanken Strukturen, setzen aber letzten Endes doch nur verkrustete Modelle von vorgestern und von vorvorgestern um.
Die Berliner Hochschulen haben die Erprobungsklausel jedenfalls genutzt. Die durchgeführte Evaluation zeigt, dass sie die Kuratorien deutlich verkleinert, die Richtlinienkompetenz der Präsidenten geschärft und teilweise sogar die Konzile abgeschafft haben. Sie sind insgesamt effizienter, schlanker und schlagkräftiger geworden.
Das Erprobungsmodell der Freien Universität sollte unbedingt fortgeführt werden, da es sich bewährt hat, den Zielen des Gesetzgebers und der Freien Universität dient, die Leistungsfähigkeit der Freien Universität in Forschung und Lehre fördert und darüber hinaus die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen der nächsten Jahre schafft.
Umso erstaunlicher, dass sich SPD und PDS zum Ende der letzten Legislatur verweigert und dem Antrag der FDP zur Verlängerung der Erprobungsklausel leider nicht zugestimmt haben. Sie hätten doch wissen müssen, dass ihr eigener Senat keine große Novelle zustande bringen wird. Die Opposition wurde Jahr für Jahr vertröstet – bis heute im Übrigen. Sieht man sich allerdings die wenigen Vorlagen aus dem Hause Flierl an – diese völlig vermurksten Gesetze wie z. B. das Uni-Medizingesetz –, kann man recht froh sein, dass sich der Arbeitseifer des ehemaligen Senators der PDS in sehr engen Grenzen hielt.
Die Koalition hätte zudem wissen müssen, dass den Hochschulen außerdem die Zeit wegrennt. Wir haben darauf hingewiesen, dass die Ungewissheit in Bezug auf die Entwicklung der Strukturen zu einer Unzeit kommt. Jetzt stehen wir vor dieser Herausforderung. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass moderne Handlungslinien innerhalb der Universitäten für das Abschneiden der Hochschulen entscheidend sein würden. Doch Sie zogen es vor, Ihr vermeintliches Klientel mit Besitzstandswahrung – wie dem Studiengebührenverbot –
und mit unsinnigen Spielchen wie der Viertelparität zu bezirzen. Ihr Wahlkampf hatte die Alltagsrealität voll ausgeblendet.
Mittlerweile befinden sich zwei Universitäten in der letzten Stufe des Excellenzwettbewerbs und müssen befürchten, dass ihnen aufgrund der Unfähigkeit des Vorgängersenats bzw. der Leichtgläubigkeit der Koalition wieder Strukturen der 70er Jahre aufgedrückt werden, und das ist mehr als unverantwortlich.
Deswegen fordere ich Sie auf: Springen Sie über Ihren Schatten! Rauben Sie den Hochschulen nicht unnötigerweise Chancen! Kommen Sie diesmal zur Räson! Stimmen Sie dem Antrag zu!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Czaja! Ich hatte eigentlich meine Rede damit beginnen wollen, dass ich Ihre Fraktion lobe. Ich wollte sagen: Die FDP ist eine aufmerksame Fraktion. Sie hat gemerkt, dass die geltenden Erprobungsregelungen an allen Berliner Hochschulen bis zum 31. Dezember 2007 befristet sind, wie in § 137a des geltenden Hochschulgesetzes festgelegt ist. Die FDP hat auch genau hingehört, als Senator Zöllner vor kurzem in unserem Ausschuss deutlich gemacht hat, dass die Novellierung des Hochschulgesetzes im Jahr 2008 vollbracht sein wird. Insofern ergibt sich mit zwingender Logik der Rückschluss, dass wir als Gesetzgeber vor dem Jahresende 2007 in dieser Sache tätig werden müssen.
Ich habe bei Ihrem Beitrag allerdings die Begründung nicht verstanden, und ich fand auch relativ wenig Hinführendes zur Erprobungsklausel als solcher. Das habe ich nicht erkennen können. Ich möchte Sie aber beruhigen und Sie hiermit darüber informieren, dass wir rechtzeitig vor dem Jahresende 2007 eine entsprechende Verlängerung in die Wege leiten werden. Wir werden das allerdings aus guten Gründen nicht in der von Ihnen vorgeschlagenen Form – also unbefristet – tun, sondern wir werden eine bis 2008 befristete Verlängerung der Erprobungsregelungen vorschlagen und verabschieden.
Warum wollen wir eine Befristung der Verlängerung dieser Erprobungsregelung nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das novellierte BerlHG in Kraft tritt? – Für diese Befristung sehen wir drei gute Gründe: Erstens sind diese Erprobungsregelungen kein Selbstzweck, sondern sie wurden vom zuständigen Senator im Blick auf die vorgegebenen Ziele genehmigt, denn die Erprobungsklausel in § 7a gibt vor, dass die Senatsverwaltung das nur auf Antrag der Hochschulen genehmigt.
Dann müssen Stellungnahmen vom Akademischen Senat und die Zustimmung vom Kuratorium oder, falls es kein Kuratorium gibt, die Zustimmung des Akademischen Senats vorliegen. Sie genehmigt nur befristet die Abweichung von den Regelungen des Hochschulgesetzes, damit – das ist die Zweckbindung dabei – neue Modelle der Leitung, Organisation und Finanzierung erprobt werden können, die dem Ziel einer Vereinfachung des Entscheidungsprozesse und einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dienen. Das geschieht übrigens nicht erst seit kurzem, sondern seit gut zehn Jahren. Begonnen hat damit – und alle Fachpolitiker, so habe ich mich aufklären lassen, waren einvernehmlich dieser Meinung – der ehemalige Wissenschaftssenator Radunski. Auslöser war damals übergreifend der Wunsch, die Verkrustungen an den Hochschulen zu lockern und aus den Hochschulen selbst Verbesserungsideen herauszukitzeln.
Der zweite Grund, warum wir die Erprobungsregelung nur befristet verlängern wollen, ist für uns besonders bedeutsam. Wir wollen die Erfahrungen mit diesen Erprobungssatzungen gründlich anschauen, analysieren und bewerten. Diese Evaluation kann aus unserer Sicht nicht nur die Binnensicht derer widerspiegeln, die ein eigenes Interesse an der Entfristung der Erprobungsklauseln haben.
Parlament und Senat müssen die Erkenntnisse aus dieser Evaluation sorgfältig auswerten. Wir wollen weder eine strukturelle Alleinherrschaft der Präsidenten an den Hochschulen noch Hochschulen, die nicht geleitet werden können. Es ist halt wie im richtigen Leben. Dort, im richtigen Wirtschaftsleben, bestimmt ein Vorstandsvorsitzender auch nicht sämtliche Mitglieder seines Aufsichtsrats. So sieht das übrigens auch Ihre Partei, Herr Czaja, die FDP, woanders jedenfalls. Schauen Sie nach NordrheinWestfalen, wo Prof. Pinkwart – ich glaube, auch Ihr stellvertretender Parteivorsitzender – das Hochschulfreiheitsgesetz als Minister verantwortet. Schauen Sie sich die dortigen Regelungen an, dann finden Sie eine kleine Abweichung von dem, was Sie hier vortragen!
Deshalb werden wir Bedingungen für eine funktionsfähige Leitung formulieren, welche Transparenz und Kontrolle in nachvollziehbarer Weise gewährleisten. Eine stabile und durchschaubar organisierte Leitungsstruktur ist uns wichtig, und nur eine solche Struktur ist einer demokra
tisch verfassten Hochschule angemessen. Diese Überlegungen werden genau wie die positiven Erkenntnisse aus der Erprobung in das neue Hochschulgesetz einfließen. Das gibt uns klugerweise unser Koalitionsvertrag vor.
Der dritte und letzte Grund, warum wir nur befristet verlängern wollen, liegt darin, dass wir die Erprobungsgrundordnungen in den Zusammenhang mit den vielen anderen Fragen stellen wollen, die in der Neufassung des BerlHG zu beantworten sind. Deshalb beraten wir sie in ihrer Gesamtheit nicht hektisch, sondern gründlich.
Wir wollen eine stark ausstrahlende Hochschullandschaft in Berlin, in der die Hochschulen ihre Eigenständigkeit, ihre Verantwortung und ihre Spielräume klug nutzen, um eigene Stärken weiterzuentwickeln und auszubauen. Voraussetzung dafür ist in einer staatlich verantworteten und finanzierten Hochschulpolitik die Formulierung von Strukturbedingungen, welche die Entwicklungen in die richtige Richtung belohnen. Gesicherte Qualität in Forschung und Lehre gehören dazu, demokratische Teilhabe an der Selbstverwaltung für alle Mitglieder und eine funktionsfähige Leitung. Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir eine attraktive und vielfältige Hochschullandschaft in diesem Sinn in dem neuen BerlHG weiterentwickeln werden. Berlins Hochschullandschaft ist ausgezeichnet und attraktiv. Sie wird noch besser werden. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Koch-Unterseher! – Das Wort hat jetzt Herr Czaja für eine Kurzintervention!
Sehr geehrte Frau Koch-Unterseher! Ich möchte an der Stelle, weil es sonst zu falschen Darstellungen kommt, als hätte ich falsche Wahrnehmungen in den Ausschüssen, Sie daran erinnern – insofern fühle ich mich auch persönlich ein Stück weit angegriffen –,
dass Senator Prof. Zöllner sehr klar im Ausschuss gesagt hat, dass frühestens, wirklich allerfrühestens 2008 eine Novellierung dieses Hochschulgesetzes erfolgt. Wir haben die Erfahrungswerte. Ich denke, das können Sie sich von Ihrer Fraktion berichten lassen, dass selbige Ankündigung in den letzten Legislaturperioden ebenfalls gemacht wurde und die Novellierung bis heute aussteht.
Deswegen ist es uns umso wichtiger, dass wir hier nicht etwas auf die lange Bank schieben, sondern die Erprobungsklausel, so wie es im Antrag niedergeschrieben ist, hier heute beraten und dieser Antrag Zustimmung findet im Sinne der Berliner Universitäten.
Vielen Dank, Herr Czaja! – Frau Dr. Koch-Unterseher, möchten Sie antworten? – Dann haben Sie das Wort.
Herr Kollege Czaja! Ich sehe mich aufgefordert, etwas zu klären, was ich vorhin aus meiner Wahrnehmung schon klar und eindeutig erklärt habe. Wir haben im Ausschuss darüber gesprochen, Senator Zöllner hat darüber gesprochen, und ich habe es vorhin erwähnt und dachte, verständlich genug, dass wir die Erprobungsregelungen befristet verlängern wollen, weil wir das BerlHG nicht zu Ende 2007 novelliert haben werden, sondern nach gründlicher Beratung 2008 zur Tat schreiten wollen. Das ist der Grund für die um ein Jahr befristete Verlängerung der Erprobungsklausel. Der Zusammenhang schien sich mir eindeutig zu ergeben.