Protocol of the Session on October 15, 2009

Kollege Schmidt! Darauf erlauben Sie mir bitte kurz eine Entgegnung. Erstens: Was bedeutet das Stufenmodell? – Es ist vorgeschlagen vom Berliner Mieterverein zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Beide sind – glaube ich – unverdächtig, dass sie einseitig Dinge tun. Sie sagen, dass es, was den maximalen Wärmeverbrauch und den maximalen Kohlendioxidausstoß angeht, in Fünfjahresschritten Vorgaben für den Gebäudebestand geben muss. Ich denke, dass das sehr vernünftig ist. Dann werden sich Hauseigentümer fragen: Nehme ich jetzt die erste Stufe 2012, nehme ich 2017 oder welche Stufe auch immer dahinter kommen wird? Wenn ich z. B. einen uralten Heizkessel besitze, der viel Energie verbraucht, der sehr viele Abgase in die Umwelt pustet, dann muss ich mir als Hauseigentümer die Frage stellen: Mache ich das mit den jetzigen Vorgaben, oder warte ich noch ein paar Jahre und mache es dann? – Das ist auch eine wirtschaftliche Abwägung. Ich bin der Auffassung, dass das sehr gut ist, wenn man sagt, dass der Wärmeverbrauch und der CO2-Ausstoß vorgeschrieben werden und eben nicht die Technologie. Der Hauseigentümer kann sich entscheiden: Mache ich eine Gebäudewärmedämmung, erneuere ich meinen Heizkessel, erneuere ich die Fenster oder setze ich mir eine Solaranlage auf das Dach? Das ist doch toll! Das ist doch eine Freiheit, wie sie sich die FDP nur wünschen könnte, oder nicht?

Dann noch ein Zweites: Sie haben die finanziellen Hilfen angesprochen. Selbstverständlich müssen wir sehen, was wir in Berlin darstellen können. Da ist ein Vorschlag in Ihrem Antrag, dass die IBB ein extra Förderprogramm aufsetzt. Das wäre möglich, ich glaube aber, dass sie da schon einiges realisiert. Sie wissen auch, dass die KfW eine Reihe von Sonderprogrammen dazu auflegt. Wir haben als SPD dazu zwei spezielle Vorschläge, die wir durch den Senat geprüft sehen wollen. Erstens: Wollen wir nicht endlich einmal so etwas wie eine Abwrackprämie für alte Heizungen, die viel Energie verbrauchen, für die Mieter jede Menge Energiekosten zahlen müssen, einführen? Dafür eine Abwrackprämie wäre gut. Das hätte die Bundesregierung machen können, hatte jedoch leider nicht den Mut dazu. Das wäre ein schöner Vorschlag für Berlin!

[Dr. Frank Steffel (CDU): War doch Ihr Umwelt- minister! Und der ist jetzt Parteivorsitzender!]

Na, dann haben wir doch einen guten Draht! Und vier Abgeordnete des Hauses sind jetzt im Bundestag. Herr Steffel, ich glaube, da müsste doch etwas zu machen sein! Herr Lindner hat sich auch schon als kleiner Öko geoutet. Ich bin gespannt, was er dort durchsetzen wird! Ich habe zwar meine Zweifel, dass etwas passieren wird, aber er sagt ja, dass er etwas für Berlin tun möchte. Dann – bitte schön, Herr Lindner!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das ist Sache vom Bundesrat!]

Das ist natürlich auch eine Forderung, die die Mieterverbände zu Recht stellen. Wenn man sagt, dass man auf der einen Seite die Vermieter, die Eigentümer vielleicht unterstützen kann, muss das z. B. über eine Abwrackprämie für alte Heizkessel geprüft werden.

Die zweite Möglichkeit: Kann man direkte Hilfen für besonders betroffene Mieterinnen und Mieter geben? Ist das finanziell darstellbar, so ein Extrawohngeld? Ist das machbar, oder ist das nicht machbar? – Das wäre etwas Konkretes. Wenn Sie das beides zusammennehmen, merken Sie, Ihre Vorschläge greifen an der Stelle zu kurz. Die SPD – und auch unser Koalitionspartner – ist an der Stelle schon viel weiter. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nun Kollege Wilke. – Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schmidt! Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet die FDP mit ihrem Antrag zur zukunftsfähigen Wärmeversorgung ebenso wie der Senat fast ausschließlich auf die maßgebliche Einbeziehung der Bestandsgebäude abzielt. Auch die FDP erweckt damit den Eindruck, dass sich Berlins Klimabilanz nur dann wesentlich verbessert, wenn man jetzt ordentlich an die Bestandsgebäude herangeht.

[Michael Schäfer (Grüne): So ist es aber doch!]

Die FDP weist zwar darauf hin, dass das nicht mit zusätzlichen Kosten für Immobilienbesitzer, Mieter und Unternehmer verbunden sein darf, unterlässt jedoch – ebenso wie der Senat – eine Betrachtung über die Erfordernis der Einbindung der Bestandsgebäude. Dabei gibt eine derartige Betrachtung Aufschluss, denn Berlin hat trotz seines hohen Altbaubestandes in Deutschland die geringste spezifische Treibhausgasemission je Einwohner im Ländervergleich. Es wird völlig außer Acht gelassen, dass es in den letzten zwanzig Jahren milliardenschwere Investitionen zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands gab. Man muss hier nicht so tun, als ob in der Vergangenheit diesbezügliche Marktmechanismen nicht gegriffen

hätten oder Anreizsysteme ihre Wirkung verfehlt hätten. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die FDP wenigstens die Wirksamkeit ihres Maßnahmenkatalogs geprüft hätte.

[So, so! von der FDP]

Vom Senat wurde im Zug des Entwurfs zum Klimaschutzgesetz nichts Entsprechendes geliefert. Aber da wundert es einen ja überhaupt nicht mehr. Von der FDP hätten wir es an der Stelle erwartet.

Wenn man nun aber schon an den Gebäudebestand heranmöchte – und hierfür scheint es eine rot-rot-gelbe Mehrheit in diesem Haus zu geben –, dann ist es richtig, dass Maßnahmen immer auf den tatsächlichen energetischen und technischen Zustand von Gebäuden und deren Heizungen abstellen. Es ist völlig abwegig, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Heizungsanlage um erneuerbare Energien ergänzen zu müssen, nur weil sie älter als zwanzig Jahre ist. Das ist reine Willkür, das ist Schikane, das ist Abzocke, man könnte es auch Sozialismus nennen!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dass Berlin bei seinen Gebäuden dieselben Regelungen anwenden muss, die für Private erlassen werden, sollte selbstverständlich sein. Bedauerlicherweise – das muss man an dieser Stelle wieder sagen – muss das immer wieder in Anträgen angemahnt werden, besonders von der Opposition. Die Forderung der FDP ist wichtig, in einem Gesetz auch Stickoxide zu reduzieren. Aus unserer Sicht sollten Methan, chlorierte wie florierte Kohlenwasserstoffe ebenfalls reduziert werden, da es sich ebenfalls um Treibhausgase handelt. Sie werden leider in Berlin bisher kaum berücksichtigt.

Weiterhin ist es wichtig, auf Anreize anstelle von Verboten zu setzen. Es ist kontraproduktiv, wie der Senat auf Zwangsmaßnahmen zu setzen. Die bestehenden Anreizsysteme bzw. Fördermöglichkeiten beruhen nur auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Sie greifen also nicht bei Zwangsmaßnahmen. Der Klimaschutz würde mit Zwangsmaßnahmen sozusagen konterkariert werden.

[Beifall bei der CDU]

Wenn die FDP nachweisen kann, dass man den Gebäudebestand einbeziehen muss, weil nur dann die Klimaschutzziele erreichbar sind, obwohl der Bestand seit den neunziger Jahren intensiv energetisch saniert wurde und wird – ohne dass es ein Klimaschutzgesetz oder einen Forderungskatalog der FDP gegeben hat –, wäre Ihr Antrag sogar sinnvoll. Die Klimaschutzziele, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sollten in solch einen Antrag hineingeschrieben werden, damit alle von der gleichen Sache reden. Nutzen Sie also die Zeit bis zu den Ausschussberatungen, um darzustellen, warum man an den weitestgehend sanierten Baubestand herangehen sollte. Dem Senat ist bis jetzt diese Begründung nicht gelungen. Mal sehen, ob es der FDP besser gelingt! – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Wilke! – Das Wort für die Linksfraktion hat nun die Kollegin Frau Platta.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn festzustellen ist, dass die vorliegenden Anträge eine unsortierte Mischung aus An- und Aufträgen und Begründungen ist, sind die von der FDP vorgelegten Anträge in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

[Christoph Meyer (FDP): Richtig! So ist es!]

Die Handschrift der FDP ist in beiden Drucksachen erkennbar. Textbausteine wie: „Politik zur Ressourcenschonung“ und „Emissionsminderung darf nicht wirtschafts- und eigentümerfeindlich sein“ und „Derjenige, der in die Energieeinsparung investiert, soll auch von den Einsparungen profitieren“ verdeutlichen das. Und noch mehr: Inzwischen herrscht auch bei der FDP die Einsicht vor, dass es Rahmenbedingungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen geben muss, um zeitnahe Ergebnisse im Klimaschutz zu erreichen. Aber – und da wird es wieder außerirdisch – es sollen Maßnahmen sein, die nicht zusätzlich belasten.

[Christoph Meyer (FDP): Richtig!]

Dabei ist spätestens seit dem „Stern“-Report klar, dass Klimafolgekosten fünf bis zwanzig Mal mehr kosten werden als Maßnahmen, die wir heute leisten. Die soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen definieren wir in der rotroten Koalition deshalb auch anders als Sie in der FDP.

[Björn Jotzo (FDP): Das Geld anderer Leute!]

Dann diese neuen Ziele und Eckpunkte aus dem Antrag 16/2692! Man kann den Eindruck gewinnen, die FDP erwache aus einem Dornröschenschlaf.

[Gelächter bei der FDP]

Sie hat die Zielstellung aus der lokalen Agenda vergessen, die in Berlin zum Schluss leider erhoben wurde. Die Verkündungen des klimapolitischen Arbeitsprogramms 2008 wurden ebenfalls verschlafen. Die Leitlinien für ein Energiekonzept sind erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Es bestehen Klimaschutzbündnisse mit privaten Unternehmen und Klimaschutzvereinbarungen mit öffentlichen Einrichtungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Moment nicht! –

[Das stört den Redefluss! von der FDP – Gelächter bei der FDP]

Wir fangen nicht bei null an, und das wissen Sie. Die Zielstellungen sind deutlich formuliert: Bis 2020 sind die

CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken. Bis 2050 steht noch einmal eine 80prozentige Senkung an. – Auch wenn noch an der schrittweisen Umsetzung gearbeitet werden muss und Zwischenmarken fehlen, ist doch klar, dass die langfristige Planungssicherheit gegeben ist. Weitere Investitionen in innovative Konzepte zur Reduzierung des Energiebedarfs sollten also nicht verzögert werden, sondern sie müssen jetzt angepackt werden.

In diesen Anträgen steht aber auch das Bekenntnis der FDP zur Notwendigkeit von landesgesetzlichen Vorgaben

[Daniel Buchholz (SPD): Also weiter als die CDU!]

und damit auch zur Erarbeitung eines Berliner Klimaschutzgesetzes. Wenn uns gemeinsam in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Anreizprogrammen klar ist, bin ich auch optimistisch, dass die FDP in Bundesverantwortung darauf zurückgreift und neue Anreizprogramme schaffen wird – für zukunftssichernde erneuerbare Energien genauso wie für weitere Maßnahmen zur Senkung des Wärmebedarfs.

Auf Landesebene werden wir ausführlicher und zielorientiert das Für und Wider von Anschluss- und Benutzungszwang, Gutscheinmodell, Technologieoffenheit, Zertifikatehandel und Anrechenbarkeit von Investitionen auf die Grundsteuer diskutieren können – auch in den Ausschüssen. Ich halte beide Anträge für eine Ergänzung zu den Stellungnahmen, Hinweisen und Anregungen der Verbände und Vereine in der Diskussion zum Referentenentwurf. Der Referentenentwurf wird durch Überarbeitung zu einem verständlichen, nachvollziehbaren und umsetzungsfähigen Gesetzentwurf werden,

[Henner Schmidt (FDP): Wäre gut, wenn er es vorher schon gewesen wäre!]

der den Berliner Klimaschutzzielen dann auch Rechnung tragen kann. Die Koalition wird darauf drängen, dass wir mit dem Gesetz nicht hinter den Zielen und Maßnahmen, wie sie den bereits im Parlament beschlossenen Anträgen zu entnehmen sind, zurückbleiben. Ich nenne sie noch einmal – und Sie können es noch einmal lesen –: die Lokale Agenda 21 und die Anträge und Beschlüsse zur Berliner Initiative für Klima- und Umweltschutz.

Schließen möchte ich mit den Worten aus dem WWFReport 2006:

Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in den westlichen Industrieländern. Entweder wir investieren in erneuerbare und effizientere Energie, oder wir werden erleben, wie die Natur zurückschlägt.

Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von der FDP: Das habt ihr in Berlin bald geschafft!]

Für die Fraktion der Grünen hat nun Kollege Schäfer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP bekennt sich mit diesem Antrag zu einem Klimaschutzgesetz mit ordnungsrechtlichen Anforderungen zur CO2Reduktion im Gebäudebestand – und das in krassem Widerspruch zu dem, was Sie auf Bundesebene machen, wo Sie das in der Koalitionsarbeitsgruppe Wohnen gerade abgelehnt haben.

[Henner Schmidt (FDP): Sind Sie da dabei?]

Der vorliegende Antrag ist ein großer Schritt für die FDP,