Protocol of the Session on January 14, 2010

Dringliche I. Lesung

Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2907

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die I. Lesung. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage Drucksache 16/2907 an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz empfohlen, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Die lfd. Nr. 7 steht auf der Konsensliste.

Lfd. Nr. 8:

Große Anfrage

Zukunft des Messe- und Kongressgeschäftes in Berlin?

Große Anfrage der FDP Drs 16/2896

in Verbindung mit

lfd. Nr. 10:

Beschlussempfehlung

ICC-Fassade erhalten

Beschlussempfehlung BauWohn Drs 16/2648 Antrag der FDP Drs 16/2119

Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat die Fraktion der FDP. Herr Thiel hat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Just zu dieser Zeit, wohl in dieser Stunde wird feierlich, festlich und hoffentlich schön die 75. Grüne Woche in Berlin eröffnet.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich denke, wir können das von hier aus unterstützen.

[Beifall bei der FDP]

Wir wünschen der Grünen Woche, dass sie an ihre großen Erfolge der letzten Jahre anknüpft und hoffentlich auch in diesem Jahr, das besonders herausfordernd ist, wieder die 400 000-Marke an Besuchern reißen wird, sodass sie weiterhin Erfolgsgeschichte schreibt.

In ein paar Tagen eröffnet eine weitere Erfolgsgeschichte, nämlich die „Bread and Butter“ in Tempelhof. Auch hier sind die Vorabmeldungen sehr positiv. Die gesamten Ausstellungsflächen sollen vermietet worden sein. Wir

können die guten Wünsche für die Grüne Woche auf die „Bread and Butter“ übertragen: Möge sie erfolgreich sein, und möge sie insgesamt für ein gutes Messejahr 2010 die Grundlage legen!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Gerade weil wir den Messe- und Kongresserfolg für uns und für die Berlinerinnen und Berliner wollen, möchten wir mit Ihnen heute, wenn auch zu etwas vorgerückter Stunde, noch einmal darüber sprechen, was für Perspektiven das Messe- und Kongressgeschäft in Berlin und für die Berliner hat. Zwei Punkte sind es, die ich besonders erwähnen möchte und die wir auch in unserer Großen Anfrage ausformuliert haben. Einmal: Es gab in den letzten Jahren Veränderungen, auf die reagiert werden musste und auch reagiert wurde. Und es gab Verzögerungen, um nicht zu sagen, teilweise Verweigerungen. Stichwort: ICC-Sanierung. Endlich, am 27. Mai 2008, hat der Senat nach jahrelanger Diskussion beschlossen, das ICC unter laufendem Betrieb zu sanieren. Dafür wurden 182 000 Euro vorgesehen und eingestellt. Dieser Beschluss hatte gerade einmal bis zum Oktober 2009 Bestand. Dann kam aus dem Hause der Senatorin Junge-Reyer der Hinweis, man müsse ein neues Asbestgutachten einholen, weil man festgestellt habe, dass es neue Belastungen gebe. Ich frage nur: Was ist eigentlich mit dem Asbestgutachten von 1990 gewesen? Taugte das nichts? War das nicht mehr auf dem aktuellen Stand? Wurde das überhaupt zur Kenntnis genommen? Oder warum fällt einem plötzlich, so viele Monate nach dem Senatsbeschluss ein, dass wir noch ein neues Gutachten brauchten. Herr Nußbaum kennt Berlin noch nicht so richtig und hat gleich angefangen, laut nachzudenken und zu sagen, dann sei der Abriss des ICC wahrscheinlich günstiger als die Sanierung. Aber wir sind nicht nur als Opposition, sondern als leidgeprüfte Berlinerinnen und Berlin die Kakophonie dieses Senats in allen den Jahren bestens gewohnt.

[Beifall bei der FDP]

Die Erfolgsgeschichte des ICC liest sich toll: zum sechsten Mal in Folge den World Travel Award bekommen, von über 180 000 Experten dazu gewählt worden, 511 Veranstaltungen mit über 220 000 Besuchern und dazu beigetragen, dass Berlin weltweit die Kongressstadt Nummer zwei ist. Weil wir diesen Erfolg verstetigen und dem Messe- und Kongressstandort eine Perspektive geben wollen, erhoffen wir uns in der anschließenden Debatte und im Beitrag des Senators Wolf klare Aussagen zur Perspektive des Messestandortes.

Auf zwei Veränderungen möchte ich hinweisen, die besonders gravierend sind. Einmal die doch etwas sehr eigenwillige Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters, einen zweiten Messestandort in Tempelhof zu etablieren, Stichwort: Ansiedlung von „Bread and Butter“. Wir haben es immer wieder gesagt, und ich wiederhole es auch gern noch einmal: Wir freuen uns, dass „Bread and Butter“ wieder in Berlin ist, wir finden aber das Verfahren, wie das geschehen ist, kritikwürdig.

[Beifall bei der FDP]

Wir finden es nicht nur kritikwürdig, sondern geradezu abzulehnen, wenn man glaubt, dass sich eine Berliner Immobilienmanagement GmbH im Wettbewerb zur Messe um Messeausrichtungen bewerben sollte. Es ist unmöglich, dass zwei mit Steuergeldern subventionierte Gesellschaften in einen Pseudo-Wettbewerb treten; das ist kein marktwirtschaftlicher Wettbewerb, da ist Monopoly spielen ehrlicher.

[Beifall bei der FDP]

Eine weitere Veränderung, die erhebliche Auswirkungen für die Messe haben könnte, ist der Standort für die ILA – hier wird über Selchow diskutiert. Dazu, Herr Senator, werden Sie uns sicherlich einiges sagen können. Wir möchten der ILA eine Perspektive geben, wir sehen aber auch, dass die ILA lediglich alle zwei Jahre stattfindet, Selchow hingegen soll ggf. weiter ertüchtigt werden – was heißt denn das? – Ist denn – unter Umständen ganz weit im Hinterkopf verdeckt und für die meisten gar nicht spürbar – daran gedacht, irgendwann einmal die Messe Berlin zu einer Messe Berlin-Brandenburg mit neuem Standort Selchow zu verlagern? – Dazu sage ich nur: Stuttgart lässt grüßen!

Wir hoffen, dass wir auf unsere Fragen verbindliche Aussagen bekommen, und ich freue mich auf die dann anschließende Debatte. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Zur Beantwortung hat Herr Senator Wolf hat das Wort. – Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Thiel! Wir sind uns sicherlich alle einig über die Bedeutung des Messe- und Kongressgeschäfts für den Wirtschaftsstandort Berlin. Allein die wirtschaftlich positiven Auswirkungen, die durch die Veranstaltungen auf dem Messegelände am Funkturm stattfinden, sind beachtlich. Ich nenne Ihnen nur einige Stichpunkte: Je nach Jahr haben wir, wie Sie wissen, unterschiedliche Veranstaltungszyklen, pro Jahr haben wir ca. 25 000 Aussteller, 1,5 bis 2 Millionen Besucherinnen und Besucher, 1 Milliarde Euro zusätzlichen Kaufkraftzufluss allein durch die Veranstaltungen auf dem Messegelände am Funkturm. Wenn man die Multiplikatoreneffekte hinzurechnet, haben wir einen Produktivitätszuwachs von 2,1 Milliarden Euro – das bezieht sich nur auf den Standort unter dem Funkturm. Wie Sie wissen, haben wir unter anderem in Hotels noch eine Vielzahl an Tagungen, Kongressen und Messen bzw. messeähnlichen Veranstaltungen, und das, was an neuen Aktivitäten in Tempelhof dazugekommen ist, verstärkt das noch.

Angaben der Berlin Tourismus Marketing GmbH zufolge bringt allein der Tagungs- und Kongressreiseverkehr Umsätze in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro nach Berlin. Das sind, wenn man das in Arbeitsplätze umrechnet, ca. 30 000 Arbeitsplätze, die daran hängen; das macht die Bedeutung des Messe- und Kongressgeschäfts nicht nur für den Wirtschaftsstandort, sondern auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Stadt deutlich.

Wenn man sich die Messe Berlin als Unternehmen unter betriebswirtschaftlichen Effekten ansieht, wie sich das Unternehmen entwickelt hat, so muss man feststellen, dass dies eine ausgesprochen positive Entwicklung ist, insbesondere wenn man sich die anderen großen Messegesellschaften dazu anschaut. Während die Messe Frankfurt ihren Inlandumsatz angesichts der Entwicklung in der Wirtschaft- und Finanzkrise deutlich nach unten korrigieren musste, der Standort Hannover einen dreistelligen Millionenbetrag vom kommunalen Eigentümer und vom Land hat zugeschossen bekommen müssen, um eine Überschuldung zu vermeiden, Nürnberg ebenfalls erhebliche Rückgänge im Inlandsgeschäft zu verzeichnen hat und ebenfalls massiv gestützt wird, Düsseldorf zehn Prozent Rückgang hat, verzeichnet die Messe Berlin nach wie vor Wachstum und geht davon aus, dass sie ein positives Jahresergebnis schreibt. Das ist eine positive Entwicklung; die Messe Berlin arbeitet, was die Messelandschaft in Deutschland angeht, im Moment gegen den Trend, und das ist eine gute Nachricht.

Diese positive Entwicklung insbesondere der großen Leitmessen wie der ITB, der Internationalen Funkausstellung, der InnoTrans, aber auch der Ausstellungen wie der Fruit Logistica führen dazu, dass das Messegelände an 180 Tagen im Jahr ausgebucht ist – ohne die Auf- und Abbauzeiten, die noch hinzukommen. Die Ferienmonate Juli und August sind für das Messegeschäft so gut wie nicht geeignet, hier findet faktisch kein Veranstaltungsgeschäft statt, d. h. wir haben eine weitgehende Ausbuchung des Messegeländes am Funkturm. Das ist eine positive Entwicklung, da andere, wie z. B. Hannover, deutliche Überkapazitäten haben und sich überlegen müssen, wie sie damit zurande kommen.

Gleichzeitig haben wir bei Leitveranstaltungen eine verstärkte Nachfrage von Veranstaltern, die teilweise die vorhandenen Kapazitäten übersteigt. So haben wir z. B. bei der ITB eine höhere Nachfrage an Ausstellungsfläche als wir gegenwärtig befriedigen können. Bei der IFA sind im großen Umfang temporäre Bauten erstellt worden, um die Nachfrage einigermaßen befriedigen zu können.

Bei der Messe findet deshalb gegenwärtig die Prüfung einer Hallenerweiterung am Standort der Deutschlandhalle statt, die, wie Sie ja wissen, nach Senatsbeschluss abgerissen werden soll. Die Messe hat eine Halle mit einer Bruttogeschossfläche von ca. 25 000 qm in Erwägung gezogen, die möglicherweise als Ersatz- oder Ausweichstandort während der Sanierung des ICC im laufenden Betrieb genutzt werden kann. Die Stadtentwicklungs

verwaltung, die Messe Berlin und die Wirtschaftsverwaltung haben mit Vorplanungen begonnen; sie sind allerdings im Moment ausgesetzt, weil der Bau an der Frage des Abrisses der Deutschlandhalle hängt. Hier läuft noch das Verfahren mit der Unteren Denkmalschutzbehörde im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie wissen, dass der Bezirk den Abriss abgelehnt hat; das Widerspruchsverfahren läuft seit dem 23. September 2009 und ist noch nicht abgeschlossen. Ich hoffe, dass wir hier zu einem sachgerechten und zügigen Ergebnis kommen, denn wir brauchen zügige Entscheidungen im Interesse des Messe- und Kongressstandortes.

Sie haben noch die Frage nach weiteren potenziellen Erweiterungsflächen gestellt. Diese kann man sich auf dem Messegelände auf dem südlichen Bereich vor den Hallen 25 und 26 vorstellen. Hier gibt es gegenwärtig allerdings keine Planungen, weil wir nicht vorhaben, Überkapazitäten aufzubauen.

Die Grundstücke der Messe Berlin, auch hierzu hatten Sie ein Frage gestellt, befinden sich durchgängig im Eigentum des Landes Berlin und werden dort beim Betrieb gewerblicher Art, der bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelt ist, geführt. Die Fläche beträgt 63 Hektar, die Grundstücke sind lastenfrei, und es sind gegenwärtig keine Übertragungen von Grundstücken geplant.

In Ihrer Anfrage haben Sie auch den Komplex ICC angesprochen. Die Stadtentwicklungsverwaltung ist, in Kooperation mit der Messe und uns, damit beschäftigt, das Bedarfsprogramm zu erstellen. Die Beschlussfassung des Senats ist die Sanierung des ICC im laufenden Betrieb. Sie können sich vorstellen, dass diese Sanierung ein ausgesprochen komplexes Vorhaben darstellt und dass damit eine Vielzahl von Fragen und Schwierigkeiten geklärt werden muss. Es wäre relativ einfach zu sagen, wir machen das ICC zwei Jahre dicht und sanieren es, dann würden wir aber auch für zwei Jahre das Veranstaltungsgeschäft dicht machen, und das ist nicht im Sinne des Erfinders. Deshalb wird die Sanierung in Abschnitte zu unterteilen sein, und zwar so, dass das ICC in dieser Zeit vernünftig als Kongress- und Veranstaltungsort genutzt und vermarktet werden kann, damit wir keine Beschädigung des Kongressstandortes haben.

Das wirft im Detail eine Vielzahl von Problemen auf, und ich finde, sie müssen sauber abgearbeitet werden. Wir dürfen hier nicht fahrlässig in Risiken gehen, die dann im Sanierungsgeschehen dazu führen, dass wir eine Überraschung erfahren und feststellen müssen, dass wir etwas nicht bedacht haben und dann Veranstaltungen oder Kongresse gefährdet werden und damit der Standort Berlin beschädigt wird, der ja eine gute Position innehat. An dieser Stelle plädiere ich für Gründlichkeit und exakte und genaue Prüfung.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie haben das Thema Tempelhof angesprochen. Sie haben in Ihrer Anfrage die Frage gestellt, wie viele Messe- und Kongressveranstaltungen dort vorgesehen sind. Nach dem

gegenwärtigen Stand sind für das Jahr 2010 sieben Veranstaltungen dieser Art vorgesehen, für 2011 bislang sechs. Das Gleiche gilt für das Jahr 2012. Für die Vermietung ist die Berliner Immobilienmanagementgesellschaft, also die landeseigene BIM zuständig. Die Genehmigungen sind vom Veranstalter bei den zuständigen Stellen, den Bezirksämtern, selbst einzuholen. Weil der Flughafen Tempelhof als solcher kein Kongress- und Messestandort ist, wie das bei der Messe Berlin der Fall ist – dort bekommen Sie ein fertiges Paket geliefert –, müssen die Genehmigungen einzeln, je nach Veranstaltungstyp, bei den Bezirksämtern oder anderen zuständigen Stellen besorgt werden.

Zu der Frage, wie viel in den Ausbau von Tempelhof investiert worden ist: In den letzten Jahren sind insgesamt 6,9 Millionen Euro im Wesentlichen in Sicherheitseinrichtungen, Brandschutz und Sanitäranlagen investiert worden, die entsprechend erweitert werden mussten, um die Location veranstaltungstauglich zu machen.