Protocol of the Session on September 10, 2009

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir wollen mit der S-Bahn Berlin, mit dem Berliner Unternehmen S-Bahn Berlin wieder den Nahverkehr anbieten können, den wir gewohnt sind.

[Ramona Pop (Grüne): Wie das klappt, sieht man jetzt ja!]

Ich bin mir sicher, dass wir es gemeinsam können, aber nicht zulasten der Beschäftigten, sondern mit den Beschäftigten. Deshalb: Weg mit dem Privatisierungsdruck, her mit einem Personalentwicklungskonzept, das auch wieder Neueinstellungen möglich macht, her mit einem Werkstattkonzept,

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

das wieder die technische Sicherheit der Fahrzeuge in den Mittelpunkt stellt

[Zuruf von Claudia Hämmerling (Grüne) – Weitere Zurufe von den Grünen]

und nicht die Rendite eines Unternehmens!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

Ich sehe, dass es keine weiteren Wünsche für Kurzinterventionen gibt. – Ich gebe jetzt das Wort dem Kollegen Meyer von der FDP-Fraktion.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Den gibt es ja auch noch!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion hat bereits in den Jahren 2004 und 2005 kritisiert, dass der Verkehrsvertrag mit der S-Bahn Berlin ohne Ausschreibung und Wettbewerb abgeschlossen worden ist. Ich möchte Ihnen zu Beginn zum Thema Vorgeschichte einige Zitate aus der damaligen Verkehrsausschusssitzung vorlesen. Zum einen Frau Matuschek, die uns eben sehr viel Detailwissen offenbart hat, die hat damals betont:

…, dass man auf eine Ausschreibung verzichtet habe, weil man von der Leistungsfähigkeit der S-Bahn überzeugt sei.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Uwe Doering (Linksfraktion): Was ist daran falsch?]

Herr Gaebler betont:

…, dass das qualitativ hochwertige Angebot der S-Bahn erhalten bleiben müsse.

[Beifall bei der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Was ist daran falsch?]

Die zuständige Staatssekretärin der Senatsverwaltung räumte ein:

…, dass der Vertrag zwar eine außerordentlich lange Laufzeit aufweise, doch damit sei es gelungen, das hochwertige S-Bahnangebot für einen langen Zeitraum zu sichern.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ja!]

Nach fünf Jahren stellt sich heraus, wie sehr man sich irren kann. Die Leistungsfähigkeit im S-Bahnbetrieb ist kontinuierlich in den letzten vier bis fünf Jahren gesunken, wie wir gelernt haben. Das Ganze bei einem Staatsbetrieb.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Was für ein Betrieb?]

Hier wird immer wieder – so auch heute – darauf hingewiesen, dass die geplante Bahnprivatisierung, letztlich der Konsolidierungsdruck durch die Bahn, als Mutter der S-Bahn GmbH, dieses Chaos ausgelöst haben. Nach Auffassung der FDP-Fraktion mag das mit ein Grund gewesen sein.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Echt? Oh, dass wir das noch erleben dürfen!]

Aber: So, wie Sie hier formulieren, dass eine Privatisierung zwingend genau dazu führt, dass diese Qualitätsminderungen eintreten, das stimmt nicht. Sie müssen sich nur

ein wenig in Ihren eigenen Reihen – Herr Gaebler, Frau Junge-Reyer, Herr Wowereit – umhören. Herr Dellmann, Verkehrsminister aus Brandenburg, möchte, dass die S-Bahn zumindest teilweise privatisiert wird, Ihr SPDBundesminister Tiefensee ist der Auffassung, dass eine Bahnprivatisierung nicht per se zwingend zu Qualitätsminderung führen muss. Das meinen auch wir.

Letztlich diskutieren wir hier doch über folgende Frage: Wie viel Raum und welchen Rahmen lässt ein öffentlicher Auftraggeber, das Land Berlin, seinem Auftragnehmer, hier noch dazu einem öffentlichen, nämlich der S-Bahn? Deshalb haben wir es hier mit einem eklatanten Aufsichtsversagen zu tun, wir haben es mit Staatsversagen zu tun, und das müssen wir debattieren. Deswegen geht es auch um politische Verantwortung und nicht um die Verantwortung der Deutschen Bahn.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Weil wir in Berlin im öffentlichen Personennahverkehr keinen Markt und keinen Wettbewerb haben, sind diese Qualitätseinbußen möglich geworden. Dies ist der eigentliche Grund.

[Beifall bei der FDP]

Nur ein Monopolist ohne Wettbewerber, ohne Kontrolle kann ein Unternehmen so leicht finanziell auspressen und so kaputtoptimieren, wie es mit der S-Bahn geschehen ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Martin Lindner (FDP): So ist es!]

Die langfristige Direktvergabe des Verkehrsvertrags an die S-Bahn bis zum Jahr 2017 und der freiwillige Verzicht – das haben wir vorhin auch schon gehört – auf eine mögliche Ausschreibung der Nord-Süd-Verbindung im Jahr 2008 sind klare politische Fehlentscheidungen dieses rot-roten Senats gewesen. Aus diesen Fehlentscheidungen können Sie sich jetzt nicht herausreden. Verantwortung für diese Fehlentscheidung trägt nicht die Bahn, diese war letztlich nur Nutznießerin dieser Fehlentscheidung, sondern der Senat und die verantwortliche SPD-Senatorin Frau Junge-Reyer.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Deswegen fordern wir auch, dass politische Konsequenzen gezogen werden und Frau Junge-Reyer entlassen wird. Wann soll man denn sonst politische Konsequenzen fordern, wenn nicht jetzt, nachdem Hunderttausende von Berlinern durch Ihren Verkehrsvertrag täglich auf dem Weg durch die Stadt einen Albtraum erleben? Stehen Sie zu Ihrer Verantwortung, Frau Junge-Reyer, und gehen Sie!

[Beifall bei der FDP Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Ihre Entlassung ist auch deshalb notwendig, weil das Krisenmanagement des Senats erbärmlich ist. Auch hier

möchte ich gern einen Kollegen von Ihnen, Frau JungeReyer, den verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Herrn Gaebler zitieren, und zwar aus der „Morgenpost“ vom 8. Januar 2009. Dort formulierte Herr Gaebler:

Die S-Bahn erfüllt seit Monaten die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht. Das wird sich das Land Berlin nicht länger bieten lassen. Wenn die S-Bahn auch weiterhin den Verkehrsvertrag mit dem Land Berlin nicht erfüllt, muss man darüber nachdenken, den Vertrag zu kündigen und einen neuen Betreiber zu suchen.

Das war im Januar 2009. Was ist seitdem passiert? – Nichts!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Wir könnten es uns einfach machen, Herr Gaebler, und sagen: Immer wenn die SPD-Fraktion oder Teile der SPD-Fraktion etwas fordern, reagiert der Senat nicht darauf und es passiert nichts. Aber das wäre zu einfach. Der Senat und die Koalition reden und drohen seit Monaten. Wir wissen nun: ohne Wirkung. Sie werden als Auftraggeber von der S-Bahn beziehungsweise Deutsche Bahn AG nicht ernst genommen. Dies kann sich die S-Bahn offensichtlich leisten, weil der Verkehrsvertrag von Frau Junge-Reyer und der SPD dilettantisch verhandelt und abgeschlossen wurde: keine ausreichende Vertragsstrafen, keine vereinbarten Sicherheits- und Qualitätsstandards, keine verbindlichen Service- und Wartungsintervalle, keine Aufsichts- und Kontrollbefugnisse seitens des Senats, keine Rechenschaftspflichten seitens der S-Bahn und vor allem keine Kündigungsmöglichkeiten.

Der Vertrag ist offensichtlich so schlecht und für das Land Berlin so unvorteilhaft, dass sich die SPD und Frau Junge-Reyer seit Monaten weigern, diesen Vertrag in Gänze offenzulegen. Auch dies werden wir Ihnen nicht mehr durchgehen lassen. Sie werden in der von uns beantragten Sondersitzung in der nächsten Woche Gelegenheit haben, diesen Vertrag uns zukommen zu lassen. Wenn das nicht geschieht werden wir auf anderem Weg die Vorlage des Vertrags oder die Einsicht in den Vertrag erzwingen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Andreas Gram: Sehr gut!]

Wir fordern – das wurde von einigen Vorrednern bereits betont – einen verbindlichen Notfallplan, der zügig von Ihnen vorgelegt werden muss. Wir fordern die zügige Offenlegung der Kosten für die Ersatzleistungen, die vor allem bei der BVG anstehen. Darüber hinaus fordern wir eine zügige, unbürokratische Vereinbarung in Bezug auf die Entschädigung der Berlinerinnen und Berliner. Uns geht es nicht nur um die Abokunden, uns geht es nicht nur um spezifische Gruppen. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass die ganze Stadt, alle Berlinerinnen und Berliner durch Ihren dilettantischen S-Bahnvertrag jetzt in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind und deshalb auch alle Berlinerinnen und Berliner durch Gratisfahrten für min

destens einen Monat von der S-Bahn entschädigt werden müssen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Volker Ratzmann (Grüne)]

Letztlich – das zum Schluss – muss der Senat in der Tat den aktuellen Verkehrsvertrag sofort außerordentlich kündigen und anschließend umgehend die geregelte Ausschreibung von sinnvollen Streckenbündeln im Wettbewerb einleiten. Dies wird uns und den Bürgerinnen und Bürgern zwar in den nächsten Wochen nicht helfen, aber dies ist die einzige mittelfristige Garantie für einen leistungsfähigen S-Bahnverkehr in Berlin. Dafür stehen wir. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort hat jetzt der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Er konnte in der Fragestunde nicht zu Wort kommen!]