Das ist auch eine Voraussetzung – das noch mal als Anmerkung zur FDP und an die CDU – für fairen Wettbewerb. Das ist im Übrigen auch mittelstandsfreundlich. Gegenwärtig haben wir die Situation, dass es Unternehmen gibt, die Dumpinglöhne anbieten, andere Unternehmen, die faire Löhne zahlen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage müssen die Dumpinganbieter nach einer öffentlichen Ausschreibung den Zuschlag bekommen, weil sie das günstigere Angebot abgeben. Diese Dumpinglöhne werden gleichzeitig über die öffentlichen Haushalte insofern subventioniert, als dann zusätzliche Leistungen nach Arbeitslosengeld II gezahlt werden. Das ist eine eklatante Wettbewerbsverzerrung, dass diejenigen, die faire Löhne zahlen, die über Arbeitslosengeld II nicht subventioniert werden, aus dem Wettbewerb ausscheiden. Deshalb gibt es auch in der Handwerkskammer eine starke Mehrheit für Mindestlöhne. Deshalb spricht sich die Industrie- und Handelskammer Potsdam für Mindestlöhne aus. Das macht deutlich, dass es auch in der Unternehmerschaft viele gibt, die verstehen, dass es im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen und Beschäftigung wichtig und notwendig ist, soziale Mindeststandards zu definieren.
Im Interesse eines fairen Wettbewerbs, bei dem nicht derjenige gewinnt, der die niedrigsten Löhne zahlt, sondern derjenige, der die beste Leistung anbietet, und im Interesse dessen, dass es der öffentlichen Hand nicht gemutet werden kann, dass sie auf der einen Seite einen Auftrag vergibt und auf der anderen Seite den vermeintlich niedrigen Preis an anderer Stelle subventionieren muss, ist es notwendig, die öffentliche Auftragsvergabe
an derartige Mindeststandards zu binden, wie wir das mit diesem Vergabegesetz vorhaben zu tun. Sie werden ausreichend Gelegenheit haben, das zu diskutieren.
Und das ist im Übrigen auch europarechtlich geboten – das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen –, weil die Entsenderichtlinie der Europäischen Union vorsieht, dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen müssen, dass die in ihren Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantiert bekommen, die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegt sind. Dort wird explizit eine Mindestlohnbestimmung genannt. Das heißt, wenn wir Mindeststandards – und das ist nach dem Verfassungsgerichtsurteil, das es zu dem alten Berliner Vergabegesetz gegeben hat, zweifelsfrei möglich – für Unternehmen im Inland festlegen, müssen sie europarechtlich zwingend auch auf Unternehmen, die Arbeitnehmer entsenden oder hier ihre Dienstleistung erbringen, erstreckt werden. Das ist im Übrigen der Unterschied zu dem Entwurf des Bremer Vergabegesetzes, den ich ansonsten gut finde, weil beim Bremer Vergabegesetz genau dort, wo möglicherweise europaweit ausgeschrieben werden muss oder Interesse für Bieter aus dem europäischen Ausland bestehen kann, die Mindestlohnregelung nicht gilt und es deshalb über weite Strecken leerlaufen wird. Ich glaube, dass es richtig und notwendig ist, diese Regelung auf alle Bieter, auch auf Bieter aus dem europäischen Ausland, zu erstrecken.
Wir haben in diesem Gesetz weitere Regelungen hinsichtlich der ökologischen Vergabe formuliert. Wir haben weitere Reglungen formuliert, was die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation angeht. Wir haben Tariftreueregelungen für den öffentlichen Personennahverkehr formuliert. All das sind Themen, die man im Einzelnen wird diskutieren können und müssen. Ich glaube, dass dieses Gesetz ein erheblicher Fortschritt ist. Es ist ein deutliches Signal, das von Berlin ausgeht, dass wir nicht mehr über die öffentliche Auftragsvergabe wollen, dass Dumpinglöhne auch noch goutiert werden, dass Dumpinganbieter von öffentlichen Aufträgen profitieren.
Lassen Sie mich eine Anmerkung machen, weil dies von Frau Paus und Herrn Melzer noch einmal zitiert worden ist: Ja, es ist richtig, im Land Berlin sind Wachschutzaufträge für 5,25 Euro die Stunde vergeben worden. Das ist der gegenwärtig gültige Tarif, der mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen ist.
Diese Aufträge sind nicht nur im Land Berlin vergeben worden. Sie sind auch vom Deutschen Bundestag, in dem die Grünen vertreten sind, vergeben worden. Genau deshalb brauchen wir ein solches Gesetz, damit es eine rechtliche Grundlage gibt, künftig Unternehmen, die nur 5,25 Euro pro Stunde zahlen, nicht mehr den Zuschlag geben zu müssen. Genau das wollen wir mit dem neuen Gesetz erreichen, und das soll auch so sein.
Wenn ich durch die Stadt fahre, lese ich gegenwärtig viele Plakate einer Partei, auf denen steht: Wir haben die Kraft.
Wir haben die Kraft – wobei nicht wirklich klar wird, wofür die Kraft vorhanden ist und genutzt wird.
Ich sage: Die Koalition in Berlin aus Sozialdemokraten und Linken hat gezeigt und wird zeigen, dass sie die Kraft hat, ein Vergabegesetz zu verabschieden, in dem Mindeststandards garantiert sind, in dem ein Mindestlohn festgelegt wird, in dem Sozialdumping verhindert wird. Ich hoffe, dass es andere Bundesländer gibt, in denen es die Kraft gibt, ein solches Gesetz umzusetzen. In Berlin sieht man, in welchen Konstellationen es möglich ist, ein solches Gesetz umzusetzen!
Vielen Dank, Herr Senator! – Ich darf bitte noch einmal darauf hinweisen, dass sich insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion zu Ihren Plätzen begeben und nicht in den Gängen stehen mögen.
Wir treten ein in die zweite Rederunde. Es liegt mir bisher nur die Wortmeldung von der Fraktion der Grünen vor. – Herr Ratzmann, bleibt es dabei?
Gut, Sie verzichten, dann nehmen wir das dankbar zur Kenntnis. Weitere Wortmeldungen liegen damit nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.
Hinsichtlich des Antrags der Koalitionsfraktionen auf Annahme einer Entschließung, Drucksache 16/2654, ist die sofortige Abstimmung beantragt worden. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte jetzt ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind die Fraktion der CDU und der FDP. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dann frage ich noch nach dem Abstimmungsverhalten des fraktionslosen Kollegen Herrn Ueckert.
Ich rufe auf die lfd. Nr. 4 a – das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/2651 – in
Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Ratzmann, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Republik steht am Sonntag vor einer Richtungswahl. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann, ich würde sogar sagen muss, am Sonntag entscheiden, wie es weitergehen soll, ob und wie wir die tiefgreifendsten Krisen, die wir seit 60 Jahren in dieser Republik erlebt haben und die noch nicht vorbei sind, bewältigen wollen, ob wir uns trauen, neue Antworten auf Herausforderungen zu geben, ob wir das, was alle nach der Finanzkrise gefordert haben – Regulierung der Finanzmärkte, Begrenzung von Managergehältern, Schluss mit überzogenen Boni – tatsächlich umsetzen oder ob wir der alte Leier vom selbstregulierenden Markt, von „Leistung muss sich wieder lohnen!“, von weniger Staat und von mehr Netto vom Brutto glauben.
Wir haben gesehen, dass wir in der Krise einen handlungsfähigen und ausreichend finanzierten Staat brauchen. Wir haben gesehen, dass sich die Apologeten von Steuersenkungsorgien und Deregulierung willig in die Reihe derjenigen eingereiht haben, die Hilfe vom Staat forderten, und wir hören jetzt die schwarz-gelben Versprechen und Ankündigungen von weniger Steuern, von weniger Belastung. Ich sage Ihnen: Das wäre der falsche Weg. Berlin kann sich diesen schwarz-gelben Crashkurs nicht leisten. Es ist an Ihnen und uns allen, dies mit Ihrer Stimme, mit unserer Stimme am Sonntag zu verhindern.
Die FDP verspricht in ihrem Wahlprogramm eine drastische Senkung der Einkommensteuer. Jetzt sind wir und
auch andere Parteien auf der Linken dafür, die Einkommensteuer zu senken – ja, den Eingangssteuersatz. Aber dann muss es auch eine Gegenfinanzierung durch Anhebung des Spitzensteuersatzes, durch eine Vermögensabgabe und durch eine Vermögensteuer geben.
Nur so werden wir es schaffen, den Staat auch auskömmlich weiter zu finanzieren. Diese Bereitschaft gibt es auf der anderen Seite nicht.
Das Bundesfinanzministerium hat ausgerechnet, was es kostet, was die FDP bundesweit vorschlägt. Sie kommen auf schlappe 80 Milliarden Euro weniger Einnahmen. Jetzt kann man ausrechnen, was das heißt, wenn man dies auf Berlin herunterbricht. Von Steuermindereinnahmen bei der Einkommensteuer entfallen auf Berlin 2,9 Prozent. Das heißt, 2,3 Milliarden Euro weniger Einnahmen für das Land Berlin. Das ist noch nicht alles. Auch die Körperschaftssteuer soll drangenommen werden, und – Ihr Lieblingsprojekt – die Gewerbesteuer soll ganz abgeschafft werden. Addiert man das alles, kommt man auf schlappe 3 Milliarden Euro weniger für unser Land.
Wir kämpfen gerade mit einem Haushaltsnotstand, müssen damit umgehen, dass wir im Jahr 2020 mit einem totalen Neuverschuldungsverbot für die Länder konfrontiert werden – übrigens ist diese Forderung maßgeblich auf die FDP und die CSU in der Kommission zurückzuführen ist –,