Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Beratung und die Beratung des Einzelplans 03, über den ich gleich mit Ausnahme der Kapitel zu Kulturelle Angelegenheiten abstimmen lasse. Wer jetzt dem Einzelplan 03 – ohne die genannten Kapitel zu Kulturelle Angelegenheiten – unter Berücksichtigung der Änderungen der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksache 16/2850 sowie der Auflagenbeschlüsse Nr. 28 und Nr. 30 des Hauptausschusses vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträge der Fraktionen seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das angenommen.
Das Wort haben die haushaltspolitischen Sprecher bzw. Sprecherinnen der Fraktionen. Für die Fraktion der SPD beginnt der Abgeordnete Zackenfels. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Henkel! Ich finde, für eine Partei, deren Vorsitzende Wortbruch begeht, haben Sie heute den Mund sehr voll genommen. Das muss ich Ihnen mal sagen.
Ihre Parteivorsitzende ist eine Kanzlerin des Wortbruchs. In ihrer Rede hier in Berlin auf dem Deutschen Kommunalkongress am 26. Mai hat sie gesagt – ich zitiere:
Ich habe auf dem Deutschen Städtetag eine Zusage gemacht, die wir auch halten werden: Die Gewerbesteuer bleibt unangetastet. Daran werden wir in keiner Weise rütteln.
Was ist passiert? – Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz reduziert die Zurechnung der Mieten und Pachten von 65 auf 50 Prozent, mindert damit die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und ist nichts weniger als ein – ich zitiere Christian Ude – „Anschlag auf die kommunale Investitionskraft“. Angela Merkel beginnt diese Legislatur mit gebrochenen Wahlversprechen.
Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat einen Preis, und das sieht man an diesem Haushalt. Zwischen der Steuerschätzung Mai 2008 und der im Mai 2009 belaufen sich die Ausfälle für alle Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Deutschland zusammen auf knapp 100 Milliarden Euro. Für Berlin bedeutet das rund 2,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr in 2010 und 2011.
Es gibt natürlich Parallelen im Ausgabenanstieg, weil es den Menschen in diesen Zeiten schlechter geht: Kosten der Unterkunft konjunkturbedingt 50 Millionen Euro in zwei Jahren! Kosten der Unterkunft bundesgesetzlich bedingt durch die Herabsetzung des Zuschusses des Bundes 33 Millionen Euro pro Jahr! Bürgschaftsausfälle bei
der gewerblichen Wirtschaft 12 Millionen Euro pro Jahr! Und bei den Zinsausgaben ein Mehr von 200 Millionen Euro in diesem Zweijahreszeitraum! – Das alles zusammen ergibt die 5,5 Milliarden-Nettokreditaufnahme, von der wir heute reden.
Deswegen lautet die erste Frage, der wir uns fairerweise stellen müssen: Gibt es nennenswerte Stellschrauben? – Dazu vergegenwärtigen wir uns noch mal die Position von Bündnis 90/Die Grünen in diesen Haushaltsberatungen, die bekanntermaßen und anerkennenswerterweise auch die Seriösesten gewesen sind: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagt uns, es könnten 200 Millionen Euro eingespart werden. Das würde bedeuten: 10 Prozent! Aber das Erste, was sie dann täten – das ist uns aus den vergangenen Jahren bekannt –, wäre, uns vorzuwerfen, wir hätten Risiken ungeahnten Ausmaßes. Das haben Sie uns in den vergangenen Jahren immer vorgehalten.
Die redliche Antwort auf die Frage nach den Stellschrauben lautet also: „Nein, es gibt keine Stellschrauben!“ bzw. „Nein, wir sind nicht bereit, an diesen zu drehen!“ – Als Beispiel sei hier die Situation im öffentlichen Dienst angeführt. Zu den großen Ausgabeblöcken gehört der Bereich Personal, und jedes Prozent weniger Lohn bedeutet letztendlich 60 Millionen Euro weniger Ausgaben. Aber auch da haben wir immer wieder klar gesagt: Nach der Durststrecke der letzten Jahre kann es nicht so weitergehen. Es gibt mehr für die Menschen im öffentlichen Dienst. Die Tarifverhandlungen laufen, und wir sind bereit, das auch finanziell in diesem Haushalt zu unterstützen.
Die zweite Frage ist immer: Sind wir ein Einzelfall? – Ich finde, da beginnt das Grundsätzliche, das diesen Haushalt auszeichnet. Die Antwort heißt auch da: Nein, wir sind es nicht. – Der Regierende Bürgermeister hat noch einmal darauf hingewiesen: Wir reden hier von strukturellen Problemen, von Problemen, die die gesamte Bundesrepublik Deutschland hat und die wir dann auch als solche ansprechen müssen. Die Kassenkredite, der Dispositionskredit der öffentlichen Haushalte, sind im ersten Halbjahr auf 32,6 Milliarden Euro gestiegen. Das ist ein Rekord. Das entspricht einem Anteil von 41 Prozent an der Gesamtverschuldung der Kommunen. Der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben der Kommunen hat sich seit 1970 um zwei Drittel verringert, der Anteil der Sozialausgaben verfünffacht.
Die Situation der Länder ist nicht besser als die der Kommunen. Ich habe hier noch einmal die Eröffnungsbilanz des Landes Hessen. Wenn Sie darin nachsehen, werden Sie feststellen, dass der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag für das Land Hessen – das allgemein gerade von konservativer Seite als Erfolgsmodell propagiert wird – ganze 57 Milliarden und 900 Millionen Euro beträgt. Das ist die Bilanz, die auch in anderen Bundesländern im Moment vorgelegt wird. Der Rahmen der künftigen bundesdeutschen Finanz- und Haushaltspolitik steht und heißt Schuldenbremse. Innerhalb dieses Rah
mens entscheidet sich auch, ob wir nachhaltig die öffentlichen Haushalte angehen, ob wir Generationengerechtigkeit oder Klientelpolitik betreiben. Da habe ich große Sorge, denn das Tricksen ist schon von der neuen schwarz-gelben Regierung probiert worden. Man vergisst das zu schnell in diesen Tagen der Mediendemokratie. Aber erinnern wir uns: Vor drei Wochen hatte diese Regierung Schwarz-Gelb vor, allen Ernstes einen Nachtragshaushalt zur Bildung eines Sonderfonds durchzuwinken. Das war nichts anderes als ein Schattenhaushalt, der nichts anderes ist, als die Flucht vor Haushaltswahrheit und -klarheit, und ich bin froh, dass kollektiv in der Bundesrepublik Deutschland der Aufschrei entstanden ist, denn das darf man ihnen nicht durchgehen lassen.
Ich will nun eine Meldung von 10.09 Uhr heute zitieren, und zwar den „Spiegel Online“, der in diesem Zusammenhang noch mal feststellt:
Ihre Finanzplanung gerät aus den Fugen. Da kann ich doch mit Fug und Recht und mit Stolz feststellen: Eine solche Meldung hat es unter Rot-Rot in den letzten acht Jahren nie gegeben – niemals.
Was hätten Sie uns hier gehäutet, wenn es eine solche Meldung gegeben hätte! Sie sind verantwortlich dafür, dass die Dinge aus den Fugen geraten. Deswegen appelliere ich an Sie, und das tue ich jetzt leise und fast bittend: Die Einnahmen können wir nicht erhöhen. Das wissen Sie. Sicher ist auch, dass Sie und die FDP, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die eine oder andere Ausgabe kürzen würden. Sie würden sicherlich gemeinsam mit der FDP, wenn Sie denn hier an der Regierung wären, auch Wohnungsbaugesellschaften verkaufen. Aber Sie müssen einfach einsehen, dass das keine nachhaltigen Effekte mit sich bringt. In dieser Zeit, wo die Bodenplatte föderaler Finanzpolitik dabei ist, auseinanderzubrechen, brauchen wir vernünftige Stimmen. Ich appelliere an Sie, sich bei den anstehenden Lösegeldgesprächen der Kanzlerin am Sonntag mit Schleswig-Holstein in die Stimme der Vernunft einzureihen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz darf nicht durch den Bundesrat!
Noch nie hat es bei der Verabschiedung eines Gesetzes so viele persönliche Erklärungen gegeben wie bei der Abstimmung über dieses Gesetz am 4. Dezember im Deutschen Bundestag. Ich möchte Ihnen exemplarisch zwei davon zitieren. Die eine aus der FDP-Ecke, Christine Aschenberg, Sebastian Blumenthal, Jürgen Koppelin. Ich zitiere:
Das Land Schleswig-Holstein hat sich verpflichtet, einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu erreichen.
Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn durch Entscheidungen des Bundes nicht zusätzliche Belastungen für den Landeshaushalt eintreten.
Das ist O-Ton Ihrer Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, und das sollten Sie sich zu Herzen nehmen.
Das zweite Zitat betrifft niemand Geringeres als Dr. Norbert Lammert, den Sie alle kennen, immerhin der Chef des Deutschen Bundestages. Ich zitiere:
Vor diesem Hintergrund sage ich noch einmal ernsthaft an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP: Ungeachtet dieses Haushaltes, von dem ich überzeugt bin, dass er solide ist, dass er richtige politische Schwerpunkte setzt, wie Michael Müller das herausgearbeitet hat; er findet diesen Mittelweg zwischen Investitionen und Ausgaben; dieser Haushalt schafft die finanzielle Grundlage für Strukturreformen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Ungeachtet also dieser landespolitischen Auseinandersetzungen: Werden Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst, und reihen Sie sich ein bei denjenigen, die sagen, dass mindestens 80 Prozent der Verantwortung in den kommenden Jahren bei Ihnen und der Bundespolitik liegt! – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Goetze.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Zackenfels! Auch wir können „Spiegel Online“ lesen.