Protocol of the Session on January 28, 2010

Für die SPD ist die 300-jährige Geschichte der Charité Verpflichtung und Auftrag, diese einzigartige Institution weiterzuentwickeln und auch zu erhalten. Gleichzeitig sind diese 300 Jahre aber auch die Quelle der Gewissheit, dass die sturmerprobte Charité diesen ziemlich absurden Anschlag der FDP, den Sie heute hier vorlegen,

[Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP)]

überleben wird. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Dragowski. – Bitte sehr!

Herr Kollege Oberg! Bleiben Sie am besten gleich stehen, vielleicht wollen Sie auch erwidern.

[Lars Oberg (SPD): Bestimmt!]

Wir finden den Hinweis interessant, dass unser Konzept bis zu Ihrem Schreibtisch vorgedrungen ist, aber hätten Sie es gelesen, hätten wir eine bessere Diskussion führen können, Herr Kollege!

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte Sie nur an die Haushaltsberatungen im Wissenschaftsausschuss erinnern. Wir haben es schon im Dezember im Plenum thematisiert. Die Oppositionsfraktionen haben beim Senat und auch bei Ihnen angemahnt: Wenn Sie Hunderte Millionen von Euro für die Charité haben wollen, geben Sie uns endlich Ihr Konzept! Bis heute haben Sie als Sozialdemokraten kein Konzept vorgelegt und der Senat erst recht nicht.

[Beifall bei der FDP]

Herr Zöllner hat sich sogar hier im Plenum bei uns entschuldigt, insoweit kann ich Ihre Kritik nicht nachvollziehen. Man könnte es sogar als Neid oder Missgunst auffassen. Das Problem ist sicherlich, dass wir, die FDPFraktion, konkret geworden sind. Wer konkret wird – auch beim Thema Charité – löst natürlich Diskussionen aus. Aber wir hoffen natürlich, dass Sie zu einer sachlichen Diskussion zurückkehren. Der Kollege Gersch hat dargestellt, dass wir der Charité mit unserem Charitékonzept eine Zukunft geben. Wir belassen es nicht bei einer dreihundertjährigen Geschichte, sondern sorgen dafür, dass die Charité auch die nächsten Jahrzehnte und hoffentlich Jahrhunderte in Berlin erfolgreich sein wird.

[Beifall bei der FDP]

Der Kollege Gersch hat darauf hingewiesen, welche Bedeutung es für die Wissenschaft, welche Bedeutung es für die Forschung hat. Wie gesagt, Herr Kollege Oberg, Sie merken, wir als FDP sehen das Thema Charité nicht nur als wissenschaftspolitisches und forschungspolitisches Thema, sondern vor allem auch als gesundheitspolitisches Thema. Der Kollege Gersch hat sich hier zum Thema Gesundheitspolitik und Berlin und Charité klar geäußert. Wenn Sie wollen, dass wir das Thema noch einmal sachlich diskutieren, freue ich mich auf die Ausschussberatung im Wissenschaftsausschuss und kann Sie nur auffordern: Bringen Sie Ihr Konzept bei, dann vergleichen wir! Dann fragen wir auch, wie wir die Konzepte gemeinsam umsetzen wollen, falls es Übereinstimmungen gibt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Herr Oberg möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte schön, Herr Oberg!

Herzlichen Glückwunsch, Herr Dragowski! Sie haben diesen Antrag nicht begründet, Sie haben keinerlei wissenschaftspolitische Sicht auf die Dinge hier verbreitet. Wir wissen immer noch nicht, warum das wissenschaftspolitisch für die Stadt gut sein soll. Herzlichen Dank!

Ich habe diesen Antrag gelesen, deshalb kann ich Ihnen auch noch zwei Beispiele für den perfiden Charakter geben, der sich an der einen oder anderen Stelle findet. Erstens: Sie loben die Arbeitskräfte für ihre gute Leistung. Gleichzeitig wollen sie 300 Wissenschaftler aus Buch auf die Straße setzen.

[Henner Schmidt (FDP): Das stimmt doch gar nicht! – Christoph Meyer (FDP): Dummdreist!]

Sie wollen 1 000 Betten in Mitte abbauen. Das würde Tausende Arbeitsplätze betreffen. Sie wollen den Zuschuss für Forschung und Lehre auf 150 Millionen Euro festsetzen. Das sind momentan 25 Millionen Euro mehr.

[Zuruf von Kai Gersch (FDP)]

Zweites Beispiel: Sie erheben Herrn Prof. Einhäupl zum Kronzeugen Ihres Wahnsinns mit dem Standort Mitte. Sie sagen, wir stimmen Herrn Einhäupl zu, dass der Standort Mitte, das Bettenhochhaus, nicht weiter benutzt werden soll. Dann fügen Sie allerdings hinzu: Aber bei der Auswahl des Standorts nehmen wir nicht Mitte, sondern lieber Steglitz.

[Zuruf von der FDP: Ja!]

Da verkehren Sie dann die Intention des Vorstands und auch des Aufsichtsrats ins Gegenteil. Das ist das, was ich perfide nenne.

[Beifall bei der SPD]

Zum Thema Gesundheitspolitik: Ach, Herr Gersch! Als Gesundheitspolitiker können Sie sich ja nicht rausreden, aber auch das, was Sie hier gesundheitspolitisch vorgelegt haben, ist dann doch mehr als zweifelhaft. Beschäftigen wir uns mal mit dem Südwesten Berlins. Dort wollen Sie ein neues Krankenhaus am Standort des UKBF bauen, mit 500 Betten. Also, wir bauen 500 Betten für ein paar zig Millionen. Gleichzeitig wollen Sie in der gleichen Region genau diese Betten, die wir heute schon haben, abbauen. Das ist nun wirklich ein Schildbürgerstreich: Betten, die wir schon haben, schließen, um sie quasi an der gleichen Stelle wieder aufzubauen. Wir wissen ja mittlerweile auf Bundesebene, dass Sie mit Geld nicht umgehen können. Aber dass das in Berlin mittlerweile solche Stilblüten treibt, das erstaunt mich dann schon.

Dann sagen Sie, Sie wollen eine menschengerechtere Versorgung in der Stadt. Na ja, gut, aber in Mitte streichen Sie dafür erst mal 1 000 Betten ersatzlos. Und das,

obwohl Sie wissen, dass wir eigentlich eher zu wenig Betten haben, und mit Blick auf die demografische Entwicklung wird sich dieser Prozess noch verstetigen. Das heißt, auch gesundheitspolitisch ist das hier ein Irrlauf. Ich bin gespannt, wie Sie das zurechtbiegen wollen. Und ich muss kein Prophet sein, wenn ich heute schon sagen kann, dass dieses Konzept und dieser Kerngedanke, der die Substanz der Charité ruiniert, bei uns keine Zustimmung finden wird. Und da sind wir dann auch nicht für faule Kompromisse zu haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion möchte der Charité eine Zukunft geben. So weit zu den Gemeinsamkeiten mit dem vorliegenden Antrag der FDP. Der Antrag besticht durch eine übernormale Glanzleistung an politischer Phraseologie, durch eine supramaximale Ignoranz von wissenschaftlichen Fakten und eine regelmäßige außer- und überplanmäßige Verdrängung von soziologischen Realitäten in unserer Stadt.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

In stringent-effizienter Art und Weise werden Fachbegriffe in suboptimaler Logik in einen zielgruppenkompatiblen Kontext gestellt. Damit hat sich der Antrag auf einen Spitzenplatz der Weltliga für inhaltsleere Parlamentslyrik hochgearbeitet und etabliert.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion]

Die Zusammenstellung aus dem Lindnerschen Baukasten von Stilblüten ist bedauerlicherweise zu einem semantischen Wildwuchs im XXL-Format geworden. Vielleicht sollten Sie den Baukasten noch einmal mit Herrn Lindner besprechen, bevor sie aus dem heraus Anträge dieser Art schreiben. Kein ernst zu nehmender Fachmann, Herr Kollege Gersch, in dieser Stadt befürwortet die Schaffung einer medizinischen Hochschule in Berlin, schon gar nicht die Professoren selbst, auch nicht die im Südwesten. Denn sie befürchten dadurch einen Rückgang der Drittmittel, und das zu Recht. Gerade in Ihrem Antrag fordern Sie eine stärkere Vernetzung mehrerer Forschungsgebiete, um die Lebenswissenschaften zu fördern, wollen aber gleichzeitig mit der medizinischen Hochschule alles abschneiden, was es an Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen gibt. Die Wissenschaft ist sich einig, dass von der Physik bis zur Psychologie die moderne Medizin die Zusammenarbeit für das 21. Jahrhundert braucht. Keine Aufspaltung der medizinisch-klinischen Forschung, sondern eine Zusammenführung der verschiedenen Fachgebiete ist das Gebot der Stunde.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Der Antrag mag als supermaximaler Portalantrag zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Charité geeignet sein. Aber Antworten auf die Fragen der Charité gibt dieser Antrag nun wirklich nicht.

[Kai Gersch (FDP): Aber mehr als Sie!]

Der Mutlosigkeit des rot-roten Senats – da sind wir uns zweifellos einig – setzen Sie ziemlich viel Übermut entgegen. Ich finde es schon sehr mutig, Herr Gersch, dass Sie fordern, dass sämtliche Standorte im Ostteil der Stadt geschlossen werden sollen, dann auch noch die im Zentrum der Stadt und dann auch noch alle in TempelhofSchöneberg, um diese Betten dann in Steglitz zu errichten. Die CDU-Fraktion spricht sich klar gegen das Ausspielen dieser Kliniken aus. Wir setzen auf eine bestmögliche medizinisch-klinische Versorgung in allen Teilen unserer Stadt.

[Beifall bei der CDU]

Es mag ja aus der Sicht Ihrer Partei, Herr Gersch, verständlich sein, dass Sie ausschließlich in Ihrer Wahlhochburg Steglitz-Zehlendorf ein kleines Glanzlicht setzen wollen.

[Christoph Meyer (FDP): Sie haben ja gar keine mehr!]

Im Sinne der gesamten Stadt ist das aber nicht, und hoffentlich folgt nicht demnächst ein Antrag für eine separate Uniklinik für DKV-versicherte FDP-Wähler, die dann höchstwahrscheinlich auch in Steglitz-Zehlendorf errichtet werden soll. – Ich stimme ja Ihrer Aussage zu, Herr Gersch, dass nicht die quantitative Größe das zu fördernde Gut ist, sondern die Qualität. Deswegen kann man Ihrem langen Antrag auch nicht zustimmen, sondern vernünftig ist, was Qualität hat.

[Mirco Dragowski (FDP): Wir können Ihnen ein Comicheft schicken!]

Zum Abschluss möchte ich gern noch auf den in diesem Antrag zum Ausdruck kommenden Prozess der Selbstreflexion der FDP eingehen. Ich zitiere:

Die FDP mahnt dringend ein Umdenken beim Thema Größe an. Wir sind der Meinung, Größe muss eine Aussage über Qualität machen. Das gilt besonders, wenn die Größe zum Problem geworden ist.

Ich hoffe, dass Ihre Bundespartei eine Kopie dieses Antrags erhalten hat.

Herr Czaja! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?

Ja, gern!

Herr Kollege Czaja! Nachdem Sie so lange über den FDP-Antrag und gegen den geredet haben, können Sie uns vielleicht einen oder zwei Sätze sagen, was die CDU sich vorstellt? Das habe ich nämlich bisher noch nicht gehört. Es wäre vielleicht ganz interessant für die Bürger zu wissen, wie Ihr Konzept aussieht.

Sehr geehrter Herr Kollege! Wir wollen keine Aufspaltung der Unimedizin, wie Sie es vorstellen, sondern wir wollen, dass die Unimedizin an all den Standorten erhalten bleibt.