Ich hoffe, dass ich bei Ihrer Prophetie bezüglich Krawall und Skandalen Ihren Erwartungen in den kommenden fünf Minuten entspreche.
Meine Fraktion und ich halten es für dringend geboten, über die tiefen Verflechtungen zwischen der Berliner Sozialdemokratie und den städtischen Wohnungsgesellschaften zu diskutieren, über SPD-Baufilz und darüber, wie Sie sich unsere Stadt zur Beute machen.
Die durch Medienberichte aufgedeckte HOWOGE-Affäre um den SPD-Abgeordneten Hillenberg offenbart die große Diskrepanz zwischen Ihren hochtrabenden Anträgen und einer mieterfeindlichen Selbstbedienungsmentalität vor Ort.
Bereits Anfang 2009 hatte die Berliner SPD-Fraktion auf einer Klausurfahrt eine Resolution zur Mietenpolitik beschlossen. Unter der Überschrift „Landeseigene Wohnungsunternehmen mit besonderer Verantwortung“ hieß es:
Die städtischen Wohnungsgesellschaften erwirtschaften eine Stadtrendite, die nicht nur ökonomische Faktoren berücksichtigt. Wir wollen dieses Engagement und diese Möglichkeiten in städtischer Hand behalten und aktiv fortführen.
Was die Sozialdemokraten unter Möglichkeiten verstehen und wie aktiv sie diese nutzen, können die Berlinerinnen und Berliner beinahe täglich nachlesen. Ich denke dabei insbesondere an die vielen SPD-Parteibuchsoldaten in den Vorständen der städtischen Wohnungsgesellschaften, ich erinnere hier nur an den politisch hoch umstrittenen Wechsel von Ex-Staatssekretär Bielka – SPD – an die Spitze der DEGEWO oder an Ex-Bausenator Strieder – SPD –, der sich jetzt als Cheflobbyist für den Börsengang der ehemals landeseigenen GSW stark macht.
Was aber jetzt aus Pankow bekannt wurde, im Zwielicht der HOWOGE und dem Planungsbüro von Herrn Hillenberg, dürfte die bislang bekannte Selbstbedienungsmentalität der Berliner Sozialdemokratie noch übertreffen.
Auf die Verfehlungen muss ich nicht noch einmal eingehen – über die Luxussanierungen auf dem Rücken der Mieter, geplant durch einen SPD-Abgeordneten mit sehr einträglichen persönlichen Geschäftsbeziehungen mit der HOWOGE, ist viel geschrieben worden. Es geht um Auftragsgeschacher unter Parteifreunden, um Planungsleistungen, die seit Jahren nicht ausgeschrieben wurden und um politische Einflussnahme im Parlament, um der HOWOGE freie Hand zu geben.
Schockierend ist aber nicht nur, dass bei der HOWOGE offenbar systematisch Vergaberecht umgangen wurde, sondern dass den Betroffenen jegliches Unrechtsbewusstsein fehlt. Spätestens am Montag hat sich der Kollege Hillenberg in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“, wie ich meine, um Kopf und Kragen geredet. Ich zitiere eine seiner Äußerungen:
Natürlich hätte die HOWOGE jedes neue Projekt per Annonce ausschreiben können, aber dann hätten sich auch die Büros beworben, die dort schon arbeiten, also sparte man sich diesen Schritt.
Und weiter heißt es, die Zusammenarbeit mit eingespielten Partnern sei viel effektiver, man kenne sich eben, und außerdem habe die HOWOGE damit Geld gespart. Wenn
SPD-Abgeordnete eigenmächtig entscheiden, welche rechtlichen Vorschriften im Privatleben für sie sinnvoll sind oder nicht, dann sind ihnen alle Maßstäbe verloren gegangen.
Ich frage mich dann natürlich auch, wozu wir in dieser Stadt eigentlich einen Rechtsrahmen schaffen, wozu wir ausschreiben, wozu es ein Vergaberecht gibt, wenn am Ende offensichtlich nur das SPD-Parteibuch zählt. Gilt das Vergaberecht nicht für Sozialdemokraten?
Das unterscheidet sich im Übrigen von dem, was wir heute über Vorgänge in Spandau lesen mussten. Wenn sich herausstellt, dass dort etwas vorgefallen ist, dann wird das natürlich Konsequenzen haben. Aber diese Kraft bringen Sie bei den tiefen Verstrickungen Ihrer Genossen nicht auf. Die HOWOGE-Affäre ist ein Problem von Herrn Hillenberg, aber es ist eben auch eine schwere Hypothek für die SPD und auch für Sie, Herr Müller, weil Sie felsenfest an Ihrem Parteifreund festhalten oder diesen Sumpf einfach dulden.
Es scheint Sie nicht einmal zu stören, dass Sie dabei völlig isoliert sind, denn durch Presseerklärungen wissen wir, dass Ihr eigener Fraktionspartner sich von Ihnen absetzt. Deshalb wäre es schön, Herr Müller, wenn wir in der Aktuellen Stunde auch das eine oder andere von Ihnen dazu hören würden.
Ob Sie sich aber heute dazu äußern oder nicht – die Debatte wird nicht beendet sein. Im Gegenteil: Die ganze Vergabepraxis gehört auf den Prüfstand, der ganze SPDFilz in den städtischen Wohnungsgesellschaften muss aufgeklärt und abgestellt werden, und dafür wird sich meine Fraktion entschieden einsetzen. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/die Grünen hat nun deren Vorsitzende das Wort.– Bitte schön, Frau Pop!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Wir kennen es ja nicht anders von Ihnen, Ihre politische Kultur heißt: Parlament mundtot machen! Sie drücken sich vor der Aufklärung in dieser Sache, das weiß doch jeder!
Wenn Ihnen an der Aufklärung gelegen wäre, könnten Sie dem Parlament ja den Zwischenbericht der HOWOGE vorlegen.
Eis und Glätte sind tatsächlich nicht mehr dramatisch, dennoch will auch ich die Gelegenheit nutzen, Danke zu sagen. Ich danke allen, die auf eigene Initiative hin Schnee geräumt und Eis gehackt haben, danken will ich auch den Tausenden arbeitslosen Menschen, die sich freiwillig zum Winterdienst gemeldet haben und damit Populisten vom Schlag eines Westerwelle Lügen gestraft haben.
Es gab viele Initiativen in der Stadt – nur nicht vom Senat. „Berlin ist nicht Haiti“ ist so ziemlich das Dämlichste, was man in diesem Winter aus dem Roten Rathaus hören musste.
Das ist Ihre Haltung gegenüber den Hunderten von Berlinerinnen und Berlinern, die ihre Knochenbrüche in Krankenhäusern behandeln lassen mussten, und auch gegenüber dem Personal in den Krankenhäusern, das rund um die Uhr im Einsatz war. Es wurde aber noch getoppt: Nach “Berlin ist nicht Haiti“ kam noch, man könne „Holiday on Ice fahren, bis man auf die Schnauze fliegt“, womit der Regierende Bürgermeister wohl meint: Was stört mich euer Kleinkram.
Herr Wowereit! Ihr Amtseid gilt für die ganze Wahlperiode, Sie haben der Stadt etwas versprochen. Wenn Sie das nicht mehr halten können, dann machen Sie Ernst und sitzen Sie die Restzeit bis 2011 hier nicht noch ab!
Sieht er so aus, der angekündigte Mentalitätswechsel, über die Probleme der Stadt zu spotten und sie nicht ernst zu nehmen? – Wir hätten die Akteure an einen Tisch geholt – die Hauseigentümer, die BVG, die BSR, die Bezirke – und hätten die nötigen Maßnahmen ergriffen. Eine gemeinsame Anstrengung hätte der Stadt gut zu Gesicht gestanden, Herr Regierender Bürgermeister!
Die Bürgerinnen und Bürger wollen nämlich etwas tun für ihre Stadt, sie wollen daran arbeiten, dass die Bildungssituation besser wird, dass die soziale Spaltung nicht zunimmt, dass hier endlich Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen entstehen. Doch sie haben eine Regierung, die sich dafür schlichtweg nicht interessiert.
Herr Wowereit! Sie haben einen Mentalitätswechsel in der Berliner Politik versprochen. Die Stadt hat sich gewandelt, doch der Mentalitätswechsel bei der SPD ist ausgeblieben.
Während wir im Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung der Affäre um das Spreedreieck beschäftigt sind, dreht sich das Rad um fehlende Transparenz, Vetternwirtschaft und fehlende Kontrolle munter weiter. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften machen Geschäfte mit SPD-Abgeordneten nach dem Motto: Man kennt sich. Man kann sich jetzt nicht hinter formaljuristischen Verteidigungswellen verschanzen, meine Damen und Herren von der SPD. Für uns ist dieses Fehlverhalten eine Frage von politischem Anstand und politischer Moral, und eine Verquickung von Mandat und eigener Geschäftstätigkeit ist für uns nicht hinnehmbar.
Und man fragt sich schon, ob Herr Hillenberg der Richtige ist, sich im Petitionsausschuss unvoreingenommen um die Probleme von Menschen zu kümmern, die sie vielleicht auch als Mieter von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben. Die SPD-Fraktion muss sich die Frage gefallen lassen, wie lange Herr Hillenberg für sie eigentlich noch tragbar ist.
Von sich reden macht ein weiterer, diesmal ehemaliger SPD-Abgeordneter, der Abgeordnete Harald Ehlert, Geschäftsführer der Treberhilfe. Die Geschichte ist ja bekannt. Da geht die Nummer auch so: Die Aufträge werden mehr, die Gewinne steigen. Man kennt sich eben in der Stadt.
Wundern tut man sich auch beim DIW. Da kann man sich fragen: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort lautet: Die seit Jahrzehnten SPD-geführte Wissenschaftsverwaltung schlampt seit Jahren bei den Kontrollen. Mehr als 30 Institutionen sind seit sechs Jahren nicht mehr geprüft worden.
Das ist in einer Vorlage nachzulesen, Herr Gaebler. Das DIW ist eine davon. Immerhin geht es beim DIW um 7 Millionen Euro, die der Rechnungshof beanstandet. Warum gab es dies Kontrolle nicht von der Wissenschaftsverwaltung? Keine Überprüfung, keine Kontrolle seit Jahren. Der Grund überrascht keinen mehr: Man kennt sich eben, heißt es auch hier, wenn man die Vorlage genau liest.