Sehr geehrter Herr Kollege! Wir wollen keine Aufspaltung der Unimedizin, wie Sie es vorstellen, sondern wir wollen, dass die Unimedizin an all den Standorten erhalten bleibt.
Wir wollen nicht, dass Sie Stadtteile von Buch bis Steglitz-Zehlendorf gegeneinander ausspielen und alle Professoren, die Drittmittel einwerben, in die Wüste schicken, wie Sie das in Mitte, im Virchow und am Standort Buch machen wollen.
Und ja, wir wollen eine gezieltere Zusammenarbeit auch der landeseigenen Kliniken in der Region Südwest. Das kann man zweifelsohne vernünftig organisieren, aber nicht dahingehend, dass man viele Gliedmaßen amputiert, um dann zu versuchen, mit einem Arm noch über die Strecke zu kommen. Das ist nämlich der Inhalt Ihres Antrags.
Wenigstens kann ich dem Antragschreiber für die sprachliche Inspiration aus Ihrem Antrag danken. Es ist wirklich sehr schön, daraus einige sinnfreie Wortschöpfungen zu übernehmen. Ich habe versucht, dies in meine Rede einfließen zu lassen, und danke für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czaja! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Albers das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Ich hätte es für klüger gehalten, wir hätten über den Antrag der FDP im Zusammenhang mit der Debatte über die Große Anfrage zur Thematik Charité, Vivantes und Gesundheitsstandort Berlin gesprochen. So, glaube ich, werden Sie heute von uns nicht allzu viel erfahren, weil wir der Antwort des Senats auf diese Frage nicht vorgreifen wollen. Sie haben dennoch Ihren Antrag heute zu Ihrer Priorität gemacht, und so wollen wir Ihr Bemühen auch als Lebenszeichen freidemokratischer Gesundheitspolitik in dieser Stadt entsprechend gesondert wichten, und die
Die Charité hat tatsächlich ein Problem mit ihren Infrastrukturkosten, die sie als Ballast seit Jahren mit sich herumschleppt und die rund 60 Millionen Euro über den InEK-Vergleichskosten liegen. Dieses Kostenniveau begründet in der Tat die Notwendigkeit, eine sehr kritische und tabulose Strukturdiskussion zu führen. Aber das muss man dann auch tun. Das war im Übrigen auch der Hintergrund für den Schließungsbeschluss im Jahr 2000 und 2001. Ich erinnere daran, dass es nicht nur der öffentliche Druck war, der dazu geführt hat, dass dieser Beschluss zurückgenommen wurde, sondern auch die feste Zusage des damaligen Charitévorstands, dieses Kostenproblem auch bei Erhalt aller Standorte in den Griff zu bekommen. Der neue Vorstand hat diese nicht eingelöste Zusicherung als Erblast übernommen. Und natürlich habe auch ich in diesem Zusammenhang ein Problem mit der unkritischen Verwendung des Begriffs der „Größe“ der Charité in der aktuellen Debatte. Da gebe es eine kritische Masse, die für die Charité, deren Vorteil ja gerade diese „Größe“ sei, nicht unterschritten werden dürfe, um die wissenschaftliche Reputation der Charité auch international nicht zu gefährden. Nur – was die kritische Masse denn ist, wird nicht genauer gesagt. Es bleibt eine imaginäre Größe. Wie viele Betten sind das? Wie viele behandelte Patienten sind das? – Es ist schon gesagt, die Reputation einer Universitätsklinik definiert sich eben nicht über die Zahl ihrer Standorte und ihre Größe, sie definiert sich nicht über die Quadratmeterzahl ihrer Nutzfläche.
Größe definiert sich über die Breite des Fächerangebots und über das Spektrum der Spezialitäten, die vorgehalten werden. Und die Qualität dieses Angebots bestimmt den Ruf und die Akzeptanz einer universitären Hochleistungsmedizin.
Allerdings: Ihrer Argumentation über die vermeintlich notwendige Bettenreduzierung und die Begrenzung der Bettenzahl, mit der Sie der Abnahme der Versorgungsqualität begegnen wollen, kann ich nicht folgen. Wir haben in Berlin nicht zu viele Krankenhausbetten. Verabschieden Sie sich von dieser Illusion! Bei einer Verweildauer von durchschnittlich ca. acht Tagen, einer Auslastung von über 82 Prozent – und das bedeutet in der Praxis quasi Vollbelegung unserer Krankenhäuser –, mit einem steigenden Schweregrad der Erkrankungen und einer kontinuierlich steigenden Fallzahl – 2007 waren es 705 203 Patienten – ist ein weiterer Bettenabbau in dieser Stadt nicht vertretbar. Wir sind – mit umlandbereinigt 55 Betten pro 10 000 Einwohnern – im bundesweiten Maßstab das Land mit der geringsten Bettendichte. Wir brauchen wieder mehr Betten und wissen auch genau, in welchen Bereichen.
Einen blinden Aufwuchs der Bettenzahl halten wir für verantwortungslos, solange keine adäquate Versorgung für jedes Bett garantiert ist.
Den Satz muss man auch mal lesen, was er in der Umkehrung bedeutet, aber auch darüber, über die Semantik, ist schon gesprochen worden.
Die Anzahl der Krankenhausbetten in Berlin lag nach der Wende bei 43 000. Heute sind im Krankenhausplan davon noch 20 800 Betten enthalten. Mehr als 22 000 Betten wurden in den letzten 20 Jahren in dieser Stadt abgebaut, und da sprechen Sie von einem „blinden Aufwuchs“ der Bettenzahl. Niemand will hier einen blinden Aufwuchs. Wir wollen das medizinisch Notwendige an Versorgung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Da ist es in der Tat eine problematische Entwicklung, wenn eine Pflegekraft 1998 13 Patienten zu versorgen hatte und heute 19 Patienten versorgen muss, obwohl die Personalkosten in Berlin unter dem Bundesdurchschnitt liegen, wenn Sie die Behandlungsschwere, die sich im erhöhten Case-Mix-Index von 1,17 ausdrückt, berücksichtigen. Hier müssen wir umdenken.
Die Charité ist seit Antritt der neuen Geschäftsführung im Herbst 2008 dabei, ihre strukturellen und finanziellen Probleme zu systematisieren und schrittweise zu lösen. Dazu braucht und hat sie politische Rückendeckung, und dazu erarbeitet der Senat zurzeit klare Vorgaben.
Sie machen sich was vor, Herr Gersch, wenn Sie glauben, mit den 20 Millionen Euro, die Sie in Ihrem Antrag stehen haben, würden Sie dem Problem auch nur in irgendeiner Weise gerecht werden. Sie reden um das eigentliche Problem der Finanzierung herum, denn auch dafür haben Sie keine Lösung. Es fehlt die Zeit, detailliert auf Ihren Antrag einzugehen. Wir werden im Ausschuss einiges dazu zu sagen haben, und wir werden sicher auch hier im Plenum diesen Prozess weiter kritisch begleiten können. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Ihr Problem ist nicht, dass Sie konkret werden. Ihr Problem ist die Art und Weise, wie Sie meinen, konkret zu werden; nämlich irgendwo herausgegriffen, ohne jegliche Problemanalyse, entlang an ideologischen Verbohrtheiten, klotzen Sie sieben Punkte da hin und halten das dann für ein Konzept. Da kann ich nur sagen: Da haben Sie Ihre Arbeit wirklich nicht gut gemacht. Das Problem ist nicht, dass Sie konkret
Ja, die Charité ist eine Institution mit Problemen. Dazu gehört sicherlich auch das ungeklärte Verhältnis zu Vivantes. Dazu gehört der erhebliche Sanierungsstau. Dazu gehören eine Vielzahl von Lasten, auch finanzieller Natur, die sich historisch aufgebaut haben und schon längst hätten angegangen werden müssen. Das sagen wir ganz deutlich auch in Richtung Rot-Rot. Auch wenn sich langsam, aber sicher irgendetwas bewegt, dann ist das schön, aber damit ist das Problem noch nicht gelöst.
Das, was Sie von der FDP aber hier machen, ist insbesondere deswegen ein Problem, weil Sie den Gesamtkontext einfach außen vor lassen. Sie gehen hin und setzen ein paar Marken und sagen: Größe wird jetzt umdefiniert als … Wenn ich mir Ihre Umfragewerte anschaue, vielleicht muss man da so draufkommen.
Ist in Ordnung. Aber die Grundfrage stellen Sie sich überhaupt nicht. Krankenversorgung ist ein Teil der Daseinsvorsorge, die zu organisieren ist, wo das Land, das Parlament eine Aufgabe hat, und zwar zuvorderst zu gucken: Was braucht diese Stadt? – Und das können die Charité und die Beschäftigten des Gesundheitswesens und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt von uns verlangen. Wenn man dann einfach hingeht und in die Begründung – da stehen die wirklich spannenden Sachen – Sachen reinschreibt wie – ich zitiere das mal:
Abnehmende Ressourcen für mehr Betten führen dazu, dass pro Bett noch weniger Personal und Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb favorisiert die FDP eine Begrenzung der Bettenzahl, um einer Abnahme der Versorgungsqualität begegnen zu können.
Dann ist das, was Sie völlig außen vor lassen, erst mal die Grundfrage: Was braucht denn diese Stadt? Sie gucken nach dem einzelnen Bett und fragen: Was spielt sich da möglicherweise ab? Die Grundfrage, wie müssen wir die Gesundheitslandschaft dieser Stadt aufstellen, wo auch die Charité als international herausragende Unimedizin ein relevanter Baustein ist, lassen Sie außen vor.
Sie können die Frage wahrscheinlich auch noch gar nicht beantworten, denn wir haben unsere Große Anfrage ja nicht ohne Grund gestellt, weil wir nämlich der Ansicht sind, um diese Fragen zu beantworten und dann in den notwendigen Abwägungsprozess einzutreten, was wirtschaftliche, wissenschaftliche und haushaltsmäßige Grundfragen betrifft, braucht man Daten, Fakten und Zahlen. Wenn Sie die alle nicht haben – ich glaube jedenfalls nicht, dass Sie die haben, sonst hätten wir sie ga
rantiert auch –, dann können Sie diese Abwägungen gar nicht treffen. Was Sie hier machen, ist, sich einfach irgendetwas auszudenken und zu sagen: Das ist unser Konzept, lassen Sie uns darüber reden. – Was Sie geschafft haben, ist, dass wir jetzt in eine Form von Auseinandersetzung eintreten,
aber dafür möchte ich Ihnen jetzt noch keinen großartigen Applaus zollen, wahrlich nicht, denn ich denke, dass wir diese Auseinandersetzung führen, das tun wir seit einiger Zeit, und ich wäre durchaus der Ansicht gewesen, man hätte das zusammen mit der Antwort auf unsere Große Anfrage beraten können.
Dann hätten wir das im Kontext beraten können. Wie gesagt, wenn Sie eher auf Aktionismus und Schnellschüsse stehen, ist das Ihre Sache. Wir machen da nicht mit.
Herr Gersch! Gestatten Sie mir als wissenschaftspolitischer Sprecherin meiner Fraktion noch einen dezenten, kleinen Hinweis: Wenn Sie davon sprechen, dass die Herauslösung der Charité und gleichzeitig das Kleinschrumpfen und Wegholzen von relevanten Bereichen zu einer größeren wissenschaftlichen Freiheit der Institutionen führen würde, dann frage ich mich, ob Sie eigentlich mal mit Ihrem Kollegen Dragowski geredet haben oder ob Ihnen irgendjemand mal etwas über die wissenschaftspolitischen Grundlagen dieser Stadt gesagt hat.
wo ich auch nur sagen kann: Nein, auch mit uns wird es das nicht geben –, kann ich wahrlich nicht erkennen, dass die wissenschaftlichen Institutionen dieser Stadt von allzu großen Detaileingriffen der Politik, insbesondere dieses Landesparlaments, geknechtet wären. Manchmal wäre es z. B. in der Abgrenzung zwischen Charité und Vivantes schon gut, wenn mal eine Ansage käme, wie die Rollen verteilt sind. Darauf müssen wir gemeinsam hinarbeiten.
Sie haben den Antrag an drei Ausschüsse überwiesen. Das ist gut. Ich denke, da sollten wir auch die Auseinandersetzung führen, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Lustig wird das nicht.
Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2895 federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung sowie mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.