Das Klischee, dass die staatsnahen Parteien nicht mit Vermögen umgehen können, wird wieder einmal belegt. Sie setzen den Ruf der landeseigenen Unternehmen insgesamt leichfertig aufs Spiel. Das kann man nicht zuletzt daran erkennen, dass sich zwei andere landeseigene Wohnungsbaugesellschaften jüngst von der mutmaßlichen Geschäftspraxis der HOWOGE distanziert haben – die DEGEWO mit einer Pressemitteilung oder die GESOBAU durch ein Interview des Geschäftsführers. Die haben gesagt: Bei uns läuft alles gut. – Sie fühlten sich dazu bemüßigt, weil die HOWOGE und insbesondere der Senat nichts zur Aufklärung der Vorgänge beitragen.
Wie weit Anspruch uns Wirklichkeit auseinanderklaffen haben wir gestern im Hauptausschuss gesehen. Die Stadtentwicklungsverwaltung und die Finanzverwaltung haben uns erklärt, dass der Senat mit der Vergabepraxis nichts zu tun habe. Dafür gebe es die Geschäftsführung. Und der Aufsichtsrat, der würde sich mit den großen Dingen befassen. – Sehr geehrte Frau Senatorin! Niemand verlangt, dass Sie persönlich die Hausflure fegen lassen, aber wenn es um Investitionen im zweistelligen Millionenbereich geht, verlangen wir, dass sich der Aufsichtsrat damit beschäftigt und auch weiß, wer wie zu Aufträgen gekommen ist. Das ist einfach nötig!
Sie haben kein Problembewusstsein. Dass die Koalition und insbesondere die SPD Minuspunkte sammelt, das muss uns nicht kümmern. Aber wie Sie mit öffentlichen Vermögenswerten umgehen, für die Sie für eine begrenzte Zeit verantwortlich sind, das ist ein Skandal!
Sie schädigen nicht nur den Ruf der Koalition, den Ruf des Senats – insbesondere den der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung –, sondern Sie dokumentieren Untätigkeit und mangelnden Aufklärungswillen. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie dazu Stellung, was passiert ist und was Sie tun, um aufzuklären!
Staatssekretär Sundermann hat uns gestern berichtet, dass jetzt eine Wirtschaftsprüfergesellschaft tätig ist und diese alles untersuchen würde. Ich habe bereits zum Anfang gesagt: Frau Matuschek! Nach drei Wochen muss irgendeine Erkenntnis vorliegen. Ich habe das Gefühl, Sie spielen hier auf Zeit. Entweder Sie wissen noch nicht genau, wie Sie die katastrophalen Ergebnisse an die Öffentlichkeit bringen sollen, oder Sie warten, bis es in irgendeinem anderen Medienthema untergeht. Irgendetwas steckt dahinter. Sie trauen sich nicht, uns hier die Wahrheit zu sagen!
Dass die Wohnungsbausgesellschaften ein schwieriges Thema sind, das kann man zum Beispiel dem Ergebnisbericht des Rechnungshofs 2009 entnehmen. Da geht es darum, dass unter anderem Vivantes, aber auch die Wohnungsbaugesellschaften dem Rechnungshof verweigern, ihre Wirtschaftsführung zu prüfen. Das haben wir gelesen und uns auch als Parlament damit beschäftigt. Das ist vom Parlament verlangt worden – nichts passiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Und dies ist nur ein Punkt.
Was ist mit der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen? Die HOAI wurde hier schon erwähnt. Was ist mit der VOF? Was ist mit der LHO oder mit dem Rundschreiben zu den Korruptionspräventionsrichtlinien? – Ich will nur einen Absatz daraus zitieren:
Wichtig ist die Streuung von Aufträgen zur Vermeidung von engen und lang andauernden Bindungen an denselben Auftragnehmer einschließlich Architekten- und Ingenieuraufträgen nach HOAI.
Frau Kollegin Matuschek! Zu dem Thema der Vorverurteilung will ich sagen: Auf welcher Grundlage wir hier argumentieren, ist das, was der Kollege Hillenberg geliefert hat. Herr Hillenberg ist der Einzige – so skurril das klingen mag –, der bisher zur Aufklärung beigetragen hat.
Das ist nicht der Senat, und das ist nicht die Koalition, und es ist in letzter Instanz auch nicht die SPD-Fraktion, die hier zum Handeln ja erst aufgefordert werden muss. – Danke schön!
Vielen Dank! – Das Wort für den Senat hat die Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass der Senat ein massives Interesse daran hat, dass Geschäftsführungen und Vorstände unserer Gesellschaften Recht und Gesetz einhalten, ist eine Selbstverständlichkeit.
Dass sie sich an den Weisungen des Senats, der jeweils zuständigen Verwaltungen orientieren, ist ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Wir bestehen darauf, dass Verstöße dagegen aufgeklärt werden, dass Transparenz hergestellt wird. Und wir bestehen darauf, dass, wenn der Verdacht aufkommt, dem sei nicht so, selbstverständlich Untersuchungen durch die Aufsichträte eingeleitet werden. Dies will ich zu Beginn ganz klar sagen. Wir haben ein Interesse daran, dass sich Teilnehmer im Wettbewerb auf ein faires Verhalten der Geschäftsführungen und Vorstände der Gesellschaften im Land Berlin verlassen können.
Es handelt sich bei den im Eigentum des Landes Berlin befindlichen Gesellschaften um öffentliche Auftraggeber nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Es ist hier geschildert worden, welche Schwellenwerte einzuhalten sind. Das Kammergericht hat in den Jahren 2002 und 2003 diese Tatsache bereits festgestellt und deutlich gemacht, wie die Definition eines solchen öffentlichen Auftraggebers umzusetzen ist.
Wenn ich den nächsten Satz zu Ende gesprochen habe, gern. – Der Senat hat die Urteile des Kammergerichts bereits damals zum Anlass genommen, die Wohnungsbaugesellschaften, aber auch andere Gesellschaften ausdrücklich darauf hinzuweisen, was es bedeutet, öffentliche Auftraggeber im Sinne des Gesetzes zu sein. – Herr Jotzo, bitte!
Vielen Dank, Frau Senatorin! Wie bringen Sie denn Ihre Äußerungen, wonach der Senat jederzeit auf ein rechtmäßiges Handeln der Wohnungsbaugesellschaften hinwirke, damit in Einklang, dass Sie trotz entsprechender Anhaltspunkte und der entsprechenden Anfrage der FDP-Fraktion mit Hinweisen auf das systematische Honorardumping bei den Wohnungsbaugesellschaften nicht darauf hingewirkt haben, dass dort das geltende Preisrecht eingehalten wurde?
Das geltende Recht ist einzuhalten. Ich komme in meinem nächsten Satz sehr gern auch darauf. Das gilt zum Beispiel für die unterschiedlichen Vorschriften, die nicht unbedingt Gesetze im wahrsten Sinne des Wortes sind, die aber ebenfalls Vorschriften sind – so wie der Kollege Jahnke das beschrieben hat –, die bundesweit gültig sind – die VOB, die VOL, die VOF. Selbstverständlich ist auch die HOAI nicht nur eine Regelung zur Preisgestaltung, sondern eine Reglung zur Ausgestaltung eines fairen Wettbewerbs, auf dem schon die Mitglieder der Kammern ganz selbstverständlich bestehen.
Um dies einzuhalten, haben im Land Berlin die städtischen Unternehmen – nicht nur die Wohnungsunternehmen, bei denen wir uns das in letzter Zeit ausdrücklich in ganz besonderer Weise angeschaut haben – Organisationsrichtlinien, Vergabehandbücher erarbeitet. Diese internen Vergabehandbücher und Organisationsrichtlinien enthalten Wertgrenzen, Hinweise zur Qualifikation möglicher Bewerber, und sie nehmen zu den verschiedenen Vergabearten Stellung, indem sie Auftragswerte regeln.
Bereits im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling in der letzten Woche hat der Senat angeboten, für die Beteiligungen des Landes diese internen Richtlinien zu betrachten – gegebenenfalls auch kritisch. Ich bin sicher, Sie werden feststellen, dass ausführliche und intensive Regelungen existieren, die interne Bindungen vorgeben. Die Kontrolle dieser Regelungen ist Aufgabe der jeweiligen Geschäftsführung, und diese ist wiederum an die Beteiligungsrichtlinien des Landes Berlin und die Hinweise, die dazu gegeben wurden, gebunden. Frau Matuschek hat sie vorhin teilweise benannt. Ich will das gerne ergänzen. Ich finde es nicht nur wichtig, dass die Geschäftsleitung dafür zu sorgen hat, dass mehrere An
gebote eingeholt werden, sondern dass sie auch die Aufgabe hat festzustellen, ob ihr Unternehmen unter die Regelungen des Vergaberechts fällt. Sie kann zum Beispiel schadenersatzpflichtig gemacht werden, wenn sie sich hierbei irrt und dem Unternehmen dadurch ein Schaden entsteht. Diese Hinweise an die Beteiligungen des Landes Berlin sind allen Unternehmen bekannt. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat sie vor noch gar nicht langer Zeit noch einmal bestätigt.
Wenn allerdings – wie hier der Fall – von der Geschäftsführung einer Gesellschaft dargestellt wird, dass man sich nicht so sehr an die Regelungen zur Vergabe gebunden fühle, die das Land vorgegeben hat, muss allerdings gehandelt werden, und zwar unmittelbar. Die Äußerung der Geschäftsführung der HOWOGE hat mich veranlasst, innerhalb von wenigen Stunden Kontakt zur Aufsichtsratsvorsitzenden aufzunehmen. Sie hat, wie Sie wissen, eine Sondersitzung des Aufsichtsrats einberufen. Die Aufträge, die hier ergangen sind, haben die Aufklärung des Vergabeverfahrens der Geschäftsführung zum Ziel. Es sollen gegebenenfalls auch Umgehungstatbestände festgestellt werden. Die Betrachtung bezieht sich auf die letzten fünf Jahre.
Ich bitte Sie dennoch, meine Damen und Herren, keine Vorverurteilung und vor allem keine pauschale Unterstellung vorzunehmen, als ob alle Geschäftsführungen landeseigener Unternehmen der Versuchung unterliegen würden, gegen das Vergaberecht oder die Vorgaben des Landes Berlin zu verstoßen.
Wir haben den Vorgang zum Anlass genommen – das wurde gestern im Hauptausschuss bestätigt –, alle Aufsichtsräte der Unternehmen, die dem Land Berlin gehören, aufzufordern, sich in den nächsten Aufsichtsratssitzungen ausführlich mit dem Vergabeverhalten der Geschäftsführungen und Vorstände zu befassen.
Danke schön, Frau Senatorin! Nachdem sowohl die Kollegin Matuschek als auch Sie uns zum Vergaberecht im Allgemeinen und im besonderen aufgeklärt haben, würde ich Sie bitten, konkret etwas zum Fall Hillenberg zu sagen, zumindest zu dem, was er selbst der „Berliner Zeitung“ in einem Interview gesagt hat! Wie bewerten Sie, dass er beispielsweise die Einhaltung der HOAI in keiner Weise für notwendig hält?
Frau Eichstädt-Bohlig! Ich hatte Ihnen eingangs bereits dargestellt, dass der Senat das Vergabeverhalten der Geschäftsführungen und Vorstände untersucht und es dabei selbstverständlich auch eine Rolle spielt, ob die HOAI eingehalten worden ist. Die Einhaltung der HOAI – das wissen wir beide sehr genau, Frau Eichstädt-Bohlig – ist unter anderem im Interesse der Angehörigen der Bau-, Ingenieurs- und Architektenkammer. Sie soll diese Berufsstände schützen. Der Schutz von Berufsständen vor unlauterem Wettbewerb ist unser gemeinsames Ziel und unsere gemeinsame Aufgabe. Auch dies wird bewertet und untersucht.
Ich sage Ihnen gerne noch einmal, dass der Senat ein massives Interesse an einer schnellen, intensiven Aufklärung des Vergabeverhaltens hat, und zwar ohne Ansehen der Personen. Das betrifft Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen.
Für die Fraktion der Grünen hat Kollege Esser das Wort. Ihm stehen noch 4 Minuten und 47 Sekunden zur Verfügung. – Bitte!
Dann muss ich jetzt noch 13 Sekunden rausschlagen. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Senatorin! Werte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot! Wir sind hier im Parlament und nicht im juristischen Oberseminar.
Ob der Auftrag unter Genossen für 178 000 oder 193 000 Euro über den Tisch gegangen ist, ist hier nicht entscheidend. Die Vetternwirtschaft bleibt so oder so politisch und moralisch anrüchig.
Sie sind aufgefordert, endlich eine politische Bewertung vorzunehmen, statt sich hinter juristischen Tricks zu verstecken.
Es wurde hier bereits mehrfach gesagt: Die Sprecherin der HOWOGE und andere haben zum Ausdruck gebracht, dass bei ihnen regelmäßig im Verbund mit befreundeten Ingenieursbüros direkt vergeben worden sei, weil eine gute Zusammenarbeit bestehe. Herr Hillenberg hat genau dies – man kennt sich eben – bestätigt. Was gibt es an diesen beiden Aussagen noch zu untersuchen, Frau JungeReyer? Warum weigern Sie sich, diesen Tatbestand zu bewerten?
Das gilt auch für das Thema HOAI. Herr Hillenberg hat gesagt, der Grund für die Direktvergabe und diese Form der Zusammenarbeit sei gewesen, dass bei einer Ausschreibung, bei der man die HOAI hätte beachten müssen, höhere Preise herausgekommen seien. Er konnte es aber für die Hälfte machen, für 8 Prozent statt für 16. Die Differenz nimmt er wahrscheinlich seinen Beschäftigten bei der Entlohnung ab, oder er holt es wo auch immer heraus. Klar ist : Wer das macht, begeht auf beiden Seiten – HOWOGE und Herr Hillenberg – eine rechtswidrige Handlung, betreibt unlauteren Wettbewerb und vielleicht noch mehr. Was spricht eigentlich noch gegen eine Bewertung von Ihrer Seite? Weshalb muss dafür die Praxis der HOWOGE in den letzten fünf Jahren überprüft und jeder einzelne Auftrag untersucht werden?