Protocol of the Session on September 24, 2009

attackiert dieselbe FDP, aber als Marktradikale. Sie schließt eine Koalition mit der Linkspartei im Bund aus, lässt sie aber auf Länderebene zu und wollte Bundespräsident Köhler mit den Stimmen der Linken stürzen.

[Gelächter bei der Linksfraktion – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Stürzen?]

Wer am Sonntag SPD wählt, weiß nicht, was er bekommt. Wer Steinmeier wählt, kann Lafontaine bekommen – und den brauchen wir in Deutschland nun wirklich nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ja, wir führen die Auseinandersetzung mit der Linkspartei.

[Oh! von der Linksfraktion]

Und obwohl wir Berliner sehr viel zu Ihrer Verantwortung für Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl sagen könnten, setzen wir uns insbesondere mit Ihren Inhalten auseinander,

[Dann mal los! von der Linksfraktion]

mit dem, was Ihnen von der Zukunft in Deutschland vorschwebt. Und da sagen wir Ihnen: Die Linkspartei gibt keine Antwort auf die politischen Herausforderungen unserer Zeit. Sie spaltet die Gesellschaft, sie macht haltlose Versprechen, und wir bekennen uns dazu: Wir möchten keine sozialistisch-kommunistische Regierung in Berlin, und wir möchten sie auch nicht in Deutschland. Jawohl!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Gelächter bei der Linksfraktion und den Grünen – Uwe Doering (Linksfraktion): Jetzt mal zu den Inhalten!]

Das sehen Sie anders, und das ist auch völlig in Ordnung. Das sollen die Menschen wissen: Wer eine sozialistische Regierungsbeteiligung will, der muss Sie wählen. Wer das nicht will, muss uns wählen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wer vier Jahre Stabilität statt Koalitionsgezänk und Chaos will, der muss am Sonntag mit beiden Stimmen CDU wählen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu beiden Anträgen ist die sofortige Abstimmung beantragt. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/2651 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und Herr Ueckert. – Ersteres war die Mehrheit. Damit ist diesem Antrag zugestimmt worden.

Wir kommen zum Antrag der FDP Drucksache 16/2645. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und Herr Ueckert. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht! Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

lfd. Nr. 4 c:

I. Lesung

Gesetz zur Einführung der integrierten Sekundarschule

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2624

Ich eröffne die Erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine abweichend von der Geschäftsordnung vereinbarte Redezeit von bis zu 15 Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Dr. Tesch. – Bitte sehr!

Danke schön! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun ist sie endlich da, die Vorlage für das Gesetz zur Einführung der integrierten Sekundarschule.

[Unruhe]

Frau Präsidentin! Können Sie bitte für Ruhe sorgen?

Meine Damen und Herren! Wenn Sie bitte so nett wären, Ihre Aufmerksamkeit Frau Dr. Tesch zu widmen. Ansonsten bitte ich Sie, Ihre Plätze einzunehmen oder rauszugehen, wenn Sie Gespräche führen möchten. – Bitte, Frau Dr. Tesch, Sie haben das Wort!

Ich fange noch einmal an: Nun ist die Vorlage für das Gesetz zur Einführung der integrierten Sekundarschule endlich da, nach einer langen Diskussion um die Änderung der Schulstruktur, die wir in zahlreichen Gremien und mit den Betroffenen in der Stadt geführt haben.

Es ist nämlich keineswegs so, dass wir hier ein Gesetz über das Knie brechen oder durchpeitschen wollen, wie Sie es uns so gern vorwerfen, liebe Damen und Herren von CDU und FDP. Ich habe bei der Vorbereitung dieser Rede mal in mein Archiv geschaut. Was finde ich da? – In einer Plenarsitzung vom Januar 2002 finde ich eine Mündliche Anfrage von mir, wie der damalige Senator Böger mit den Ergebnissen der PISA-Studie umzugehen gedenkt. Er antwortete schon damals, dass das Schlimmste an diesen Ergebnissen die Tatsache sei, dass die Abhängigkeit der schulischen Erfolge und Abschlüsse von der sozialen Herkunft und dem Migrationshintergrund fast nirgendwo so groß sei wie in Deutschland und mithin auch in Berlin.

Der SPD ist dieses Problem noch viel länger bewusst. Es gibt zahlreiche Anträge auf Bundesparteitagen zum längeren gemeinsamen Lernen. Dieser Grundsatz ist bei uns in Wahl- und Grundsatzprogrammen verankert. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir die Einrichtung einer Pilotphase Gemeinschaftsschule in die Koalitionsvereinbarung 2006 bis 2011 geschrieben haben. Sie steht an prominenter Stelle, im ersten Kapitel und unter dem Ziel, mehr Chancengleichheit zu erreichen.

Im Schuljahr 2008/2009 gingen die ersten Schulen an den Start, und im laufenden Schuljahr folgten weitere. Die Pilotphase wird durch einen Beirat begleitet, dem ich auch angehöre und unter anderem auch Frau Süssmuth von der CDU. Dieser Beirat hat in letzter Zeit oft vor Ort getagt, um sich von der guten Arbeit dieser Schulen zu überzeugen. Aber wir können nicht warten, bis diese neue Schulform – im wahrsten Sinne des Wortes – Schule gemacht hat. Es gibt Probleme, die müssen jetzt und gleich gelöst werden. Da können wir nicht erst auf die endgültigen Ergebnisse der Evaluation der Pilotphase warten.

Außerdem ist es uns wichtig, nichts ohne die Akzeptanz aller Beteiligten von oben zu oktroyieren. Eines der Hauptprobleme ist die Entwicklung, die die Hauptschule in Berlin genommen hat. Sie ist zur Restschule geworden. Im letzten Schuljahr wurden nur noch 7,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler an einer Berliner Hauptschule angemeldet. Der Status der dort Verbliebenen ist durch

Motivationsverlust und Perspektivlosigkeit geprägt. Viele gehen gar nicht mehr hin. Die Schuldistanz erreicht bei dieser Schulform nicht selten die Marke von 25 Prozent. Das konnte man heute aktuell in einem Artikel der „Berliner Morgenpost“ lesen.

In vielen dieser Schülerinnen und Schüler steckt mehr Potential, das geweckt werden kann. Wir dürfen sie nach der Schule nicht einfach in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das wäre ein Verbrechen an den Jugendlichen und schädlich für die gesamte Gesellschaft.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es reicht aber auch nicht, die Hauptschule einfach abzuschaffen, denn die Schülerinnen und Schüler sind weiterhin da. Auch die zunächst vorgenommene Fusion von Haupt- und Realschulen greift zu kurz. Wir müssen einen Schritt weitergehen und alle Schülerinnen und Schüler integrieren. Das führt zwangsläufig zur Schaffung einer integrierten Sekundarschule, in der die jetzigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen aufgehen werden.

Es gibt aber auch manchmal Probleme am anderen Ende des Potenzials, bei den leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Berlin steht mit seiner Abiturientenquote im bundesdeutschen Vergleich zwar noch recht gut dar, aber hinkt im internationalen Vergleich nach. Deswegen wollen wir mit unserer Schulreform drei Ziele erreichen: Erstens, wir wollen die Abbrecherquote der Berliner Schülerinnen und Schüler deutlich verringern, zweitens wollen wir die Abiturientinnen- und Abiturientenquote deutlich erhöhen, und drittens wollen wir – wie eingangs gesagt – die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft deutlich verringern. Deshalb hat das Abgeordnetenhaus den Senat in der Drucksache 16/1468 aufgefordert, die Weiterentwicklung der Schulstruktur zu prüfen. – Das ist ausführlich auch im Bildungsausschuss diskutiert worden.

Dieser Aufforderung ist der Senator mit seinem Vorschlag nachgekommen, den er bereits im September der Öffentlichkeit vorgestellt hat, um sie mit zu beteiligen. Außerdem fand am 13. Mai dieses Jahres eine Fachkonferenz statt, auf der eine breite Zustimmung signalisiert wurde. Wir haben stets betont, dass alle Veränderungen in der Struktur des Berliner Schulwesens mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens einhergehen müssen. Aus dieser Vorlage des Senats resultiert ein Antrag der Koalitionsfraktionen, der nun in diesen Gesetzentwurf mündete.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Was ist neu an der integrierten Sekundarschule? – Sie ist neben dem Gymnasium eine gleichberechtigte Schulform, mit denselben Bildungsstandards. An beiden Schulformen können dieselben Schulabschlüsse erreicht werden. Die Sekundarschule soll als Ganztagsschule integrativ arbeiten; eine Aufteilung in unterschiedliche Bildungsgänge findet nicht statt. Zusätzlich soll pro Bezirk ein Ganztagsgymnasium eingerichtet werden. Das Abitur kann an den Sekundarschulen nach 12 oder 13 Jahren abgelegt werden

und am Gymnasium nach 12 Jahren. Schließlich soll das in Berlin erfolgreich erprobte praxisbezogene Lernen, das den Übergang in die berufliche Bildung vorbereiten hilft, an den Sekundarschulen weiterentwickelt und für alle Schülerinnen und Schüler angeboten werden. Hierzu sind noch Kriterien für die Zusammenarbeit mit den Oberstufenzentren zu entwickeln. Für dieses Angebot haben wir übrigens die volle Unterstützung der Handwerkskammer, der IHK und der Unternehmensverbände.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Als Ausstattung gilt für die integrativen Sekundarschulen eine Frequenz von 25 Schülerinnen und Schülern pro Lerngruppe, mit zusätzlichen Ressourcen für Teilungsstunden und individuelle Förderung. Wir begrüßen auch, dass alle Lehrerinnen und Lehrer an den Berliner Sekundarschulen einheitlich 26 Wochenstunden unterrichten werden.

Gestatten Sie mir noch, weil das so aktuell ist, ein Wort zur Umsetzung in den Bezirken. In der „Berliner Morgenpost“ von heute wurde berichtet, dass die Bezirke Spandau, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg zögerlich mit der Umsetzung des Beschlusses umgehen, obwohl der Rat der Bürgermeister einstimmig für diese Schulstrukturreform gestimmt, ja sogar gefordert hat, man solle sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt einrichten, wohingegen der Senat sagte, man könne das auch auf zwei verschiedene Jahre verteilen. Es ist auffällig, dass es sich dabei ausnahmslos um CDU-Stadträte und eine CDUStadträtin handelt, während die Vorreiter an dieser Stelle natürlich die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln sind.

[Özcan Mutlu (Grüne): Auch reiner Zufall!]

Daraufhin hat sich jetzt auch die GEW auf unsere Seite gestellt und in einer Presseerklärung gefordert, dass sich auch diese CDU-Stadträte endlich einmal bewegen müssten und diese Schulstrukturreform zügig umsetzen sollten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen.

Wir haben mit dieser Schulstrukturveränderung ein riesiges, ehrgeiziges Reformvorhaben angestoßen, um gerechtere Bildungschancen für alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Was ich deshalb in dieser Debatte daher überhaupt nicht verstehe, das ist die Tatsache, dass innerhalb dieses riesigen Reformvorhabens vor allem der Übergang von der Grundschule in die integrative Sekundarschule oder das Gymnasium so heftig diskutiert wurde.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Ach, Herr Mutlu, da sind Sie doch eigentlich vernünftig und einer ganz anderen Ansicht. Jedenfalls kenne ich Sie aus anderen Debatten anders und freue mich schon auf Ihre Rede. – Ich möchte es noch einmal betonen: Die Zulassungskriterien betreffen nur die besonders nachgefragten Schulen. Das sind die Schulen, in denen es mehr Anmeldungen als Plätze gibt. Und das sind nicht nur die Gymnasien, sondern es sind heute auch die Gesamt

schulen mit sehr gutem Ruf, die teilweise bis zu zwei Drittel der angemeldeten Schülerinnen und Schüler abweisen müssen. Für uns seht weiterhin fest: In Berlin steht der Elternwille an erster Stelle.